Viele verwechseln Selbstfürsorge damit, sich selbst lieb zu haben. Bei Selbstfürsorge geht es nicht darum „nett“ zu sich zu sein. Es geht darum, die grundlegenden Dinge zu tun um deinen Körper gesund und funktionstüchtig zu halten. Es ist eine Notwendigkeit. Wenn du gesund sein willst, musst du für dich selbst sorgen.
Wenn du damit ringst, dich selbst zu lieben, kannst du trotzdem Selbstfürsorge betreiben. Man kann den Körper mit einem Auto vergleichen, das regelmäßig Treibstoff braucht, gelegentlich einen Ölwechsel und ab und zu mal Waschen hilft auch. Wenn du es nicht mit Liebe tun kannst, dann behandle dich mit der professionellen Effizienz eines Mechanikers. Aber mach es.
Wir glaube, dass diese Dinge zu Selbstfürsorge gehören:
- Schlaf: ausreichender und erholsamer Nachtschlaf
- Essen: regelmäßige, gesunde Mahlzeiten, gesunde Kalorienzahl, genug Trinken.
- Körperhygiene: Zähne putzen und regelmäßiges Duschen
- Sport: ein gesundes Maß an Bewegung
- Sonnenlicht: raus gehen
Wir nennen das Die 5 Säulen der Stabilität
Sie sind der Anfang der Liste.
- Sicheres Zuhause: du brauchst Sicherheit. Obdachlos sein, ohne einen Platz zum schlafen, ist nicht sicher. Du musst dich zurückziehen können und die Tür abschließen, in Sicherheit vor böswilligen Menschen. Triff dich nicht mit gefährlichen Leuten!
- Finanzielle Sicherheit: die meisten Länder unterstützen die Armen. Wenn das auf dich zutrifft, nimm diese Möglichkeit in Anspruch. Du musst wissen, dass du nicht hungrig und obdachlos sein wirst. Deine Finanzen sollten nicht von anderen Menschen abhängen, ganz besonders nicht von Tätern. Wenn du frei sein willst, musst du alle finanziellen Verbindungen zu ihnen kappen. Lies mehr in Mit wenig Geld zurecht kommen
- Sauberes Zuhause: es ist nicht nötig die perfekte Hausfrau zu werden, putze einfach. Lass kein Essen rumliegen. Alle möglichen Insekten oder Mäuse oder größere Kreaturen verstehen das als Einladung in dein Heim (wir haben mal 5cm lange Würmer in jemandes Teppich gefunden!) Wenn du es nicht selbst tun kannst, bitte um Hilfe oder bezahle jemanden dafür, das zu tun. Jemand anderem die Aufgabe zu übertragen, ist auch eine Form Verantwortung dafür zu übernehmen. (Zufällig kümmern wir uns beruflich um Haushalte. Wenn du Interesse an Haushaltsplänen hast, die man auch mit Dissoziation gut einhalten kann, lass es mich in den Kommentaren unten wissen.)
- Kleidung: Sie sollte passen. Es ist ok eine Nummer größer zu wählen, wenn du nicht gesehen werden willst. Eine Größe reicht. Zwänge dich nicht in Sachen, die nicht passen. Trage gemütliche Schuhe. Deine Kleidung sollte in einem guten Zustand sein, sauber und ohne Löcher. Trage gute Unterwäsche. Viele denken, es sei ok, wenn die Unterwäsche Löcher hat, das sieht ja keiner. Es gibt einen Grund für Unterwäsche und mit Löchern verliert sie ihren Sinn. Kleidung sollte außerdem Jahreszeit und Wetter angepasst sein. Wenn du Probleme hast, Temperatur zu spüren, benutze ein Thermometer und kleide dich entsprechend. Wenn du lange Kleidung brauchst um dich bedeckt zu fühlen, wähle leichte Stoffe für den Sommer.
- Toilette: benutze die Toilette regelmäßig. Das klingt überflüssig, es sei denn du weißt, wovon ich spreche. Wir können aufgrund von dissoziierten Körperteilen oft nicht spüren, wann wir aufs Klo müssten, also müssen wir uns erinnern, da ab und zu mal vorbei zu schauen. Das wir schnell sehr ungesund, wenn man das vergisst.
- Arzt/Zahnarzt: wenn du Schmerzen hast oder sich etwas ungut anfühlt, rede mit deinem Arzt darüber. Warte nicht zu lange. Nimm körperliche Symptome immer ernst. Wir haben eine Menge Symptome, die entweder Körper-Flashbacks sind oder psychosomatisch. Wir lassen sie trotzdem immer überprüfen. Jedes. Einzelne. Mal. Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig.
- Vorsorgeuntersuchungen: die helfen, ein Problem zu erkennen, bevor es ernst geworden ist. Wenn man regelmäßig den Zahnarzt sieht, erspart man sich große Prozeduren. Das ist es wert! Krankheiten wie Krebs sind so viel weniger tödlich, wenn man sie früh erkennt.
- Verletzungen: wenn du dich selbst verletzt, versorge die Wunden. Lass sie nähen! Halte die Wunde sauber, mach nicht daran rum, unterstütze die Heilung so gut du kannst. Wenn du körperliche Einschränkungen hast, überfordere dich nicht.
- Medikamente: nimm verschriebene Medikamente regelmäßig. Tabletten für Schilddrüse, Blutdruck, Blutzucker oder Ähnliches sind wichtig. Nimm auch deine Psycho-Medis. Hör nicht einfach auf sie zu nehmen, weil du dich besser fühlst. Wahrscheinlich fühlst du dich nur besser, weil du sie nimmst. Antidepressiva plötzlich abzusetzen kann zu einer suizidalen Krise führen. Hab keine Angst davor, die vorgegebene Menge Notfallmedikamente zu nehmen. Dein Arzt war sich sicher, dass es ok ist, sie werden dir nicht schaden. Wenn du sie brauchst, dann brauchst du sie.
- Drogen/Alkohol: Tu’s nicht.
- Selbst-Regulation: Nimm dir Zeit deine Gefühle zu regulieren. Reguliere dich selbst innerhalb des grünen und gelben Bereichs, im Wechsel zwischen mittlerer Anspannung und Ruhe. Langweile dich nicht. Mach Pausen. Hilf auch allen Innen sich zu regulieren.
- Sinn&Beitragen: das ist nicht für deinen Körper, sondern ein Grundbedürfnis deiner Seele. Tu etwas, was deinem Leben Sinn spendet. Kleine Freundlichkeiten, freiwillige Arbeit, ein Job, was auch immer. Sei aktiv und trage zu Leben anderer und zur Gesellschaft bei.
- Kommunikation&Beziehungen: noch was für die Seele. Du bist keine Insel. Geh und lausche ab und zu ein paar menschlichen Stimmen. Begegne Menschen. Wir brauchen Verbindung. Das hilft auch zu heilen.
- Spiritualität/Philosophie: praktiziere einen Glauben. Das ist für deinen Geist. Menschen brauchen etwas, woran sie glauben können. (Nein, ich habe nicht „Religion“ gesagt)
- Grenzen: lerne „Nein“ zu sagen und dein Nein zu verteidigen. Grenzen halten schlechte Dinge draußen. Sie schützen dich. Sie halten auch das Gute drinnen! Du hast nur begrenzte Ressourcen. Deine Zeit, Kraft, Geld, Aufmerksamkeit, Fähigkeit zu helfen, Essen, physische und emotionale Stärke sind nur Beispiele von Ressourcen, die begrenzt sind. Verwalte sie gut. Um das zu tun, musst du es mutwillig tun. Menschen werden kommen und versuchen, etwas von dir zu bekommen. Sie meinen das nicht böse. Das machen Menschen so. Wenn du nicht „nein“ sagen kannst, wirst du bald leer und arm sein und keine Zeit für irgendetwas Wichtiges haben. Reagiere nicht einfach nur auf die Bedürfnisse anderer. Antworte, indem du bewusst entscheidest, mutwillig (proaktiv!) Du bist die erste Priorität. Du kümmerst dich um dich. Wenn dann noch Zeit, Kraft etc übrig ist, kannst du dich entscheiden, ob du sie anderen geben möchtest. Das macht dich nicht egoistisch. Es ist so, wie sie das im Flugzeug immer erklären: setzte zuerst deine eigene Sauerstoffmaske auf, dann hilf mitreisenden Kindern. Wenn du das nicht tust, geht dir die Luft aus, du kippst um und andere werden gar keine Hilfe mehr kriegen. Für gewöhnlich wollen die Leute, die wegen Hilfe zu dir kommen, auch in Zukunft noch zu dir kommen können. Sie wollen eine lange Zeit kommen können. Um das möglich zu machen, musst du dich zuerst um dich kümmern, oder du wirst nicht lange durchhalten. Selbstfürsorge bedeutet langfristig zu denken. Es ist uns noch nie passiert, dass eine Person negativ reagiert hätte, wenn wir erklärt haben, dass wir an diesem Tag keine Ressourcen mehr für sie übrig haben. In der Regel sagen sie „ok“, drehen sich um und finden jemand anderen, der ihrem Bedürfnis begegnet. Da sind Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Du bist nicht der Einzige, der helfen kann und du bist nicht ihr Retter. Wir mögen den Gedanken, dass Gott (oder das Universum, wenn du das bevorzugst) schon jemanden vorbereitet hat, der ihnen hilft.
Selbstfürsorge ist nicht verhandelbar. Sie muss höchste Priorität haben. Wenn du Pläne machst, plane das zuerst, dann prüfe ob noch Zeit für etwas anderes ist. Es gibt nichts wichtigeres als das.
Wenn dein aktuelles Leben richtige Selbstfürsorge nicht erlaubt, ändere dein Leben. (Kündige nicht deinen Job! Aber fang an Dinge abzuändern, bis sich die langfristigen Bedingungen geändert haben)
Wenn es da Dinge gibt, die du noch nicht kannst, mach eine Liste. Drück den Gedanken nicht weg. Bei uns steht „Frauenarzt“ auf der Liste der Dinge, die wir noch nicht hinkriegen. Wir sind uns dessen bewusst. Wir lernen regelmäßig über Prozeduren, fragen andere Leute danach, arbeiten an Grounding, was helfen könnte… baby steps. Wir kommen da hin. Zahnarzt klappt jetzt schon ganz gut.
Auf deiner Liste kann alles mögliche stehen. Ordne das nach Schwierigkeitsgrad. Beginne mit dem Einfachsten. Finde heraus, was du brauchst um das zu meistern, dann arbeite darauf hin. Kleine Erfolge können dir Selbstvertrauen geben für größere Herausforderungen. Bleib dabei innerhalb deines Lernfensters, damit du aus der Erfahrung lernen kannst.
Es gibt Situationen, und das sind sehr wenige, wo du für kurze Zeit Selbstfürsorge ignorieren musst um dich einer Krise zu stellen. Diese Situationen sollten Ausnahmen sein. Wenn du dich regelmäßig dort wiederfindest, erhältst du noch einen Lebensstil der Krise aufrecht und musst Veränderungen vornehmen (siehe Grenzen). Selbst wenn du nicht vollständige Selbstfürsorge aufrecht erhalten kannst, kannst du versuchen in die Nähe zu kommen. Wenn wir wissen, dass wir unsere Mahlzeit verpassen, haben wir einen Snack mit Nährwert dabei. Wenn wir nicht schlafen können, ruhen wir aus oder meditieren. Versuche so nah ran zu kommen wie es geht. Nur mach das nicht zu einer Gewohnheit.
Das sind Dinge, die jeder, der gesund sein will, tun muss. Frag deinen T, der tut das auch.
Es werden keine warmen Gefühle benötigt. Du musst das nicht mögen. Tu es einfach.
Das ist das Fundament, auf das wir bauen, um heiler zu werden.
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