Zum Opfer gemacht zu werden verändert Menschen. Ein Opfer ist jemand, der in eine machtlose Position gezwungen wurde, während jemand anderes seine Grenzen übertritt und Macht über ihn ausübt. Das ist wie ein Schlag mit einem Hammer für die Seele. Sie bekommt eine Delle. Wenn sich das wiederholt, beginnt die Seele ihre Form zu verändern und beugt sich, ein Muster wird erkennbar. Das ist die Art wie die Seele solche harten Schlage absorbiert.
Es ist „ein Muster des Denkens, Fühlens und Handelns, basierend auf einer Reihe von Grundannahmen über das Universum. Diese Grundannahmen bilden ein Paradigma, was unsere Erwartungen darüber, was wir erleben und was möglich ist, bestimmt. Es definiert unsere Realität. Es ist wie eine Landkarte, die uns die Beschaffenheit unserer Welt und die verschiedenen Wege zeigt, die uns im Leben offen stehen“ (Stephen Da Silva in “Geld und eine gesunde Seele”)
Das könnte so aussehen:
Wohnen: Du wohnst am erstbesten Ort, den du gefunden hast. Vielleicht ist das eine Bruchbude oder zu teuer für dich, sodass du dir im Winter die Heizung nicht leisten kannst. Du hast Probleme dich um alles zu kümmern. Wenn etwas kaputt geht, lässt du es nicht reparieren, du arbeitest einfach drum herum bis du dich dran gewöhnt hast. Wenn Freunde vorbei kommen, musst du sie erst in deine Methode einweisen. Du bist zu ängstlich den Vermieter anzurufen und Umziehen scheint zu stressig.
Arbeit: Du weißt nicht mehr warum du diesen Beruf gelernt hast. Wahrscheinlich war es die Idee von jemand anderem. Du machst ständig Überstunden, fühlst dich dabei wichtig, beschwerst dich aber darüber. Vielleicht wirst du nicht gut bezahlt. Dein Chef ist ein böser Mann, der dich anschreit. Du kannst nichts richtig genug machen. Deine Angst Fehler zu machen blockiert deine Fähigkeit zu arbeiten. Vielleicht erwartest du Bestrafung von deinem Chef, vielleicht erleichtert dich Bestrafung sogar, weil in deiner Welt die Dinge so sein müssen. Kollegen mögen dich nicht und reden hinter deinem Rücken. Du wechselt oft die Arbeitsstelle, weil du es einfach nicht mehr aushältst.
Therapie: Du hast Angst vor deiner T. Die scheint alles zu wissen und sagt dir immer so harte Sachen. Sie hat kein Einfühlungsvermögen. Du gehst oft geknickt und hoffnungslos raus und möchtest sterben. Wie kann sie dir das antun, du dachtest ihr wäret Freunde.
Du bist außerdem wütend auf deine T. Sie macht nicht genug. Sie sollte dich schon längst repariert haben. Sie sollte dich jeden Abend anrufen lassen, wenn du Panikattacken hast. Vielleicht solltest du ihr drohen, dass du sie verlässt.
Lasst uns die einzelnen Teile genauer Anschauen, die dieses Muster ergeben, diese innere Karte der Welt, die uns in so ein Leben führt.
Chronische Scham
Eine tiefe Überzeugung davon „falsch“ zu sein, schmutzig, nicht genug, zu viel, schlecht, wertlos, unwürdig… selbst zu atmen oder Platz einzunehmen ist mehr, als du denkst zu verdienen. Wenn die Menschen dein „wahres“ Ich kennen würden, würden sie dich verlassen, also versteckst du dich hinter einer Maske.
Chronische Hilflosigkeit
Du hast den Eindruck keine Wahl zu haben, das Leben ist mächtiger als du und zwingt dich immer wieder in Situationen wo du „musst“, aber du kannst nicht. Du weißt nicht, was du tun sollst. Murphy’s Gesetz gilt: alle schlimmen Dinge passieren nur dir, du findest dich immer wieder in missbräuchlichen Situationen Weil du alleine nicht zurecht kommst, bist du davon abhängig, dass andere dir helfen, sogar mit kleinen Dingen und deinem Alltag.
Chronische Überforderung
Leben ist zu schwierig, deine Gefühle zu intensiv und du stellst fest, dass du dich selbst nicht regulieren kannst. Du ertrinkst in deinen Ängsten, bist erschreckt von deinen Wutausbrüchen, gelähmt von Traurigkeit und Depression und unfähig etwas Herausforderndes zu schaffen. Du musst dich auf jemanden oder etwas verlassen, was dich vor dir selbst rettet. Du erzählst Leuten alles, was dich triggert, aber die machen immer wieder Fehler und überfordern dich weiter.
Gleichgültigkeit
Du hast Probleme mit Selbstfürsorge. Du vergisst Mahlzeiten oder zu duschen, verlierst das Interesse am Leben, Hobbys, Beziehungen, vor die Tür gehen und du findest nicht die Kraft, dass dir das lange etwas ausmacht. Wenn du versucht etwas zu verbessern, hindern dich Hilflosigkeit und Überforderung. Das kann sogar so weit gehen, dass du es nicht in dir hast, dass es dir etwas ausmacht, dass du noch in einer missbräuchlichen Beziehung steckst. Selbst schlimme Situationen scheinen ok, weil es dich nicht mehr kümmern kann. Du bist passiv.
Wut & Schuldzuweisungen
Du spürst viel Wut und Verbitterung. Vielleicht über deine Eltern, deinen Chef, deine Regierung oder Gesellschaft oder eine Randgruppe. Jemand ist der „Böse“ in dieser Geschichte und du weißt genau, wer an allem schuld ist. Du regst dich über Zeitungsartikel auf, tratschst über andere Leute und du schaffst es einen ganzen Tag wegen einer Kleinigkeit frustriert zu sein. Manche Leute sagen dir, dass sie eingeschüchtert sind von deinen Wutausbrüchen. Sie bewegen sich in deiner Gegenwart nur auf Zehenspitzen um eine weitere Explosion zu vermeiden.
Gerechtigkeit
Du glaubst nicht an Gerechtigkeit in der Welt. Deswegen erschaffst du deine eigenen kleine Gerechtigkeit, indem du Gesetze und Regeln umgehst. Die gelten für dich nicht so wie für andere. Du hast spezielle Rechte, weil du so viel Ungerechtigkeit erfahren hast. Jetzt kannst du das wieder wett machen. Du erwartest, dass für dich Ausnahmen gemacht werden. Du bist unehrlich mit Finanzen und vielleicht klaust du auch, weil du das für „ausgleichende Gerechtigkeit“ hältst. Deine Überzeugung, dass Regeln für dich nicht gelten, bringt dich immer wieder in Schwierigkeiten, aber aufgrund deines Musters von Schuldzuweisungen ist immer jemand anderes verantwortlich.
Grenzen
Du hast kein Konzept von gesunden Grenzen. Das kann sich auf zwei Arten zeigen.
Vielleicht erzählst du Leuten, die du gerade erste getroffen hast, alles über deinen Missbrauch und deine Diagnose. Du erlaubst Leuten Zugang zu deinem Leben, ohne zu überprüfen, ob sie sicher sind. Du kannst zu nichts und niemandem Nein sagen, also gibst du ständig Sachen weg, die du bräuchtest und bekommst Sachen, die dir schaden. Du konfrontierst respektloses Verhalten nicht, aus Angst verlassen zu werden. Jeder kann so ziemlich alles mit dir machen, was er will und du erhebst keinen Einspruch.
Vielleicht gehst du auch in das andere Extrem und lässt niemanden an dich ran. Vielleicht sind deine Grenzen zu Mauern geworden, die Liebe, Intimität und echte Verbindung draußen halten. Du scheinst kalt, distanziert, rational und unabhängig. Du teilst niemals etwas von Bedeutung mit anderen und selbst nach jahrelangem Kontakt haben Menschen das Gefühl dich gar nicht zu kennen. Vielleicht bist du auch mal arrogant genannt worden.
Vertrauen
Auch hier gibt es zwei Richtungen. Vielleicht vertraust du jedem und wirst deswegen ständig über den Tisch gezogen. Du öffnest dich für schädliche Beziehungen, Betrug und dafür, von anderen benutzt zu werden. Du hattest keine Ahnung, aber dein neuer Freund ist mit deinem Geld abgehauen. Anscheinend war er süchtig. Wie hättest du das wissen können?
Auf der anderen Seite kann es sein, dass du niemals niemandem traust. Du beobachtest immer alle sehr genau, immer in Erwartung des Schlimmsten. Unter Leuten zu sein heißt angespannt zu sein und wachsam, niemand hat gute Absichten.
Selbst-Management
Es scheint normal, dass dein Leben außer Kontrolle ist. Du bist immer hinterher beim Geschirr spülen, schaffst es nie pünktlich zu sein, du verpasst Deadlines bei der Arbeit und bei der Steuer regelmäßig und findest nichts und du hast Schulden, obwohl du gar nichts Wertvolles besitzt.
Hilflosigkeit und Überforderung machen das zu einem chronischen Zustand. Du reitest ein Pferd im vollen Galopp und hältst dich panisch an der Mähne fest, weil du die Zügel nicht zu fassen kriegst. Vielleicht erklärst du Menschen, dass „du nun mal so bist“ und dass sie das akzeptieren müssen.
Opportunismus
Du änderst deinen Weg, wann immer du eine Gelegenheit für eine schnelle Lösung siehst, eine kleine Erleichterung in einem Bereich deines Lebens. Die änderst dich selbst um zu den Umständen zu passen und wählst den Weg des geringsten Widerstandes, auf Kosten deiner Werte und Ziele im Leben. Wenn du eine offene Tür findest, gehst du durch. Du lebst mit dem kurzfristigen Ziel es einfach zu haben, ohne die langfristigen Kosten oder auch nur die Richtung, in die du gehst im Blick zu haben. Du setzt dir keine Ziele und gehst keine Risiken ein.
Mitleid & Selbstmitleid
Du hast ein ausgiebiges Verständnis davon, wie unfair und gemein das Leben zu dir ist. Vielleicht neigst du zum Jammern, vor allem in Gegenwart anderer. Zu hören, wie sie dir zustimmen, dass du arm dran bist und Mitleid verdienst, gibt dir das Gefühl verstanden zu werden. Wenigstens einer der mich versteht! Wie nett und kuschelig. Es hört auf sich warm anzufühlen, wenn sie anfangen Vorschläge zu machen, wie du Sachen verändern könntest. Dann verstehen die gar nichts! Es kann nicht besser werden (siehe Hilflosigkeit)
Schwarz-weiß Denken
Jeden Bereich im Leben kannst du in schwarz und weiß unterteilen. Es gibt kein grau. Du hast dir eine Meinung gebildet. Die Wissenschaft kann etwas anderes sagen, aber du weißt es besser. Deine Welt zerbricht, wenn jemand plötzlich die Seiten wechselt und „böse“ wird, weil er etwas getan hat, was du nicht erwartet hast. Du dachtest du kennst ihn.
Hoffnung
Da ist wenig Platz für Hoffnung in deinem chronisch negativem Denken. Du erwartest schlechte Dinge. Du hast nicht die Fähigkeit von einer Zukunft zu träumen. Dein Denken setzt aus oder füllt sich mit Bildern von Unglück und Suizid. Du bist dir sicher, dass nichts besser wird, und wenn es das tut, kannst du es nicht sehen, weil es noch nicht perfekt ist. Wenn da Hoffnung ist, dann legst du sie in andere Menschen, die dich retten oder andere äußere Faktoren, nicht in deine eigenen Fähigkeiten.
Beziehungen
In deinen Beziehungen gibt es immer ein Machtgefälle. Du bist entweder aggressiv, passiv oder passiv-aggressiv. Oft ersetzt Manipulation offene Kommunikation. Du erwartest, dass andere deine Gedanken lesen können und Dinge wissen, die du nie ausgedrückt hast. Deine Beziehungsdynamik basiert auf Triangulation. Beziehungen sind für dich Ressourcen, nicht zwischenmenschliche Verbindung. Dir wurde gesagt, dass du kontrollierend bist, aber du hast doch nur versucht deine Bedürfnisse zu kommunizieren. Vielleicht hast du keine Ahnung was Freunde tun, wenn sie Zeit miteinander verbringen.
In der Summe wird all das oft „Opfermentalität“ genannt. Ich hasse diesen Begriff. Besonders in der Kirche wurde er benutzt, um Leuten zu sagen, sie könnten das einfach von sich weisen und plötzlich wären sie anders.
So funktioniert das nicht. Es ist nicht nur ein Gedanke, das ist durch Trauma in die Seele eingraviert.
Schon wenn man sich bewusst wird, dass es dieses Muster in der eigenen Seele gibt, ist das eine Leistung. Für gewöhnlich fühlt sich das so normal an, dass wir es gar nicht merken, dass da was nicht stimmt.
Ich möchte, dass du weißt, dass es kein Grund ist sich zu schämen, wenn man so ist. Das ist die natürliche Reaktion auf Trauma. Ich habe noch keinen einzigen Traumapatienten getroffen, der nicht Anzeichen dieses Musters gezeigt hat. Es ist Teil der Störung, nicht Teil von dir. Eine Störung, da wo sich die Seele gebeugt hat, macht dich nicht zu einem schlechten Menschen. Es macht dich vielleicht zu einem Menschen, dessen Gesellschaft für andere schwierig ist. (Wenn du das liest und nicht traumatisiert bist, bitte verstehe, dass niemand sich aussucht, so zu werden. Bitte verurteile nicht)
Du bist so nicht mutwillig geworden, aber du entscheidest, ob du so bleiben willst.
Manche Leute mit dieser Art „Beugung“ in der Seele finden andere, deren Beugung zu ihrer passt. So haben eine co-abhängige Beziehung. Einer in der Beziehung darf „machtvoll“ sein, während der andere eine machtlose Position einnimmt. Das klappt wunderbar, solange sich niemand ändert oder heilt. Wenn du dich entscheidest in diesem bekannten Muster in deinen Beziehungen zu bleiben, erhältst du dein Trauma den Rest deines Lebens aufrecht. Es kann dir nicht besser gehen, wenn du das Gebeugte umarmst. In diesem Fall kannst du dich nicht wirklich „Überlebender“ nennen. Du bist wirklich ein Opfer und bleibst es bewusst.
Das Gebeugte in dir ist nicht deine Schuld, aber es ist letztendlich deine Verantwortung. Es besteht aus grundlegenden Glaubenssätzen, die du gelernt hast um zu überleben. Die gelten heute nicht mehr. Tatsächlich verursachen sie heute nur Schwierigkeiten. Du kannst dieses Glaubenssystem in dir in Frage stellen und den inneren Mustern eine neue Form geben, die Karte des Universums umschreiben. Du kannst die Wahrheit herausfinden über dich, andere und die Welt. Gib nicht auf. Es braucht Zeit und du wirst die Hilfe von Leuten brauchen, die eine andere Landkarte haben als du. Auf der anderen Seite von dem allen ist Freiheit, Freude, starke Beziehungen, Selbstbeherrschung und ein lebenswertes Leben.
Ein Buch, was uns auf diesem Weg sehr geholfen hat ist „Lass deine Liebe an“ von Danny Silk. Wir arbeiten selbst noch daran unsere Muster zu verändern.
Hier ist eine Übung die hilft Hilflosigkeit zu überwinden
Mehr über Grundwerte
Falls dich das interessiert, lies mal Jes 57,15 in deiner Elberfelder Bibel
Leave a Reply