Arbeitsbuch Komplexe PTBS: Ein Geist-Körper-Ansatz zur Wiedererlangung der Emotionskontrolle und der Ganzheit
Geschrieben für: Menschen mit komplexer PTBS
Spezieller Fokus: Psychoedukation und Selbsthilfe für komplexe PTBS
Was es nicht ist:
- ein Ersatz für richtige Traumatherapie
- spezifisch über Dissoziation oder strukturelle Dissoziation
Sprache: Die Sprache ist einfach gehalten aber professionell. Der Tonfall ist mitfühlend und kommuniziert Verständnis und Unterstützung ohne dabei sentimental zu werden.
Buch: Gerade erst auf deutsch erschienen ist es auf dem neusten Stand der Forschung zu komplexer PTBS und der modernen Behandlungsansätze. Der Preis scheint mir angemessen. Beispiele sind nicht offensichtlich triggernd, aber man kann sich leicht damit identifizieren.
Überblick
Kapitel 1: Trauma verstehen
erklärt komplexe PTBS, Differentialdiagnostik, komorbide Störungen, was zur Entstehung von kPTBS beiträgt, die Bindungsproblematik und die Symptome von kPTBS in Körper, Emotionen und Gedanken im Detail. Eine wundervolle Sammlung von Informationen, die Denkanstöße enthält, die helfen sich selbst einzuordnen.
Kapitel 2: komplexe PTBS behandeln
Hier wird Verhaltenstherapie, DBT, EMDR und IFS vorgestellt, sowie Ansätze für die Körperarbeit wie Yoga, sensumotorische Psychotherapie, somatic experiencing und eine ganze Liste weiterer Ansätze. Das soll einen Überblick verschaffen und erklärt die Therapien nicht im Detail. Es finden sich auch Ideen für den Umgang mit Widerstand und wie dieser zu verstehen ist. Therapiephasen und die Bedingungen für diese Arbeit werden erklärt, um dir zu helfen herauszufinden, ob du bereit bist für Therapie.
Kapital 3: Vermeidungs-Symptome heilen
erklärt verschiedene Arten wie Vermeidung aussehen kann, warum das in der Vergangenheit hilfreich war und wie radikale Akzeptanz helfen kann jetzt weiter zu kommen. Atemübungen, DBT Skills, Achtsamkeit und Body Scan werden eingeführt. Es gibt auch Vorschläge wie man positivere Gedanken und bessere Gewohnheiten für Selbstfürsorge entwickeln kann, Anweisungen wie man sich einen sicheren Ort baut, grundlegende Grounding Übungen, Tresor und innere Helfer, alles zur Vorbereitung für die Trauma Arbeit.
Kapitel 4: invasive Symptome heilen
hier können wir lernen unsere Gedanken und Denkfehler in Frage zu stellen, einen kognitiven Ansatz um unsere Emotionen zu regulieren, Grenzen und Selbstwirksamkeit, wie man Konflikte löst, was es mit dem Lernfenster auf sich hat und auch Körper-bewusste Ansätze, um sich selbst zu regulieren. Es wird eingeladen über die eigene Traumageschichte zu reflektieren, das Schmerzhafte aber auch die Widerstandskraft, sowie über generationenübergreifendes Trauma.
Desensibilisierung und verschiedene Methoden dafür werden vorgestellt, vor allem Verhaltenstherapie und EMDR, und wie Traumaintegration funktioniert. Dieser Teil soll zusammen mit einem Therapeuten statt finden, nicht als Selbsthilfe zu Hause.
Kapital 5: depressive Symptome heilen
hilft Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Scham zu hinterfragen und Depersonalisierung und Derealisation zu verstehen, geht auf Trauer ein und bietet auch Körper-bezogene Ansätze um damit umzugehen. Es finden sich ein paar Worte zum Sinn und Unsinn von Medikamenten und Übungen, um den Vagus Nerv zu stimulieren. Der Gedanke von „gesundem Egoismus“ wird vorgestellt um Selbstwert zu erhöhen und mehr Freude zu schaffen.Du kannst positivere Glaubenssätze schaffen und damit deine Stimmung verbessern.
Kapitel 6: Langfristiges Wachstum unterstützen
erklärt wie man Resilienz erhöht, Kreativität und Mitgefühl (mit einem Fokus auf Vergebung und Dankbarkeit) und bietet noch einmal einen Überblick über alle im Buch vorgestellten Werkzeuge.
Fachworte werden hinten noch einmal gesondert erklärt. Dort findet sich auch eine Liste mit hilfreichen Büchern, TED talks, Webseiten und Telefonnummern.
Nach dem Lesen
Es war ein Vergnügen das zu lesen, weil dieses Buch ein sehr gutes wissenschaftliches aber auch mitfühlendes Verständnis für kPTBS zeigt. Die Balance zwischen kognitiven und Körper-bezogenen Ansätzen ist besser als in den meisten Selbsthilfe Büchern. Alles wichtigen Übungen für die Traumatherapie werden erklärt.
Die Aufgaben zur Reflexion sind gut ausgewählt, aber nicht immer auf eine Art präsentiert, die dazu einlädt damit zu arbeiten.Es gibt Platz um sich Notizen zu machen, aber keine Arbeitsblätter, wie ich das von einem „Arbeitsbuch“ eigentlich erwartet hätte. Aus rein pädagogischer Sicht hätte man das besser gestalten können. Die Werkzeuge werden nur sehr kurz vorgestellt und das könnte manchen nicht ausreichen um wirklich zu verstehen, wie man das für sich nutzen kann. Die kleinen Übungen zur Körperarbeit scheinen wir einfacher auch alleine umzusetzen zu sein, als die kognitiven Aufgaben.
Ich halte es für ein gutes Einsteigerbuch, was Therapie-begleitend genutzt werden kann. Man kann über die Werkzeuge lesen, aber am besten lernt und nutzt man sie doch zusammen mit einem Therapeuten. Das gilt besonders für die verhaltenstherapeutischen Ansätze um Gedanken zu verändern und selbstverständlich die Trauma Arbeit an sich.
In diesem Buch werden sehr viele Themen abgedeckt. Es ist recht stark was Psychoedukation angeht, schwächer im Bereich Selbsthilfe. Wenn jemand einfach nur nach den grundlegenden Werkzeugen sucht, würde ich eher „growing beyond survival“ empfehlen, was im Moment ins Deutsche übersetzt wird. Wenn du nach einer guten Sammlung von Informationen über komplexe PTBS suchst, was das ist und allerlei Arten das zu behandeln, ist dieses Buch vielleicht etwas für dich. Es lädt in jedem Fall dazu ein sich tiefer in Themen rein zu lesen, die hier nur angerissen werden.
Was für uns beim lesen sehr klar geworden ist, ist wie wichtig es ist mit einem Therapeuten zu arbeiten. Selbsthilfe für komplexe PTBS ist begrenzt. Wir können ein Dutzend Werkzeuge lernen, aber dann müssen wir die Schritte immer noch gehen und das ist ohne richtige Trauma Therapie kaum möglich. Aus diesem Grund werden Selbsthilfebücher irgendwie immer etwas enttäuschend sein.
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