Präsentifikation ist eine integrative mentale Handlung, in der wir unsere Erfahrung mit ihrer bestimmten Zeit in unserem Leben verbinden. Es kommt zu einer Realisation, dass die Vergangenheit vergangen ist, dass wir gerade im Jetzt leben und dass eine Zukunft vor uns liegt. Lebensereignisse können an ihren Platz auf einem Zeitstrahl einsortiert werden und die gefühlte Realität dieser Erfahrungen verändert sich und passt sich an. Dinge aus der entfernten Vergangenheit oder entfernten Zukunft fühlen sich weniger real an als Dinge der nahen Vergangenheit oder Zukunft, während sich die Gegenwart am realsten anfühlt.
Fehlende Präsentifikation bei Trauma
Flashbacks
Flashbacks sind ein Zeichen, dass eine traumatische Erfahrung nicht integriert ist. Wir erleben die Vergangenheit immer noch so, als würde sie gerade passieren, das fühlt sich realer an als die Gegenwart und eine Zukunft oder Veränderung können wir uns dabei gar nicht vorstellen. Es fehlt die Realisation, dass es vorbei ist und die Erlebnisse in der Vergangenheit liegen. Das Wiedererleben hört erst auf, wenn die Erinnerungen ihren Platz zwischen unseren anderen Erinnerungen finden und wir uns unserer Lebensgeschichte bewusst werden. Dann wird es sich weniger real anfühlen als die Gegenwart und aufhören unser Leben zu dominieren.
Anachronistische Verhaltensweisen
Auch anachronistisches Verhalten ist ein Zeichen, dass es an Präsentifikation fehlt. Wir handeln auf eine Art und Weise, die zu TraumaZeit durchaus Sinn ergeben hat, aber heute ist unser Verhalten unpassend und wir merken das nicht immer selbst. Stell euch vor, jemand saß heute morgen auf dem Fahrrad, um auf die Arbeit zu radeln und jetzt sitzt die Person am Schreibtisch und macht immer noch die Strampel-Bewegungen mit den Beinen.
Weil wir nicht realisieren, dass die Vergangenheit vergangen ist, versuchen wir weiterhin unsere Ziele der Vergangenheit zu erreichen, indem wir versuchen Handlungen abzuschließen, die in der traumatisierenden Situation von Bedeutung gewesen sind.
Wir radeln vielleicht nicht, aber unsere Versuche uns zu verstecken, keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, Versorgung und Bemutterung zu suchen, uns zu verteidigen, unsere Unterwerfung und das Nachgeben, der Zone-Out wenn uns jemand kritisiert, die Vermeidung enger Beziehungen usw, das sind alles anachronistische Verhaltensweisen, die heute nicht mehr angemessen sind. Die bringen uns viel mehr in Schwierigkeiten. Andere Menschen halten uns für Crazy, denn in einem sozialen Kontext sieht unser Verhalten genauso absurd aus wie das Rad fahren am Schreibtisch. Überlebende werden wegen anachronistischem Verhalten oft gemobbt.
Reine Verhaltenstherapie kann unsere merkwürdigen Verhaltensmuster nicht lösen, wenn die darauf beruhen, dass wir noch versuchen, Handlungen in der Vergangenheit zu Ende zu bringen, weil uns gar nicht bewusst ist, dass die Situation vorbei ist. Manche Ts nennen das ‘behandlungsresistent’ aber in Wirklichkeit ist es eine Form von Dissoziation, die nur durch Integration und spezifisch, durch Präsentifikation, zu lösen ist.
Reinszenierung
Auch wenn uns das nicht bewusst ist, kann unser Kopf noch in der Vergangenheit stecken und das führt dazu, dass wir Situationen aus der Vergangenheit im heutigen Leben nachbauen. Weil die Vergangenheit noch als zu real wahrgenommen wird, benutzen wir sie wie einen Bauplan für unsere Interaktionen heute. Die Art, wie wir Sinn aus der Welt ziehen ist eine alte und führt zu den gleichen alten Entscheidungen und Konsequenzen. Was früher wichtig war, ist es jetzt vielleicht nicht mehr und wir konzentrieren uns auf nebensächliche Details und verpassen den großen Zusammenhang eines erwachsenen Lebens. So wird es keine Veränderung geben. Weil uns Realisation der Vergangenheit fehlt, machen wir sie zu unserer Zukunft.
Präsentifikation in Trauma
Wir brauchen Synthese, Realisation und Personifikation, um das mit der Präsentifikation richtig hin zu kriegen. Das braucht die meiste mentale Energie und geht so auch bei Stress am schnellsten verloren.
Grounding
Es gibt einen wichtigen Grund, warum es bei Orientierung&Grounding ein Element von Orientierung in der Zeit gibt. Das ist eines unserer wirksamen Werkzeuge, um den Effekt von Flashbacks zu reduzieren. Wir ziehen uns selbst in die Gegenwart, während wir die Erinnerung in Richtung ihres Platzes in der Vergangenheit schieben. Das verhindert nicht, dass Flashbacks passieren, aber es ist wichtige Erste Hilfe. Auch wenn Worte alleine nicht ausreichen, um Präsentifikation zu erreichen, helfen sie uns dabei. Also sagt euch weiter laut was für ein Jahr es ist und dass die Vergangenheit vorbei ist. Das macht einen Unterschied.
Trauma Bearbeitung
Trauma Arbeit schließt in der Regel ein Element von Zeit mit ein, indem ein Zeitstrahl von Ereignissen mit einem Anfang und einem Ende geschaffen wird. Es ist besonders wichtig zu realisieren, dass die traumatisierende Erfahrung tatsächlich ein Ende hatte. Das ist eine kraftvolle Erkenntnis und sie schließt eine komplexe mentale Handlung ab, die zur Integration der Erinnerung führt. Bei der Synthese setzen wir die Puzzleteile zusammen, mit Realisation wissen wir deutlich, dass es real war und wie es war, in der Personifikation nehmen wir es an als zu uns gehörend und in der Präsentifikation stellen wir es an seinen Platz in unserer Lebensgeschichte. Das gehört zu uns und hat unser Leben und zum Teil auch unsere Identität heute geprägt, aber es ist ein Ereignis, das in der Vergangenheit liegt. So kann das zu einem Abschluss kommen, die Erfahrung findet ihren Platz und kann dort bleiben, statt ständig in unsere Gegenwart rein zu brechen. Das Element von Dissoziation, das die Erinnerung hat stecken bleiben lassen, wird aufgelöst. Das Trauma wird eingebettet in unsere Lebensgeschichte.
Veränderung und Sinn
Mit der Präsentifikation kommt eine Bewusstsein für Veränderung. Wir haben uns verändert. Wir sind erwachsen geworden und größer, haben Fertigkeiten gelernt, vielleicht Liebe gefunden. Wir sind nicht das kleine Kind, das wir mal waren. Wenn wir nicht in der Vergangenheit fest stecken, können wir diese Veränderungen realisieren und spüren und uns mit unserer heutigen Identität und unserem Leben einrichten.
Täterpersonen haben sich auch verändert. Sie sind älter geworden, vielleicht sind die krank oder tot. So richtig haben wir das vielleicht vorher gar nicht wahrnehmen können, weil unser Bild von ihnen noch in der Zeit festgesteckt hat, zusammen mit unseren anderen Erinnerungen. Ein gut geerdeter Blick darauf, wer sie heute sind, kann uns helfen, loszulassen und weiter zu gehen. Die sind es gar nicht wert, mehr Zeit mit ihnen zu verschwenden.
Alle möglichen Veränderungen können passieren, wenn wir aus anachronistischen Verhaltensweisen und alten Mustern heraus treten. Und wir werden sie zurück lassen, sobald wir wissen, dass die Vergangenheit vergangen ist, weil das plötzlich nicht mal mehr für uns Sinn ergeben wird. Dann schauen wir vielleicht runter, bemerken, dass wir am Schreibtisch radeln, fühlen uns verwirrt darüber warum in aller Welt wir sowas denn machen, und hören einfach auf. Verhalten, dass keine VT der Welt ändern kann, kann sich sehr plötzlich auflösen, wenn die alte Erfahrung integriert wird.
Die Vergangenheit in die Vergangenheit zu bringen, kann unser Bild von uns selbst, den Selbstwert, Grenzen, Selbstwirksamkeit etc verändern. Unsere Interpretation unserer Erfahrungen verändert sich und wir kreieren daraus einen anderen Sinn und andere Bedeutung als vorher. Mit neuen Sichtweisen kommen neue Entscheidungen. Deswegen ist Therapie auch nicht gleich nach der Trauma Bearbeitung zu Ende. Wir kriegen noch ein wenig Zeit, um uns an Veränderungen zu gewöhnen, raus zu finden wer wir heute sind und was für Ziele wir für die Zukunft haben.
Die Integration von Trauma kann einen großen Unterschied machen. Die Erinnerung wird nicht weg gehen, aber wir können endlich weiter machen mit Leben.
Fehlende Präsentifikation in DIS
Ein strukturelles Problem
Strukturelle Dissoziation führt bei DIS Systemen zu einer speziellen Situation.
ANPs sind sich in der Regel der Gegenwart gut bewusst, aber ihnen fehlt das Wissen und die Realisation der Vergangenheit.
Derweil stecken traumatisierte Anteile in der Vergangenheit fest, erleben sie endlos als etwas, das gerade passiert und sie haben wenig bis gar kein Bewusstsein für die Gegenwart. Oft stecken auch kontrollierende Anteile in der Vergangenheit fest, auch wenn manche genug von der Gegenwart mitbekommen, um anachronistisches Verhalten als Reaktion zu heutigen Situationen zu zeigen. Das ist, wenn Anteile uns bestrafen für unser ‘Fehlverhalten’, weil sie sehr wohl bemerkt haben, dass wir alte Regeln gebrochen haben, aber eben völlig verpasst haben, dass unser ganzes Leben heute anders ist und diese Regeln gar nicht mehr gelten. Selbst mit Informationen über das heute, sind die Rückschlüsse darüber bei EPs oft fehlerhaft. Das führt zu Konflikten bei Zielen innerhalb des Systems.
Intrusionen
Anteile, die in TraumaZeit feststecken, können nicht alle ihre Erfahrungen für sich behalten. Wir sind nicht absolut unabhängig voneinander, irgendwo sind wir verbunden, auch wenn es nur ein klein wenig ist. Das bedeutet, dass es Intrusionen geben wird, die ANPs wie Flashbacks erleben, aber das lässt sich nicht beeinflussen, egal wie viel Orientierug&Grounding oder Achtsamkeit wir anwenden. Werkzeuge um Flashbacks zu managen sind wirkungslos. Genauso wie DBT Skills. Wenn der Anteil, der da in TraumaZeit feststeckt keine Präsentifikation erlebt, dann werden die Intrusionen auch nicht aufhören. Wir erleben Kontrollverlust und es gibt wenig, was wir tun können, außer wir arbeiten an Verbindung und Integration. ANPs können die Vergangenheit nicht einfach ignorieren und so tun als gäbe es nur die Gegenwart. Das führt nur zu mehr Depersonalisierung und Derealisation, um die Intrusionen zu überdecken. Und wahrscheinlich zu großem Rätselraten, warum sich die Dissoziation nicht managen lässt und nichts hilft. Das ist kein Mysterium. Das ist klassisch.
Kind Anteile
Einer der kniffligsten Bereiche, wo es ein Fehlen von Präsentifikation gibt, ist bei Kindanteilen, die sich selbst als noch klein erleben und natürlich auch so handeln. Das ist hochgradig anachronistisch für ein System in einem erwachsenen Körper und kann zu viel Verwirrung und Leiden führen. Ich weiß, manche Leute sind stark investiert darein, diese Dissoziation aufrecht zu erhalten, in der Hoffnung sich selbst doch noch eine schöne Kindheit zu geben. Auch wenn ich das Bedürfnis sehr gut verstehen kann, wird uns das langfristig nicht sehr weit bringen.
Bei vollständiger Präsentifikation bewegt sich unser Gefühl davon ein Kind zu sein in die Vergangenheit, wo es in unsere Lebensgeschichte eingebettet wird und mit diesem Fundament leben wir in dem Bewusstsein jetzt erwachsen zu sein. Der Prozess ist eng verbunden mit Personifikation und das ist für sehr weit Fortgeschrittene, also müssen wir uns darüber jetzt noch keinen Kopf machen bis wir da hin kommen, wenn wir das überhaupt tun. Was wir allerdings brauchen werden, sind Wege und Strategien um sicher zu leben, während wir Anteile haben, die noch denken, dass sie klein sind. Die Welt da draußen ist nicht sicher für Erwachsene, die sich wie Kleinkinder verhalten.
Präsentifikation bei DIS
Kleine Anfänge
Alle Anteile unseres Systems mit der Gegenwart zu verbinden ist ein Langzeit Projekt. Wir können die normalen Werkzeuge von Orientierung&Grounding verwenden, aber wir müssen dabei unsere traumatisierten Anteile darin unterstützen, das mit uns zu machen. Wir laden sie ein durch die Augen raus zu schauen und die Welt draußen zu sehen, die Details in unserem heutigen Leben zu bemerken und binden sie mit ein in Handlungen von Heute. Wir machen das gerne beim Hunde anschauen im Park, Kekse backen oder spielen. Es ist am besten, mit sicheren und spaßigen Aktivitäten anzufangen und später langweilige Alltagsdinge dazu zu nehmen, wie Geschirr spülen oder Wäsche zusammen legen usw. So lernen Innenkinder, dass das Leben manchmal lustig ist und oft langweilig, aber in jedem Fall sicher uns anders als die Vergangenheit.
Trauma Bearbeitung als Team kommt später. Wir haben schon viel gewonnen, wenn Innenkinder sich wirklich bewusst sein, dass Heute anders ist und sie nicht mehr in ständigen Flashbacks gefangen sind.
Manche finden das hilfreich, eine Art Rettungsaktion zu imaginieren, wo Anteile, die gut in der Gegenwart geerdet sind, oder Innere Helfer traumatisierte Anteile aus der Szene oder Erinnerung raus retten, in der sie feststecken. Das müsst ihr mit euren Ts vorbereiten, weil da auch ein bisschen Trauma Material dabei ist und das schnell überfordern kann, wenn damit nicht richtig umgegangen wird. Für manche Innenkinder ist das eine sehr überzeugende Aktion, die ihnen hilft, in der heutigen Realität anzukommen.
Realität checken
Es kann einige Zeit dauern, bis die Vergangenheit und die Gegenwart nicht mehr verwechselt oder vermischt werden. Anteile werden anachronistische Reaktionen zeigen, während sie sich noch ‘zwischen drin’ befinden. Dann können wir zusammen arbeiten und Realitäts-Checks machen. Anteile können vergleichen, wie sie die Situation heute wahrnehmen, wie sie das interpretieren und anderen Anteilen helfen zu verstehen, was Dinge heute bedeuten.
Das wird oft gebraucht, um ein klares Bild von unseren Beziehungen zu kriegen, vor allem Helfenden oder Autoritätspersonen gegenüber. Da braucht es ein ständiges Bemühen darum, die alten Ziele von alten Erlebnissen auszusortieren, die wir immer noch versuchen in der neuen Beziehung zu lösen.
‘Unsere T kann nicht unsere Mutter sein. Sie ist beschäftigt damit unsere T zu sein und Ts machen ganz andere Sachen als Mütter. Anträge und Berichte schreiben und Dinge mit der Krankenkasse und Therapie Übungen beibringen. Ja, es tut weh, dass unsere Mutter nicht getan hat, was sie hätte tun sollen, aber das liegt in der Vergangenheit und ist lange vorbei. Anteile suchen noch nach Bindung und Fürsorge, aber unsere T ist die falsche Person um das zu erwarten. Die ist eine T, kein Mutterersatz.’
‘Unser T hasst uns nicht, weil wir zu bedürftig sind. Das war unsere Vater, der war vor langer Zeit gemein zu uns, wie viele Jahre ist das her? Mehr als 30 Jahre her. Das ist, wann unser Vater gemein zu uns war, wenn wir was gebraucht haben. Unser T wird dafür bezahlt uns zu helfen, wenn wir alleine nicht klar kommen. Das ist sein Job. Er ist früher nicht gemein gewesen und er wird auch jetzt nicht gemein sein. Er hat gesagt wir können schreiben, wenn es zu schwer ist selber zu sortieren, also dürfen wir das und werden nicht bestraft.’
Das sind Standard-Situationen. Vergangenheit und Gegenwart wurden vermischt. Wenn wir uns daran gewöhnen immer und immer wieder Realitäts-Checks zu machen, wenn wir spüren, wie dieses bestimmte Gefühl von Verzweiflung und Drama in uns hoch steigt, dann können wir unsere Anteile erden in dem, was gerade wirklich passiert. Auch wenn die Wahrheit nicht immer so ist, wie wir sie gerne hätten, ist die immer noch weniger schmerzhaft als unser vermischtes Erleben sein würde.
Es kann viele Erklärungen und Demonstrationen und schwierige Gefühle dauern, bis wir durch dringen mit der Realisation, dass Heute anders ist und die Leute andere sind und dass altes Verhalten nicht mehr zeitgemäß ist.
Das selbe gilt für kontrollierende Anteile, aber meiner Erfahrung nach neigen die dazu Veränderungen schneller aufzugreifen, wenn sie erst einmal merken, dass ihre Schutzmechanismen nicht mehr gebraucht werden. Bei manchen kann es aber intensive Realitäts-Checks brauchen, um alte Verhaltensweisen zurück zu lassen.
Sinn und Bedeutung
Wenn wir auf die Ganzheit unseres Lebens zurück schauen können, erklärt das vieles. Die Puzzleteile unserer Lebensgeschichte ergeben ein kompletteres Bild davon, wie wir hier her gekommen sind und wer wir sind. Wenn wir uns unsere Erfahrungen und Verhaltensweisen im Kontext unserer Vergangenheit anschauen, dann ergeben sie Sinn. Wir fühlen uns nicht mehr, als wären wir verrückt, statt dessen sehen wir klar. Die Amnesien, die uns davon abhalten zu verstehen, können überwunden werden, wenn wir uns erlauben, zu wissen.
Wenn Erfahrungen integriert werden dann verändern sie sich in Relation zum Rest unseres Lebens. Was mal lebenswichtig erschien, kann seine Bedeutung verlieren. Anteile, die das starke Bedürfnis haben Kleinigkeiten bei uns oder anderen Personen zu kontrollieren, bemerken vielleicht, dass diese Details gar nicht wichtig sind, wenn die Erwartung nicht mehr da ist, dass sie zum nächsten Trauma führen. Plötzlich werden sie zu Hintergrundgeräuschen, normalen Dingen, und unsere Aufmerksamkeit, die aus Situationen Sinn herausbildet ist wieder frei, um sich auf das zu konzentrieren, was heute wirklich wichtig ist. Die wahrgenommene Realität von Bedrohung hat sich in die Vergangenheit verschoben.
Wenn wir als System es schaffen, die Welt in der Gegenwart in einer gemeinsamen Art zu betrachten, die nicht ständig davon verzerrt wird in TraumaZeit fest zu stecken, dann teilen wir öfter unsere Interpretationen davon, was passiert und finden mehr gemeinsame Ziele. Wenn wir an geteilten Zielen arbeiten, werden wir effizienter und funktionaler im Leben.
Fortgeschrittene Präsentifikation
Es kann zu unterschiedlichen Zeiten passieren, manchmal bei der Trauma Bearbeitung, manchmal zu anderen besonderen Anlässen oder schleichend mit der Zeit, aber wenn wir dem Weg der Integration weiter folgen, wird es einen Zeitpunkt geben, wenn Kindanteile realisieren, dass sie nicht mehr klein sind. Und nicht mit dem Schock einen alten Körper im Spiegel zu sehen, sondern mit der Realisation, dass Jahre, Jahrzehnte, vergangen sind. Vielleicht beginnen sie in unserer Wahrnehmung zu altern oder sie fusionieren mit älteren Anteilen oder sie nehmen ihren Platz ein im Fundament von dem, wer wir sind und tauchen nicht mehr losgelöst von unserer Erinnerung auf.
Damit verbunden ist Trauer über eine Kindheit, die weniger als perfekt war und Trauer darüber die Illusion aufzugeben, in der Zeit zurück zu reisen und alles besser zu machen. Wenn Innenkinder sich verändern, kann das auch zu Trauer bei den Anteilen führen, die viel mit ihnen zu tun hatten. Es verändert sich sehr viel.
Am Ende dieses Weges, in Verbindung mit Personifikation, haben wir die DIS überwunden. Danach braucht es in der Regel noch Therapie, um zu lernen als Einheit zu leben und integriert zu bleiben.
All das braucht sehr viel integrative Kapazität und passiert nicht einfach spontan oder vor der Zeit. Wenn wir da hin kommen, werden wir auch bereit dafür sein. Es macht keinen Sinn da irgendwas zu pushen.
Wie weit ein System mit dem allen kommt, hängt sehr stark von der integrativen Kapazität und Ressourcen ab. Dissoziation ist adaptiv, wenn Kapazität niedrig ist. Nichts von all dem sollte Druck auf irgendwen ausüben. Das ist mehr eine Karte, die grob aufzeigt, wo ein möglicher Weg lang führen kann.
Durch Präsentifikation gewinnen wir ein Gefühl von Selbst, dass all unsere Lebenserfahrungen gleichzeitig umfasst, ein Gefühl für unsere Vergangenheit und Gegenwart und eine Zukunft, die wir auf ein umfassendes Verständnis unserer Lebensgeschichte und wie diese uns beeinflusst hat aufbauen können. Unsere Persönlichkeit ist ein Produkt unserer Lebenserfahrung und wenn wir diese zusammen führen, dann kann auch unsere Persönlichkeit einheitlicher werden. Unser Leben gewinnt an Kontext und Bedeutung.
Für mich persönlich ist es am einfachsten, in der Stabilisierungsphase an Präsentifikation zu arbeiten. Das legt für den Anfang einen großen Fokus darauf, erst mal in der Gegenwart anzukommen. Diese kleinen Schritte am Anfang sind schon Teil der Intregrations-Prozesses und ohne fest in der Gegenwart geerdet zu sein, wird die Trauma Bearbeitung unschön. Während Grounding die große Präsentifikations-Herausforderung für EPs ist, wird die Trauma Bearbeitung die Präsentifikations-Herausforderung für ANPs. Alle Zeiten unseres Lebens müssen mit ihren Erfahrungen verbunden werden, um in die richtige Relation zueinander zu kommen und sich darin zu verändern, wie real sie sich für uns anfühlen. Das 3-Phasen Modell macht völlig Sinn, also haltet euch dran. Die letzte Phase ‘Integration’ zu nennen ist nicht mehr ganz zeitgemäß, wo alles, was dort hin führt eigentlich schon Teil von Integration ist.
In der Realität sind die Bausteine von Integration eng miteinander verbunden. Ich mag es, meine eigenen Fortschritte im Auge zu behalten, deswegen halte ich immer wieder Ausschau nach Anzeichen dieser Elemente. Ich finde das sehr ermutigend und hoffe, ihr könnt manches davon auch auf eurem Weg entdecken.
(Ihr findet diese Infos auch in Das Verfolgte Selbst und Die Trauma Trinität (Nijenhius), wenn ihr gerne knifflige Sachen lest)
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