Das verfolgte Selbst – strukturelle Dissoziation und die Behandlung chronischer Traumatisierung
von O. van der Hart, E. Nijenhuis, K. Steele
Geschrieben für: gute DIS Therapeuten und solche, die es werden möchten,
Ärzte, deren Aufgabe es ist, strukturelle Dissoziation in ihren Patienten zu erkennen
Spezieller Fokus: strukturelle Dissoziation
Was es nicht ist:
- für Patienten geschrieben
- leicht zu lesen, zu verstehen und zu akzeptieren
- praktische Hilfe für das Leben mit DIS
- nur über DIS, es umfasst auch Subtypen und strukturelle Dissoziation in komplexer PTBS
- unterhaltsam. Das ist langweilige Theorie. Aber unheimlich wichtig.
- über Programmierung/ mind control
Sprache: Allgemeine psychologische Begriffe werden ohne Erklärung verwendet. Ausdrücke, die zur Theorie selbst gehören werden aber im Detail erklärt. Es könnte wertvoll sein diese Begriffe zu lernen, weil sie einen sprachfähiger machen, für das, was man erlebt. Das Buch ist auf englisch sehr viel günstiger erhältlich, aber wirklich nur verständlich, wenn man ausgezeichnete und einschlägige psychologische Sprachkenntnisse hat.
Zum Buch: Es ist sehr logisch, analytisch und mitleidslos, eine gut strukturierte Beschreibung einer umfassenden Theorie ohne Wiederholungen. Da ist keine emotionale Wärme drin, aber eine große wissenschaftliche Leidenschaft mit der die Autoren dafür kämpfen, dass DIS von Ärzten und Therapeuten besser verstanden wird. Ich sage das, weil manche sich verletzt fühlen durch das Fehlen von Empathie. Für andere ist das ideal zum lernen.
Überblick
(Das Buch hat 460 Seiten, deshalb kann ich nur eine kurze Zusammenfassung geben)
Teil 1 Strukturelle Dissoziation der Persönlichkeit
- erklärt die Beziehung zwischen Trauma und der Theorie der strukturellen Dissoziation
- führt ANP und EP als grundlegende Anteile ein und wie Handlungssysteme und Erinnerungen innerhalb der Persönlichkeit getrennt werden
- erklärt sehr detailliert was primäre, sekundäre und tertiäre Dissoziation bedeutet und wie man das in DSM-V und ICD-10 richtig diagnostiziert
- erklärt wie andere dissoziative Symptome im Sinne der Theorie struktureller Dissoziation verstanden werden können und macht die Diagnosen sehr viel klarer
- drückt Bedenken darüber aus, dass der Begriff „Dissoziation“ nicht scharf genug abgegrenzt ist, seitdem Veränderungen des Bewusstseinszustandes wie Depersonalisierung/Derealisation dazu gezählt wird. Das ist wichtig, weil es anders behandelt werden muss!
- erklärt im Detail wie andere Trauma-bedingte Störungen im Hinblick auf strukturelle Dissoziation verstanden werden können.
- Alles zur Differentialdiagnose
Teil 2 Traumatisierung und Janets Psychologie des Handelns
- beschreibt, wie strukturelle Dissoziation angepasste Reaktionen aufs Leben, das Erreichen von Zielen, das Verständnis der Welt und unseres Selbst beschränkt
- warum Synthese benötigt wird um funktionaler zu werden. Damit löst sich das Stigma auf, was Integration in der DIS Kultur oft begleitet.
- Führt die Konzepte von Realisation, Personifikation und Präsentifikation ein, als Weg um strukturelle Dissoziation aufzulösen und erklärt im Detail, wie man das erreicht. Diese therapeutische Orientierung macht mehr Sinn, als alles, was wir bisher gehört haben.
- die Hierarchie der Handlungstendenzen, die dabei helfen kann den Stand einzelner Anteile und des Systems zu erfassen und aufzeigt, woran als nächstes zu arbeiten ist.
- beschreibt verschiedene Phobien, die strukturelle Dissoziation aufrecht erhalten und wie man sie angehen kann. Diese Phobien betreffen speziell strukturelle Dissoziation und Ts, die davon noch nie gehört haben, könnten das in der Behandlung übersehen oder durch Gegenübertragung selbst mit hinein gezogen werden.
Teil 3 Behandlung von chronisch traumatisierten Patienten
- beschreibt den Unterschied zwischen einfacher PTBS und komplexem Trauma und der Notwendigkeit, das anders zu behandeln.
- Assessment, inklusive empfohlener Tests und wie man ein dissoziatives System einschätzt
- mentale Ökonomie um die Funktionsfähigkeit zu erhöhen, ein interessanter Ansatz, den wir sehr motivierend fanden
- Phase 1, sehr detailliert, inklusive Probleme mit Bindungsverhalten, Vermeidung von allem, was Trauma-Bezug hat wie Anteile, Emotionen, den Körper usw und wie man damit umgeht.
- Phase 2 und wie man an traumatische Erinnerungen ran geht, sehr ausführlich, inklusive gemischter Gefühle gegenüber Tätern
- Phase 3 zu weiterführender Integration, was das bedeutet und wie man da hin kommt. Eines der wenigen Bücher, die tatsächlich genau erklären, was in dieser Phase eigentlich passieren soll! Weitere Phobien, die überwunden werden müssen, werden genau erklärt. Trauern, Sexualität, gesunde Risiken eingehen usw und das Ende der Therapie sind hier Themen.
Nach dem Lesen:
Ich war sehr stolz, dass ich es geschafft habe. Es hat 5 mal länger gedauert, als andere psychologische Lehrbücher.
„Ich bin normal“ war mein wiederkehrender Gedanke beim Lesen. Ich bin kein Alien, besonders schwierig, in der Tat gar nicht soo etwas Besonderes. Es ist einfach nur normale DIS. Ich sehe nicht so aus, wie Hollywood DIS darstellt. Aber ich sehe exakt so aus, wie es in diesem Buch beschrieben wird. Das war eine große Entlastung für mich und hat mir mit meiner Verleugnung und den Zweifeln geholfen.
Dann überkam mich der traurige Wunsch, dass die Leute, die erfolglos versucht haben mich zu behandeln, das auch gelesen hätten. Ich hätte für sie Sinn ergeben. Sie hätten verstanden, was sie da sehen. Das hätte allen sicher viel Ärger erspart.
Dieses Buch sollte eigentlich Pflichtlektüre sein für alle , die dafür verantwortlich sind, Traumatisierte zu diagnostizieren. Diese Theorie ist das Fundament jeder guten DIS Therapie.
Es beschreibt in jedem Fall sehr viel mehr, als man als Patient wissen muss. Aber ich möchte das wissen. Weil ich fähig sein will, schlechte Therapie zu erkennen, wenn ich sie erlebe. Ich möchte darüber aufgeklärt sein, wie es aussehen sollte, sodass ich meine T kritisch im Auge behalten kann. Es hilft mir Therapeuten zu vertrauen, wenn ich sehe, dass sie ein richtiges Verständnis dessen haben, was in mir vor sich geht.
Ich glaube dieses Buch ist von unschätzbarem Wert.
Über das kommende Jahr werde ich immer wieder Artikel zur Theorie von struktureller Dissoziation aus diesem Buch einstreuen. Ich werde versuchen das herauszufiltern, was für uns Patienten tatsächlich wichtig ist. Das Buch ist recht schwer zu lesen und ich möchte auf diesem Blog gerne ein tieferes Verständnis von Dissoziation vermitteln.
Monika Wünsche says
Ich bin per Zufall auf Ihre Seite gestoßen und finde Sie super kompetent! Danke, da lerne ich als Therapeutin eine ganze Menge für meine mir anvertrauten Menschen, die ich bei der Bewältigung Ihres Lebens mit DIS und PTBS begleiten darf und möchte. Ich habe mich schon sehr weitergebildet und freue mich über Ihre so einfache Sprache und wichtige Hilfe für Betroffene. Ich empfehle Ihre Seite gerne weiter! Bitte halten Sie mich af dem Laufenden. Herzliche Grüsse, Monika Wünsche
Rosayna Jamit says
Ich bin sehr dankbar fuer deine Webseite. Du gibst uns viele wichtige Inspirationen und Ideen wie man mit dem Heilungsweg voran schreiten kann.