Wenn wir lernen Dissoziation zu stoppen, kommen wir oft in Kontakt mit DBT Skill-Training. Das lehrt uns Dissoziation frühzeitig zu erkennen und dann verschiedene Skills zu verwenden, aus denen wir eine Skillkette machen, um uns zu regulieren und in unser Stresstoleranzfenster zurück zu kehren.
Theoretisch ist das ein guter Plan, der durchaus funktionieren kann. Nur stellt sich heraus, dass es kein Allheilmittel ist und gerade komplex traumatisierte Patientinnen oft mit DBT generell und dem Skilltraining im besonderen nicht zurecht kommen. (Studie hier)
DBT Skills sind dazu gedacht verwendet zu werden, wenn wir merken, dass wir dissoziieren. Alle Frühwarnzeichen, die wir lernen und die wir ständig abchecken sind Signale, dass wir schon leicht dissoziieren. Dieses Wissen erlaubt es uns, die Dissoziation zu unterbrechen. Das reduziert nicht wie oft wir beginnen zu dissoziieren. Das kann man nicht willentlich beeinflussen. Unser Hirnstamm entscheidet in eine Stressreaktion gehen, ganz ohne im Neocortex um Erlaubnis zu fragen oder sich einen Rat einzuholen, welche Stressreaktion gewählt werden soll. DBT Skills halten das nicht auf. Das geht automatisch und unwillkürlich.
Wenn wir unser Trauma bearbeiten wollen, müssen wir präsent sein, damit die Behandlung greift. Deswegen wird Dissoziation abgelehnt und von Patienten wird erwartet, dass sie ihre Stressreaktionen kontrollieren. Obwohl das natürlich sehr wichtig wäre, ist es auch völlig unmöglich. Patienten entscheiden sich nicht zu dissoziieren. Das ist nicht wie eine toxische Coping Strategie wie Selbstverletzung oder Saufen, sondern eine physiologische Reaktion, nicht viel anders als Reflexe. Viele Kliniken verlangen von dissoziativen Patienten, dass sie aufhören zu dissoziieren, weil das die Behandlung behindert. Und die Werkzeuge, die angeboten werden, sind DBT Skills. Aber die können Dissoziation immer nur unterbrechen. Als Patient kann man immer nur tun was menschen-möglich ist, um es zu stoppen, aber mit diesem Werkzeug wird die Menge an Dissoziation nicht runter gehen, wir bilden keine Toleranz oder sind weniger getriggert.
Es gibt ganz grob 2 Wege, um die Stresstoleranz vielleicht zu erhöhen und den Stress, der in unserem Nervensystem stecken geblieben ist, zu reduzieren. Einer davon ist schnell die Trauma Erinnerung durchzuarbeiten, in der Hoffnung, dass dadurch auch alle anderen Symptome nachlassen. Dazu müssen wir präsent bleiben. Um das zu schaffen müssen wir über die ganze Zeit gegen unsere normale physiologische Reaktion ankämpfen, indem wir DBT Skills verwenden. Es ist möglich das so zu tun und wir haben unsere Gedanken dazu hier festgehalten. Dass ist ein extremer Lösungsansatz mit einem hohen Risiko, dass etwas schief läuft. Die Abbruchrate für diese Art von Behandlung ist sehr hoch. Ich denke, dass das eine radikale aber effektive Vorgehensweise ist, wenn sich das Trauma auf wenige Erlebnisse beschränkt und man hart und schnell zu einem Ende kommt. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist für Menschen mit einer Geschichte von chronischem Trauma. Die Extremsituationen, die diese Behandlung erfordert, bestätigen unser Grundgefühl immer und immer wieder überleben zu müssen, und wir beweisen, dass wir es können und wiederholen damit Trauma Muster.
Ein anderer Weg unser Stresstoleranzfenster zu erweitern ist Achtsamkeit. Das ist Teil des ursprünglichen DBT Designs. Aber weil DBT nicht für hoch-dissoziative Traumapatientinnen entworfen wurde, wird dabei nicht beachtet, wie wenig Toleranz wir dafür haben unseren Körper wahrzunehmen. Die Achtsamkeit, die eingeübt wird, ist zu schwer, sodass Patientinnen sich kurz ihrer selbst bewusst werden und davon so überfordert sind, dass sie in die Dissoziation zurück geworfen werden. Und dann ist das einzige Werkzeug, was ihnen gereicht wird wieder DBT Skills. Das bedeutet, dass, wenn man Pech hat, die gesamte Zeit davon geprägt ist DBT Skills zu benutzen, um Dissoziation zu unterbrechen, während man unfähig bleibt die Dinge zu tun, die das Stresstoleranzfenster weiten würden, um langfristig Dissoziation zu verhindern. Wir selbst saßen im Rahmen eine DBT Programms regelmäßig in 40 Minuten langen Body Scans. Unsere Erfahrung ist, dass wir einen Body Scan von 5 Minuten schaffen können (und das nach Jahren von Übung, beginnend in einem chronisch dissoziierten Zustand). So werden tragischerweise die richtigen Werkzeuge angeboten, aber die Art wie sie praktiziert werden, macht es für chronisch dissoziierende Patienten unmöglich davon zu profitieren.
Wenn wir das Konzept von Titration nutzen könnten, wenn wir Achtsamkeit lernen, könnten die Resultate deutlich besser sein. Besonders bei Patienten mit einem Hintergrund von chronischem Missbrauch ist das angeraten. Zuerst müssen wir unser Lernfenster etwas weiten und mit unserem Körper erleben, dass wir jetzt sicher sind. Das ist ist deutlich anders, als immer nur Dissoziation zu beenden und könnte die Qualität unseres Lebens heben.
Wir kriegen regelmäßig Feedback von komplex Traumatisierten, dass DBT Skills für sie nicht funktionieren. Wenn wir uns das aus einer polyvagalen Perspektive anschauen, verstehen wir vielleicht, warum das so ist. All die intensive Stimulation, der wir uns aussetzen, ist ein Hinweisreiz für Gefahr. Wenn wir davon ausgehen, dass unser Gehirn automatisch alles in die Kategorien ‘sicher’ oder ‘gefährlich’ einordnet und wir in eine Stressreaktion gehen, sobald etwas als gefährlich wahrgenommen wird, dann verstehen wir, dass es unmöglich ist, dass harte DBT Skills uns zurück in unser sicheres und soziales System bringen. Und das sollen sie auch gar nicht. Sie sind dazu da eine sensorische Unterbrechung unseres Zustandes zu verursachen, die uns auf der polyvagalen Leiter eine Stufe nach oben bewegt, von Shutdown zu Flight/Fight. Das ist der Grund warum wir Skillketten benutzen, um die Leiter weiter hoch zu klettern. Deswegen haben wir einen Farbcode für unsere Skills und verketten sie von rot/harte DBT Skills über gelb zu grün, wobei grün dann Hinweisreize für Sicherheit geben soll, um unsere Fähigkeit für soziale Interaktion wieder herzustellen. Das ist die Theorie.
In der Realität nehmen Traumapatienten manchmal überall Hinweise auf Gefahr wahr. Selbst wenn der dissoziative Zustand kurz unterbrochen wurde und sie in sympathische Aktivierung gehen, wird die Situation als Bedrohung wahrgenommen, die man nicht bewältigen oder der man nicht entkommen kann (allein schon das physische Erleben von Hyperarousal ist ein Hinweisreiz auf Gefahr!) und sie werden zurück geworfen in die Dissoziation, wo sie wenigstens nichts spüren.
Manche DBT Skills sind direkte Trauma Trigger oder Dinge die Täter verwendet haben, um ihre Opfer während des Missbrauchs vom dissoziieren abzuhalten. Das ist ein echtes Problem, vor allem bei organisiertem Missbrauch, und Patienten solche Skills zur Unterstützung anzubieten erhöht nur die wahrgenommene Bedrohung. Wir selbst müssen jedes Klinikteam, mit dem wir arbeiten, warnen, welche klassischen DBT Skills nicht verwendet werden dürfen, um endlose Flashbacks zu vermeiden.
Es ist eine schwierige Situation. Patientinnen müssten für eine Behandlung präsent sein, können es aber nicht. Statt sie zu noch mehr DBT Skills zu drängen, wäre es gut nach anderen Techniken zu suchen, die helfen. Das könnte Diskrimination sein, sodass einiges nicht mehr als gefährlich wahrgenommen wird. Es könnte titriertes trauma-sensitives Yoga sein oder andere körper-orientierten Verfahren, die direkt mit den Stresssystemen arbeiten (zB somatic experiencing), statt alles durchs Denken lösen zu wollen. Kognitive Ansätze sind recht schwach wenn es darum geht unser Nervensystem zu heilen. Wir können Fertigkeiten zur Regulation lernen, aber die werden nicht verändern wie oft wir in Dysregulation fallen. Wir brauchen neue Ansätze. Der Nutzen von DBT Skills ist hier begrenzt.
Die Art, in der in Kliniken oft mit Dissoziation umgegangen wird, ist potentiell schädlich und schafft Schuldgefühle und Scham. Es ist vielerorts ein Standard, dass Patienten einen Vertrag unterschreiben, in dem sie versprechen alles zu tun, um nicht zu dissoziieren. Ich wiederhole das noch mal, das ist nicht möglich. Wir können nicht entscheiden, wann unser Nervensystem etwas als gefährlich einstuft und Dissoziation startet. Wir müssen auch versichern, dass wir alles tun werden, um Dissoziation zu verringern, aber die Werkzeuge, die uns angeboten werden nützen nur um sie zu unterbrechen, nicht um das Vorkommen zu reduzieren. Das ist wie gegen Windmühlen kämpfen, wenn es kein Angebot gibt, was tatsächlich das Stresstoleranzfenster erweitert. Zuletzt wird Patienten das Versprechen abgenommen sich Hilfe zu holen, wenn sie dissoziieren. Das ist oft unmöglich. Dissoziation bedeutet, dass wir unser sicheres&soziales System hinter uns gelassen haben, wo wir noch erfolgreich nach Hilfe suchen können. Gehirnscans zeigen, wie große Flächen im Gehirn ihre Aktivität runter fahren, sodass planvolles Handeln nicht mehr möglich ist. Was hier von Patienten erwartet wird, ist unrealistisch und führt oft zu großer Scham. Der Behandlungsvertrag lässt es so klingen, als wäre es möglich das willentlich einzuhalten, wenn wir uns nur genug anstrengen, wo unsere Fähigkeiten zu Handeln in Wirklichkeit ziemlich eingeschränkt sind. Das mag für weniger dissoziative Patienten alles klappen, aber diejenigen, mit einem sehr kleinen Stresstoleranzfenster haben wenig Chancen auf Erfolg. Und wenn alles, was jedes mal neu angeboten wird nur wieder DBT Skills sind…
Es hat mich immer besorgt, dass in der klassischen DBT die Kontrolle über Verhalten über die Beziehungen gestellt wird und dass Patientinnen, die nicht fähig waren sich zu regulieren daraufhin isoliert werden, um ihr Problem alleine zu lösen. Aus der polyvagalen Perspektive ist sicherer, sozialer Kontakt und sichere Bindung ein Schlüssel, um bei der Regulation zu helfen. Sichere Bindung reduziert Dissoziation. In einem Maß, dass es möglich macht von der Menge von Dissoziation in einer Therapiesitzung auf die Qualität der therapeutischen Beziehung zu schließen. Alleine gelassen werden ist nicht nur ein Hinweisreiz auf Gefahr, es wiederholt auch ein Trauma Schema. Ein dysreguliertes Nervensystem ist nicht wirklich Verhalten, dass man durch kognitive Verfahren ändern kann. Das wird nicht bestärkt, wenn man jemandem Aufmerksamkeit schenkt. Die Isolation ist unnötig, beschämend und untherapeutisch. Das ganze Konzept ist fehlerhaft, wenn man es auf Trauma und Dysregulation anwendet. Ich bin offen erleichtert zu sehen, dass modernere Konzepte wie RO-DBT diesen Fehler erkannt haben und endlich die Beziehung über die Symptome stellen, sodass Patienten richtige Unterstützung erfahren können, statt die Gesellschaft eines Blattes Papier mit unsinnigen Fragen darüber, wie man eine unwillkürliche Stressreaktion kontrollieren könnte.
DBT ist keine Trauma Therapie. Sie heilt Dissoziation nicht. DBT Skills helfen uns einen Teil davon zu kontrollieren, wenn es schon begonnen hat. Und dafür brauchen wir sie. Wenn sie das einzige sind, was uns angeboten wird, weil wir als chronisch dissoziierende Patienten nicht stabil genug sind, von den anderen Elementen von DBT zu profitieren, würde das bedeuten, dass wir für immer mit Dissoziation leben müssten, immer dabei uns im Auge zu behalten, um es zu stoppen, wenn es passiert.
Es braucht mehr. Unser Nervensystem braucht eine Chance zu heilen und stärker zu werden. Wir müssen ein Gefühl von Sicherheit in dieser Welt finden. Und das passiert nicht durch Expositionstherapie gepaart mit den Gefahrenreizen von harten DBT Skills.
Wir haben DBT Grundlagen auf diesem Blog und sie sind unersetzlich, wenn es darum geht Dissoziation zu stoppen. Aber da können wir nicht stehen bleiben, wir müssen darüber hinaus gehen, um wirklich zu heilen. Und wir können kein klassisches DBT Programm nehmen und das für die Traumabehandlung anwenden. Es braucht einige Korrekturen. Es ist gar nicht so schwer, das alles an Trauma Bedürfnisse anzupassen. Nur so wie es gerade oft gemacht wird, ergibt das aus polyvagaler Sicht wenig Sinn.
Jana says
Super, wenn das auch Therapeuten verstehen würden, wãre das Leben einfacher.
Ich komme mit den härtesten Skills max. 1/2 Tag klar und dann bin ich wieder weg.
Im Flashback oder in Intrusionen, dissoziiert.
Der Therapeut schweigt, die Stunde kann ich nicht lenken, weil ich schon beim Eingang weg bin.
Es ist nicht widerwillig, ich kann es nicht kontrollieren und habe noch keinen Weg gefunden, mir mein Leid (kòrperliche Intrusionen) zu erleichtern.
Daher, danke, fûr diese Worte. Vielleicht lesen mehr Therpeuten davon
Theresa says
Vielleicht hilft dir unser Artikel zu somatischen Flashbacks ein wenig?
Insgesamt kann ich Körpertherapie wie Somatic Experiencing sehr empfehlen, da lernt man das mit der Regulation richtig.
Noisette says
CN Misshandlung in der Therapie
Danke für diesen Beitrag!
Ich – wir – haben definitv Trauma durch die stationäre DBT-A. In keiner anderen Klinik kam ich mir so dermassen alleingelassen vor. Alles was Platz in Gesprächen hatte waren diese Tagespläne ob man dysfunktionale Strategien angewendet hat.
Mobbing unter den Patienten wurde toleriert.
Dass Anspannung für uns keinen Sinn ergaben weil wir uns einzig verletzten um Anteile hervorzurufen oder sich da zu behalten wurde komplett ignoriert.
Benzodiazepine als Bedarf verweigert, weil sie abhängig machen, dabei bei uns das einzige was hilft, obwohl ebenfalls so unangenehm dass kaum je gebraucht.
Isolation ohne jede Zuwendung und viel zu lange bis wir gebrochen waren, denen alles gesagt haben (obwohl wir nicht lügen durften, konnten und es grauenhaft war) was sie hören wollten um wieder rauszukommen.
Leute, wenn ihr merkt es ist nichts für euch: brecht ab, bevor es euch wirklich schadet!
Auch wenn sie sagen dass “man Skills üben muss”, was nicht passt, passt nicht und Skills anzuwenden kann man auch zuhause lernen, mit Literatur (oder auch nur www) und erwas denken!
Eva says
Ich kann die Aussage leider nur bestätigen. Inzwischen geht dis zurück, doch sie wurden nur als “Monster” gesehen, von denen ICH mich lossagen muss. Eine Therapeutin ambulant meinte, Dissoziation ist absichtlich Therapie schädliches Verhalten und notfalls “stellen wir (=Therapeuten) sie (=Patienten) auf ein Wackelbrett in die Mitte der Gruppe, zwei Igelbälle in die Hände und ein Chiligummi in den Mund”. Dann bleiben die anwesend. Doch lernfähig oder im resignierten fawn (=retraumatisierendem Unterwerfungszustand)?
Ich finde das katastrophale Unkenntnis und Hybris und gar keine sichere, freundliche und hilfreiche Technik. KPTBS ist eben auch fawn und das darf in Therapie nicht verursacht werden.
Laure says
Danke für diesen sehr wertvollen Artikel! Mir hat DBT selbst mit “normaler PTBS”-Diagnose nicht weitergeholfen, im Gegenteil. Das, was du beschreibst und auch einige in den Kommentaren, ist das, was ich an DBT extrem kritisch sehe und alles andere als menschlich, individuell, wie Therapie eben sein sollte.
Kannst du mir vielleicht mehr über die modernen Ansätze RO-DBT und die Unterschiede erklären? Das wäre super, habe das nämlich gerade bei dir das erste Mal gelesen. Oder auch Links, wo ich da mehr drüber nachlesen kann. Gerne auch englisch.
Theresa says
RO-DBT hab ich mir angeschaut, weil das speziell für Menschen mit Überkontrolle ist. Normale DBT dreht sich ja um impulsives Verhalten. Es gibt aber Menschen, die das entgegengesetzte Problem mit der Impulskontrolle haben und die überkontrolliert sind. RO-DBT hat in der Priorisierung die Beziehung vorgezogen. Wenn es einen Zwischenfall gibt, dann wird immer erst der Beziehungsbruch repariert und dann geschaut, dass man sich das Problemverhalten anschaut. Leider ist auch RO-DBT ein DBT Programm mit behavioristischer Menschensicht und ich halte das für Trauma-bedingte Überkontrolle für ungeeignet. Überhaupt weiß ich nicht, warum wir uns noch mit Behaviorismus in der Therapie rum schlagen müssen… Dass es Verbesserungen innerhalb des DBT Ansatzes gibt, bedeutet leider nicht, dass er grundsätzlich geeigneter wird, sondern nur, dass ein Teil des Problems anerkannt wird und jemand sich Mühe gibt, neue Erkenntnisse einfließen zu lassen. Falls du doch rein schauen möchtest, weil du mit Zwanghafter Persönlichkeitsstörung oder restriktivem Verhalten zu tun hast, gibt es das Skills Training Manual für radically open dialectical behavior therapy von Lynch auf Englisch.
Franzi says
Danke für den tollen Beitrag. Mir brachte DBT die letzten 20 Jahre auch nichts ausser Verzweiflung und Selbstzweifel und letztendlich Wut auf Therapeuten sowie das Gefühl einfach nicht verstanden zu werden. Meistens wurden die Symptome nur kurz besser, um mir dann so richtig heftig um die Ohren zu fliegen. Hab heute für mich auch endlich kapiert, dass das ein langer Holzweg war.
Ana Nym says
Die DBT hat durchaus sinnvolle Inhalte. Man sollte die eben soweit ausprobieren und nutzen, wie es gut tut.
Mein Traumatherapeut ist sehr umfassend ausgebildet, alles hypermodern und wir machen jede Woche Skills. Aber er macht das nicht sklavisch streng, sondern werden von ihm einfach mal so zwischendrin angewandt. Ohne Druck, ohne Stress, ohne Aggressivität, sondern so wie man andere Übungen auch macht, die eben zu anderen Therapierichtungen gehören. Das ist doch jetzt echt egal, ob man Skills aus der DBT nimmt, oder aus der anderen Therapieform eine visuelle Stimulation oder aus einer anderen Therapieform den “Igel”. Ich finde das sehr nett, wenn mein Therapeut sagt:”Ich glaube, am Besten machen wir mal jetzt den “Igel”! Ich mach’ den “Igel” auch mit!”.
Man kann jede Therapieform hart oder soft umsetzen. Das ist ein wichtiger Punkt.
DBT, so wie es in Kliniken gemacht wird, ist oft schlecht gemacht, sklavisch streng gemacht, weil die Therapeuten darauf getrimmt wurden, das Manual nicht zu verlassen. Die DBT wird dauernd neu angereichert, weil die Begründer längst verstanden haben, dass da viel im Argen liegt.
Die DBT ist für Patienten gedacht, die nur wenig dissoziiert sind. Für mich liegt die DBT auch im Sterben, auch wenn viele sie beatmen wollen, die das gelernt haben und drauf schwören.
Ich denke, dass das, was in der DBT an guten Modulen drin ist, durchaus weiterhin Berechtigung hat.
Grade z.B. der gefürchtete Bodyscan ist für mich sehr zum Segen geworden. Ich habe das Jahre lang geübt, was für mich sehr schwer war. Da reicht es auch, wenn man es jeden Tag nur 5 Minuten macht. Warum soll ich 50 Minuten machen, wenn ich merke, es geht mir nach 5 Minuten dann zu sehr in die Miesen. Man muss auf sich selbst aufpassen und nicht alles grade machen, was andere einem vorgeben. Man ist ein erwachsener mündiger Mensch und muss halt sagen, was man will oder nicht will, was man kann und was nicht.
Heute profitiere ich davon, dass ich geübt habe. Ich kann mit meinem Therapeuten, der Körpertherapeut ist, alle Termine von zu Hause aus online machen, weil meine Körperwahrnehmung so fein und gut trainiert ist, dass wir das so machen können. Das erspart mir viel Geld für Fahrtkosten, klappt auch, wenn ich mal wenig Zeit habe oder wenn wegen miesem Wetter nicht fahren kann oder krank geworden bin.
Ich erlebe immer wieder, dass komplex Traumatsierte total ablehnend auf alles reagieren und damit verbaut man sich sehr viel. Ich habe schon Therapieformen gemacht, die würden hier komplett durchfallen. Aber die waren die Therapieformen, die für mich am Ende die hilfreichsten waren, die am allermeisten gebracht haben. Und da bin ich nicht allein damit. Es gibt eine Therapieform, die kann ganz böse weh tun. Aber mit der wurden die schwersten Fälle aus Kliniken ins Leben zurückgebracht. Patienten, die alle abgeschrieben haben, haben sich damit erholen können und konnten doch noch glücklich leben. Patienten/Betroffene können es oft nicht gut einschätzen, ob das, was man mit ihnen macht, ihnen langfristig gut tun wird oder doch schaden wird.
Mit einem guten, verantwortungsbewussten, warmherzigen, modernen Therapeuten steht und fällt alles. Das ist mein Fazit.
Therapeuten, die einem zu viel nachgeben und den Kindanteilen und aggressiven Anteilen zu viel nachgeben, tun einem auch keinen Gefallen, weil man immer lebensuntüchtiger dadurch wird.
Es sind auch nicht alle multiplen Menschen gleich und haben nicht die gleichen Biographien. Was für die einen der Tod ist, das ist für andere gar kein Problem. Die sind nicht alle gleich, die sind alle ganz, ganz verschieden, extrem verschieden. Viele DIS/pDIS-Patienten sind ganz normale durchschnittliche Menschen mit einer relativ normalen Kindheit und einem normalen sozialen Umfeld um sich. Viele haben nur grade mal zwei ANPs und viele EPs, also ganz verschieden von Leuten, die aus organisierter Kriminalität oder Sekten stammen. Wenn ich hier was lese, das kommt mir vor wie aus einer fernen Galaxis. Die Unterschiede sind sehr groß. Dafür machen mir Sachen was aus, die den Menschen, die typische DIS haben, gar nichts machen würde. Und d packen mich aber dann die Trigger ganz gewaltig. Es gibt extreme Unterschiede zwischen den Betroffenen.
Theresa says
Ich find auch, dass es bei DBT durchaus sinnvolle Inhalte gibt. Wir haben irgendwo auch mal eine persönliche Beurteilung von DBT für die Traumatherapie geschrieben, wo das drin steht. Auch, dass es ambulant bei Ts mit breiterer Ausbildung oft sicherer und besser ist als auf Stationen, wo sich pedantisch an behaviorale Methoden gehalten wird. Meine Erfahrung ist leider, dass nicht alle es schaffen, Behandlung abzubrechen, die ihnen nicht gut tut. Und dass es hilft, wenn ihnen jemand bestätigt, dass das wirklich nicht immer passend ist, eben gerade bei chronischer Dissoziation, um die es in diesem Artikel ganz speziell geht. Manchen hilft die Polyvagal Theorie, besser zu verstehen, wie sie weiter kommen können. Man muss mit deren Ansatz nicht übereinstimmen, es geht hier nur darum diese Perspektive zu erklären.
Ich mach heute auch gerne Body Scans. Das hat mich etwa 5 Jahre gekostet, weil ich eben gerade wegen der chronischen Dissoziation klein anfangen musste, mir aber immer gesagt wurde, ich müsse das große Programm mitmachen. Eben das ist meine Kritik an der Achtsamkeit. Zu viel verlangt. Auch bei Patient*innen, die eben nicht wissen, dass es kleiner geht, die das nicht für sich bewerten können. Leider stimmt es, dass die Fähigkeiten da sehr breit gefächert sind und es gibt eben dieses Ende des Spektrums auch. Ich rechne damit, dass die, die das für sich eigenständig gut beurteilen können, das dann auch machen und einfach tun, was ihnen gut tut. Die brauchen ja keine Bestätigung für ihre Wahrnehmung.
Insgesamt ist es glaube ich ein dissoziatives Phänomen zu denken, dass es, wenn es nicht hart ist, gleich Kuschelkurs sein muss. Das machen richtig ausgebildete T ja nun auch nicht und ist mir noch nie begegnet. Es gibt da ein ganzes Spektrum zwischen der Gewalt, die mancherorts passiert, DBT ohne Gewalt, anderen Therapien, wo viel konfrontiert wird, sanfteren Methoden wir PITT oder TRIMB usw. Kuschelkurs wird meines Wissens nirgendwo gelehrt, sondern gehört ähnlich zu den Entgleisungen wie Isolationszimmer. Das ist hier nie gemeint und das kann man ahnen, wenn man andere Artikel hier liest.
Ich schreib hier meistens mit den schwächsten im Blick, weil andere ihren Weg selber finden. In den letzten 5 Jahren ist deutlich geworden, dass man es nicht dem ganzen Spektrum an Betroffenen recht machen kann. Eben weil es große Unterschiede gibt. Das Internet ist ja groß und man kann sich da suchen, was gut zu einem selber passt.
Bea says
Vielen Dank für diesen Artikel und die vielen Kommentare. Wir waren bis letzte Woche in einer tagesklinischen DBT-Behandlung und sind immer noch extrem verstört. Wir lesen seitdem ganz viele Berichte und sind froh nicht alleine zu sein mit sehr schwierigen Erfahrungen innerhalb eines solchen Programms. Im Moment wissen wir nicht, wie wir Therapeuten wieder vertrauen sollen, obwohl es die wichtigste Zutat einer Trauma-Therapie und der Integrationsarbeit zu sein scheint. Vielleicht schaffen wir, diese Verhältnisse publik zu machen.