Es war einmal in einem fernen Land ein Müllerssohn mit dem Namen Robin. Er war ein jüngerer Sohn und so erbte er nicht die Mühle, was er nicht schlimm fand, denn das Mahlen interessierte ihn nicht allzusehr. Seine freie Zeit verbrachte er damit, durch die Felder und Wälder zu wandern, zu beobachten und zu lauschen. Er hatte ein gutes Ohr fürs lauschen und Augen, die sehen konnten. Eine weitere Gabe war die von Sprache und Lauten. Nachdem er eine Weile gelauscht hatte, begann er mit den Spatzen zu reden, ihre Melodie pfeifend. Dann sprach er mit den Rehen. Es braucht einen guten Lauscher um ihre Sprache zu lernen. Zuletzt konnte er sogar mit den Bäumen und Bächen sprechen.
Niemand wusste von Robins Gabe. Die Leute dachten er sei merkwürdig oder faul, vielleicht ein bisschen verrückt im Kopf. Robs Vater wusste von seiner Gabe, denn er hatte sie von seiner Mutter geerbt, die selbst eine gute Zuhörerin war. Weil er wusste, dass Robin mehr hören musste, als das zerknirschende Geräusch des Mahlsteins, verkaufte er das wertvolle Buch, was er versteckt hatte, gab Rob einen Esel und eine Karte, die nach Irgendwo führte, gab ihm seinen Segen und winkte ihm zu Abschied.
Robin war froh frei zu wandern, neue Dinge zu sehen, neuen Menschen zu lauschen, neue Lieder zu lernen. Er war willkommen wo er auch hin kam, denn es liegt in der Natur der Menschen einen willigen Zuhörer höher zu achten, als einen wortgewandten Redner. Am Ende ist es doch jedermanns größter Wunsch, gehört und verstanden zu werden, gesehen und als der erkannt, der man ist. Und das konnte Robin ihnen geben.
Eines Tages, als Robin ein weites Tal durchquerte mit einem breiten Fluss und einigen Bäumen, blieb Robins Esel stehen. Was auch immer Robin tat, der Esel bewegte sich nicht einen Schritt weiter. Weil er wusste, dass Gewalt nie ein guter Weg ist und dass er die Fähgikeit hatte zu lauschen, fragte er den Esel, was los sei. Sein Esel schaute ihn an, fast belustigt und antwortete “ Da bist du so gut in sehen und zuhören und du siehst nicht was hier vor sich geht? Dieses Tal ist in großer Not und ich werde keinen weiteren Schritt gehen, der diese noch verschlimmern könnte. Und du solltest das auch nicht tun.”
Ein wenig beschämt, weil er geträumt hatte, statt auf den Weg zu achten, sah sich Robin um wo er denn war.
Da war ein breiter Fluss und eine kleine Gruppe von Bäumen. Er sah einen weißen Hirsch und einige Spatzen, die um sein Geweih herum flogen. Nach außen hin sah es aus, wie jeder andere Ort auf der Welt, aber Robin konnte das nicht täuschen. Etwas lief hier verkehrt, das konnte er klar erkennen. Es braucht gar nicht so große Fähigkeiten um zu erkennen, dass etwas fehlerhaft ist. Jeder kann Fehler sehen. Die Kunst zu Sehen bedeutet, auch Lösungen sehen zu können.
Also setzte sich Robin hin und tat das einzige, was Sinn ergab. Statt herum zu rennen und zu versuchen alles zu richten, begann er zu lauschen.
Er lauschte dem Fluss, die müde war und überfordert, weil sie immer so viel Wasser mit sich führen musste und nicht wusste, wohin damit.
Er lauschte den Bäumen, die sehr verletzt waren, weil jemand ständig an ihrer Rinde knabberte und sie waren auch durstig, aber sie konnten nicht einfach fortgehen um sich einen schöneren Ort zum stehen zu suchen, denn sie waren schwer beladen mit Früchten, die ihnen keiner abnahm.
Er lauschte dem Hirsch, der einsam war ohne seine Familie, die er auf der Flucht vor Jägern aus den Augen verloren hatte und er war genervt von den Spatzen, die ihm ständig über dem Kopf kreisten. Die einzige Freude, die er spüren konnte, war beim Essen.
Er lauschte auch den Spatzen, die das Geweih mit einem kleinen Baum verwechselten und einen Ort suchten um sich auszuruhen, Nester zu bauen und Nahrung zu finden.
Robin war innerlich bewegt von den schwierigen Situationen, die jeder da erlebte. Er dachte bei sich, dass es eine gute Idee wäre, die Nöte miteinander zu teilen, wo doch alle im selben Tal wohnten.
Nachdem er also gelauscht hatte, begann er zu sprechen.
Er sprach mit dem Fluss und teilte ihr mit, dass er nicht weit von ihr ein paar Bäumen zugehört hatte, die durstig waren und dem Fluss sicher helfen würden, indem sie ihr etwas Wasser abnahmen. Wenn der Fluss nur ein klein wenig ihren gewohnten Weg ändern würde, könnte sie helfen und selbst Hilfe empfangen.
Er sprach mit den Bäumen in tröstenden Worten und verspach Hilfe für sie zu finden. Die Bäume litten am meisten, denn sie steckten fest an diesem Ort, mit nichts als der Erinnerung an diesen Ort und keiner Möglichkeit ihn zu verlassen. So musste Hilfe zu ihnen kommen. Robin verließ sie mit dem Versprechen zurück zu kehren. Selbst wenn die einzige Hilfe, die er bringen konnte seine Fähigkeit war zuzuhören, dann war das auch schon viel wert.
Er sprach mit dem Hirsch, über seine Wut und Frustration. Er erklärte, dass Früchte besser schmeckten, als Rinde und Früchte essen den Bäumen half, während Rinde knabbern ihnen weh tat. Zum ersten Mal sah der Hirsch auf und entdeckte die Früchte. Er war bereit von nun an diese zu essen, statt bittere Borke.
Er sprach mit den Spatzen und bat sie den Hirsch mit den Bäumen zu beobachten. So sahen es die Spatzen selbst, dass die Bäume ein viel besserer Ort waren zum nisten, um Schutz und Nahrung zu finden. Sie hörten auf den Hirsch zu ärgern und begannen den Bäumen mit ihrer Last von Früchten zu helfen. Dankbar für das Vorbild des Hirsches und etwas beschämt, weil sie ihm so auf die Nerven gefallen waren, sandten sie Spatzen-Kundschafter aus um dessen Familie zu finden. Und das taten sie.
Der Hirsch war überglücklich seine Frau und Kinder wieder zu sehen und sie ließen sich bei dem Fluß neben den Bäumen nieder, halfen das Wasser zu trinken, die Früchte zu essen und auch die Spatzen zu beschützen.
Während dessen hatten die Bäume geduldig da gestanden und beobachtet, wie der Fluß zu ihnen kam um ihren Durst zu löschen, wie der Hirsch aufhörte ihre Rinde zu verletzen und statt dessen mit der Last der Früchte half und, ohne zu verstehen wie das überhaupt möglich war, waren sie zu einem zu Hause und einer sicheren Zuflucht geworden für eine ganze Schar kleiner Spatzen.
Robin setzte sich in die Mitte des Tales, beobachtete und lauschte. Dies war nun ein viel besserer Ort. Er wusste um die Magie des Lauschens und der tiefen Weisheit darin anderen zu helfen zu verstehen. Manchmal wurde etwas Hilfe benötigt, aber das war der Grund, warum es Lauschende gab. Er war zufrieden mit seinem Werk an diesem Ort. Sein Esel nickte anerkennd und sie beide standen auf und folgten ihrer Karte nach Irgendwo.
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