Die empfohlene Art Traumabehandlung durchzuführen ist in 3 Phasen. Die wurden über die Jahrzehnte leicht unterschiedlich bezeichnet, aber das Ziel der Phasen hat sich nie geändert. Zuerst kommt Stabilisierung, dann eine Form von Prozessieren und am Ende eine Phase der Integration und Anpassung an die Veränderungen. Die Phasen sind nicht streng getrennt und in der Realität gibt es immer ein leichtes Hin und Her zwischen angrenzenden Phasen, aber die grundsätzliche Reihenfolge ist wichtig. Wir können nichts überspringen und mit fortgeschrittenen Themen weiter machen. Wenn das möglich wäre, dann würde niemand sich die Mühe mit den vorherigen Schritten machen und das ganze Phasenkonzept würde nicht existieren. Ts haben keinen Mangel an potenziellen Patient*innen, sodass sie künstliche Schritte einfügen müssten, um Therapie zu verlängern. Phasen-orientierte Behandlung wird für sichere und erfolgreiche Behandlung benötigt, die unsere Würde bewahrt und uns nicht unnötigen Risiken oder Brutalität aussetzt. Je schwerer unsere Traumatisierung ist, desto wichtiger ist es, sich an die Phasen zu halten.
Erinnerungen sind nicht das Problem
Wenn Traumabehandlung für uns etwas völlig Neues ist, denken wir intuitiv, dass alles gelöst wäre, wenn nur die Flashbacks aufhören. Aber Trauma besteht nicht nur aus Erinnerungen. Es umfasst unsere Fähigkeit uns zu regulieren, die schädlichen Methoden, mit denen wir Überforderung und Ohnmacht in Schach halten, wie wir mit extremen Gefühlen umgehen, wie all das unsere Beziehungen beeinflusst usw. Selbst ein einzelnes Trauma später im Leben kann nicht sicher prozessiert werden, außer wir lernen ein Minimum an Grounding, Containment, wie wir ein Gefühl von Sicherheit schaffen können und grundlegende Stressregulation zB durch Atemübungen. Bei einem Monotrauma ist eine kurze Stabilisierungsphase ok, weil es nicht so viel zu stabilisieren gibt. Sie wird aber immer noch gebraucht, weil der Umgang mit traumatischem Stresses nun mal nicht zu den normalen Fertigkeiten gehört, die man lernt, wenn man aufwächst und besondere Werkzeuge dafür benötigt werden.
Menschen, die diese Webseite nutzen, haben in der Regel kein Monotrauma. Sie haben eine lebenslange Geschichte von Traumatisierungen, die in so vielen Schichten gestapelt ist, dass es unmöglich ist, das alles zu erfassen. Die Erinnerungen sind nicht unser größtes Problem. Vielleicht sind sie sogar dissoziiert und wir erinnern uns gar nicht. Wir leiden unter extremer Dysregulation, unerträglichen Gefühlen, einem hohen Maß an Dissoziation, einem fragmentierten Gefühl von Identität, chronischer Suizidalität, einer ganzen Reihe von ungesunden Bewältigungsstrategien wie Selbstverletzung, Abhängigkeiten, gestörtem Essverhalten usw die uns in sich schon das Leben kosten können, Probleme in Beziehungen und weitere extreme Erfahrungen. Würden wir das alles ignorieren und nur das ‘Trauma’ prozessieren, würde uns alles um die Ohren fliegen. Das alles ist das Trauma. Die Erinnerung ist nur ein Aspekt davon.
Was ohne Stabilisierung passiert
In der Geschichte der Traumatherapie gab es schon Versuche, Erinnerungen zu prozessieren, ohne vorher zu stabilisieren, deswegen kennen wir verschiedene Szenarien dafür, was dann passieren kann:
Menschen holen Erinnerungen hoch und können sie dann nicht sicher halten und wieder wegpacken. Sie werden geflutet, verlieren sich im Wiedererleben und werden retraumatisiert.
Manchmal versuchen sie, sich Erinnerungen anzuschauen, dissoziieren dann aber so stark, dass es nicht möglich ist, weiter zu machen. Manche Leute gleiten direkt in eine Krise und müssen stationär untergebracht werden, weil die die Kontrolle verlieren.
In anderen Fällen zwingen sich Menschen zum Wiedererinnern und es sieht aus, als ginge es, aber sobald sie zu Hause sind werden sie geflutet von Gefühlen, Gedanken oder inneren Stimmen, die so furchtbar sind, dass sie versuchen sich zu suizidieren oder sie verletzten sich, werden rückfällig oder verstärken ungesundes Copingverhalten. Weil sie gar keine anderen Möglichkeiten kennen, müssen sie mehr maladaptives Coping verwenden, um die Flut von Symptomen zu managen und die Auswirkungen aufs Leben können verheerend sein.
Manche Leute entwickeln Amnesien für die Zeit des Prozessierens. Der Verstand schiebt es aus dem Bewusstsein raus. Es wird dissoziiert statt integriert. In schweren Fällen können sich Anteile abspalten, die die Erinnerung tragen.
Bei einer DIS ist es möglich, dass unbekannte Anteile nach Vorne kommen, das ganze System fluten und dabei alle bestehende Kooperation zunichte machen, weil die dissoziativen Barrieren weiter verstärkt werden müssen, um Anteile vor den Erinnerungen zu schützen.
Das ist nicht therapeutisch, das ist ein Albtraum.
Und wenn wir uns die Liste mit dem anschauen, was wir in Phase 1 lernen sollen, dann werden wir feststellen, dass alles dazu gedacht ist, uns die Werkzeuge und Fertigkeiten zu geben, die wir brauchen, um sicher zu sein und eben diese Art von Eskalationen zu verhindern. Phase 1 bringt uns bei, unser inneres Erleben zu managen, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren.
Wie Phase 1 auf Phase 2 vorbereitet
Zu den ersten Dingen, die wir lernen, gehört Grounding, das uns hilft, mit der Realität in Kontakt zu bleiben, zu bemerken, dass jetzt gerade nichts schlimmes passiert und das uns orientiert hält, wenn das innere Erleben besonders schwierig wird oder wir beginnen zu dissoziieren. Wir lernen verschiedene Arten von Achtsamkeit, die beim Grounding helfen. Das ist die Grundlage von Regulation. Wir müssen in der Lage sein, uns aus der Erinnerung raus zu holen in die Gegenwart, um uns Erinnerungen überhaupt sicher anschauen zu können. Die innere Arbeit wird unmöglich, wenn wir dissoziieren. Das Gehirn fährt sich dann runter und kann nichts mehr prozessieren. Deswegen lernen wir, wie wir Dissoziation bemerken und uns wieder heraus regulieren können.
Wir lernen eine Reihe von Techniken, wie wir mit extremen Gefühlen, Stress und Symptomen umgehen können. So können wir ungünstiges Copingverhalten reduzieren und es mir sicheren Strategien ersetzen. Das macht unseren Alltag stabiler und ist auch eine Vorbereitung für Arbeit mit Erinnerungen. Wenn wir prozessieren und wieder zu Hause sind, ist das Risiko geringer, dass sich unkontrolliertes Chaos entfaltet, weil wir gelernt haben, wie wir mit solchen Situationen umgehen können. Wir können in Sicherheit bleiben. Das umfasst auch den Umgang mit suizidalen Gedanken.
Manche der Werkzeuge, die wir lernen, sind dazu gedacht, uns mehr Kontrolle über Erinnerungen zu geben, wenn sie hoch kommen. Wir lernen, das Wiedererleben zu stoppen, wie wir früher und heute auseinander halten können und wie wir Erinnerungen containen, indem wir sie sicher für später verpacken. Das erlaubt uns, mit schwierigem Material umzugehen, ohne davon überrollt zu werden.
Um unsere grundsätzliche Kapazität zum Prozessieren zu erhöhen, lernen wir bessere Selbstfürsorge und bauen uns Ressourcen auf, die ein Gegengewicht zu all dem leidvollen bilden. Wir brauchen ein bisschen was Gutes im Leben, um uns zu erinnern, dass es die Mühe wert ist.
Zusätzlich dazu ist es vielleicht nötig, ein paar Grundlagen darüber zu lernen, wie wir mit dem Alltag zurecht kommen können, schlicht weil wir zu Hause nie die Chance dazu hatten. Wir können schlecht versuchen, Trauma zu prozessieren, während unser restliches Leben in Flammen steht und wir unsere Aufgaben nicht organisiert kriegen. Vielleicht braucht es auch Arbeit daran sichere Grenzen mit anderen Menschen zu setzen oder andere Änderungen in unsere Beziehungen vorzunehmen, damit wir die Unterstützung kriegen, die wir brauchen und uns davor zu beschützen, dass andere Leute unser Leben noch schlimmer machen. Niemand braucht sowas noch oben drauf, wenn man versucht schwierige Themen aufzuarbeiten. Es gibt dann sicher auch individuelle Herausforderungen, die unsere Aufmerksamkeit brauchen.
Wenn wir es mit einer (p)DIS zu tun haben, sollten wir sicher stellen, dass wir nicht beim prozessieren unerwartet auf neue und isolierte Anteile stoßen. Darum machen wir so gut es geht eine Karte vom System und arbeiten dann an Kommunikation und Kooperation. Die meisten Techniken zum Prozessieren sind so gedacht, dass man dabei co-bewusst ist. Es gibt auch welche, wo das nicht zwingend nötig ist, aber die werden heutzutage nicht mehr oft eingesetzt. Was wir vermeiden wollen, ist dass Anteile während so eine Verarbeitungs-Sitzung dazwischen funken oder das sabotieren. Deswegen brauchen wir vorher einen Konsenz.
Unser aktuelles Leben profitiert von all diesen Bemühungen und sie werden auch fürs Prozessieren benötigt. Wir versuchen nicht, die Erinnerungen zu ignorieren, was manche Anteile vielleicht befürchten. Die Dinge, die wir für die Stabilisierung lernen, sind eine direkte Vorbereitung fürs Prozessieren. Das ist keine Zeitverschwendung. Ihr würdet auch nicht versuchen den Nordpol zu erreichen und dabei nur Jeans und Flip Flops tragen. Die Daumenregel ist hier, dass wir stabilisieren, bis wir stabilisiert sind. Es gibt keinen vorherbestimmten Zeitrahmen. Wenn wir noch nicht stabilisiert sind, müssen wir all unsere Aufmerksamkeit auf Symptommanagement und Regulationsfertigkeiten richten. Das ist genau das, war wir dann gerade tun müssen und nichts anderes.
Wenn der Weg hier endet
Manchmal ist das alles, was wir kriegen. Wir lernen, wie wir sicher leben können, wie mit Stress umgehen, wie Regulation funktioniert, wie wir Flashbacks schnell beenden können und die Erinnerung containen, und wie wir ein Leben haben können, das auch seine schönen Momente hat. Das passiert oft, weil uns die Finanzierung für die Therapie ausgeht. Gute Stabilisierung braucht Zeit und Gesundheitssysteme sind nicht darauf ausgelegt, Menschen diese Zeit zu geben. Es ist nicht möglich, Erinnerungen sicher alleine zu prozessieren und wenn der Zugang zu Therapie fehlt, endet unser Weg vielleicht hier. In manchen Fällen werden wir nicht stabil genug zum Prozessieren und dann beißt sich die Katze in den Schwanz. Wir können nicht zu Phase 2 übergehen, weil das eine Katastrophe herauf beschwört und wir können auch nicht stabiler werden, ohne mehr zu prozessieren. Man kann da leider böse fest stecken.
Stabilisiert ist nicht das selbe wie stabil. Wir haben hier immer noch manchmal Flashbacks und erleben auch Leid. Aber wir können sehr gut darin werden, uns davon zu erholen. So weit, dass es nur noch einen Moment braucht, um zu atmen, etwas zu verpacken und dann weiter zu machen. Ein stabilisiertes Leben kann ein gutes Leben sein und alles schöne, das wir als Gegengewicht hinzufügen können, macht es besser. Manche Menschen sind wirklich zufrieden damit und entscheiden sich, nicht noch in Trauma Erinnerungen einzutauchen.
Prozessieren kostet uns was und wenn unser Leben keine ständige Krise ist, weil die Trigger so zahllos sind, dann kann es ok sein, das einfach so zu lassen, wie es ist. Wenn wir junge Anteile haben, sollten wir darauf achten, dass sie gut in der Gegenwart geerdet sind und nicht in Erinnerungen feststecken und dass sie versorgt sind und einverstanden damit. Aber ganz grundsätzlich gibt es nichts, was uns dazu zwingt, überhaupt mit dem Prozessieren weiter zu machen. Das ist hart. Wirklich hart. Wenn wir uns entscheiden, bei der Stabilisierung zu bleiben, tun wir das in dem Wissen, dass wir unser Leben lang dran arbeiten müssen, stabilisiert zu bleiben. Wir sind nicht stabil. Wann immer wir getriggert werden, müssen wir etwas Arbeit rein stecken uns davon zu erholen und unsere Stabilität wieder aufzubauen. Das ist eine legitime Entscheidung. Das Leben kann gut genug sein, wenn wir dieser Strategie folgen.
Das Ziel ist nicht das Prozessieren
Warum ist Stabilisierung nicht genug? Können wir nicht alle einfach da aufhören und das Beste aus unserer Situation machen? In der Realität begrenzen Trigger oft, wie weit wir mit unserer Stabilität kommen können. Wir lernen, uns zu regulieren, aber wir können nicht verhindern, dass wir durch Trigger in der Dysregulation landen. Die Albträume und Flashbacks werden einen Einfluss auf unser Leben haben und bei vielen Menschen ist der so groß, dass sich die Mühe lohnt, Erinnerungen zu prozessieren, damit sie integriert werden können. Integration von Erinnerungen bedeutet, dass sie wie andere Erinnerungen werden. Sie gehen nicht weg und können auch ein gewisses Maß an Emotionen auslösen, aber sie führen nicht mehr zu der selben Art von Unterbrechung und Störung in unserem Leben, die geschieht, wenn wir überrollt werden. Keine Stressreaktion, Flashback Erfahrung oder Überflutung. Wenn es hoch kommt, wissen wir, dass es die Vergangenheit ist und vorbei. Prozessieren ist keine Wunderlösung, die die Erinnerungen weg nimmt, aber die dient uns in einer Weise, wie das Stabilisierung alleine nicht kann, wenn es um die Integration geht. Es ist ein wichtiges Werkzeug.
Prozessieren nimmt in unserem Denken oft einen enormen Raum ein als ‘das große Event’, auf das wir in Phase 1 hinarbeiten. Es ist diese gruselige Sache, die uns aber irgendwie vor uns selbst rettet, richtig? In Wirklichkeit ist der einzige Zweck von Phase 2, uns an den Ort dahinter zu bringen. Sie ist wie ein Fahrzeug, das uns an den Trauma Erinnerungen vorbei bringt, aber das eigentliche Ziel der Reise ist ‘recovery’, unsere Gesundung und ein neues Leben. Wir sollten uns daran erinnern, wenn wir mitten in Phase 2 Arbeit stecken. Die wird nicht um ihrer selbst willen getan oder weil Ts behaupten, das sei das, was Traumatherapie ausmacht. Wir tun das, weil wir Stabilität wollen und nicht nur Stabilisierung und um da hin zu kommen, ist es nötig, zumindest einiges der Traumatisierung zu integrieren. Es ist ok, die weniger störenden Szenen in Ruhe zu lassen. Menschen wie wir können unmöglich alles, was passiert ist, im Detail durcharbeiten. Es gibt da eine Gleichung von Risiko und Mühe und dem zu erwartenden Nutzen, die für uns aufgehen sollte.
Phase 3 als Fortführung von Phase 1
Das merkwürdige an Phase 3 ist, dass wir an vielen Themen aus der Stabilisierung noch mal vorbei kommen, nur auf einer anderen Ebene. Wir führen fort, was wir wegen der vielen Störungen nicht beenden konnten. Aber es wird anders sein, weil wir uns verändert haben. Wenn wir es mit einer stressigen Situation zu tun bekommen, werden wir zB viel mehr Emotionen wahrnehmen, die versuchen unser Handeln zu lenken und weniger Stressreaktionen. Das bedeutet, dass unsere Werkzeuge zur Stressregulation in den Hintergrund rücken und wir statt dessen auf einem ganz neuen Level üben müssen, mit differenzierten Gefühlen umzugehen. Wir hatten diese Chance vorher nie, weil solche Gefühle gar nicht innerhalb unseres Erlebens-Spielraumes waren. Die Art und Weise wie wir die Welt erleben hat sich verändert und wir müssen unsere Bewältigungsstrategien entsprechend anpassen.
Bei einer DIS wird uns auffallen, dass es die Überflutung mit Trauma Erinnerungen war, die uns als Anteile voneinander getrennt gehalten hat. Wir konnten uns gar nicht näher kommen, weil die Traumatisierung das nicht zuließ. Wir werden die Freiheit bekommen, eine wirkliche Wahl treffen zu können, wie wir weiter machen wollen, weil es nun die Option gibt, die Barrieren vollständig abzubauen. Ohne diese Möglichkeit gab es nie eine Wahl und unsere Ansichten über Fusion haben sich über den Prozess hinweg, uns gegenseitig mit dem Trauma zu helfen, vielleicht deutlich verändert. In Phase 3 können wir darüber reflektieren und unser System neu organisieren, um uns Veränderungen anzupassen.
Im größeren Kontext unseres Leben verlassen wir die Rolle der psychisch kranken Person und das wird einen Einfluss auf alle Beziehungen haben. Es braucht deutlich mehr Gespräche als je zuvor in unserem Leben und die Art, wie wir Verantwortung übernehmen und uns ausdrücken, wird sich ändern. Es gibt mehr Platz für Bedürfnisse, Wünsche und Träume.
In gewisser Weise müssen wir uns an unser neues Leben anpassen und unser altes Leben muss sich an unser neues Ich anpassen. Das ist eine riesige Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden sollte. Es gibt die Tendenz, die Therapie nach dem Prozessieren zu beenden, weil die ‘richtige Arbeit’ beendet ist und das ist sie eben nicht. Uns ein Leben aufzubauen, das so anders ist, als alles was wir bisher hatten, ist schwer. Wirklich schwer. Es kostet Menschen nicht selten ihre engsten Beziehungen, wenn sie anfangen, sich zu entfalten und aufzublühen. Es ist weise, in Therapie zu bleiben, auch wenn die Themen sich dramatisch verändert haben. Vielleicht schaffen wir es, von dem absurden Gedanken weg zu kommen, dass Prozessieren gleichbedeutend mit Traumatherapie ist. Es ist nur ein Aspekt von Traumatherapie. Möglicherweise ist es nicht mal der schwierigste und in Wirklichkeit ist es nur ein Schritt auf einer sehr viel längeren Reise.
Alle Techniken fürs Prozessieren müssen in ein breiteres Konzept eingebettet sein und dieses Konzept hat in der Regel 3 Phasen. Es macht keinen Sinn, mit jemandem zu arbeiten, di*er nur Werkzeuge zum Prozessieren kennt und von der ganzen Arbeit drum herum keine Ahnung hat. Wenn das einzige verfügbare Werkzeug ein Hammer ist, wird jemand verletzt werden.
Verschwimmende Grenzen
Die Trennung zwischen den Phasen ist nicht so streng, wie es scheint. Das ist auch nur ein Modell und Modelle halten dem wahren Leben selten stand. Es ist nötig, mit Stabilisierung anzufangen und es gibt keinen verantwortungsbewussten Weg darum herum. Wenn wir so viele Zwischenfälle erleben, dass wir mit unseren Bemühungen immer wieder zurück geworfen werden, können gut ausgebildete TraumaTs fragmentiertes Prozessieren zwischen rein flechten. Das zielt nicht auf den Kern von Erinnerungen ab, sondern versucht die Trigger drum herum zu reduzieren. Kleine Stückchen von Prozessieren können ausreichen, um uns ein bisschen Luft zu verschaffen, damit wir mit dem Stabilisieren weiter kommen.
Wann immer wir etwas in Phase 2 prozessieren, werden wir kleine Veränderungen bemerken, an die wir uns anpassen müssen. Wir machen also immer auch ein wenig Phase 3 Arbeit und merken im Idealfall schon jetzt Veränderungen in unserem Leben, auch wenn es noch mehr zum bearbeiten gibt. Wir werden auch Pausen brauchen, in denen wir zu Stabilisierung zurückkehren, um wieder festen Boden unter die Füße zu kriegen. Eine Sitzung nach der anderen immer nur Trauma zu prozessieren ist eine Form von Behandlungsfehler. Die Phase der Traumabearbeitung besteht in Wirklichkeit aus ein bisschen Prozessieren und einer Menge Stabilisierung dazwischen. Wir brauchen Zeit, um uns zu erholen, wenn wir uns nicht in Depression und Suizidalität verlieren wollen. Prozessieren kann nicht das einzige sein, was wir tun. Das ist zu schwer und so funktioniert es auch schlicht nicht. Wir sollen das Trauma integrieren und uns nicht nur ständig damit konfrontieren. Integration braucht Zeit. An dem Punkt gibt es ein ständiges hin und her zwischen Phasen und so soll das auch sein.
Es ist nicht selten, dass noch mal neue Erinnerungen hoch kommen, wenn wir in Phase 3 sind. Unser Leben ist endlich sicher genug und wir haben ausreichend Kapazität dafür. Das ist kein Zeichen von Schwäche oder Versagen, eher eine Bestätigung unseres Fortschritts. Wir müssen vielleicht noch einige Male zurück kehren zum Prozessieren, auch wenn wir damit größtenteils fertig sind und wir fleißig an unserem neuen Leben arbeiten.
Das ist ganz grob wie Phasen-orientierte Behandlung aussehen sollte. Wenn eure Ts etwas radikal anders machen, solltet ihr herausfinden warum. Es gibt aktuell einen Trend zu kurzen oder nicht existierenden Stabilisierungsphasen, der von Menschen verbreitet wird, die das Prozessieren für unverhältnismäßig wichtig halten. Das betrifft in der Regel Techniken, die für schwere Traumatisierung mit viel Dissoziation oder Komorbiditäten nicht zu empfehlen sind und die bei struktureller Dissoziation klar ungeeignet und zu vermeiden sind. Als Daumenregel gilt, wenn jemand Patient*innen mit Komplextrauma sagt, Stabilisierung sei unnötig, ungewöhnlich oder überholt, dann solltet ihr laufen. Weit weg. Die werfen euch nämlich unvorbereitet ins Meer und hoffen einfach mal, dass ihr ganz schnell schwimmen lernt. Werdet ihr nicht. Das ist verantwortungslos, untherapeutisch, verletzt oft genug die Menschenwürde und ist eine Reinszenierung von Traumageschehen. Die große Mehrheit von Trauma Spezialist*innen ist sich einig, dass das kein gutes Vorgehen ist. Es gibt gute Gründe für Phasen-orientierte Arbeit. Sie ist das Resultat von Jahrzehnten von Bemühungen um gute Behandlung und von kollektiver Weisheit.
Quellen und Ressourcen
Ihr könnt mehr über die Entwicklung von Phasen-orientierter Behandlung von Komplextrauma nachlesen in ‘Verkörperter Schrecken’ von Bessel van der Kolk oder ‘Die Narben der Gewalt’ von Judith Herman und mehr zu Phasen-orientierter Arbeit bei DIS in den Behandlungsrichtlinien der ISSTD oder in ‘Die Behandlung traumabasierter Dissoziation’ von Steele, Boon, van der Hart.
Hier gibt es einen Überblick über die Themen, die in der Stabilisierung wichtig sind und hier findet ihr mehr zum Prozessieren und woher ihr wisst, dass ihr bereit seid.
Wenn ihr alleine an Stabilisierung arbeiten müsst, weil ihr keinen Zugang zu Traumatherapie habt, dann sind die englischen Arbeitsbücher hier und hier gut geeignet.
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