Anteile können zur selben Zeit unterschiedliches Erleben. Während wir ruhig und orientiert sind, sind andere Anteile vielleicht stark dysreguliert. Ihre dysregulierten Zustände können in unser Erleben durchsickern und sich unangenehm anfühlen und manchmal fluten sie uns auch direkt, sodass wir unsere eigene Regulation verlieren. Es ist nicht nur unschön sondern auch unfair, solche Anteile sich selbst und ihrer Dysregulation zu überlassen. Deswegen ist es für uns von Wert, zu lernen, wie wir sie unterstützen können. Es geht uns allen besser, wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Dieser Artikel behandelt Stressreaktionen und ist nicht für den Anfang der Therapie gedacht. Emotionale Co-Regulation läuft etwas anders ab und wird in einem anderen Artikel behandelt.
Eigene Regulation sichern
Ihr könnt niemanden co-regulieren, wenn ihr selbst dysreguliert seid. Das bedeutet, dass eure erste Aufgabe ist zu lernen, wie ihr euch selbst regulieren könnt. Dafür gibt es auf dieser Plattform eine ganze Reihe an Techniken. Achtet darauf, dass ihr eine gute Grenze zwischen euch und dem anderen Anteil etabliert, um zu vermeiden, von ihren Erfahrungen überflutet zu werden, während ihr das für euch übt. Kein Blending. Ihr erlaubt so wenig wie möglich Überlappung von innerem Erleben, wenn ihr versucht zu co-regulieren. Grenzt euch sorgfältig ab. Möglichkeiten sind zB ein wenig von dem Anteil zurückzutreten, sich eine Barriere dazwischen vorzustellen oder den Anteil in einen isolierenden Stoff zu wickeln, der ihnen auch Trost bietet. Wenn ihr euch sicher, orientiert und ruhig fühlt und von ihnen abgegrenzt seid, könnt ihr weiter machen.
Orientierung und Grounding
Es ist unmöglich, einen Anteil zu co-regulieren, der in einem Flashback feststeckt. Die brauchen dann auch gerade keine Co-Regulation. Sie brauchen Orientierung und Grounding. Anteile, die Trauma wiedererleben, können nicht reguliert bleiben, egal wie viele hilfreiche Dinge wir ihnen anbieten. Die bedeuten nichts, wenn man es akut mit Trauma zu tun hat. Unsere Grundschritte für die Regulation sind, wie immer, Sicherheit schaffen, zu dieser Sicherheit hin orientieren und präsent damit werden und dann Ressourcen hinzufügen, um eine weitere Regulation zu unterstützen. Arbeitet mit einem Anteil nach dem anderen.
Dysregulierte Anteile erden
Die wohl schwierigste Herausforderung beim Co-Orientieren ist die Aufmerksamkeit des getriggerten Anteils zu gewinnen. Die ist gerade ganz woanders. An einer Stelle, wo es sich anfühlt, als bräuchte man sie da, um zu überleben. Unsere Aufgabe ist es, ihre Aufmerksamkeit von dem inneren Erleben weg zu holen und auf die äußere Welt zu richten. Wir tun das, indem wir Reize über die Sinne anbieten, die für sie interessant sind. Anteile unterscheiden sich darin, wie sie wahrnehmen und es ist wichtig, verschiedene Sinne anzusprechen, um herauszufinden, was ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Manchmal geht das mit ungewöhnlichen Klängen, manchmal mit Gerüchen oder interessanten Oberflächen zum Tasten oder der Hände Übung, sodass sie spüren, dass sie nicht alleine sind und sich jemand kümmert. Mit der Zeit können sie lernen, alleine schon auf unsere Stimme zu reagieren. Ich rufe Anteile bei bestimmten Spitznamen, wenn ich dringend ihre Aufmerksamkeit brauche. Benutzt nichts, was Angst macht. Wir versuchen sie in Richtung Sicherheit zu orientieren und nicht in Richtung einer anderen Gefahr. Es wird einfacher, wenn wir es schaffen, eine Verbindung zu ein oder zwei Sinnen herzustellen, weil unsere Sinne uns mit der Außenwelt in Verbindung bringen, wo Anteile bemerken können, dass es jetzt sicher ist. Sie nur an einem Sicheren Ort zu behalten, wo sich Innere Helferfiguren kümmern, wird nie so kraftvoll sein, wie das Grounding in der Realität durch den Körper. Alles, was alleine auf einer inneren Realität beruht, ist anfällig für andere innere Realitäten wie Erinnerungen oder Sabotage durch andere Anteile. Ich erde Anteile immer so gut wie möglich in der äußeren Realität, bevor sie einen Platz kriegen, der für sie gemütlich ist.
Es kann helfen, Geschichten über unser heutiges Leben in Sicherheit zu teilen und nette Aktivitäten zu planen und Anteile dazu einzuladen. Zusammen Backen ist eine meiner Lieblingsprojekte. Während wir vor dem Ofen sitzen, können wir zuschauen, wie der Kuchen aufgeht und dabei erklären, wie Zeit vergeht und Dinge sich verändern. Wie der Kuchen größer und fester wird, sind wir auch gewachsen und haben uns verändert. Einen Anteil in der aktuellen Realität und der äußeren Welt zu orientieren, ist nicht mit einem Tag oder einer Übung getan. Die meisten Anteile brauchen Übung und ständige Wiederholung. Es braucht Zeit, um zu verstehen, dass ein Teil ihres Erleben nur Innen passiert und nicht außen und dass sich nach außen zu orientieren für sie sicherer sein kann. Die Aufmerksamkeitsspanne dafür präsent zu sein, wächst oft erst mit der Zeit, deswegen halten wir Übungen kurz und einfach. Wir tun unser Bestes, aber es ist normal, dass das ein Prozess ist und Anteile erst mal eine Weile desorientiert und dysreguliert bleiben, bis sie den Dreh mit dem Grounding raus haben. Habt Geduld.
Seid ihr in Therapie, dann können eure Ts euch durch eine Rettungsaktion führen. Die sind ideal für Anteile, die so in Erinnerungen feststecken, dass sie sich der äußeren Welt höchstens für kurze Momente gewahr werden, bevor sie wieder in Erinnerungen verschwinden. Sie brauchen eine stärkere Intervention.
Ihr arbeitet an Grounding, bis Anteile grundsätzlich geerdet sind. Dann arbeitet ihr an Regulation, bis sie für einen Moment reguliert sein können. Und dann arbeitet ihr daran, sie immer länger reguliert zu halten und zu co-regulieren. Versucht nicht, Schritte zu überspringen. Ihr braucht Fundamente, bevor ihr weitermachen könnt. Meistens geht es schief, weil man was übersprungen hat.
Regulatoren
Menschen sind so gebaut, dass sie sich beruhigen, wenn sie bemerken, dass sie sicher sind. Die Orientierung in Richtung Sicherheit in der äußeren Welt durch unsere Sinne beginnt den Prozess der Regulation. Wir können ihn unterstützen, indem wir Ressourcen hinzufügen. Ressourcen sind Dinge, die uns angenehm sind, uns versorgt oder verbunden fühlen lassen usw. Anteile unterscheiden sich darin, was sie mögen und wir können lernen, ihnen Dinge anzubieten, die sie beruhigen. Ich verwende Stofftiere, Figuren von Haustieren, Stoffe, die sich gut anfühlen, Spezialinteressen und auch sowas wie Muster, die man mit dem Finger nachfahren kann. Ihr nehmt, was zu euch passt. Es hilft, wenn man herausfindet, mit welchen Sinnen bestimmte Anteile besonders gut zurecht kommen und ob es Muster in ihren Bedürfnissen gibt. Dann ist es eine Frage von Ausprobieren und sehen, wie es angenommen wird.
Wir können für andere Anteile zu den wichtigsten Regulatoren werden, indem wir eine vertrauensvolle Beziehung mit ihnen aufbauen. Wir sind immer da. Uns mit ihnen beschäftigen, mit ihnen reden, sichere Fragen stellen (zB über Ressourcen und wie sie die finden) und die ständige Wiederholung unserer fürsorglichen Präsenz, stellen Verbundenheit her. Sie lernen, dass sie uns vertrauen können, dass wir es gut meinen (auch wenn wir manchmal was falsch machen) und dass sie sich an uns wenden können, wenn sie Unterstützung brauchen. Wir halten gemeinsam die Erinnerungen contained, während wir an unserer Beziehung heute arbeiten. Im besten Fall wenden sich jüngere Anteile sofort auf der Suche nach Hilfe in unsere Richtung, wenn sie Angst kriegen oder ihr Grounding verlieren.Wir führen sie durch die gleichen Schritte, die wir immer nehmen. Sicherheit etablieren, in Richtung der Sicherheit orientieren, mit Ressourcen Regulation unterstützen. Wir brauchen keine Angst haben, wenn sie sich an uns wenden, weil wir wissen, wie das funktioniert. Größere Probleme können wir in die Therapie mitbringen, um zu sehen, was Ts dort noch tun können. Jedes Mal, wenn wir erfolgreich co-regulieren, stärkt das Vertrauen.
Es kann Sinn ergeben, Trauma Anteile mit erwachsenen Anteilen zu paaren, deren Art für sie am angenehmsten ist. Ein Anteil, der überhaupt keine emotionale Wärme vertragen kann, kommt vielleicht besser mit einem Gedanken-basierten Anteil zurecht, wo es ruhige, stabile und klare Anweisungen gibt. Beziehungs-orientierte Anteile ziehen vielleicht eine Mutterfigur vor, die ihnen ein bestimmtes Gefühl vermittelt. Systeme, die groß genug sind, dass man zwischen erwachsenen Anteilen wählen kann, profitieren davon, alle kompetenten Anteile darin zu schulen, wie man als Co-Regulator hilft. Wir tun uns auch einen Gefallen, wenn wir unseren Stolz runterschlucken und uns auch von anderen erwachsenen Anteilen helfen lassen, wenn wir das brauchen. Je mehr wir uns gegenseitig unterstützen, desto stabiler ist das System als Ganzes.
Geerdete Anteil im Alltag unterstützen
Die meiste Zeit über orientiert zu sein, bewahrt Anteile nicht vor Dysregulation. Das Leben ist stressig und in der echten Welt gibt es Trigger. Wir können schwere Dysregulation vermeiden, indem wir Stress und Trigger vermeiden oder Anteile Innen verstecken. Das begrenzt unsere Freiheiten im Leben. Das ist in manchen Situationen angebracht, aber es wäre gut, noch mehr Optionen zu haben, um wählen zu können.
Eine andere Art, Anteile zu unterstützen, ein geerdetes Leben zu haben, ist, sie auf das vorzubereiten, was passiert. Wir lernen, was sie stresst und wenn wir was für sie schwieriges tun, sprechen wir das vorher mit ihnen durch. Wir erklären, was wir planen, warum das wichtig ist, wie die Schritte aussehen und woran sie erkennen, dass alles nach Plan verläuft. Nachdem wir fertig sind, schauen wir noch mal zusammen, wie unser Plan geklappt hat und wie sicher das ganze war. Mehr dazu im Artikel zu Wegweisern. Das ist eine Art, Anteile vorzubereiten, sie zu begleiten und anzuleiten, die Gefühle von Überforderung und Angst vermeidet. Wir übernehmen Verantwortung und sie lernen, uns zu vertrauen, dass wir sie beschützen können, auch in schwierigen Situationen. Die ständige Verbindung zu ihnen, um sicherzustellen, dass sie die ganze Zeit orientiert bleiben, kann sich ein bisschen anfühlen, als würden wir sie bei der Hand nehmen und hindurchführen.
In dem Moment, wo wir merken, dass sie gestresst werden, verbinden wir sie neu mit der Sicherheit der äußeren Situation und unserer Anleitung. Nichts schlimmes passiert. Wir haben es unter Kontrolle. Schau. Es ist wichtig, das zu tun, sobald wir spüren, dass es bei ihnen eine Reaktion gibt, auch wenn es nur ein Anstieg der Angst ist und noch keine vollständige Stressreaktion. Je länger wir warten, desto schwieriger wird es, sie wieder zu erden. Unterstützt, sobald ihr merkt, dass ihre Regulation wacklig wird. Weil wir ihnen so nah sind, können wir viel besser spüren, wenn es Unterstützung braucht als Ts, die erst eingreifen, wenn etwas von außen sichtbar wird. Wenn es außen sichtbar ist, dann ist es schon ziemlich spät. Wir können lernen, das noch schneller abzufangen, sodass es noch weniger Aufwand braucht.
Um es uns einfacher zu machen, können wir mit Routinen arbeiten. Wir wiederholen Sachen, sodass wir sie nach einer Weile nicht mehr Schritt für Schritt erklären müssen. Sie werden zu Inseln von bekannten Abläufen für Anteile und verbessern ein Gefühl von Sicherheit, weil diese jetzt auch selber vorhersagen können, was als nächstes passiert. Es verbessert ihr Gefühl dafür zu verstehen, wie dieses neue Leben funktioniert.
Während besonders schwieriger Situationen können wir uns an den Hände halten. Ein Anteil bewegt sein Bewusstsein in eine Hand und wir halten sie mit der anderen fest. Das stellt einen Anker her, der sie mit der äußeren Welt, dem Körper und unserer Unterstützung gleichzeitig verbindet. Wenn sie ihr Gleichgewicht verlieren, können sie sich an dem Anker festhalten und sich wieder aus dem inneren Erleben raus ziehen.
Zusammen Trauma prozessieren
Wenn wir Trauma prozessieren, wird es sehr viel sicherer, wenn wir uns auf unsere eigene Unterstützung und die von Ts verlassen können. Vielleicht habe ich aufgrund meiner eigenen Geschichte Vorurteile, aber ich kann es nicht leiden, darauf zu warten, dass Ts was unternehmen, wenn ich merke, dass Dinge mir entgleiten. Die brauchen zu lange, um zu bemerken, dass was passiert, weil sie abwarten, bis es mit dem Körper sichtbar wird. Und das ist in der Regel der Punkt, wo wir selbst schon damit geflutet werden. Dann zwei Anteile neu orientieren und erden zu müssen ist viel mehr Arbeit, als wenn wir einen Anteil co-regulieren und es ist für uns als Frontleute auch viel angenehmer so. Versucht, nicht so lange zu warten. Ihr dürft Ts um Pausen bitten, um eure Balance wiederzufinden und ihr dürft sie euch auch einfach nehmen, ohne zu fragen.
Wenn wir Anteile durch Trauma Prozesse co-regulieren, dann bereiten wir sie wie gewohnt darauf vor, indem wir alles erklären. Wir lassen auch Ts erklären, was sie machen werden und wie das ablaufen soll. Unsere Rolle ist es, sehr aufmerksam beim Trauma Anteil zu bleiben, während sie Anleitungen folgen oder bei einem Prozess mitmachen. Es ist an der Stelle wichtiger, uns selbst im Auge zu behalten als das, was Ts tun. Ich selbst verliere meine Wahrnehmung für den Raum, wenn ich so nach Innen blicke und höre Ts nur und antworte grob in ihre Richtung. In dem Moment, wo wir merken, dass der Anteil zu tief ins Wiedererleben geht, führen wir sie durch den Regulationsprozess, indem wir sie zuerst in unsere Richtung orientieren und dann zusammen zum Raum zurück kommen, um uns dort weiter in Richtung Sicherheit zu orientieren und ihnen die Ressourcen anzubieten, die wir für sie mitgebracht haben. Eure Ts sollten euch eine Pause geben, sodass ihr beim Grounding helfen könnt, bevor ihr im Prozess weiter macht. Das führt zu kleinen Schritten und einem ständigen hin und her zwischen dem Prozess und Regulation, was sogar bei der Integration hilft. Es ist keine störende Unterbrechung. So verarbeitet man Erinnerungen sanft und sicher, während man Überforderung und schlimme Dysregulation vermeidet.
Das ist vielleicht nicht die Art, wie Ts euch das beibringen. Bewusst oder unbewusst bringen die einem oft bei, uns auf sie zu verlassen. Das bringt uns nur in unserem Alltag nicht weiter. Das hier ist, was ich tue und womit ich regelmäßig Ts verwundere, wie stabil wir sind und wie gut ich mein eigenes inneres Erleben managen kann, selbst in der Trauma-Arbeit. Ts benutzen genau genommen die gleichen Schritte, sie erklären uns nur nicht, was sie tun. Auch für sie ist es mit das größte Problem, unsere Aufmerksamkeit zu bekommen, wenn wir im Wiedererleben feststecken und Grounding ist komplizierter als Regulation an sich. Gute Trauma Ts verbringen mehr Zeit damit, uns zu orientieren als uns Skills in die Hand zu drücken. Da ist alles kein Geheimnis. Die Werkzeuge sind alles Grundwerkzeuge und fast schon langweilig. Und sie funktionieren.