Die dissoziative Identitätsstörung wird oft völlig falsch verstanden, unser Bild davon ist geprägt von schlecht recherchierten Medien oder veralteten Annahmen. Wir haben die gängigsten Missverständnisse und Fehlannahmen für euch zusammen gesucht und das wo es uns möglich war mit Forschung widerlegt.
DIS gibt es gar nicht (ist ausgedacht, wurde abgeschafft, ist eine Trenderscheinung)
DIS ist sowohl in DSM als auch ICD zu finden. Die Symptome sind klar umrissen, werden schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich beschrieben und finden sich international überall. Die Umbenennung von ‘Multipler Persönlichkeitsstörung’ zu Dissoziativer Identitätsstörung war keine Abschaffung der Diagnose, sondern der Versuch, sie korrekter zu benennen. (Fachartikel dazu)
DIS ist selten
Internationale Studien kommen zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen, aber selbst konservativ betrachtet liegt die Prävalenz von DIS bei etwa 1% (siehe Gast für deutsche Ergebnisse). Das heißt es sind etwas mehr Menschen von DIS betroffen als zB von Bulimie. 1% ist nicht selten. Wenn man sich OSDD anschaut, wo nicht alle Kriterien für DIS erfüllt sind, betrifft das 5-6% der Population.
DIS wird überdiagnostiziert
Das Gegenteil ist der Fall. Eine DIS wird oft sehr lange nicht erkannt, fehldiagnostiziert oder TherapeutInnen trauen sich schlicht nicht, diese Diagnose zu stellen, selbst wenn sie davon überzeugt sind, dass sie zutrifft. Oft sieht man erst ganz andere Symptome, die eine dissoziierte Persönlichkeitsstruktur verdecken. (deutscher Fachartikel dazu)
Man kann DIS ganz leicht faken
In gewisser Weise stimmt das, man kann das äußere Auftreten von DIS wirklich leicht nachmachen, so wie man auch Panik Attacken oder Autismus und alles mögliche andere imitieren kann. Wenn wir auf die Körperebene gehen, sieht das anders aus. Studien wie die von Schlumpf und Reinders zeigen, dass es nicht möglich ist, die physiologischen Unterschiede zwischen Anteilen künstlich zu erzeugen. In ihren Studien wurden Schauspielerinnen extra geschult und hatten Zeit einen Charakter aufzubauen und trotzdem entstanden dadurch nicht die selben Aktivierungen im Gehirn wie bei echter DIS. Auf Körper- und Gehirnebene lassen sich echte DIS und imitierte DIS unterscheiden. Mehr noch, die Probandinnen mit der Aufgabe traumatisierte Anteile zu spielen, haben sich intuitiv genau entgegengesetzt verhalten zu dem, was echte Trauma Anteile tun.
DIS und Schizophrenie ist das gleiche
Nein. Genau genommen hat das nichts miteinander zu tun, die Bezeichnung Schizophrenie ist nur irreführend und hat mit einer Spaltung im dissoziativen Sinne nichts zu tun. Bei einer DIS hört man zwar oft Stimmen, diese befinden sich aber Innen und kommen nicht von außen und sind in ihrer Natur nicht wahnhaft. Schizophrenie wird oft als eine neurologische Störung oder Gehirnstoffwechselstörung bezeichnet. DIS ist eine TraumafolgeStörung, die in ihrer Natur dissoziativ ist. Eigentlich reicht es den Wikipedia Artikel zu Schizophrenie zu lesen, um zu sehen, dass es etwas völlig anderes ist.
DIS und BPS sind das selbe und können gleich behandelt werden
Es ist gar nicht so selten beides zu haben, aber das macht es nicht zum gleichen. BPS ist eine Persönlichkeitsstörung mit klaren Mustern in Verhalten und Wahrnehmung, die sich vor allem in Kontext von Beziehungen abspielen. Immer wieder umstritten ist die Rolle von struktureller Dissoziation in BPS, da auch dort so etwas wie Anteile zu erkennen sind. Es fehlen aber die dissoziativen Barrieren zwischen diesen Anteilen, die eine DIS ausmachen. Jemand mit BPS weiß in der Regel, dass sie das selbst sind, die da extreme Schwankungen durchmachen. Eine DIS ist keine Persönlichkeitsstörung, auch wenn man das früher ‘Multiple Persönlichkeitsstörung’ genannt hat. Dieser veraltete Begriff wurde auch abgeschafft, weil er irreführend war. Innere Konflikte spielen sich oft genug alleine ab und betreffen das Umfeld nur am Rande. Man kann DIS nicht wirklich wie BPS mit DBT behandeln, das geht völlig am eigentlichen Problem, der strukturellen Dissoziation, vorbei. (deutsche Überblicksstudie zu DBT für Traumafolgestörungen inkl. DIS)
Bei einer DIS stecken viele Personen in einem Körper
Wie bei allen anderen Menschen stecken Knochen, Muskel, Organe etc in einem DIS Körper. Auch im Gehirn sitzen keine kleinen Menschlein sondern Neuronen. Eine DIS bedeutet nicht, dass es da mehrere Personen Innen gibt. Viel mehr sind Inhalte, aus denen sich normalerweise eine Identität zusammen setzt, wie Erinnerungen, Vorlieben, Denkmuster etc, durch Dissoziation voneinander getrennt. Bildgebende Verfahren (Nijenhius et al) deuten an, dass es sich um neuronale Netzwerke handelt, die unterschiedlich benutzt werden. Bei einem Anteil ist ein neuronales Netzwerk aktiv, bei einem anderen ein anderes. Durch die verschiedenen States ergibt sich der Anschein von verschiedenen Persönlichkeiten. Bei genauer Betrachtung lässt sich erkennen, dass kein Anteil davon Zugriff auf alle Fähigkeiten oder Erinnerungen hat und dass Anteile nicht völlig unabhängig voneinander sind. Man geht von einer inneren Trennung von Handlungssystemen aus. Kein Anteil ist eine wirklich vollständige Person.
Wenn man eine DIS hat, hat man keine Ahnung davon
Kann sein, muss nicht sein. In manchen Fällen sind die Amnesien absolut und es besteht eine Amnesie für die Amnesien und Betroffene merken tatsächlich nicht, dass da etwas merkwürdig ist. In vielen Fällen merkt man aber sehr wohl, dass irgendwas nicht stimmt, kommt immer wieder in knifflige Situationen, kommt irgendwo zu sich und merkt, dass man nicht weiß, wie man da hin gekommen ist usw. Bei manchen ist es so, dass sie schon immer mit den Stimmen Innen interagiert haben und aus allen Wolken fallen, dass das bei anderen nicht so ist. Viele Betroffene erkennen ihre DIS auch nicht, weil sie meinen, das müsste so sein wie in Filmen und so fühlt es sich eben einfach nicht an. Die Filme liegen falsch. Und Ahnungen sollte man ernst nehmen.
DIS kann man immer kriegen
Die Grundlage für eine DIS ist wiederholte Traumatisierung in jungen Jahren, bevor sich eine integrierte Persönlichkeit bilden konnte. Man geht davon aus, dass das etwa ab dem 6.- 9. Lebensjahr der Fall ist. Traumatisierung, die zu einer DIS führt, hat vorher stattgefunden. Bei späteren Trauma Erfahrungen entsteht eher eine komplexe PTBS, bei der auch Anteile zu erkennen sein können, die weniger ausgeprägt oder abgespalten sind. Man kann nicht plötzlich als Erwachsene eine DIS kriegen. Wenn sie da erst sichtbar wird, waren die Anteile trotzdem vorher schon vorhanden und nur nicht erkennbar aktiv. Es ist nicht selten, dass sich eine DIS erst später im Leben zeigt.
Anteile haben sich abgespalten von einem Original
Das ist eine veraltete Annahme. Man geht heute davon aus, dass auf Grund von Traumatisierung die integrative Leistung eine kohärente Identität überhaupt erst zu entwickeln nicht mehr gegeben ist. Man zersplittert nicht irgendwie bei Gewalterfahrungen. Viel mehr war man nie ganz eins. Kinder entwickeln ein Gefühl von Selbst aus ihren Erfahrungen mit einem Gegenüber. Bei ständiger Gewalterfahrung nimmt man an, dass ein Kleinkind so etwas nicht sinnvoll in sein Selbstbild integrieren kann und sich das voneinander getrennt weiter entwickelt. Die Vorstellung, dass es ein heiles Kind gibt und sich davon dann jeweils traumatisierte Kinder abgespalten haben und man irgendwo im System ein ‘Original’ finden kann, ist nicht zu belegen. Zwar gibt es in manchen Systemen Kindanteile, die von Trauma nichts wissen, die waren aber nicht ‘zuerst’ da, sondern sind wie die anderen entstanden, weil sich das Erlebte nicht integrieren ließ. Theorie
Anteile sind die Person, stecken geblieben in einem bestimmten Alter
Solche Anteile gibt es. Es gibt nur auch ganz andere. Manche halten sich für den Täter, andere vielleicht für einen Elternteil für die Innenkinder, wieder andere für die große Schwester oder einen 1000-jährigen Engel. Anteile können sehr unterschiedlich sein zu dem Kind, was damals den Alltag bewältigt hat. Ein Kind kann nach außen immer still und unscheinbar gewesen sein, und alle Wut ist zu einem anderen Anteil hin verlagert worden. So sieht man in Innenanteilen oft völlig andere Seiten, die das Außenkind damals nie gezeigt hat. Es liegt nicht in der Natur einer DIS, dass alle Anteile irgendwie nur die selbe Person sind, sie sind oft mehr die dissoziierten Extreme von dem, was alles nicht zu sehen war.
Systeme haben nur wenige Anteile
Die Anzahl der Anteile spielt keine Rolle für die DIS Diagnose. Es ist eine völlige Fehlannahme, zu denken wenige Anteile wäre die Regel. Eine ältere Studie redet von einem Durchschnitt von 18 Anteilen (solche Studien haben leider geringe Teilnehmerzahlen und sind nicht sehr solide). Je mehr Gewalterfahrungen desto größer ist oft das System. Bei Menschen mit einem Hintergrund von ritueller Gewalt, organisierter Kriminalität und Trafficking oder Mind Control sind auch dreistellige Zahlen nicht ungewöhnlich. Das hängt auch davon ab, wie ‘Anteil’ definiert ist und ob Fragmente dabei mit gezählt werden.
Bestimmte Sorten von Anteilen müssen repräsentiert sein
Es ist schon so, dass man oft bestimmte Kategorien von Anteilen identifizieren kann (Innenkinder, Alltagsperson, Beschützer usw), aber es gibt da kein Muss. Jedes System hat sich so entwickelt, wie es nötig war, um zu überleben. Es ist nicht immer ratsam, Anteile auf ihre Rolle zu reduzieren und manche Anteile lassen sich so nicht einordnen. Rollen sind langfristig eher limitierend. Manche Ego State Ansätze geben States vor, mit denen gearbeitet werden soll und das ist für DIS ungeeignet.
Nicht-menschliche Anteile sind fake
Die gibt es tatsächlich und auch gar nicht so selten. Alles zwischen Anteilen, die sich für Tiere halten, für Roboter oder Puppen, bis hin zu Fabelwesen oder Dämonen ist völlig normal. In programmierten Systemen ist das manchmal noch ausgeprägter, wo Anteile sich für Gegenstände halten. Für das Kind damals hat das so Sinn ergeben und geholfen die Situation zu bewältigen. Wenn man die dazu gehörige Geschichte kennen lernt, wirkt das meist gar nicht mehr so verrückt.
DIS wird von Ts eingeredet
Nein, eher nicht. In der Regel versuchen Ts einem sowas auszureden. Es ist belegt, dass man trauma-bedingte Dissoziation nicht durch alleiniges Vorstellen von Trauma kriegen kann (Dalenberg/ Fantasiemodell). Mehr zur Diskussion iatrogen/soziakognitives Modell
Man erkennt die Unterschiede von eingebildeter DIS recht deutlich daran, dass manche Symptome übermäßig gezeigt werden (wie dramatische Switches), anderes Erleben, was bei DIS normal ist, dafür überhaupt nicht auftaucht. Bei Suzette Boon findet ihr Forschung zu falsch-positiven DIS Diagnosen und imitierter DIS. Wer sich auskennt, sieht den Unterschied schnell. Eine DIS ist irre komplex und selbst mit jahrelangem Studium kann man das nicht einfach nachstellen oder jemanden dazu kriegen so zu sein. Moderne Hirnstudien (siehe Reinders) zeigen für DIS spezifische Veränderungen im Gehirn, die DIS auch direkt mit Traumafolgen in Verbindung bringen. Der Schaden im Gehirn ist wie bei Komplextrauma, nur ein bisschen mehr. Sowas lässt sich nicht einreden.
Jede/r Trauma T kann DIS behandeln
Was man in der normalen Ausbildung für die Traumatherapie lernt, reicht nicht aus, um damit eine DIS zu behandeln. Es reicht selten aus auch nur eine zu erkennen. Eine DIS ist nicht nur das Trauma, es ist eine tiefgreifende Art, wie man als Mensch Innen sortiert ist. Das bestimmt die Behandlung. Man kann auch keine normale Traumatherapie mit der Alltagspersönlichkeit durchführen, weil die sehr oft sehr wenig weiß darüber, was wirklich war und man ohne innere Kooperation nicht weiter kommt.
Ts müssen sich ausdenken, wie sie eine DIS behandeln. Sie lernen das zusammen mit ihren PatientInnen.
Das war vor 50 Jahren tatsächlich so. Heute kann man sich weiterbilden. DIS Therapie ist kein Hexenwerk, dazu gibt es Werkzeuge und Richtlinien. Ts, die PatientInnen mit DIS annehmen, sollten sich umgehend darum bemühen, sich umfassend zu informieren. Alles andere führt früher oder später zu Miss-be-handlung. Dann muss man wie immer in der Therapie immer noch mit dem umgehen, was an dem Tag da ist, aber es besteht etwas weniger Risiko für die Patient*innen. Es ist völlig ok wenn Patient*innen ihre Ts fragen, wie sie planen sich weiterzubilden, wenn zu Beginn der Therapie klar ist, dass die nötigen Kompetenzen noch nicht vorhanden sind. Ich würde das sehr empfehlen.
Beim switchen ist der Körper ja immer noch der gleiche
Es gibt unzählige wissenschaftliche Belege, dass ein Switch auch enorme Unterschiede im Körper verursachen kann, von Gehirnscans über Bluttests, EKGs bis hin zur Sehfähigkeit kann man praktisch überall Unterschiede finden. Nicht zwischen jedem Anteil und nicht immer so dramatisch, aber so, dass man es unmöglich ignorieren kann. Vor allem Ärzt*innen müssen das bei der Behandlung im Hinterkopf haben. Nicht selten treten Probleme mit Medikamenten auf.
DIS ist unheilbar
Mit der richtigen Therapie können Menschen mit DIS eine Fusion der Persönlichkeitsanteile erreichen. Die Symptome einer DIS verschwinden dann völlig. Das klappt nicht immer beim ersten Versuch, es gibt am Anfang die Neigung unter hohem Stress wieder auseinander zu gehen. Mit etwas Geduld und besseren Coping Skills kann eine Fusion aber endgültig sein. Eine Person nach der Fusion gilt als stabiler als eine dissoziative Person und kann besser mit Stress umgehen: Fusion ist langfristig nicht fragil. Hirnscans von Einzelpersonen Jahrzehnte nach der Fusion (Nijenhuis) zeigen, dass sich durch Neuroplastizität auch die Hirnareale, die bei DIS typisch verkleinert sind, erholen. Man kann sagen, dass man dann bis in die Gehirnstruktur hinein keine DIS mehr hat. Nicht alle Menschen mit DIS wollen oder schaffen Fusion, aber das bedeutet nicht, dass es gar nicht ginge oder nicht stabil wäre. Es ist nicht wie Alkoholismus, wo jeder Zeit mit Rückfällen gerechnet werden muss sobald Stress auftaucht.
Therapie bringt bei DIS nichts
Therapie dauert bei DIS länger, weil sie sehr komplex ist. Man geht in den Niederlanden zB gleich von einer etwa 4-jährigen Stabilisierungsphase aus und von 8-10 Jahren Therapie. Die Aussichten auf Besserung sind allerdings ziemlich gut. DIS lässt sich sehr viel besser behandeln als zB manche Persönlichkeitsstörungen. Selbst wenn es nicht zu einer völligen Integration kommt, lässt sich durch bessere innere Kommunikation und Kooperation das Leben extrem verbessern. Wenn Therapie die Situation langfristig verschlimmert, liegt das daran, dass Ts falsch behandeln, nicht an der DIS. Keine Therapie ist besser als schlechte.
TA oder IFS ist eine gute Therapie für DIS, schließlich geht es da um Anteile
Die Vorstellungen von Anteilen in der Transaktionsanalyse sind viel zu eng für DIS Anteile und die Vorstellung, es gäbe so etwas wie einen gesunden Erwachsenen Anteil oder ein ‘Selbst’ kann Systeme in den Wahnsinn treiben, bei denen es sowas eben einfach nicht gibt. Das Schema ist deutlich zu klein für die innere Realität bei einer DIS. Anteile sind nicht so einseitig in ihren Rollen und Interaktionen sind sehr viel komplexer. In IFS finden sich hilfreiche Grundmuster, die man bei einer DIS öfter mal sieht und das kann helfen zu verstehen, wie die inneren Dynamiken aussehen. IFS ist aber keine DIS Therapie. Auch hier sind Anteile zu ‘klein’ gedacht und zu sehr in Rollen gepresst, um der Realität mit DIS stand zu halten. Die Trauma Komponente und die Dissoziation wird bei beiden Verfahren völlig unterschätzt. Man kann sich da inspirieren lassen, aber man kann es nicht einfach übertragen.
DIS muss in Kliniken gesondert behandelt werden und gehört nicht in eine Gruppe
Das hat man früher so gemacht und DIS Patient*innen dabei isoliert, ihnen nur Einzeltherapien zugewiesen und das führt nicht selten zu größerer Scham. Auf spezialisierten Traumastationen oder in Komplextraumaprogrammen sind Menschen mit DIS oft gar nicht so schlecht aufgehoben. Strukturelle Dissoziation ist ein Spektrum und in einer Gruppe für komplexe PTBS finden sich sehr viel mehr Gemeinsamkeiten, was das Innenleben angeht, als man denken würde. Das Maß an struktureller Dissoziation mag sich unterscheiden, der Umgang damit ist am Ende gar nicht so unterschiedlich. Es ist nicht nötig, Menschen mit DIS zu isolieren.
Alle Systeme haben einen Hintergrund von ritueller Gewalt/ sind natürlich entstanden, das ist egal
Je nachdem womit Ts sich beschäftigt haben, sind sie manchmal nicht ganz ohne eigene Vorstellungen. DIS kann durch schreckliche Erziehung entstehen und von Einzeltäter*innen verursacht werden. DIS kann auch in einem organisierten Rahmen von systematisierter Folter entstehen. Dazwischen gibt es alle möglichen Abstufungen. Eines ist nicht weniger DIS als das andere. In der Behandlung wäre es trotzdem wichtig zu wissen, ob es einen organisierten Täterkreis und zB bestimmte Glaubenssätze oder Konditionierung gibt, weil man da anders ran gehen müsste. Ts, die diese Möglichkeit ganz ausblenden gefährden ihre Patient*innen. Ts, die alles ‘darunter’ unbewusst als nicht so schlimm erachten, können zu viel Scham und Zweifeln beitragen.
Helfende sollten sich um Innenkinder kümmern und sie nachbeeltern
Davon wird schwer abgeraten. Auch wenn es Kindanteile gibt, ist das Gesamtsystem jetzt erwachsen und sollte darin bestärkt werden, sich dessen bewusster zu werden. Szenen, in denen Helfende mit Innenkindern kuscheln oder die Patient*innen auf den Schoß nehmen oder füttern sind grenzüberschreitend. Ja, es hilft, wenn Innenkinder heute mit dem Körper erleben, dass es sicher ist. Dabei sollte nur die Realität nicht verloren gehen, dass dieser Körper erwachsen ist. Man sollte mit Innenkindern nichts tun, was man nicht auch mit den Alltagspersonen tun würde, wenn es um körperliche Nähe geht. Oft braucht es erst einmal die Hilfe von Personen im Außen, um Innenkinder zu unterstützen und ihnen weiter zu helfen. Die Bindung zu einer Außenperson sollte aber so bald es geht von der Bindung zu anderen Anteilen im System abgelöst werden. Der Kern der DIS Therapie ist nicht das Nachbeeltern sondern sehr viel mehr das bewusster machen der heutigen Realität und des Systems als Gesamtperson. Integrative Prozesse machen Nachbeeltern überflüssig und gehen viel schneller.
Integration ist das ultimative Ziel
Integration wird von Ts gerne als Ziel benannt, weil es eine Richtung vorgibt. Wenn man Integration als ein Spektrum sieht und man sich darauf einigen kann integrierter werden zu wollen, ist das hilfreich. Wenn Ts ganz zu Anfang der Therapie auf Integration als Event bestehen, überfordert das Patient*innen in der Regel. Der Vorstellung steht viel zu viel im Weg, wovor man berechtigt Angst hat, weil man die integrativen Kapazitäten erst entwickeln muss. Es ist ein Irrglaube, dass jedes System eine völlige Integration schaffen kann. Manchmal ist die innere Zusammensetzung sogar so, dass das weniger funktional wäre als gute Kooperation. Wie weit ein System geht oder gehen kann, hängt alleine von ihnen ab. Das Schreckgespenst Integration zu Beginn einer Therapie als Bedingung aufzubringen ist meiner Meinung nach ein Fehler. Niemand kann heute sagen, wie man darüber fühlen wird, wenn man so weit ist. Je weniger Trauma im Weg steht, desto natürlicher fühlt sich ein integrierteres Leben an.
Integration ist, wenn Anteile verschmelzen und nur einer übrig bleibt
Diese Vorstellung ist so veraltet wie der Gedanke des Splitterns einer Persönlichkeit. Man geht davon aus, dass strukturelle Dissoziation Anteile voneinander trennt und bei der Integration diese Trennung aufgehoben wird. Wie in einer großen Halle, wo viele Wände eingezogen wurden, um kleinere Räume zu schaffen. Nimmt man die Wände raus, ist dadurch die Fläche an sich nicht verloren gegangen. Die Flächen sind nur nicht mehr voneinander getrennt. Integration bedeutet eigentlich, dass man zu jeder Zeit Zugang zu allem hat, was einen als Gesamtperson ausmacht, also alle Fähigkeiten, Erinnerungen, usw. Dabei geht nichts verloren. Manches verändert sich aber vielleicht wie zB Vorlieben. Manchmal verbinden sich Anteile so während der Therapie und das ist ein natürlicher Prozess, kein künstlich erschaffenes Event. Das fühlt sich nicht zwangsläufig an wie ein ‘verschmelzen’ und niemand verschwindet dadurch in dem, was einen ausmacht. Es ist mehr so, dass man nicht mehr klar auseinander halten kann wer jetzt vorne war, weil es sich vermischt. Die weit verbreitete Angst man würde sterben oder sich irgendwie auflösen, ist nicht berechtigt. Man kann das mit Blending vorher probieren, um zu sehen, ob man das mögen würde.
DIS ist auffällig, ich wüsste wenn ich jemanden damit kennen würde
Nur 6% der Menschen mit DIS haben offensichtlich eine (siehe Kluft in Dissociation and the Dissociative Disorders: DSM-V and Beyond). Weitere 20% maskieren gewohnheitsmäßig, sodass Wechsel nicht deutlich zu erkennen sind. Bei den übrigen ist es eine sehr versteckte Angelegenheit, die man nicht sofort sieht. Bei manchen Systemen gibt es nur ein kleines Zeitfenster, wo sie offensichtlich werden, weil sie in eine Krise geraten sind. Man merkt oft, dass Leute depressiv sind oder ängstlich. Bei manchen Systemen ist das aber alles nach hinten abgespalten und sie wirken völlig normal ohne ein Anzeichen, dass was nicht stimmt, nicht mal die PTBS ist erkennbar. Wie oben erwähnt liegt die Häufigkeit bei etwa 1% in der Bevölkerung. Alle von uns kennen irgendwen mit DIS, wir wissen es nur nicht.
Wechsel sind dramatisch und sichtbar
Das kann sein, muss es aber nicht. Oft sind es sehr kleine Anzeichen, die auf einen Wechsel hindeuten und oft wird auch nicht in einen Kindanteil gewechselt sondern zB einen Beschützer oder erwachsenen Anteil, der gerade mit der Situation besser umgehen kann. Die Unterschiede zwischen Anteilen können groß sein aber auch sehr klein. Oft verändert sich die Stimme auch gar nicht sondern nur zB die Einstellung zu einem Thema. Wenn man ein System ein Leben lang kennt, übersieht man solche Wechsel manchmal zunehmend. Das kann bei Ehepartnern manchmal frustrierend und verwirrend sein. Dramatische Wechsel sind vor allem ein Stilmittel in Filmen über DIS, wo man das überspitzt darstellen muss, damit der Zuschauer versteht, was passiert.
Menschen mit DIS sind hochfunktional/nicht alleine lebensfähig
Da neigen Menschen auch zu extremen Meinungen. Es gibt Systeme, die Karriere machen und keiner merkt etwas davon (zB Robert Oxnam), aber die sind nicht der Standard. Es gibt auch Systeme, die so verwirrt sind, dass sie alleine nicht leben können und in Wohngruppen untergebracht sind, wo sie betreut werden können. Auch die sind nicht der Standard. Die meisten von uns leben mit vielen Hürden und Einschränkungen und machen das beste daraus. Nicht anders als andere Menschen mit psychischen Problemen.
Menschen mit DIS sind dumm
Das könnte man meinen, wenn man viel mit jungen Anteilen zu tun hat oder die Frontperson so schwer dissoziiert, dass die Denkfähigkeit davon eingeschränkt ist (Mehr). Eigentlich geht man davon aus, dass Menschen mit einer DIS öfter einen höheren IQ haben. Das wird nicht immer sichtbar, wenn Fertigkeiten oder Wissen zwischen Anteilen aufgeteilt ist und man eben nicht immer Zugang zu dem Wissen hat, was gerade benötigt wird. Ich habe auch schon ein System mit diagnostizierter Intelligenzminderung getroffen, aber das sind eher Ausnahmen.
Man kann auf Kommando switchen
Schön wäre es. Manche Systeme können das. Manche können es recht gut, wenn sie es gezielt üben. Bei vielen ist es mehr Glückssache, ob der andere Anteil auch Lust drauf hat oder es nach Vorne schafft und wie sehr man sich dabei verkrampft. Manche können das gar nicht. Man kann das nicht erwarten. Oft finden Wechsel statt, weil Außen etwas passiert ist, was sie triggert oder nötig macht. Es ist nicht respektvoll zu versuchen einen Switch zu verursachen. Viele Wechsel verursachen oft Kopfschmerzen. DIS ist keine Zirkusshow für neugierige Bekannte.
Menschen mit DIS haben Axtmörder Anteile
DIS wird sehr gerne in Krimis oder Thrillern verwendet, um Täter*innen einen coolen Twist zu geben. Filme wie Split treffen mitten rein in dieses Vorurteil. Das dient dramaturgischen Zwecken und hat mit der Realität nichts zu tun. Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine dissoziative Störung zu mehr Gewaltverhalten führt (Studie). Viel mehr ist es so, dass Menschen mit DIS schon als Kinder Opfer waren und sich eben dieses Muster wiederholt, sie werden wieder zu Opfern. Ich wäre Autor*innen persönlich dankbar, wenn sie aufhören könnten, DIS für ihre Geschichten zu missbrauchen und dabei die Realität so massiv zu verdrehen, dass am Ende Opfer als Täter dargestellt werden und es dieses Bild ist, was in den Köpfen der Menschen hängen bleibt. Wer schreibt, hat auch Verantwortung.
DIS ist, wenn man sich wie ein Kind verhält
Es gibt genug Menschen ganz ohne DIS, die sich wie Kinder verhalten. Anteile bei einer DIS sind sehr viel vielfältiger als nur ‘Das Kind’. Viel öfter sieht man wie sich jemand sehr intellektuell, jugendlich aufmüpfig oder mütterlich streng verhält. Hoch kontrolliertes Verhalten ist bei den Alltagspersonen eher die Regel. DIS hat mehr als ein Gesicht. Und gerade das Kindliche sieht man als normale Bekannte bei vielen Systemen praktisch nie.
Innenkinder sind alle verletzt/ unschuldig und fröhlich
Manche stellen sich das so vor, als wären Kindanteile grundsätzlich verspielt, fröhlich, ausgelassen und unschuldig, weil sie ja Kinder sind. Solche Anteile gibt es, aber nicht so oft. Viele Innenkinder tragen die Erinnerung an Traumatisierung und sind traurig, ängstlich, panisch, stumm, verschlossen, misstrauisch, betäubt usw. Manche wissen gar nicht was Spielen ist. Manche sind viel zu wissend für ihr Alter. Manche sind ziemlich schlau und können auch Sachen, die sonst Erwachsene machen. Wenn wir Anteile in Rollen quetschen, tun wir niemandem einen gefallen. Auch traurige Innenkinder können spielen lernen und Ängstliche vertrauen. Der Gedanke von ANP und EP lässt es manchmal so scheinen, als wären alle Innenkinder emotional angeschlagen, aber das ist auch nicht immer der Fall.
Introjekte sind Täter, die sich irgendwie im System eingeschlichen haben
So wenig wie viele Personen in einem Kopf sitzen können, so wenig kann eine Person von außen sich in diesem Kopf einnisten. Täterintrojekte sind wichtige Teile des Systems, die ihre eigene Rolle darin spielen, die Gesamtperson zu beschützen, solange Täterkontakt besteht. Sie sind ein Teil von uns, der eine bestimmte Rolle einnimmt, indem sie Täter imitieren. Das kann sehr echt wirken, wenn sie Stimmen nachmachen und typische Sätze wiederholen, aber sie bleiben Teil von uns. Es kann also nicht das Ziel sein, die los zu werden, sondern viel eher eine neue Aufgabe für sie zu finden, die heute angemessen ist.
Man sollte störende Anteile einsperren oder umbringen
Meist sind Anteile, die sich schädigend verhalten, einfach nicht in Raum und Zeit orientiert und verstehen nicht, dass sie Teil eines Persönlichkeitssystems sind oder sie sind schwer dysreguliert und versuchen sich ungeschickt zu regulieren. Grundsätzlich ist es besser sie zu orientieren und zu erden. Manchmal ist es nötig sie etwas abseits zu halten, weil ihr Verhalten für das System schädigend wäre. Einsperren allerdings verschärft Situationen und ist auf Dauer nicht durchführbar. Irgendwann brechen sie aus und es kommt zu schädlichen Handlungen. Der Einsatz von Strafe und Isolation verstärkt das Trauma Schema. Der Gedanke vom ‘Drachentöter’, wie das früher bei PITT gelehrt wurde, wo man imaginiert einen Anteil zu erlegen, ist nicht anzuraten. Es handelt sich auch bei solchen Anteilen um einen Selbst.
Anteile können sterben und sich gegenseitig umbringen
Anteile sind komplexe Zustände, die unser Gehirn hervorbringt. Wenn wir keinen Unfall haben, wo das Gehirn geschädigt wird, kann man das nicht beseitigen. Die Innere Welt basiert auf Trance Logic. Manchmal glauben Anteile, dass sie tot sind. Wenn man sie fragt, antworten sie einem „Ich kann nicht reden, ich bin tot“. Viele antworten auch nicht, sind aber klar da. Wenn ein Anteil den anderen ‘umbringt’, haben sich beide nur darauf geeinigt, dass sie jetzt glauben, der andere sei tot. Wenn man einfach nicht glaubt, dass einen eine innere Handlung umbringen kann, ist man auch nicht tot. Bei dem allen geht es mehr darum, was man glaubt, als was real ist. In der Regel kann man ‘tote’ Anteile wiederbeleben oder sie kommen reinkarniert zurück. Manchmal setzen sich Anteile zur Ruhe und wir erleben diesen komplexen Zustand einfach nicht mehr so viel. Und manchmal vernetzen sich solche Netzwerke und es findet eine Integration mit dem Nachbar-Netzwerk statt, sodass es scheint, als wäre ein bestimmter Anteil nicht mehr da. Aber echtes Sterben ist Glaubenssache.
DIS bedeutet man hat eine ausgeprägte Innere Welt, in der alles stattfindet
Manche Menschen mit DIS haben extrem ausgeprägte Innere Welten, in denen Anteile interagieren und alles mögliche erleben. Das ist kein Diagnosekriterium und diese bunten Vorstellungen lenken davon ab, dass es sowas in vielen Systemen auch gar nicht oder nur in Ansätzen gibt. Für manche gibt es nur ein ‘Vorne’ oder im Dunkeln sein. Nicht selten sind da auch rudimentäre Höhlen statt ausgebauten Landschaften. Oft genug findet der Austausch zwischen Anteilen nicht Innen statt, sondern nur zwischen Anteilen, die weit genug Vorne sind. Wenn wir so tun, als wäre eine ausgeprägte Innere Welt ein Muss, verunsichert das einen großen Teil der Betroffenen, weil das eben nicht so oft der Fall ist, wie man sich das vorstellt. Konferenz Räume oder Sichere Orte müssen in der Regel erst ‘gebaut’ werden. Es ist nicht immer hilfreich, Systeme zu ermutigen sich eine komplexe Innere Welt zu erschaffen, um nur darin zu leben. Oft ist es hilfreicher mehr Vorne und mehr zusammen zu sein, in der echten Welt. Manchmal braucht es dazu spezielle innere Orte, um das zu unterstützen, aber Innen zu leben ist nicht Ziel der Therapie. Innen ist eine Fantasiewelt und nicht das wahre Leben.
Menschen mit DIS sind untreu
Es kann passieren, dass manche Anteile die Partnerperson nicht so gerne mögen oder jemand anderen. Das Ausmaß dieses Problems wird nur gerne maßlos übertrieben, so als gäbe es ständig Anteile, die freizügig um die Häuser ziehen. Die meisten Systeme haben solche Anteile an der kurzen Leine und verhandeln Beziehungen. Man kann nicht einfach grundsätzlich von Untreue ausgehen. Oft haben Menschen mit DIS sehr wenige Partnerschaften im Leben, weil sie sehr wenigen Menschen vertrauen können oder leben absichtlich alleine, weil das System eine Beziehung gar nicht tragen könnte.
Menschen mit DIS sollten keine Kinder erziehen
Ein schlechtes Vorbild von Erziehung kann dazu führen, dass einem selbst später Fertigkeiten fehlen. Völlig unkontrollierte Switches beeinflussen auch das Kind. Unbehandelte DIS ist ungünstig. Das ist nur meist nicht, wie die Realität aussieht. Viele Betroffene haben aus ihrer eigenen Geschichte gelernt, wissen genau was geht und was schädlich ist und sind sehr achtsam und liebevoll im Umgang mit ihren Kindern. Manche sind da sehr viel sensibler als Nicht-Traumatisierte. Es ist auch nicht die Regel, dass die Versorgung eines Kindes Kindanteile nach Vorne holen würde. Das sind alles Vorstellungen von worst case Szenarien, die so nur sehr selten vorkommen. Wir kennen gleich mehrere Systeme, die sich hauptberuflich um Kinder kümmern und das exzellent machen.
DIS ist Besessenheit
Eigentlich sollte jedem aufgeklärten Menschen klar sein, dass das Unsinn ist. Wer immer noch zweifelt, könnte dämonisierte Menschen in der Bibel studieren und feststellen, dass das völlig unähnlich ist zu dem, wie sich eine DIS präsentiert. Über Befreiungsdienst
DIS kann mit Medikamenten beseitigt werden
Medikamente können helfen, begleitende Symptome zu lindern wie Depression, Angst oder Schlafstörungen. Man kann damit eine DIS nicht heilen. Bei manchen Systemen kann man mit starken Neuroleptika die innere Kommunikation unterbrechen. Damit zwingt man einen Anteil dazu alles zu tun, ohne dabei auf die Fertigkeiten, Erinnerungen und das Wissen der anderen Anteile zurück greifen zu können. Wer so Kommunikation und Kooperation verhindert, verhindert Heilung. Man kann die strukturelle Dissoziation nicht reduzieren, wenn sie chemisch verstärkt wird. Die Behandlung mit Neuroleptika, wie sie bei einer Falschdiagnose von Schizophrenie durchgeführt wird, stoppt jede Chance weiter zu kommen und reduziert die Funktionsfähigkeit des Systems erheblich.
Bei manchen Systemen machen Medikamente auch gar keinen Unterschied, sie hören weiter Stimmen.
Man kann auch ohne Trauma eine DIS haben
In den USA herrscht zur Zeit ein Trend zu ‘endogenen’ Systemen. Das sind Menschen, die darauf bestehen, dass sie Viele sind aber garantiert kein Trauma haben. Die bisher einzigen erforschte Gruppe mit DIS-ähnlichen Symptomen ohne sonstige Pathologie sind Medien in der brasilianischen Tradition oder Schamanen in Besessenheitszuständen. Alle Menschen haben weniger integrierte Ego States, das sind deswegen aber keine dissoziierten Anteile. Eli Somer sagt, dass es sich bei diesem Phänomen um maladaptives Tagträumen handelt und der Trend zeitlich mit der Corona Pandemie aufkam, vorher gab es das alles gar nicht. Für DIS gilt, dass sie in jedem Fall trauma-bedingt ist. Was auch immer Endos erleben, ohne Trauma ist es keine DIS. Das sollte scharf voneinander abgegrenzt werden.
Man kann sich durch eine spirituelle Praxis selbst in Anteile aufspalten (Tulpas)
In der asiatischen Mystik findet sich der Gedanke, man könne sich für bestimmte Geister öffnen, die dann mit im Körper leben. Ein moderner Trend hat daraus eine Praxis gemacht, in der gezielt versucht wird Ego States so weit zu desintegrieren, dass sie eigenständige Wesen werden. Anleitungen dazu kann man online finden. Somer schätzt dieses Phänomen so ein, dass es sich um Selbsthypnose handelt. DIS ist eine trauma-bedingt dissoziative Störung, die durch chronisches Gewalterleben in der frühen Kindheit entsteht. Man kann sich das nicht selber machen. Eine Des-Integration von Ego States ist nicht das selbe wie eine Dissoziation von Persönlichkeitsanteilen. Nicht integriert ist nicht das selbe wie dissoziiert. Da es sich um eine ursprünglich spirituelle Praxis handelt ist sowas ohnehin von der DIS Diagnose ausgenommen, so wie die Schamanen und die Medien. Ich kann nur alle bitten, das mit den Tulpas zu lassen. Mangelhaft integrierte Ego States finden sich in nahezu allen psychischen Störungen. Das kann nicht gesund sein.
Man sollte es feiern eine DIS zu haben, weil das ein normaler, alternativer Lebenswandel ist
Auch ein Trend, der aus den USA herüber schwappt ist der Gedanke von DIS Pride, so wie LGBTQ Pride. Die Begründung dafür ist, dass Anteile einem früher das Leben gerettet haben und man sie feiern sollte und dass eine dissoziierte Persönlichkeitsstruktur normal ist und gesellschaftlich anerkennt werden sollte. So soll Stigmatisierung gebrochen werden. Ich finde nichts Schlechtes daran Anteilen für ihre Rolle dankbar zu sein, eine DIS komplett zu normalisieren würde allerdings auch bedeuten, die extreme Gewalt an kleinen Kindern als völlig normales Konzept in der Gesellschaft anzuerkennen. DIS Pride verleugnet oft das Leid, was mit dieser Störung verbunden ist und ist ein Schlag ins Gesicht für programmierte Systeme. Ich halte das Konzept für bedenklich. Dazu kommt, dass ein LGBTQ Vergleich völlig fehl am Platz ist. Mit DIS wird man nicht geboren. Eine DIS ist zu 100% vermeidbar.
DIS kann durch maladaptives Tagträumen entstehen
Es gibt Ts (!), die fest daran glauben, dass eine DIS entsteht, weil ihre PatientInnen sich in Tagträumen ein anderes Leben mit anderen Rollen und Persönlichkeiten ausmalen und das so intensiv wird, dass sie das dann ausleben und in ihren Tagträumen vielleicht sogar Amnesien dafür haben. DIS ist eine Traumafolgestörung. DIS beruht auf struktureller Dissoziation. Das hat mit Tagträumen nichts zu tun. Man kann sich seine Gehirnstruktur nicht erträumen. Hier wird eine problematische weil falsche Definition für den Begriff ‘Dissoziation’ verwendet.
Man kann Anteile wie Halluzinationen vor sich sehen, wenn man mit ihnen redet
Das ist ein Stilmittel in Taras Welten, einer Unterhaltungsserie rund um ein dissoziatives System. Das ist Fernsehen. In der Regel finden Unterhaltungen im Kopf statt und man sieht den Anteil dabei nicht zwangsläufig vor dem Inneren Auge, noch viel weniger im Außen. Gute Repräsentation von DIS in Filmen ist höchst selten. Um das Innen darzustellen wird oft zu kreativen Mitteln gegriffen, die nicht der Realität entsprechen. Wir müssen aufhören unser Wissen aus Filmen und Romanen zu beziehen und anfangen uns mit der Realität zu beschäftigen.
Menschen mit DIS stylen sich immer um, wenn sie switchen
Das ist ein weiteres Stilmittel aus Taras Welten, wo mit einem Switch plötzlich Kleidung und Styling komplett gewechselt werden, damit der Zuschauer versteht, wer das sein soll. Für solchen Unsinn haben echte Systeme weder Zeit noch besteht der Bedarf so auffällig zu sein. Während Anteile sich durchaus anders kleiden können, ist der Gedanke sich mit jedem Switch umzuziehen völlig absurd.
Welche Vorurteile und Vorstellungen sind euch schon begegnet? Schreibt mir das gerne unten in die Kommentare.
Natürlich gibt es auch Fachartikel zu dem allen. Ich empfehle Loewensteins Dissociation debates: Everything you know is wrong
Eyem says
Hey, ich wollte einfach los werden, dass dieser Blog unglaublich informativ und hilfreich für mich ist. Durch diesen Blog habe ich einen eventuellen Lösungsansatz für ein inneres Problem bekommen. Das ist seit einigen Jahren nicht mehr passiert, das mich hat etwas so wuppen können! Ich danke euch für eure Arbeit und Mühe.
Hochachtungsvolle Grüße, Eyem.
Crushed says
Me too!
Thanks a lot!
This is the very best blog we’ve ever found about DID👍👌
Many 🍀🍀🍀🍀for Theresa
Simmi says
Danke!
Erst vor kurzem wäre ich in stationärer Therapie ffast ausgerastet als es darum ging, einen Anteil/Zustand einzusperren/zu erledigen und was sonst noch für Beispiele kamen.
Jeder Anteil spiegelt mich selbst wieder, ganz gleich wie abgespalten der auch ist. Ganz gleich was er oft oder hin und wieder getan hat. Er tat es aus Not. Ich war übelst sauer.
Schön das dies jemand mit Verstand und Wissen ähnlich sieht wie ich.
Danke!
Theresa says
Ich geb hier auch nur die gängige Vorgehensweise von Experten weiter. Wer sich mit dem Thema ausreichend auseinander gesetzt hat, sollte verstehen, warum das so gehandhabt wird. Leider seh ich es sehr sehr oft, dass TherapeutInnen oder Kliniken nicht die notwendige Ausbildung dazu haben DIS/OSDD zu behandeln und es dennoch tun. Oft auch mit Methoden, die sie aufgeschnappt haben, die aber 30 Jahre veraltet sind. Man kann sich professionell weiter bilden, dazu gibt es Anlaufstellen. Keine Klinik müsste ihre PatientInnen so miss-be-handeln.
Jouette says
Hallo! 😊 Ich habe eine Frage zu dem Punkt “Bei einer DIS stecken viele Personen in einem Körper.” Du schreibst, dass es sich stattdessen um neuronale Netzwerke handelt, die von den verschiedenen Anteilen genutzt werden. Das habe ich auch schon ganz oft gelesen von anderen Betroffenen, aber ich finde keine Fachinformationen dazu. Weißt du noch, worauf du dich damals bezogen hast? Alles Liebe und Danke für deine Arbeit!
Theresa says
Ich kann dich vielleicht grob in eine Richtung schicken, meine Konzentration reicht gerade nicht um die Quellenangaben in den Büchern durch zu gehen. Janina Fisher schreibt in Die Arbeit mit Selbstanteilen in der Traumatherapie von Studien, die zeigen, dass ANPs und EPs im Hirn völlig andere Areale nutzen. Das Alltags-Ich mehr links und präfrontal zu finden ist, das getriggerte Ich eher rechts und limbisch.
Die gründliche Hirnforschung zu DIS kommt von Ellert Nijenhuis und seinem Team. Er schreibt darüber entweder in Das verfolgte Selbst oder Die Trauma Trinität, wobei letzteres ausführlicher ist. Ich weiß, dazu sind auch Fachartikel veröffentlicht, die erklären oft auch sehr ähnliche Themen und da muss man glaub ich schauen welcher genau die Angaben hat. Ich weiß erst 2019 ist einer raus gekommen, der klar die Veränderungen in der Gehirnstruktur bei DIS zeigt und Hinweise liefert, dass auch das bei der Diagnose eingesetzt werden könnte. Die Annahme selbst gibt es als Hypothese schon länger. Das zu testen ist nur sehr aufwendig, weil man ganze Datensätze von jedem Anteil miteinander vergleichen muss und individuell raus kriegen, wie ein Anteil auf eine Sache im Scan reagiert, um das mit anderen Anteilen und der selben Stimulation zu vergleichen. Über DIS Systeme hinweg ergeben sich da keine so klaren Muster, das bleibt also immer auf eine Testperson bezogen. Ich meine das ist auch in Die Trauma Trinität erklärt. Es gibt eben nicht genug Testpersonen und die Tests sind zu aufwändig um da tiefer rein zu gehen.
Lou says
aerzteblatt.de/archiv/53608/die-dissoziative-Identitaetsstoerung-haeufig-fehldiagnostiziert
zaeda says
First off, thanks a bunch for your lab – it’s been incredibly helpful throughout the past few years of turmoil in our life. Eine Frage zu den Auswirkungen von Neuroleptika, zu denen du schreibst: weißt du, wo man dazu mehr Informationen finden kann? Gibt es dazu einen Artikel/eine Studie? Danke und Sommergrüße
Theresa says
Eine Studie hab ich dazu noch nicht gesehen, aber das wird immer wieder in einschlägiger Literatur erwähnt. Ich meine dazu was bei Huber und nijenhuis gelesen zu haben. Ansonsten gibt es Erfahrungsberichte in Foren oder online. Bei manchen ändern die wohl gar nichts, bei anderen legen sie alles lahm. Wir gehören zu der zweiten Gruppe.
zaeda says
Danke. Ja, in Foren oder so hab ich es auch schon gelesen und die Erfahrung selbst auch schon gemacht. Bei Huber und Nijenhuis hab ich es nicht gelesen, von beiden aber auch nur eine Auswahl der Literatur gelesen, längst nicht alles. Falls dir dazu nochmal was über den Weg läuft, würde mich das sehr interessieren und ich würde mich über eine kurze Nachricht freuen.
Theresa says
Ich bin im Moment stationär zur Traumabearbeitung. Wenn ich wieder zu Hause bin kann ich nachschauen. Das wird aber nirgends ausführlich behandelt sondern in der Regel nur erwähnt.
Sarah says
Hey,
danke für diese wunderbaren Einsichten.
Wir kommen gerade zurück. Langsam, aus einer Reihe von Beschreibungen von oben (Medikamente zum Ruhigstellen, Diagnosen aufgrund Wissensmangels, Funktion durch ungläubige im Außen usw.)
Ein befreundetes System wusste von Anfang an, was hier los ist. Und etliche Signale von Innen haben mich auch immer wieder gerufen. Ich bin aber so vielen Leuten (auch Fachleuten) begegnet, die mir die Sache mit der Dissoziation und den Anteilen nicht abnehmen wollten oder konnten. Obwohl die Testungen in’s Unermessliche nach oben ausschlugen. So bekam ich schon den Stempel einer histrionischen Persönlichkeitsstörung, was mich schwer retraumatisiert hat. Schizophrenie wollte man mir auch schon unterjubeln.
Es ist, je nachdem welche Lebensgeschichte man so mitbringt, sicher nicht leicht gewisse Symptomatiken zu differenzieren. Aber einfach aufgrund einer x-beliebigen Annahme die passendste Diagnose zu stellen, halte ich für überaus gefährlich und verantwortungslos.
Hat man dann noch eine T, die sich nur an ihr eingefahrenes Konzept hält und wenig bis gar nicht flexibel ist (was es uns auch schwer macht zu vertrauen), und eventuell ein instabiles Umfeld hat, fühlt man sich ganz schön oft, ganz schön allein…
Strukturelle Dissoziation ist verdammt vielfältig. So vielfältig, wie es Betroffene gibt.
Ich wünsche allen Betroffenen ein kunterbuntes, kommunikatives Leben!
Viele Grüße,
S.
Philipp says
Hi ihr,
mir macht der Artikel ein wenig Angst.
Woher weiß man denn ob man eine DIS hat? Wie kann man es rausfinden? Kann man auf irgendwas achten?
Liebe Grüße
Philipp
Theresa says
Wenn du Sorge hast, dass du eine DIS hast, wende dich an eine*n Therapeut*in. Die machen in der Regel den DES als screening, das könntest du schon mal hier online machen. Und wenn du da auffällig abschneidest, machen sie einen SCID-D oder den MID. Das sind diagnostische Tests. In dem Artikel hier findest du eine Erklärung, wie man DIS von Ego States unterscheidet und was für Symptome bei einer DIS auftreten würden. Wenn du keine Symptome hast, hast du keinen Grund dir Sorgen zu machen.
Katja says
Hey, auch ein sehr vorbereitetes Vorurteil ist das die DIS nur in den USA existiere… Viele Psychiater argumentieren ihre Meinung damit…
Wir sind ein dis system und hören öfter dinge wie stell dich nicht so an, du bildest dir das ein usw….
Es ist zermürbend…
Theresa says
Da gibt es ja eigentlich schon seit einer ganzen Weile internationale Studien zu… Manche Menschen sind einfach wissenschaftsresistent. Tut mir Leid dass du dich damit rumschlagen musst.
CRUSHED says
Hallo Theresa,
kannst Du mir diese Frage beantworten:
Wenn eine DIS nicht therapiert wird….muss man dann im späteren Älter mit einer DEMENZ “rechnen”?
Die Symptome bei Demenz sind doch gleich bzw.ähnlich!!!
Bin betroffen (pDIS)und von seitens der Schulmedizin kommt keine Hilfe!
Danke im Voraus
Theresa says
Ich weiß nicht wer dir so einen Unsinn erzählt hat. Die Symptome sind nicht mal ähnlich und das sind zwei völlig andere Störungsbilder. Als ich mich das letzte Mal mit Demenz beschäftigt habe, war im Gespräch, dass sich Trauma insgesamt möglicherweise leicht negativ auswirken könnte, aber nicht als Kausalität. Das bedeutet, Trauma hätte einen kleinen Einfluss auf eine bestehende Demenzerkrankung, löst sie aber nicht aus. Die ‘Schulmedizin’ im Sinne von klassischer Behandlung ist, was bei DIS wirklich hilft, auch wenn es schwer ist an diese Hilfe ran zu kommen. Vielleicht beschäftigst du dich am besten mit den Dingen, die du hast, statt dir vorzustellen, was du noch alles kriegen könntest. Das bewirkt schlicht mehr.
Crushed says
Liebe Teresa ,vielen Dank für Deine Antwort…der Hausarzt sagte das,obwohl er genau weiss,wie schwierig es ist ,einen kompetenten Therapeuten zu finden!
Möchte auch bzgl.Post über Schlafparalyse .danken…alles muss man selbst herausfinden und dabei ist Dein Blog wirklich sehr,sehr hilfreich!
Es hilft eben sehr ,dass Du mich bzgl.der Demenzfrage so erleichtert hast!
Wünschen Dir/Euch nur das ALLERBESTE und weiterhin viel Stärke!💪!
Daniela says
Moin Theresa,
vergangene Woche habe ich mit meiner Therapeutin über Verantwortung gesprochen. Eine der Fragen war, ob ich moralisch verantwortlich bin, wenn ich z.B. aufgrund eines heftigen Albtraums dissoziiere, ein anderer Anteil nach vorne kommt und eine andere Person durch versehentliche Abwehr verletzt.
Meine Therapeutin meint, dass ich trotzdem verantwortlich wäre, weil der andere Anteil ja trotzdem ein Teil von mir sei. Stimmt das? Ich nehme den anderen Anteil ja als eigenständige Person wahr. Ist es dennoch ein Teil von mir? Und bin ich trotz Dissoziation und Switch moralisch verantwortlich, obwohl ich in dem Moment wie nach dem Albtraum nicht ich bin und 0% Kontrolle habe?
Liebe Grüße
Daniela
Theresa says
Das nennt man System-Verantwortung und das ist leider wirklich so. Es handelt eben niemand völlig anderes sondern man selbst in einem anderen, dissoziierten Zustand. Die Illusion, dass es jemand anderes war, entsteht nur durch die Dissoziation. Vielleicht hilft es mit der Motivation, an Co-Bewusstsein und Kooperation zu arbeiten. Ich persönlich finde, dass man bei Reaktionen von schlafenden Menschen, völlig egal ob mit Dissoziation oder ohne, nicht gut vorhersehen kann was passiert und ein bisschen mitschuldig ist, aber das ist ein anderes Thema…
Cassie+ says
Hallo Theresa, wir sind gerade damit beschäftigt, eine Therapeuten zu finden, der das Wissen hat, um uns helfen zu können und neben dem ganzen Unwissen in Fachkreisen (man hat uns schon schizophren und psychotisch genannt, DIS wurde als „extrem selten“ bezeichnet und Psychiater haben zugegeben, überhaupt keine Ahnung davon zu haben) haben wir eben das Problem, dass wir selbst uns ziemlich sicher sind, dass wir DIS oder „wenigstens“ pDIS haben… ursprünglich haben unsere Freude uns darauf hingewiesen, dass wir so widersprüchlich und „immer anders“ sind, ich (wir sagen jetzt hier ich, weil wir es damals eben noch so empfunden haben) wusste schon als ich jünger war überhaupt nicht, wer ich bin, weil sich Gedanken oder irgendwelche Handlungen einfach gar nicht wie “meine“ angefühlt haben und als ich dann angefangen habe, zu recherchieren, habe ich auch noch erfahren, dass bestimmtes Erleben halt entgegen meiner Annahme nicht normal ist und sich Dissoziation bzw. Amnesie nennt… bedeutet, nachdem wir uns sehr viel informiert haben (auch besonders auf diesem Blog, vielen Dank an dieser Stelle!!!) und ungefähr alle Fragebögen gemacht haben, die es online so gibt, bezeichnen wir uns eben selbst als DIS System. Neben den Psychiatern, die es einfach für Schizophrenie halten (oder sagen, es sei normal, immer mit der Begründung, dass wir „halt noch jung“ und mit ASS diagnostiziert sind) gab es jetzt einen, der sagt, wir KÖNNEN gar keine DIS haben, da wir uns dessen BEWUSST SIND, also im Umkehrschluss, dass jemand mit DIS nicht weiß, dass sie viele sind. Stimmt das? Erfährt man, dass man DIS hat, erst wenn ein T es einem sagt oder kann es doch sein, dass man das wie wir selber vermutet?
Theresa says
Vollständige Amnesien für alles und zwischen allen Anteilen sind kein Diagnosekriterium. Da ist jemand falsch informiert.
Cassie+ says
Okay vielen Dank! Neulich meinte eine Therapeutin auch irgendwie, dass man die Diagnose DIS gar nicht bei unter 18 jährigen stellen kann… stimmt das? Dazu haben wir nämlich irgendwie nirgends was gefunden.
Liebe Grüße und Danke!
Theresa says
Wenn du auf die Seite der ISSTD gehst findest du da Behandlungsrichtlinien für DIS bei Kindern und Jugendlichen. Prinzipiell kann man das schon diagnostizieren. Die Persönlichkeit von Jugendlichen ist nur ohnehin schon von ‘identity confusion’ geprägt und es kann zu sowas wie identity alteration kommen. Dadurch wird es schwerer zu sagen was davon dissoziativ ist und Ts verschieben eine Diagnose um der Klarheit Willen. Zumindest wenn wir annehmen dass sie wissen was sie tun. Wenn sie es nicht wissen verwechseln sie DIS mit einer Persönlichkeitsstörung und die wird bei minderjährigen prinzipiell nicht vergeben
Ella says
Hallo Theresa oder auch andere die hier lesen,
ich habe diesen Artikel schon vor einigen Tagen gelesen, eine Stelle lässt mich seither nicht mehr los.
Es geht um den Satz „Bei manchen ist es so, dass sie schon immer mit den Stimmen innen interagiert haben und aus allen Wolken fallen, dass das bei anderen nicht so ist.“ So ungefähr geht es mir gerade und ich frage mich, ob das wirklich nicht normal ist, bzw. in welchem Ausmaß das vielleicht doch „normal“ ist?
Ich traue mich gerade nicht Menschen in meinem Umfeld zu fragen wie das für sie ist, bzw. ist es mir sehr unangenehm und würde mich sehr schämen, wenn das nicht „normal“ ist, daher frage ich hier.
Bei mir ist es ganz normal, dass ich viele verschiedene Stimmen höre, die oft widersprüchliche Sichtweisen haben und (teils sehr intensiv) aufeinander reagieren. Zurzeit ist da vor allem eine Stimme, die ziemlich heftig und unflexibel reagiert, die ihre Sicht auf mich/Situationen für absolut hält. Eine andere Stimme ist genervt davon und nicht besonders empathisch, eine andere wirkt eher sanft beruhigend auf die Unflexible ein. Einfach so als ein Beispiel.
Jetzt frage mich, ob das nicht normal ist. Irgendwie kommen bei mir schon Zweifel auf, ob das doch anders ist als „normales“ abwägen zum Beispiel. Abwägen kenne ich ja schon, das passiert auch „innerhalb“ einer Stimme oder auch mal zwischen zwei (selten mehr). Aber dass es regelrechte Streits zwischen den Stimmen gibt usw. und Stimmen manchmal keinen Zentimeter von ihrer Sichtweise abrücken, auch wenn die Gefühle/Sichtweisen der realen Situation eigentlich eindeutig völlig klar unangemessen sind etc… Das kommt mir jetzt doch etwas merkwürdig vor und verunsichert mich gerade, weil es auch meine Reaktionen/Handeln nach Außen beeinflusst, je nachdem welche Stimme gerade am lautesten/intensivsten ist oder den meisten Raum einnimmt/Einfluss in mir hat. Ich habe das noch nie reflektiert, weil ich nicht auf die Idee gekommen bin, dass das evtl. nicht „normal“ ist.
Ich frage mich wo da die Grenze ist, also was gehört grundsätzlich zu „normal“ und was ist nicht mehr normal? Ich würde mich sehr freuen, Gedanken/Außenperspektive dazu zuhören. Von Theresa oder auch irgendwem anderen der hier den Block liest.
Vielen Dank und ich wünsche euch noch einen schönen Tag
Ella
PS:
Stimmen dazu:
„Hm, ich weiß nicht, ich weiß gar nicht gerade“ (die will eigentlich weg, ist ihr zu viel, die fühle ich eher)
„Ok, selbst wenn das so wäre, muss das ja nichts schlimmes sein. Es ändert sich ja dadurch nichts und ich komme ja ganz ok klar.“
„Sag ich doch, du hast ne Klatsche!“
… :o)
Theresa says
Hallo Ella,
vielleicht hilft dir der Artikel zu den Unterschieden zwischen Ego States und dissoziativen Anteilen, um besser zu verstehen, was das bei dir eigentlich ist. Stimmen hören ist gar nicht so selten und sagt auch alleine noch gar nicht so viel aus.
Wenn es nicht stört oder das Leben irgendwie einschränkt oder zu Leid führt, kann man es auch einfach ruhen lassen. Ob man einen Namen dafür hat oder nicht, man funktioniert halt so und andere Leute haben andere Eigenarten. Du musst nichts pathologisieren, wenn es nicht stört.
Wenn du ein Screening machen möchtest für DIS, dann gibt es auf der Seite der ISSTD die Möglichkeit sowohl den DES als auch den MID zu finden. Gerade der MID bildet recht gut ab, ob man noch mehr hat als eben nur innere Stimmen.
Wenn es dir oder der Stimme, der es zu viel ist und die eher weg will, lieber ist, kann ich deinen Kommentar auch wieder unsichtbar machen. Sag einfach Bescheid, falls es zu viel ist, so öffentlich damit im Internet zu stehen.
Jonathan says
Hey Theresa,
ich habe im engen Freundeskreis eine Person, die aktuell in einer vollstationären Einrichtung lebt (in der sie sich aktuell sehr wohl fühlt), in dessen Rahmen diese Person jedoch nicht die therapeutische Unterstützung und den nötigen Rahmen erhalten kann, die für sie nötig wären. Das ist dem Personal der Einrichtung ebenfalls bewusst und trotz unheimlich bemühter, herzlicher Bezugsbetreuerin, soll nun für die Freundin von mir nach einer besseren Alternative gesucht werden, damit sie die Unterstützung erhält, die angemessen für sie ist.
Hast du vllt Tipps welche Einrichtungen in Deutschland in deinen Augen vernünftige und zeitgemäße Angebote für Personen mit einer DIS bieten?
Oder welche Betroffenen-Netzwerke ich kontaktieren könnte, um diesbezüglich Informationen zu sammeln?
Im Vorraus bereits vielen Dank für deine Antwort und Mühe!!
Liebe Grüße
Theresa says
Hallo Jonathan,
ich selbst unterstütze das Eingliederungsprojekt von Vielseits in Stuttgart. Wenn das nicht passt, können die wahrscheinlich zumindest Auskunft geben, wer noch helfen könnte. Viel Glück!