Vieles in Phase 1 unserer DIS Therapie hat damit zu tun, innere Verbindungen herzustellen, dissoziative Barrieren zu verringern und Co-Bewusstsein zu erlangen. Es ist gut, näher zusammen zu rücken und sich der Welt draußen bewusster zu sein. Allerdings gibt es auch Momente, wo es Schwierigkeiten verursacht. Ständig co-bewusst zu sein erhöht die Gefahr getriggert zu werden und setzt jüngere Anteile von uns Dingen aus, mit denen sie nicht umgehen könnten z.B.
- Arzttermine
- Gerichtstermine
- Mitarbeitergespräche
- medizinische Notfälle
- Actionfilme
- Massagen
- wichtiger Papierkram
- intime Kontakte
- Begegnungen mit Tätern
- Ausweisfotos machen
- duschen
- ….
- ….
Ihr wisst was ich meine. Diese Situationen sind bei jedem System ganz eigene. Manche sind groß und selten, andere Teil unseres Alltags.
Wenn wir darauf bestehen immer co-bewusst zu sein, müssen wir unsere Freiheiten einschränken und nur noch das tun, womit der schwächste Anteil von uns zurecht kommt. Das ist zwar nett, es führt aber auch in ein dysfunktionales Leben. Manches ist zu wichtig, um es zu vermeiden. Und die Erwachsenen haben ein Recht darauf auch ein erwachsenes Leben zu haben.
Deswegen müssen wir zusätzlich zu unseren Übungen für mehr Co-Bewusstsein auch üben, dissoziative Barrieren wieder aufzubauen. Der Unterschied besteht darin, dass wir es jetzt mutwillig tun, also die Kontrolle über die strukturelle Dissoziation haben. Ihr merkt vielleicht, dass das mehr Kraft kostet es so zu machen, aber das ist es wert, wenn es bedeutet, dass wir in sonst triggernden oder stressigen Situationen funktionieren und den passiven Einfluss anderer Anteile reduzieren können.
Wir können uns von unseren Anteilen distanzieren, indem wir an verschiedene Orte in der Inneren Welt gehen. Während manche Anteile näher Vorne bleiben, bewegen sich andere in den Hintergrund. Sie könnten sich in einem bestimmten Raum versammeln, der gemütlich und einladend ist dort einige Zeit zu verbringen. Ihr könnt so einen Raum erschaffen, indem ihr eure Vorstellungskraft nutzt. Indem ihr euch lange Gänge oder Türen oder Mauern ausmalt, die den Raum vom Vorne trennen, könnt ihr das bewusst-sein für die Welt außen reduzieren.
Wir finden es besonders hilfreich einen kleinen Klassenraum zu haben für sehr neugierige Innenkinder, die alles genau wissen wollen, was Außen passiert. Ein fürsorglicher Anteil kann ihnen alters-angemessene Unterrichtsstunden geben, um die Neugier zu befriedigen, sodass Innenkinder nicht das unwiderstehliche Bedürfnis empfinden doch nach draußen zu spitzeln.
Eine mutwillige Trennung kann auch der Schlüssel dazu sein Medikamente korrekt einzunehmen. Verschiedene Anteile leiden manchmal unter verschiedenen Problemen und brauchen unterschiedliche Medikamente. Was eine gute Dosis für einen Erwachsenen ist, kann ein co-bewusstes Innenkind umhauen. Die Wirkung der Medikamente erreicht dann vielleicht gar nicht den Anteil, der sie braucht.
Manche haben einen speziellen Raum, wo Medikamente eingenommen werden. Der Anteil, der sie braucht, kann dort hinein gehen und sich abholen, was nötig ist, ohne dabei die anderen zu beeinflussen. Wenn mehrere Anteile ein bestimmtes Medikament brauchen, gehen sie eben zusammen in den Raum.
Bei anderen reicht es, wenn sie näher nach Vorne treten und eine Trennwand hoch ziehen, um sich von den anderen abzuschirmen. Es braucht keine lange Trennung zu sein, damit das funktioniert.
Das täglich in Ruhe zu üben macht es einfacher und die innere Bewegung des Barrieren-hochziehens wird natürlicher und leichter zu kontrollieren.
Ich empfehle es auch, einen geordneten Rückzug zu üben für plötzlich auftretende schwierige Situationen. Wir nennen das einen Feueralarm.
Sprecht euch ab, wer am besten darin ist mit Notfällen umzugehen. Vielleicht ist das eure reguläre Frontperson oder eine Beschützerin, die ruhig bleibt und nicht in flight/fight geht (warum). Ein sehr emotionaler Anteil ist hier nicht so gut. Manche Teenager machen das sehr souverän, Innenkinder sollten aber nicht zuständig sein müssen.
Wenn ihr beschlossen habt, wer sich um einen Notfall kümmert, können alle anderen sich einen Ort suchen, wo sie hingehen, um sich zu verstecken. Vielleicht gehen alle ganz einfach an ihren Sicheren Ort. Vielleicht gibt es einen Gemeinschaftsraum, wo ihr euch Gesellschaft leisten könnt. Manchen wollen vielleicht zu ihren Inneren Helfern oder in einer Imagination wie dem Inneren Garten spielen gehen. Wenn ihr fürsorgliche Anteile habt, können die bei den Innenkindern bleiben und sie ablenken. Besonders Anteile, die Verlassensängste haben, sollten nicht alleine gelassen werden. Ihr könntet auch einen Ratgeber bei eurer Frontperson lassen, um sie zu unterstützen.
Erfindet ein Signal, was euren Feueralarm auslöst und eines, was euch sagt, wann die Situation vorbei ist und es sicher ist wieder raus zu kommen. Geht sicher, dass das Signal überall gesehen, gehört oder wahrgenommen werden kann, wo es nötig ist.
Wenn das Signal gegeben wird, bewegt sich jeder so schnell er kann an den Ort, den ihr euch ausgesucht habt. Wenn ihr das gamifiziert während ihr es übt, ist eine echte Notfallsituation gar nicht mehr so beängstigend. Probiert das zumindest einmal die Woche kurz zu üben.
Ihr könnt die Zeitspannen für das Verstecken langsam mit kleinen Situationen üben, in denen es einfach geschickter wäre weiter getrennt zu sein, aber vergesst nicht zu erklären, warum ihr das macht und stellt sicher, dass niemand ungewollt isoliert ist. Belohnt euch danach mit etwas angenehmem.
Das alles sind innere Bewegungen, die Zeit und Übung brauchen, um sie mit dem ganzen System koordiniert zu kriegen. Es reicht nicht, theoretisch zu wissen wie es geht. Es ist das Üben davon dissoziative Barrieren mutwillig zu erhöhen und zu reduzieren, was uns hilft unser Leben mehr zu beherrschen. Solange wir noch nicht integriert sind, brauchen wir es, dass uns unsere strukturelle Dissoziation dient. Wenn wir nur immer daran arbeiten sie los zu werden, führt das direkt in Versagen und Verwirrung. Statt dessen sollten wir daran arbeiten sie zu kontrollieren. Und das bedeutet uns in beide Richtungen bewegen zu können, näher zusammen und weiter voneinander fort, je nachdem was die Situation verlangt. Eine widerstandsfähige Stabilität findet sich gewöhnlich in Flexibilität.
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