EFT steht für Emotional Freedom Technique und gehört zum Bereich der Energetischen Psychologie, die Wurzeln liegen in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Verschiedene Akupunkturpunkte am Körper werden mit den Fingern beklopft, während Sätze ausgesprochen werden, die ein aktuelles schwieriges Erleben mit einer Selbstbestätigung verbinden. Energetische Bahnen (Meridiane), die sich durch den Körper ziehen sollen, zu beklopfen, um den Fluss dieser Energien zu beeinflussen, soll unser Befinden verändern. Es ist inzwischen bewiesen, dass es diese Meridiane nicht gibt. Diese Erklärung ist Unsinn.
EFT funktioniert aber trotzdem. Erfahrungen und Studien zeigen, dass es eine effektive Methode ist, um Leiden zu reduzieren und belastende Gefühle aufzulösen, sogar bei chronisch Traumatisierten. Die Frage ist also, warum funktioniert das?
Wie kann klopfen so einen Unterschied machen?
Es sind nicht die Akupressur Punkte. Studien zur Akupunktur zeigen, dass es keine Unterschiede in der Wirksamkeit von Akupressur Punkten und beliebigen anderen Punkten gibt. Das ist egal. Trotzdem macht es Sinn, sich Punkte auszusuchen wo man klopft und dabei zu bleiben. So entsteht Rhythmus und Routine, was beides Faktoren sind, die helfen, wenn regelmäßig geklopft wird, wie ein Ritual. Warum dann nicht die vorgeschlagenen Punkte, wo sie schon Tradition sind.
Es gibt keine völlig bewiesene Theorie wie EFT wirkt, aber Wissenschaft weist darauf hin, dass Selbstberührung dabei hilft, uns zu regulieren und wir das unbewusst ständig tun, insbesondere im Gesicht. Man weiß, dass Berührung beruhigt, ob von anderen (siehe Polyvagal Theorie) oder von uns selbst. Manche glauben Klopfen schafft eine sensorische Unterbrechung des inneren Erlebens und das hilft, aus getriggerten Erfahrungen oder emotionalem Hijacking raus zu kommen. Es aktiviert andere Areale im Gehirn, was möglicherweise dazu führt, dass die Aktivierung sich von den Arealen, die für Trauma Reaktionen zuständig sind, weg bewegt. Jede Form von Klopfen könnte also ein aktiver Wirkmechanismus sein und etwas verändern.
Warum macht man dann noch andere Sachen beim Klopfen?
Klopfen, während wir uns auf schwierige Emotionen, Bilder oder Szenen konzentrieren, schafft etwas, das duale oder bifokale Aufmerksamkeit genannt wird. Das ist genau das, von dem man annimmt, dass es ein Schlüsselelement bei EMDR und anderen ähnlich erfolgreichen Techniken zum Prozessieren ist. Sogenannte bifokale und multi-sensorische Interventionen kriegen in der letzten Zeit immer mehr Aufmerksamkeit in der Traumabehandlung. Sie gelten als besonders sanft, effektiv und sicher. Sich gleichzeitig auf eine innere Realität und eine äußere Realität zu konzentrieren ist wohl einer der Hauptgründe, warum das mit der Verarbeitung und Integration so gut funktioniert.
Und warum die komischen Sätze?
Ein schwieriges Gefühl oder ein Gedanke werden immer mit einer Selbstbestätigung verbunden, während geklopft wird. ‘Auch wenn ich heute zu viel Angst habe um aufzustehen, liebe, achte und respektiere ich mich ganz und gar’.
Die Affirmation hilft uns, über das Problem hinaus zu sehen, die Selbst-Akzeptanz reduziert unsere Selbstverurteilung, die es vielleicht noch schlimmer gemacht hat und hilft uns, uns sicherer mit uns selbst zu fühlen. Wir bewegen uns hin und her zwischen einem Problem und einer Affirmation, so wie wir das von der Pendulation her kennen, während wir klopfen, um die emotionale Verarbeitung zu fördern. Der Kontrast und das manchmal etwas Absurde in den Sätzen lädt zu Humor ein. Hier wird die kognitive Seite abgedeckt, während das Klopfen den Körper einschließt. Nach einer Weile klingen die Sätze gar nicht mehr so merkwürdig sondern fühlen sich integriert an. Diese Elemente zu kombinieren, die Beschreibung des Erlebens, die positive Affirmation, das innere Gefühl und die äußere sensorische Wahrnehmung, tut etwas, das unsere Situation verändert. Das mag noch nicht völlig erklärt sein, aber wir kennen die Bausteine aus anderen effektiven Techniken, die ähnliche Konzepte nutzen.
Wie kann ich EFT selber nutzen?
Es braucht ein bisschen Reflexion über die schwierige Situation und etwas Kreativität, um das zusammen zu setzen. Ich zeig euch eine simple Struktur, mit der ihr anfangen könnt. Bitte achtet darauf, dass ihr nicht eure eigene Trauma Bearbeitung machen könnt. Wenn ihr alleine seid, ist das nur für die Regulation.
Dieses Bild zeigt die klassischen EFT Klopfpunkte.
Ihr könnt die übernehmen oder euch eigene ausdenken. Wichtig ist nur, welche zu wählen, eine Reihenfolge festzulegen und dann dabei zu bleiben. Die Punkte werden 5-10 mal geklopft, bevor man zum nächsten weiter geht. Ich finde es hilfreich, nicht streng zu zählen, sondern mich dem Rhythmus meiner Sätze anzupassen und immer wenn ich eine natürliche Atempause mache zu wechseln, wo ich klopfe.
Die Struktur für die Sätze geht so
Auch wenn + schwierige Gefühl/Gedanke/Erfahrung + Affirmation
zum Beispiel
‘Auch wenn ich _______ fühle/denke/erlebe, liebe und respektiere ich mich selbst.’
Ihr könnt jede nur erdenkliche Variation davon verwenden.
‘Auch wenn ich bei _____ versage weil ich ____ fühle, respektiere und akzeptiere ich mich wie ich bin’
‘Auch wenn meine _____ bedeutet, dass ich ____, hab ich es doch verdient, geliebt und gemocht zu werden’
‘Auch wenn ich ____ fühle weil jemand anderes ____ und ich _____ gesteh ich mir etwas Gnade zu und akzeptiere mich wie ich bin.’
Ihr könnt euch einfach eure eigenen Sätze ausdenken, die beschreiben wie es euch geht und die sich passend anfühlen. Manche benutzen zum klopfen nur einen Satz und wiederholen den immer wieder, bis es sich besser anfühlt. Andere versuchen ihren Gedanken und Emotionen zu folgen, während die sich verändern und passen ihre Sätze entsprechend an.
Eine sich entwickelnde Sequenz könnte so aussehen
‘Auch wenn ich heute zu viel Angst habe um richtig zu funktionieren, liebe und akzeptiere ich mich trotzdem. Auch wenn ich mich total schlecht damit fühle und mich dafür verurteile, dass ich nicht gut funktioniere, liebe und respektiere ich mich selbst. Auch wenn ich mich ständig mit anderen vergleiche und wie gut die funktionieren und ich mich deswegen umso mehr schäme, gestehe ich mir etwas Gnade zu. Auch wenn ich nicht alles schaffe wie gesunde Menschen, bin ich es wert gemocht zu werden. Auch wenn ich heute nicht alles schaffen werde, akzeptiere ich mich, wie ich bin.’
Man spricht das alles, während gleichzeitig geklopft wird. Es braucht ein bisschen Übung da flüssig drin zu werden, aber es hilft einfach zu sagen, was einem in den Sinn kommt. Man kann immer auch kurz nur klopfen, während man den Satz zusammen bastelt.
Es ist nicht nötig, die Selbstbestätigung zu glauben, wenn man anfängt sie zu klopfen. Sagt das einfach und hört euch dabei zu. Das wird nach eine Weile einfacher zu glauben. Wenn das sich viel zu schwierig anfühlt, kann man das auch verwässern. ‘Wäre ich bereit zu lernen mich zu akzeptieren’, ‘Könnte ich mir vorstellen mich irgendwann zu akzeptieren’, ‘kann ich ein klein wenig damit anfangen mich anzunehmen’, ‘erlaube ich mir es in Betracht zu ziehen mich zu akzeptieren’, ‘wäre es vielleicht gut für mich, wenn ich mich akzeptiere’… Seid da kreativ. Das kann bei Trauma echt schwer sein, da seid ihr nicht alleine mit.
Es gibt Youtube Videos, wo jemand vor klopft und man macht das nach. Die sprechen einen Satz und zeigen, wo man klopft und machen dann eine Pause, damit man das für sich selbst wiederholen kann. Ich fand das sehr hilfreich beim lernen. Ich finde es schwer da gutes Material zu finden, weil so viele, die sich damit beschäftigen, total schräg drauf sind, oft auch esoterisch und auch sonst nicht so ganz ernst zu nehmen. Deswegen kann ich euch im Moment nur einen englischen Kanal empfehlen. Das ist die Playlist, wo ich schaue, ob es was passendes zu meinem Gefühl gibt. Das macht ein mittel-alter Mann, der wirklich sehr lustig sein kann, aber ihr müsst schauen, ob euch das hilft. Kommentiert bitte, wenn ihr was besseres in deutsch kennt!
Klopfen mit DIS
Das geht genau so wie sonst auch. Mit DIS haben wir nur das selbe Problem wie immer. Wenn Anteile Innen große Not erleben, aber nicht mit dem äußeren Erleben verbunden sind, klappt die Intervention so nicht richtig. Wir brauchen Verbindung und zumindest ihre Aufmerksamkeit. Hosts können aber klopfen, um den Effekt von sich überlagernden Gefühlen auf sich selbst zu reduzieren, um einen klaren Kopf und Handlungsfähigkeit zu behalten. ‘Auch wenn ein Teil von uns total aufgewühlt und außer Kontrolle ist und ich das auch fühlen kann, liebe und akzeptiere ich mich. Auch wenn dieser Anteil mir Probleme bereitet und ich verstört bin, ehre und akzeptiere ich mich und den Anteil auch. Auch wenn es echt schwer ist, das innen zu spüren, erlaube ich mir gnädig mit mir zu sein’… Das kann die Situation klarer machen und beim Regulieren helfen, auch wenn es den gestressten Anteil nicht direkt erreicht. Achtung wenn ihr einen Hintergrund von organisierter Gewalt habt! Manchmal werden Klopfsignale im Rahmen von Programmierung verwendet und ihr könntet getriggert werden. Kleine Veränderung wie zB den Punkt statt dessen reiben könnten schon helfen.
Klopfen ist kein Wundermittel. Es gibt Grenzen, wenn es um strukturelle Dissoziation, Gedankenmuster mit verbleibendem Nutzen oder zwischenmenschliche Gründe, warum es uns nicht besser gehen darf, geht. EFT ist ein bisschen zu einfach, um jedes psychologische Problem da draußen zu lösen. Wir benutzen es trotzdem, vor allem bei emotionalen Flashbacks und wenn alle anderen Skills keinen Unterschied gemacht haben. Es ist einen Versuch wert.
EFT ist eine simple Technik zur Selbstregulation und um dem Einfluss von schwierigen Emotionen zu reduzieren. Es ersetzt keine traditionelle Traumatherapie, ist aber eine gute Zusatztechnik, um das Leben einfacher zu machen. Es ist auch möglich, EFT in das EMDR Skript mit einzubauen, was besonders bei hohem Erregungsniveau und einer Neigung zur Dissoziation sehr sinnvoll ist.
Das Erleben, dass wir uns selbst helfen können, stärkt unser Selbstwirksamkeitsgefühl, was dazu führt, dass Vermeidungsverhalten runter gehen kann, sodass die Lebensqualität steigt und es mehr Mut gibt, sich dem Rest der Therapie zu stellen (siehe Wilhelm-Gößling/Rodewald). Ich würde euch ermutigen, diese Technik nicht gleich abzulehnen, nur weil sie mit völlig unwissenschaftlichen Erklärungen beworben wird. Am Ende ist das gar nicht so unwissenschaftlich.
Mehr zu einer weiterentwickelten Klopftechnik, mit der sich auch komplexe Traumatisierung bis hin zu DIS behandeln lässt hier.
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