In meinem Herzen würde ich gerne einen Artikel schreiben zu den kleinen Dingen, die die Kirche verbessern könnte, um es für Menschen mit komplexer Traumatisierung einfacher zu machen, dort zu sein und sich sicher zu fühlen. Dinge, wie eine achtsame Regelung fürs Hände auflegen, damit Menschen nicht angefasst werden, ohne dafür Consent gegeben zu haben. Oder vielleicht Prediger, die mit ruhigerer Stimme reden, statt die Gemeinde anzubrüllen. Hübsche Lösungen an Abendmahl zu kommen, ohne dafür in einer Menschenmasse stehen zu müssen.
Und es ist wahr, die Gemeinde sollte danach streben sich sicher zu verhalten und einen sicheren Rahmen zu bieten. Ein sicheres Gegenüber zu sein ist eigentlich der Standard, wie wir miteinander umgehen sollten. Geh hier heute nicht weg ohne dir diese Konzepte anzuschauen und über die Situation in deiner Gemeinde zu reflektieren und wie man sie verbessern könnte.
Ich wünschte, das wäre alles, was es zu sagen gäbe, kleine praktische Maßnahmen. Aber es gibt tiefer gehende Probleme, die angesprochen werden müssen und es würde keinen Sinn ergeben, Verhalten an der Oberfläche zu behandeln und uns nicht die Wurzeln in unseren Überzeugungen und Lehren anzuschauen, die zu Missbrauch in der Gemeinde führen.
Es ist kein Zufall, dass so viel Missbrauch, darunter auch sexueller Missbrauch von Kinder, Vergewaltigung (auch in der Ehe) und häusliche Gewalt, in der Kirche floriert. Die Gründe liegen mit in der Lehre, oder dem Mangel daran.
Über seelische Gesundheit reden
In vielen Kirchen gibt es hauptsächlich männliche Prediger, von denen manche dieses komische emotionale und verletzliche Zeug, von dem Frauen immer reden, nicht leiden können; manche nennen es sogar hysterisch. Sie mögen es, wenn Dinge logisch und klar sind. Ein Mangel an weiblichen Predigern führt zu einem Ungleichgewicht in unserer Lehre.
Die Vermeidung davon über Emotionen oder Bedürfnisse zu reden, lässt Menschen in der Gemeinde ahnungslos darüber, wie man sie managed. Das Ergebnis ist eine Gemeinde, die nicht fähig ist Trauer von Depression zu unterscheiden oder Wut von Hyperarousal. Wir sind gut darin, uns um geistliche Bedürfnisse zu kümmern, ganz ok, wenn es um körperliche Bedürfnisse geht, aber wir wissen nichts von emotionalen Bedürfnissen und wie man die befriedigt bekommt. Wenn solchen Bedürfnissen nicht aus Zufall begegnet wird, werden wir gelehrt unsere Seele zu unterdrücken, wenn sie beginnt sich zu melden, um auf ein Bedürfnis hinzuweisen (‘sei still meine Seele und lobe den Herrn’) oder wir vergeistlichen alles und versuchen es mit mehr Bibelstudium und Gebet und Proklamationen über unser Leben zu lösen.
Auf diese Weise müssen sich unsere Bedürfnisse aus ihrer natürlichen Form herauswinden und nehmen sehr ungesunde Formen an wie Krankheit, Süchte, Manipulation, Gesetzlichkeit oder das missbräuchliche Überschreiten von Grenzen. Wir müssen anfangen über Emotionen zu reden und wie man sie reguliert und ebenfalls über normale emotionale Bedürfnisse und wie man sich in Beziehungen verhalten kann, damit ihnen in einer gesunden Art begegnet wird. Wenn wir das nicht tun, werden wir immer wieder sehen, wie Menschen sich energisch nehmen, was sie brauchen, was für alle ungesund ist. Wir müssen anfangen darüber zu reden, wie man emotional gesund bleibt.
Und es sollte kein Tabu sein über Probleme damit zu reden. Jeder Mensch hat psychische Probleme. Jeder. Manche mehr, manche weniger. Wir müssen uns über diese Probleme informieren, statt so zu tun, als wäre das alles geistlich. Depression entsteht, wenn Körper- und Gehirnchemie aus dem Gleichgewicht kommen, was emotionale Symptome bereitet. Das ist ein sehr körperliches Problem. Ich will nicht behaupten, dass es nie geistliche Gründe für psychische Erkrankungen gibt, aber wir müssen aufhören zu ignorieren, dass die Auslöser meistens körperlich, emotional oder sozial sind.
Wenn alles, was wir anbieten können Befreiungsdienst ist, bekommen nur sehr wenige Menschen echte Hilfe. Ich hatte selbst wöchentliche Befreiungsdienste in der Hoffnung, dass das mein Selbstverletzendes Verhalten stoppen würde, aber erst als ich außerhalb der Gemeinde Selbstregulation gelernt habe, konnte ich dieses Verhalten in den Griff kriegen. Uns auf Befreiung als Allheilmittel zu verlassen, weil wir nichts von psychischer Gesundheit verstehen, ist unheimlich schädlich. Es hält Menschen davon ab, sich richtige Hilfe für ihre Probleme zu suchen, weil wir vorgeben, die richtige Lösung zu haben. Erst wenn wir beginnen mehr über psychische Gesundheit zu lernen, können wir richtige Unterstützung anbieten. Ich empfehle für den Anfang in Christy Wimbers Arbeit zum Thema ‘Wholeness’ rein zu schauen.
Besonders Menschen mit einem chronischem Trauma Hintergrund und starker Dissoziation leiden erheblich unter Befreiungsdienst, der nicht auf einem wirklichen Verständnis der Lage oder Unterscheidung beruht. Mehr lesen
Wir müssen aufhören psychische Gesundheit zu ignorieren oder sie zu vergeistlichen. Das macht eine Gemeinde zu einem gefährlichen Ort für Menschen, die in dem Bereich zu kämpfen haben, der sie aktiv davon abhält zu heilen.
Unsere Gemeindeseelsorger müssen lernen, wann sie jemanden zu einem Spezialisten schicken müssen. Sie sollte niemals die Rolle einer Therapeutin einnehmen, wenn sie dazu nicht ausgebildet sind. Die Kirche hat starke Werkzeuge für die emotionale Heilung wie Theophostisches Gebet oder Sozo, aber manchmal reicht das nicht aus. Professionelle Hilfe zu suchen ist keine Sünde. Wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt und nehmen Medizin. Wir müssen aufhören so zu tun, als ob psychische Gesundheit nicht auch manchmal Therapeuten und Medizin benötigt. Wenn du glaubst, dass Ärzte und Medikamente vom Teufel sind, vertraue ich dir, dass du da mit Gott privat noch mal drüber redest.
Wir neigen dazu Gebet über zu betonen und persönliche Verantwortung und Handeln unter zu betonen. Jesus hat nicht dafür gebetet, dass die Händler den Tempel verlassen. Wir können nicht lehren, dass Gebet genügt und alle unsere Probleme löst. Wunderheilungen passieren, aber nicht für jeden. Manchmal braucht es Schritte des Gehorsams und der Verantwortung. Wenn Menschen seit Jahren in die Gemeinde kommen, damit für ihre psychischen Probleme gebetet wird und das ist alles, was sie je versuchen, um das in den Griff zu kriegen, läuft etwas verkehrt. Besonders mit komplexer PTBS, aber auch bei anderen psychischen Problemen, besteht ein tiefes Gefühl von Hilflosigkeit und Machtlosigkeit, darum klammern wir uns an die Idee, dass ein Wunder die Lösung sein muss. Doch echte Heilung verlangt oft, dass wir neue Fertigkeiten für uns selbst und in Beziehungen lernen und als Person wachsen und diese Art von Wachstum braucht in der Regel Zeit und ein Bemühen von unserer Seite. Wir wären wohl nicht in der Lage eine Wunderheilung beizubehalten ohne dieses Reifen. Fürbitte ist nicht unser bestes Werkzeug, wenn es um psychische Gesundheit geht. Betet! Aber lasst das nicht alles sein, was ihr tut.
Lehrt Menschen nicht, dass ihre Gebete funktionieren würden, wenn sie nur genug Glauben hätten und sie dann geheilt wären. Es ist ganz selten ein Mangel an Glaube, der uns zurück hält. Wir glauben verzweifelt. Wagt es nicht unseren Glauben zu beurteilen. Das ist eine Form von geistlichem Missbrauch.
Mensch sein
Besonders Leiter werden oft auf ein Podest gestellt und jeder erwartet von ihnen, dass sie perfekt und heilig sind und nie einen Fehler machen. Das ist lächerlich. Leiter sind auch Menschen. Sie haben auch eine seelische Gesundheit, um die sie sich kümmern müssen, sie haben ihre eigenen Bedürfnisse, denen in verletzlichen Beziehungen begegnet werden muss. Wenn wir ihnen ihre Menschlichkeit versagen, werden sie sie verstecken müssen. Das führt zu extremem Stress und Einsamkeit, die sich früher oder später in ungesundes Verhalten verdrehen wie Süchte, Kontrolle, Gesetzlichkeit oder jede Form von Missbrauch. Leiter brauchen auch einen sicheren Ort, wo sie weniger als perfekt sein dürfen. Nur eine Rechenschaftspflicht ist nicht genug, wir müssen unsere Herzen öffnen für unsere Leiterschaft und sie nicht behandeln, als würden sie nicht wirklich zum Rest der Gemeinde gehören. Wenn du dir nicht vorstellen kannst, dass deine Leiter in einem Hauskreis sitzen, den sie nicht selber leiten, und offen erzählen wie es ihnen geht, das läuft etwas schief. Es gibt eine direkte Verbindung dazwischen wie hoch der Sockel ist auf den wir unsere Leiter stellen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Verborgenen sündigen oder ihre Bedürfnisse sich aus der Gott-gegebenen Form verdrehen. Im besten Fall haben sie einen Burnout. Es gibt genug Skandale, um sich vorzustellen, was im schlimmsten Fall los ist.
Die Gemeinde ist voller verletzter Menschen. In ihrem Schmerz sündigen sie gegen die Liebe. Wenn wir keine Fertigkeiten haben, um mit Sünde in Liebe umzugehen, haben wir in Wirklichkeit gar keine sozialen Fertigkeiten. Das ist die grundlegendste zwischenmenschliche Fertigkeit, die wir je brauchen werden. Wir verursachen Schaden, wenn wir Leuten sagen, sie sollen aufhören zu sündigen, ohne jemals an die Wurzel des Verhaltens ran zu gehen, den Schmerz. Unser Urteil über Sünde bedeutet, dass Menschen sie verstecken müssen und auch den Schmerz verstecken, den sie verursacht und ihren stecken gebliebenen Zustand. Gibt es einen einsameren Ort auf der Welt als Schmerzen zu leiden und keinen Ort zu haben, wohin man sich wenden kann?
Wir müssen aufhören damit Leute dafür zu verurteilen, dass sie menschlich sind. Ich hab das öfter gehört, wie Opfer von Missbrauch erklärt wurde sie müssten sich lossagen von ihrer Opfermentalität, weil ihre toxischen Beziehungsskills von Manipulation eine Art der Hexerei sind. Aussagen wie diese zeigen ein völliges Fehlen von Verständnis vom Schmerz, der toxisches Verhalten bewirkt. Wenn wir nur auf heiliges Verhalten aus sind ohne die Heilung des Herzens, ist alles was wir kriegen werden weiß getünchte Gräber voll toter Gebeine. Wir müssen aufhören Menschen zu betrachten als wären es Roboter, denen man nur das richtige Verhalten beibringen muss und dann hört das toxische Coping auf. Jesus war nie so oberflächlich, wenn er auf Sünder traf. Er ging immer an das Herzensproblem hinter dem Verhalten ran und so sollten wir es auch tun. Wir müssen unsere Angst vor sündigem Verhalten verlieren, damit wir aufhören es kontrollieren zu wollen und statt dessen nach der Herzensverbindung suchen.
Wenn Menschen in unserer Gemeinde keine Probleme haben dürfen, verdammen wir sie zum schweigen und verbergen. So wachsen giftige Früchte in der Dunkelheit. Probleme können nur ans Licht gebracht werden, wenn das ein sicherer Ort ist, um auch Fehler zu machen und schlicht menschlich zu sein. Wir müssen aufhören Gespräche über Sünde zu vermeiden, als wäre sie irgendwie ansteckend.
Konfrontation und Umkehr
Wann immer Jesus auf eine Person traf, deren Herz nicht an einem guten Ort war, hat er das konfrontiert. Ich habe Konfrontation in der Bibel studiert und kann das sehr empfehlen. Jesus konfrontiert ständig Denkweisen und Herzenshaltungen. Er benennt das Verhalten, was daraus entsteht, aber er geht immer runter bis an das wahre Problem, was Innen ist, nicht was man außen sehen kann. Wir haben das in der Gemeinde irgendwie verloren. Ich bin mir nicht sicher, wie genau es passiert ist.
Ein Teil davon ist sicher ein falsche Verständnis davon, was es bedeutet, dass die Liebe viel Sünde zudeckt. Wir sollen unsere Brüder und Schwestern im Herrn nicht gegen uns sündigen lassen ohne Grenzen und Konsequenzen. Das ist es nicht was in Liebe zudecken meint. Es bedeutet, dass wir kein Urteil über sie fällen, sondern ihre Zerbrochenheit in Liebe bedecken. Niemals das schädliche Verhalten. Niemals das Problem im Herzen, was hinter dem schädlichen Verhalten steht. Das würde bedeuten, Vergebung ohne Buße zu lehren. Das war niemals, was Jesus getan hat. Mehr zu Konfrontation gibt es in einem gesonderten Artikel.
Wir haben ein verkehrtes Verständnis von Vergebung und der Notwendigkeit von Vergebung entwickelt. Das bedeutet nicht, die natürlichen Konsequenzen von Verhalten zu erlassen. Wenn wir das tun, nehmen wir alle Motivation zu echter Veränderung.
Forschung in den US zeigt, dass die schlimmste häusliche Gewalt in der Gemeinde passiert, und zwar durch Männern, die sich Christen nennen, aber kaum an Gemeindeleben teilnehmen. Ihren Ehefrauen wird beigebracht, die Misshandlungen zu vergeben und das als Leiden für Gott zu ertragen. Wir sollen für unseren Glauben leiden, nicht unter unseren Ehemännern. Gott unterstützt keinen Missbrauch in der Ehe. Wenn wir Ehefrauen beibringen, häusliche Gewalt zu ertragen und mehr zu beten, damit ihre Ehemänner umkehren, bevollmächtigen wir die Täter. Auch Männer erleben häusliche Gewalt, nur der Druck ist etwas anders. Von ihnen wird erwartet der Familie vorzustehen und sie zu versorgen, Versagen der Ehe ist schnell auch Versagen als Mann. Gebet wirkt nicht gegen den freien Willen und die Entscheidung eines anderen Menschen.
Es gibt einen klassischen Missbrauchszyklus. Misshandlung geschieht, es gibt eine oberflächliche Art der Versöhnung, wo der Ehemann verspricht es nie wieder zu tun, sie vergibt ihm ohne Konsequenzen, es folgt eine Flitterwochenphase, wo alles ganz gut aussieht. Dann beginnt die Spannung sich wieder aufzubauen bis es zum nächsten Gewaltereignis kommt. Uns Frauen zu sagen, wir sollen vergeben und beten, hält uns gefangen in diesem Kreislauf. Wir dürfen nicht Vergebung lehren, die Konsequenzen auslöscht. Wir können nicht über Vergebung lehren, ohne über echte Umkehr zu reden. Das macht unsere Gemeinde, unsere Kleingruppen uns sogar unsere Familien zu einem furchtbaren Ort. Diese Dinge müssen anständig konfrontiert werden in einer Art, die zu echter Buße und Versöhnung führt. Wir können nicht so oberflächlich bleiben, dass wir nur Verhalten ansprechen. Jesus hat immer die Herzenshaltung angesprochen. Vergebung ist hier wirklich das kleinere Problem. Aus einem mir unerklärlichen Grund legen wir die ganze Last auf das Opfer, ohne den Täter richtig zu konfrontieren.
Umkehr bedeutet nicht, zu sagen „Es tut mir Leid“. Was tut dir Leid? Erwischt worden zu sein? Dieses Gespräch führen zu müssen? Jetzt Ärger zu haben? Die wahre Bedeutung von Buße ist die Art in unserem Herzen zu denken zu verändern. Es bedeutet, wir müssen erforschen, was wir gedacht haben über uns, die Person die wir verletzt haben, die Situation in der wir waren usw. Das wirklich toxische sind nicht die Handlungen, die Herzenshaltung bringt diese Handlungen hervor. Wenn wir nur das Verhalten konfrontieren, wird es auf Grund der Herzenshaltung nur eine andere Form schädlichen Verhaltens geben.
Ich finde es hilfreich zu fragen „Was ist das Problem“ und von da aus an die Wurzel zu gehen. Das Problem könnte ein Mangel an Verbindung und Empathie sein. Oft besteht es in einer Lüge, die wir über Gott, uns oder andere glauben. Ich habe des öfteren Menschen in der Gemeinde gehört, die völlig überzeugt davon waren, hilflos zu sein, was die Selbstregulation angeht, dass ihre Wut nicht zu kontrollieren sei und dass sie unfähig wären sündiges Verhalten zu stoppen, weil ihr Fleisch so schwach sei. Wir sind in der Tat schwach, wenn wir das Wesen unseres Problems nicht kennen. (Und oft kennen wir es nicht, weil nicht über Emotionen und Bedürfnisse gelehrt wird…)
Wenn wir keine Kultur von Konfrontation haben und dafür, Menschen durch echte Umkehr zu begleiten, sind wir nicht die Gemeinde Christi. Das ist es, was er getan hat. Er hat Leute geheilt und sie zur Buße geführt. Und selbst dann nimmt echte Umkehr die natürlichen Konsequenzen nicht weg. Wir tun Menschen keinen Gefallen, wenn wir es tun.
Jeder in der Gemeinde muss wohl irgendwann mal konfrontiert werden. Das ist nicht unhöflich, es ist nötig. Und wir tun den psychisch herausgeforderten Menschen in unserer Mitte keinen Gefallen, wenn wir ihr Verhalten und ihr Grundannahmen nicht konfrontieren. Durch Missbrauch haben wir oft gelernt, schreckliches über Gott, uns selbst und andere Menschen in Beziehungen zu glauben. Es ist nötig, dass andere uns das in Liebe aufzeigen, sonst können wir nie lernen, dass was wir glauben, nicht wahr ist. Es muss in Liebe geschehen, mit Respekt und Barmherzigkeit.
Und es muss in dem Verständnis geschehen, dass die Lügen, die wir glauben oft eng verknüpft sind mit unseren Trauma Erinnerungen und wir uns das eine nicht anschauen können, ohne auf das andere zu stoßen. Unser Nervensystem ist vielleicht nicht stark genug, das auszuhalten und wir brauchen die Hilfe einer echten Therapeutin, um daran arbeiten zu können. Accountablility für unsere Fortschritte in Therapie ist wichtig, aber es muss klar sein, dass man von Symptomen nicht ‘umkehren’ oder sich von ihnen lossagen kann.
Wenn die Werkzeuge, die auf uns angewendet werden, wenn wir Fehler machen, Kontrolle und Strafe sind, wird das nur unser Traumaweltbild bestärken. Schlimmer noch, es lehrt uns dass auch Gott so mit uns umgeht. Das führt zu einer Gemeindekultur, in der Probleme versteckt werden müssen. Wenn du nicht konfrontieren kannst, ohne Kontrolle und Strafe zu benutzen, um das Problem zu ‘lösen’, dann solltest du es nicht versuchen, du machst es falsch. Wenn du heimlich verurteilst, solltest du es auch sein lassen. Wir brauchen eine Kultur der Konfrontation und Wiederherstellung, keine, in der sündiges Verhalten durch Strafe kontrolliert wird. Das ist, was das Gesetz im Alten Testament getan hat. Als Jesus uns ein Vorbild gegeben hat, wie man es macht, hat er nie verurteilt. Das Gericht gehört ihm allein, wenn der Tag gekommen ist. Bis dahin sollten wir nicht so tun, als hätten wir dieses Recht.
Für tiefere Einblicke in Konfrontation und Umkehr empfehle ich Danny Silks ‘Unpunishable’ oder eine Teilnahme in der Life Academy von Loving on Purpose.
Grenzen
Irgendwie führt der Gedanke, dass wir alle Brüder und Schwestern im Herrn sind, manchmal zu größeren Missverständnissen, was persönliche Grenzen angeht. Nur weil jemand in die selbe Gemeinde geht, bedeutet das noch nicht, dass wir auch eine nahe Beziehung haben. Es ist nicht normal, sich zu begrüßen und miteinander umzugehen, als wären wir Familie. Wenn es da keine Basis in der Beziehung gibt, können wir keine Form von Intimität erwarten. Auch in Gemeinden müssen wir auf die Kreise von Beziehungen achten und unsere Ressourcen dem entsprechend einsetzen. Gemeinde kann nicht Anspruch auf unsere Zeit oder Ressourcen erheben, unter der geistlichen Drohung das Reich Gottes nicht ernst genug zu nehmen. So erkennt man eine Sekte. Auch Menschen aus der Gemeinde können nicht unsere Zeit, Ressourcen oder jedwede Form der Zuwendung von uns verlangen, nur weil wir in der selben Gemeinde sind.
Wir wählen Beziehungen. Niemand kann entscheiden in einer engen Beziehung mit mir zu sein, es sei denn, ich stimme dem zu. Niemand hat ein Anrecht an meinem Leben, nur indem sie einer Gemeinde beitritt. Das ist es nicht, was Jesus in seinen Bildern über die Gemeinde gelehrt hat. Wenn wir keine Grenzen haben, können wir keine Einheit haben. Wir verstricken uns nur fürchterlich und das wird missbräuchlich.
Es ist meine Überzeugung, dass Gemeinden offene Gruppen brauchen für neue Leute und auch geschlossene Gruppen, die auf einem gegenseitigen Erwählen und Consent basieren. Ein Hauskreis kann kein sicherer Ort sein, wo wir verletzlich sein können und uns gegenseitig mit unseren Schmerzen und Problemen vertrauen, wenn ständig Fremde zu Besuch kommen und wir nicht mitreden können, wer zur Gruppe dazu stößt. Wir brauchen die Freiheit, nicht mit jedem verletzlich sein zu müssen, auch in der Gemeinde. Vertrauen wird immer verdient. Selbst in der Gemeinde. Gruppen, die nicht reine Bibelkreise sind, sondern wo es um eine Herzensverbindung geht, brauchen andere Rahmenbedingungen, um für alle sicher zu sein. Das sollte auch der Ort sein, wo sichere Konfrontation am meisten geübt wird. Das sind die von uns erwählten Menschen, die wir in unser Leben einladen, das ist, wo tiefe Heilung in Beziehung passieren kann. Wir müssen diesen Ort beschützen, ganz besonders für Überlebende von Missbrauch.
Jedes Mal, wenn wir Traumatisierten sagen, dass es richtig ist, dass jemand anderes entscheiden kann, wie nah sie einem sein wollen und dass das Christ-Sein ist, verstärken wir ein Traumaschema und erschaffen ein Bild von Gott als jemanden, der Grenzüberschreitung unterstützt und fördert. Für eine Überlebende wird Gott der ultimative Täter, dem sie sich beugen muss, der Vater, der sie nicht beschützt. Wir können kein Christentum leben ohne Respekt für persönliche Grenzen. Wenn Menschen in Gemeinde persönliche Grenzen nicht achten, gehört das konfrontiert. Das ist ein Problem, was immer ein schlechtes Licht auf Gott selbst wirft und ich glaube nicht, dass er das auf die leichte Schulter nimmt.
Verkehrte Welt
Opfer von Missbrauch werden in Gemeinden immer wieder in unmögliche Situationen gebracht. Die Tatsache, dass sie zu außerehelichem Verkehr gezwungen wurden, wird zum Stigma. Uns wir beigebracht, dass unsere jungfräuliche Reinheit verloren ist, dass wir mit dem Verlust des Jungfernhäutchens jetzt einen Blutbund mit dem Täter geschlossen haben, dass wir sündig sind. Wo wir es doch waren, gegen die gesündigt wurde. Warum müssen wir die Bürde dieser Sünde tragen?
Ähnlich ergeht es Frauen, die sich von ihren gewalttätigen Ehemännern scheiden lassen. Glaubt nicht für einen Moment, es gäbe keine Vergewaltigung in der Ehe. Glauben wir wirklich, dass Leute zum Spaß heiraten und sich dann für noch mehr Spaß wieder scheiden lassen? Sind wir wirklich so entfremdet von der Realität? Eine Scheidung ist ein Versagen von Versöhnung, das oft zeigt, dass es keine Umkehr gab. Sie ist die gesunde Konsequenz von missbräuchlichem Verhalten. Wir können keine Last von Schuld und Scham auf geschiedene oder alleinerziehende Frauen laden. Diese Art zu leben ist kein Zuckerschlecken und niemand wählt das, außer die Alternative ist noch schlimmer. Wir müssen aufhören mit unserem oberflächlichen Urteil von Situationen und uns die Realität anschauen. Wir müssen aufhören gesunde Konsequenzen zu verurteilen. Bitte erzählt Menschen nicht, sie müssten in einer missbräuchlichen Beziehung bleiben. Und BITTE erzählt ihnen nicht, dass Gott das von ihnen erwartet. Wer ist dieser gott?
Es gibt noch ein anderes klassisches Muster, was mir das Herz bricht.
Missbrauch geschieht in Gemeinde wie überall auch. Und oft sind sowohl Opfer als auch Täter Mitglieder in der Gemeinde. Es ist relativ einfach und schnell einen Täter durch die Umkehr zu begleiten. Vielleicht müssen sie Selbstregulation oder andere Dinge lernen, damit sie es nicht aus einem Impuls heraus wieder tun. Was auch immer das Problem im Herzen war, es geht relativ schnell, das zu finden und sich davon abzuwenden.
Aber selbst wenn der Täter durch echte Umkehr geht und sich von Grund auf verändert, nimmt das nicht das Leid des Opfers fort.
Täter suchen sich oft jemand schwachen oder jemanden, die in ihrem Leben schon früher zum Opfer gemacht wurde. Als Überlebende wissen wir nicht mehr, wem wir vertrauen können, wir kämpfen mit Symptomen von PTBS und die gehen nicht einfach weg, wenn wir sehen, wie jemand Buße getan hat. Trauma zu heilen dauert länger, als von Missbrauch umzukehren. Und es ist praktisch unmöglich, wenn wir ständig unserem Täter begegnen. Das hat nichts mit Unvergebenheit zu tun und alles damit, wie das Gehirn mit Trauma Erinnerungen umgeht und dem entstandenen Schaden an unserem Nervensystem. Wir werden getriggert und erleben Dinge, als würden sie gerade jetzt passieren. Uns mehr dem Täter auszusetzen kann diese Wunde nicht heilen, es verstärkt nur unsere Symptome.
Zu oft erklärt die Gemeinde dem Opfer, dass sie sich zusammen reißen soll, weil er doch Buße getan hat und was kann sie denn noch verlangen. Zu oft wird dem Opfer erklärt, dass sie, wenn sie nicht vergeben kann und ihre Symptome unter Kontrolle kriegen, besser die Gemeinde verlässt.
So neigt die Kirche dazu, Täter zu beschützen und die Wunden der Missbrauchten offen zu legen. Opfer von sexuellem Missbrauch müssen sich eine neue Gemeinde suchen, weil sie nicht heilen können, solange ständig Täterkontakt besteht. Die Erkenntnisse, die sie dabei über die Gemeinde und Gott gewinnen sind schrecklich. Dieser Verrat ist eines der schlimmsten Beispiele dafür, natürliche Konsequenzen wegfallen zu lassen. Der Täter sollte einen neuen Ort für sich finden und dem Opfer Zeit und Raum geben, im Umfeld einer Gemeinschaft zu heilen, die unterstützt, begleitet und Verletzlichkeit beschützt.
Ich kann mir keinen größeren Verrat vorstellen, als diese Arten wie Gemeinde verdreht was wahrhaftig ist und alle Schuldzuweisung und Verantwortung auf dem Opfer ablädt. Das ist nicht so selten. Es sind erst 2 Jahre, seit wegen häuslicher Gewalt geschiedene Menschen in der katholischen Kirche überhaupt am Abendmahl teilnehmen dürfen. Es wäre besser den Geist des Gesetzes zu halten, als nur den Buchstaben. Wir diskriminieren systematisch missbrauchte Personen, wie jeder Pharisäer das getan hätte. Wenn Jesus wieder kommt, was wird er vorfinden?
Ich werde in einem anderen Artikel darüber reden, wie man eine Trauma-informierte Gemeinde wird, aber das ist alles wertlos, wenn wir nicht einmal eine sichere Gemeinde sein können. Das sind grundlegende Probleme, die wir uns anschauen müssen. Wir müssen umkehren. Da stimmt etwas nicht im Herzen davon, wie wir miteinander umgehen. Es fehlen essenzielle Dinge in unserer Lehre.
Über die Autorin
Theresa ist seit 15 Jahren Teil einer modernen charismatischen Gemeinde und hat mehrere Bibelschulen besucht. Sie lebt mit komplexer PTBS und DIS und lehrt außerhalb der Gemeinde über psychische Gesundheit.
Himmelsstürmer says
Vielen Dank für diesen ehrlichen Beitrag! Du sprichst mir mit vielem aus der Seele und ich bin so froh hier jemanden zu treffen, der die Schwierigkeiten von Traumatisierten im Kontext von Gemeinde versteht. Ich glaube vieles passiert einfach aus Unwissenheit und deshalb ist es wunderbar, dass du hier darüber aufklärst!
Ich finde deinen Blog richtig toll und freue mich von jemandem zu lesen, der ebenfalls seinen Weg aus der Zerbrochenheit an der Hand Jesu sucht! Ich fühle mich da sehr verstanden! Dein Glaube ist in deinen Texten total spürbar und das macht sie reich und heilsam! Vielen Dank und mach weiter so! Mich hast du sehr gesegnet!