Trauma ist nicht in dem Sinne eine ‘psychische’ Störung, der ganze Körper leidet unter chronischen Stress. Das sitzt tief in unserem Nervensystem. Unser traumatisierte Körper wird Probleme damit haben sich zu entspannen und manchmal sind wir schon so viele Jahre angespannt, dass wir vielleicht gar nicht wissen, wie man sich entspannt und wie sich das anfühlen würde. Biofeedback Technologie kann uns helfen zu lernen uns zu entspannen, auch wenn das für uns etwas völlig fremdes ist, weil wir das seit unserer Kindheit nie erlebt haben.
Entspannung, Puls und Atem
Jedes mal wenn wir einatmen, wird unser sympathisches Nervensystem ein wenig aktiviert und der Puls wird etwas schneller. Wenn wir ausatmen springt das parasympathische Nervensystem an und der Puls geht runter. (Deswegen verlängern wir zur Beruhigung das Ausatmen.) Den Unterschied zwischen diesen Herzraten nennt man Herz Raten Variabilität (HRV) und Wissenschaftler haben raus gefunden, dass die ein gutes Maß dafür ist wie entspannt und geerdet wird sind (mehr zur Polyvagal Theorie). Ganz grob gesprochen gilt, je größer die Unterschiede in den Herzraten desto besser.
HRV Geräte messen die Unterschiede und können uns sagen, wie wir uns so schlagen. Manche Smartwatches können HRV messen, aber es gibt auch spezielle Geräte, meist mit einem Clip für den Finger, das Handgelenk oder das Ohrläppchen. Wir haben ein kabelloses Gerät verwendet, das man nur in der Hand hält (Qui von BioSign), weil uns das nicht so triggert.
Ich hab nur 2 Graphen aus einer größeren Menge von Daten raus gesucht, die solche Geräte ausspucken, um es einfacher zu machen das zu vergleichen.
Das hier sind die Ergebnisse einer durchschnittlichen nicht-traumatisierten Person ohne Entspannungstraining, gemessen in einer Alltagssituation.
In der ersten Abbildung könnt ihr sehen, wie die Herzrate hoch und runter geht, im selben Rhythmus wie der Atem. Der Unterschied ist recht groß, die Amplitude hoch. Das Scatter Plot zeigt wie die Werte aussehen, wenn man sie ausbreitet. Bei einem guten Ergebnis sind die Punkte weit verstreut
Das hier ist das Ergebnis einer traumatisierten Person vor dem Training. Und ich hab wirklich ernsthaft versucht mich zu entspannen!
Ihr könnt sehen, dass mein Herz grundsätzlich schneller schlägt, die Amplitude viel kleiner ist und der Rhythmus ein bisschen wacklig. Das Scatter Plot zeigt, wie sich die Werte in einem engen Bereich sammeln ohne sich überhaupt richtig zu verteilen. So gestresst ist mein traumatisierter Körper, selbst wenn ich versuche zu entspannen. Wenn wir uns gestresst fühlen, erschöpft sind und echt an der Grenze, dann bilden wir uns das nicht ein.
Das Konzept von Biofeedback
Biofeedback Geräte geben uns Rückmeldung darüber, wie es uns geht und machen das für uns sichtbar. Ein HRV Biofeedback Gerät misst ständig unsere HRV Werte und zeigt uns an, wie diese sich über die Zeit verändern. Meist zeigt sowas eine Warnfarbe wie rot, wenn es nicht gut aussieht und wird grün, wenn die Werte gut sind. Manche Geräte haben die Feedback Funktion eingebaut, andere müssen an den PC oder ans Handy angeschlossen werden, wo eine App vielleicht sogar mit einem Minigame Anleitung bietet. Der Schwierigkeitsgrad kann an unsere Fähigkeiten angepasst werden, damit das nicht zu frustrierend ist. Das heißt wir können mit einer sehr niedrigen Schwelle für ein positives Feedback anfangen und das über die Zeit schwieriger machen.
Wenn wir mit so einem Gerät arbeiten zeigt es uns an, ob das, was wir tun, hilft oder es eher schlimmer macht. Mit der Zeit können wir die kleinen Veränderungen in unserem Körper bemerken, die uns helfen bessere Ergebnisse zu erzielen und das dann öfter machen. So können wir lernen uns zu entspannen, selbst wenn wir keine Ahnung haben wie das gehen sollte. Übungen können auch kurz gehalten werden, um eine Überforderung zu vermeiden. Das gute an Biofeedback ist, dass das Gerät alles für uns tut. Wir müssen die ganzen Zahlen und Graphen gar nicht verstehen, sondern nur den Signalen folgen.
Meine persönliche Erfahrung
Ich wusste wirklich nicht, wie ich mich entspannen kann, als ich mit Biofeedback angefangen habe. Nach einiger Zeit habe ich gemerkt, dass es bessere Ergebnisse gibt, wenn ich so was komisches mit meinen Schultern mache. Es hat ein paar Wochen gebraucht und dann waren meine Schultern entspannt. Ich hab mein ganzes Leben lang gedacht, dass die linke Schulter einfach höher ist als die rechte, dass der Körper asymmetrisch ist. War gar nicht so. Wegen sehr spezifischem Trauma hab ich nur die Muskeln in der linken Schulter immer angespannt, für Jahre, pausenlos, solange bis das normal war und ich gar nicht wusste, dass das auch anders geht.
Einige Wochen später ist etwas ähnliches mit dem Brustkorb passiert. Ich hab gemerkt, dass Werte besser werden, wenn ich ums Brustbein rum was verändere. Also hab ich sanft probiert ein Gefühl dafür zu kriegen, was ich da machen muss. Ich hab die Muskeln dort immer so fest gehalten, wie ein Schild oder Panzer, dass das alles völlig hart war. Nach ein paar Monaten Biofeedback hat sich das gelockert und ich hab gespürt, wie sich meine Rippen weiten wenn ich einatme. Ich hab mich lange Zeit mit Sport sehr gequält, weil ich nie Luft bekommen habe. Nun war mein Brustkorb das erste mal entspannt genug um den Lungen etwas Raum zu geben. Das waren für mich sehr spürbare Ergebnisse in der Muskelspannung, Dinge die seit 30 Jahren verhärtet waren. Aber haben sich meine Werte auch verändert?
Das hier sind meine Ergebnisse nach einigen Monate von Training
Bemerkt den Unterschied in der Amplitude. Die ist fast so hoch wie unsere untrainierte Durchschnittsperson. Das Plot zeigt immer noch eine etwas enge Ansammlung (persönliches Gesundheitsproblem), aber einiges ist auch viel weiter gestreut. Die Übungen haben tatsächlich sehr deutlich was in meinem Nervensystem verändert. Ich kann mich entspannen, wenn ich es bewusst probiere. Meine Stress-Baseline ist gefallen, weil ich mich jetzt besser regulieren kann.
Manchmal bekomm ich immer noch Ergebnisse wie diese
Das sieht ja aus wie am Anfang! Ja, aber diese Werte wurden gemessen, als ich nach einer Hochstresssituation in Hyperarousal war. Entspannungstraining heilt keine PTBS. Ich bin immer noch manchmal dysreguliert. Aber das ist nicht mehr mein Normal, sondern eine Ausnahme, wenn ich getriggert bin. Meiner Fähigkeit mich zu regulieren hat sich stark verbessert seitdem ich aus der chronischen Dysregulation raus bin.
Noch ein bisschen Nerd Info, weil ich weiß, ihr mögt sowas: Wenn Menschen dissoziieren (was wir auf dem Blog mit ‘Shutdown’ bezeichnen), dann flacht der Graph weiter ab und der Puls insgesamt kann sinken. Eine Trance (Selbsthypnose) zeigt ein Muster von Tiefenentspannung, so kann man diese Zustände auseinander halten. Unpräzise Definitionen des Worte ‘Dissoziation’ können uns glauben lassen, das wäre das gleiche, ist es aber nicht. Zone-outs in eine Trance rein sind entspannend und können mutwillig herbei geführt werden, während wir keine Stress-bedingte Bradykardie bei uns selbst auslösen können. Ob Menschen mutwillig dissoziieren können oder nicht hängt völlig von unserer Definition von Dissoziation ab.
Üben mit DIS
Wir haben uns bemüht, dass immer der selbe Anteil die Übung macht. Ihr könntet auch Daten für Anteile getrennt voneinander erheben, um eine Lernkurve für einzelne Anteile sichtbar zu machen. Es kann deutliche Unterschiede zwischen Anteilen geben, oder auch nicht, wenn Anteile immer in Flight/Fight stecken, und wenn man die Daten mischt, kann das verwirrend sein.
Wir selbst haben bemerkt, dass unsere Werte schlechter waren, wenn andere Anteile derweil im Hintergrund irgendwas anderes gemacht haben. Deswegen haben wir eine Synchronisationsübung gemacht, um die besten Ergebnisse zu erzielen.
Atemübungen werden oft zur Selbstberuhigung empfohlen, wenn man getriggert ist. Wie ihr in dem Graph sehen könnt, wo wir getriggert waren, gab es da keinen beruhigenden Effekt, auch nach 3 Minuten Atmen nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der getriggerte Anteil nicht der Vorne war sondern nur im Hintergrund dabei. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass die Anteile, die dysreguliert sind, die Grounding Übungen machen und dass alle Versuche von Hosts sich zu beruhigen nicht klappen, wenn der getriggerte Anteil nicht geerdet wird. (Mehr)
Biofeedback ersetzt keine Trauma Therapie, kann sie aber sehr gut ergänzen. Das ist eine Art Körperarbeit, die wir alleine machen können und die einen deutlichen Unterschied machen kann, wenn es um unsere Fähigkeit zur Entspannung und Selbstregulation geht. Ich persönlich wusste wirklich nicht, wie entspannen. Bevor ich damit angefangen habe, war ich absolut in der Lage einzelne Muskelgruppen zu entspannen, wie das in Entspannungsübungen beigebracht wird, aber das hatte nicht wirklich einen Einfluss auf meine Stresslevel.
Es braucht etwas Geduld, aber Biofeedback kann uns Dinge beibringen, die wir nie vorher erlebt haben. Es ist nicht möglich, das mit gesprochener Anleitung oder gutem Rat zu erreichen, weil uns da die gefühlte Wahrnehmung fehlt was wir tun müssen. Die einfache Rückmeldung wie kleine Veränderungen unseren Stresspegel beeinflussen macht den wichtigen Unterschied. Wenn ihr eine bezahlbare Art findet das zu machen, würde ich empfehlen es zu probieren. Es hilft mit Profis zusammen zu arbeiten, die die Daten auch wirklich auslesen und deuten können.
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