Bevor du dich entscheidest mit einer T zu arbeiten, hast du in der Regel ein Erstgespräch, in dem T und Patient sich kennen lernen können.
Du holst das meiste aus diesem Gespräch heraus, wenn du dich darauf vorbereitest. Die folgenden Fragen sollten dir helfen, dir ein gutes Bild von der T zu machen, wie sie arbeitete und wie Therapie aussehen würde. Oft findet man allgemeine Informationen auf deren Website. Lies das vor dem Erstgespräch, damit du keine Zeit für unnötige Fragen verschwendest.
Sieh dich am besten als Kunde. Du sucht nicht nach einer Freundin, du suchst nach einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung. Du führst praktisch so etwas wie ein Bewerbungsgespräch, um herauszufinden, ob du die T anstellen willst. Das ist ihr Job, sie wird dafür bezahlt. Du, als Kunde einer Dienstleistung für psychische Gesundheit, hast die Wahl.
Eine große Anzahl von Erstgesprächen hat dazu geführt, dass es uns nicht mehr kümmert, sollte sich ein T während dieses Gesprächs unwohl fühlen. Wir wollen jemanden, der uns hilft, nicht jemanden, der uns mag. Ein hartes Erstgespräch bringt Klarheit, für dich und die T, ob sie der Herausforderung gewachsen ist.
Keine Therapie ist besser, als schlechte Therapie. Zwar ist kein Therapeut jemals perfekt, aber du kannst erwarten, dass sie wissen was sie tun.
Wir empfehlen während und nach dem Gespräch Notizen zu machen. Die T macht wahrscheinlich das selbe.
.
Hier sind Fragen, die wir für sinnvoll halten, in keiner bestimmten Reihenfolge:
Welche Grundbildung? Therapeuten können Ärzte sein, Psychologen oder Heilpraktiker (medizinische Grundbildung hat Vorteile, unsere besten Erfahrungen sind mit Psychologen)
Was für Therapie bieten sie an? Das könnte Hypnose, DBT, EMDR, IFS, systemische Ansätze oder Körperarbeit umfassen (was du brauchst, hängt von deinen Problemen ab)
Behandlung komorbider Störungen? Nicht jeder T kennt sich mit allem aus. Generell kann man Wissen über Depression und Angststörungen erwarten. Wenn du eine Essstörung, Zwangsstörung, ASS oder andere spezifische komorbide Störungen hast, solltest du die T gezielt nach Erfahrung damit fragen.
Therapie-Fokus? Gegenwart oder Vergangenheit? Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch? (Wir bevorzugen einen Fokus auf Verhalten und Gegenwart für Phase 1, mit der Option mal zurück zu schauen)
Wie strukturiert ist die Therapie? Manche schauen an, was gerade hochkommt, andere (wie DBT) haben eine klare Struktur mit festgelegten Themen für jede Sitzung. Manche verwenden Bücher, Arbeitsblätter usw (das hängt stark von deiner Persönlichkeit ab und nach was für Therapie du suchst. Struktur hilft)
Wird Trauma-Bearbeitung angeboten? Wenn ja, welche Methode? (Das ist besonders wichtig, wenn du dissoziierst. Nicht jede Methode ist ideal für hoch dissoziative Menschen.)
Welche Erfahrungen sind vorhanden? Manche Ts behandeln hauptsächlich Menschen mit Einzeltrauma, andere sind spezialisiert aus Kindheits- und Entwicklungstrauma. „Traumatherapeut“ bedeutet nicht automatisch Erfahrung mit Dissoziation, da solltest du noch mal gesondert nach fragen.
Supervision? Je mehr du dissoziierst, desto wichtiger ist es, dass die T Supervision nutzt. Wenn sie das ablehnt, ist es ein schlechtes Zeichen. Supervision ist so was wie Qualitätssicherung. Sie sorgt dafür, dass du und die T sicher und auf einem guten Weg bleiben.
Versicherung/Kosten? Werden die Kosten von der Versicherung übernommen oder zahlst du selbst? Wie viel? Du solltest außerdem herausfinden, wie das bei Sitzungen ist, die du verpasst oder zu kurzfristig abgesagt hast (es ist die Regel, dass du dafür in irgendeiner Weise aufkommst) und ob dir Kontakte zwischen den Sitzungen, wie email oder Anrufe, in Rechnung gestellt werden.
Allgemeine Information zu Sitzungen? Wie oft denkt sie solltet ihr euch treffen? Wie lang sind Sitzungen? (Wir glauben, dass weniger als eine Sitzung die Woche zu wenig ist, mehr als 2 wahrscheinlich zu viel. 45-60 min ist eine Zeitspanne, in der konzentrierte Arbeit möglich ist, mehr zum Trauma prozessieren (Phase 2), weniger führt zu nichts.)
Kontakt zwischen Sitzungen? Ist das möglich, wenn nicht, warum? Wenn ja, wie? (Telefon? Email? Anderes?) Wann ist es in Ordnung das zu nutzen? Wo ist die Grenze? (Wir ziehen es vor zwischen Sitzungen so wenig Kontakt zu haben wie möglich. Stelle sicher, dass es eine Kontaktmöglichkeit gibt, die du nutzen kannst. Wenn du wie wir manchmal nicht sprechen kannst, ist Anrufen als einziges Mittel problematisch.)
Umgang mit Notfällen? Manche Ts sind bereit dich bei Notfällen zu begleiten, andere bitten dich darum, dich auf andere Helfer zu stützen oder eine Notfallhotline anzurufen. (Wir glauben ein Netz aus Helfern verteilt die Verantwortung gleichmäßiger und in manchen Situationen ist die T nicht der richtige Ansprechpartner, wir brauchen statt dessen einen Arzt. Krisen passieren. Ein guter Plan fängt dich auf. Eine T, die dir Krisen vorhält (als Zeichen, dass du nicht richtig mitarbeitest) kennt sich nicht genug mit Trauma und Dissoziation aus, um dich zu behandeln.)
Zeitliche Begrenzung? Manchmal begrenzt die Krankenversicherung Therapiezeit, manche Therapieprogramme sind grundsätzlich zeitliche begrenzt, manchmal haben Ts persönliche Pläne, wie den Ruhestand, die Therapie befristen. Du solltest das vorher wissen.
Offenheit für ergänzende Therapien? Manchmal hat man die Gelegenheit zusätzlich DBT, Kunsttherapie, trauma-sensitives Yoga oder ähnliches bei einem anderen T zu machen. (Wir glauben, das ist sehr wertvoll und Ts, die darauf bestehen deine einzige Quelle von Heilung zu sein haben ein Problem)
Vertraulichkeit? Das sollte selbstverständlich sein, aber du wirst dich besser fühlen, wenn du es noch einmal ansprichst. Wenn du noch minderjährig bist, solltest du herausfinden, ob die T mit deinen Eltern sprechen würde und wenn ja, wann.
.
.
Abklopfen, testen, Eindruck gewinnen
Diese Dinge brauchst du nicht unbedingt wissen, aber sie können dir ein recht gutes Bild vermitteln, wie viel die T von deinen Problemen versteht.
(Erneute) Diagnose? Wenn ja, auf welcher Basis? Manche Ts sprechen am Anfang nicht gerne über Diagnosen, weil sie sich erst auf dein Erleben konzentrieren wollen, bevor sie sich festlegen. Manche wollen der inneren Festlegung durch Diagnosen entgegen wirken. Wenn sie nie eine Diagnose stellen, solltest du fragen warum. Wenn du aufgrund einer falschen Diagnose behandelt wirst, kann das sehr schaden.
Regeln für Körperkontakt? Würde sie dich berühren und wie? (Sie sollte zurück fragen, womit du dich wohl fühlst und eigene Grenzen aufzeigen)
Aufnahmen der Sitzungen? Manche Ts verlangen das von ihren dissoziativen Patienten, wegen der Gedächtnisprobleme. Mit bestimmtem Traumahintergrund halten wir es für unverantwortlich Videoaufnahmen zu verlangen. Wenn eine T strikt gegen Aufnahmen ist, solltest du herausfinden warum. (Wir selbst nehmen nichts auf, machen uns aber während und nach der Sitzung Notizen. Deine T sollte das selbe tun.)
Reaktion auf Selbstverletzung? Wenn das ein Problem ist, solltest du fragen, wie sie auf Selbstverletzung reagieren werden, auch sollte das in der Sitzung passieren. Wenn sie keine Antwort darauf hat, bedeutet das, dass es keinen festen Umgang damit gibt, was auf einen Mangel von Erfahrung damit schließen lässt.
Reaktion auf Dissoziation? Wenn das ein Problem ist, solltest du nachfragen, wie sie darauf regieren würde, wenn du in der Sitzung dissoziierst, sowohl leicht als auch einen vollständigen Shutdown. Antworten könnten sich hier oder hier finden oder so aussehen. Wenn die T keinen Plan für einen Dissoziationsstop hat, ist das ein Zeichen, dort nicht noch einmal hin zu gehen. Ihr fehlt die Erfahrung, die du brauchst, um sicher zu sein.
Religion/Spiritualität/Philosophie? Manchen Menschen ist es wichtig zu wissen, wo die T sich einordnet. (Wir hallten Offenheit für die wichtigere Eigenschaft als ein bestimmtes Weltbild. Eine gute T unterstützt dich in dem, was du für dich wählst, solange es deiner psychischen Gesundheit nicht schadet.)
Pläne für Weiterbildung? Es ist ok zu fragen, wie sie vorhaben sich weiter zu bilden. Insbesondere wenn du bereit bist mit einer T zu arbeiten, die nicht das Wissen hat, was du von ihr benötigst, sollte sie einen Plan haben, das aufzuholen. Du solltest nicht ihr Testobjekt sein. Das lernt man besser auf Seminaren, Schulungen, Konferenzen usw.
Wer führt? Bevor wir wussten, dass wir Sitzungen beeinflussen können, führte die T alleine und Situationen wurden missbräuchlich. Seit dem bestehen wir darauf zu leiten, was Probleme verursacht mit Ts, die sich nicht gerne kontrollieren lassen. Verständlich. Wir glauben geteilte Führung ist am besten. Ihr wollt partnerschaftlich zusammen arbeiten, ohne zu großes Machtgefälle.
Frage nach allem, was dir wichtig ist. Das hier sind nur Beispiele.
.
.
Du wirst nicht die Einzige sein, die im Erstgespräch Fragen stellt. Ts haben meistens Standardfragen und es hilft, wenn du dir vorher darüber Gedanken machst. Wenn dein Gedächtnis schlecht ist oder du bei Stress Schwierigkeiten hast dich auszudrücken, schreib dir deine Antworten auf.
Warum brauchst/möchtest du Therapie?
Warum wendest du dich speziell an sie?
Was ist dein Hintergrund? Was sind deine Probleme? Die Geschichte deiner Symptome? Diagnose, falls du eine hast? usw
Wie ist deine aktuelle Lebenssituation?
Was sind deine Ziele für Therapie? Was erhoffst du dir davon?
Warum glaubst du, dass sie dir helfen könnte?
Wir glauben nicht, dass ein Erstgespräch der richtige Zeitpunkt ist für eine komplette Einschätzung durch die T. Es braucht Mut, aber mach den Mund auf und stell deine Fragen. Später in der Therapie ist noch genug Zeit, um deine ganze Geschichte zu erzählen, falls du dich für die T entscheidest.
.
.
Nach dem Erstgespräch, nimm dir Zeit das auszuwerten:
Hat sich der Raum sicher angefühlt?
Was war dein erster Eindruck von der T?
Scheint das eine Person zu sein, mit der du arbeiten kannst?
Wie hast du dich gefühlt, in Emotion und Körperwahrnehmung, als du die Sitzung verlassen hast?
Hast du ein gutes Bild von der T und deren Therapieangebot bekommen?
Passt das zu deinen Bedürfnissen und Wünschen?
Hast du alle Informationen, die du brauchst, um eine Entscheidung zu treffen? (Wir haben auch schon zweite Termine gemacht, um mehr Klarheit zu gewinnen)
.
Wahrscheinlich sind deine Auswahlmöglichkeiten begrenzt und es gibt im Umkreis keine perfekt qualifizierte T. Dann musst du dich entscheiden, ob du sie trotzdem willst. Wenn du mit jemandem arbeitest, der nicht ausreichen qualifiziert oder erfahren ist, ist die Kerneigenschaft, nach der du Ausschau halten solltest, die Bereitschaft zu lernen.
Alter ist kein guter Anhaltspunkt für gute Therapie. Ältere Ts haben Erfahrung, aber Junge oft die modernste Ausbildung. Unsere Erfahrungen mit jungen Ts sind extrem positiv.
Wir können dir die Entscheidung nicht abnehmen, aber wir hoffen, die Fragen helfen dir, selbst eine gute Entscheidung zu treffen.
Nina says
Vielen Dank für deine Berichte! Wie findet ihr Therapeuten, die gar keinen Kontakt zwischen den Sitzungen anbieten? Ich bin gerade bei einer die mir dann immer schreibt bringe es mit in die nächste Stunde. Ich habe dann genau wovon du woanders berichtest: Ich wünsche mir 24/7 Betreuung und fühle mich abgelehnt. Bin nun 1 Jahr dort und mein Bindungstrauma lässt mich nicht ankommen.
Theresa says
Eigentlich glaube ich, dass die Entscheidung zu Kontakten zwischen Stunden individuell getroffen werden muss. Gerade wenn man so stark in Verzweiflung fällt ist das mit dem vielen Kontakt dazwischen eben gar nicht so hilfreich wie man meint. Ziel ist es zu lernen sich selber zu beruhigen und nicht immer jemanden dafür zu brauchen. Über die Gefühle und auch den Gedanken man wäre abgelehnt kann man auch später reden. In Fällen wo die Regulation tatsächlich eskaliert wäre Hilfe bei der Regulation dann aber doch gut… Ts müssen sehr starke Grenzen ziehen, weil se das, was man so von ihnen will, gar nicht leisten können und dafür auch gar nicht da sind. Meine T hat auch gleich am Anfang gesagt, dass es praktisch nur Kontakt zwischen drin gibt, wenn es um Terminplanung geht. Wenn ich ihr schreibe bekomme ich in 90% der Fälle keine Antwort und in weiteren 5% die Antwort, dass wir nächste Stunde drüber reden. Das sind dann inhaltlich auch einfach Dinge, die man nicht mal schnell in ner Mail geklärt hat. Es wäre wichtiger sich drauf zu konzentrieren in das Erwachsenen-Ich zu finden, das sich um sich selbst kümmern kann, als drauf zu warten, dass das jemand anderes macht. Meine T lässt in letzter Zeit mehr emails zu, weil wir beide merken, dass ich über bestimmte Dinge nicht reden kann und schreiben notwendig ist. Sie beantwortet die dann aber auch nicht sondern nutzt das, um die nächste Stunde zu planen. Vielleicht würde es helfen mit deiner T noch mal zu klären wofür sie da ist und wie ihre Arbeit so aussieht und was das umfasst. 24/7 Betreuung gibt es auch aber eben nicht bei Therapeut*innen. Ein Hilfenetzwerk lässt sich ausbauen, wenn sowas nötig ist. Dann verteilt sich alles mehr auf andere Helfende und es ist wirklich immer jemand da, wenn das gebraucht wird. Mein Tipp wäre sich da breiter aufzustellen statt nur auf die T zu schauen wegen Hilfe.
Nina says
…und kleine Ergänzung.
Habt ihr erfahrung mit online Therapie?
Theresa says
Ich hab Erfahrung mit Video Therapie mit einer T, die ich davor schon länger kannte. Ich glaube das macht einen Unterschied. In meiner Erfahrung kann man über Video schon an manchem arbeiten, wenn man stark dissoziativ ist kann es aber zu Situationen kommen, in denen niemand da ist für eine Intervention zB bei plötzlicher Abreaktion. Phase 2 Arbeit kann man über Video nicht machen, viel zu gefährlich. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man Ts erst über Video kennen lernt. Die Präsenz ist eine andere und beides hat Vor- und Nachteile. Wer sich gerne sehr nah fühlt mit Ts wird mit Video nicht so glücklich sein.
Nina says
Danke euch für eure Antworten.
Ich habe eben leider das Problem, dass ich irgendwie dazwischen irgendwas brauche.
Ich habe schon sehr sehr früh (pränatal) Trauma erlitten und dort wo ich wohne gibt es leider keine. Sprich hier wäre nur online möglich. Habe ich aber noch keine Erfahrung mit. Habt ihr mehrere Therapezten gleichzeitig?
Wenn man absolut null vertrauen kann – wie ich – auch nach einem Jahr nicht und immer Angst hat derjenige schadet einem und eig. abhauen will.
Mein Problem ist mir wird von ihr immer schnell die Klinik oder Notfallnummern empfohlen. Fühle mich dann aber eher retraumatisiert, weil ich denke ich bin nicht wichtig oder zu viel.
Hast du auch Artikel wo du Somatic Experience oder die Arbeit mit Täterintrojekten erklärst?
Meine T. ist auch in Ego state ausgebildet und sie will bei den täterintrojekten nicht dass ich liebevoll mit denen umgehen…das aktiviert die natürlich und ich resoniere da nicht drauf (weil da hinter ja das verletzte steht und im Endeffekt mal geholfen hat)
Theresa says
Ich würde dir nahe legen mal in den Index zu schauen. Da findet sich ein ganzes Kapitel zu Körpertherapie und das meiste davon betrifft SE. Im Kapitel zu DIS gibt es auch was zu Täter-imitierenden Anteilen.
Therapie alleine kann bei Komplextrauma selten alles abdecken, wo es Not gäbe. Ich wiederhole das noch mal, sich mit Helfernetzwerken breit aufstellen kann da abhelfen. Und Realitäts-Checks, um zu überprüfen, was der Job von Therapeut*innen ist, kann ebenfalls helfen.