Zwischen Gedanken, Emotionen und Körper besteht eine Feedbackschleife. Ein Bild, was man dazu oft sieht ist dieses
Das ist die Grundlage von kognitiven Interventionen. Wir verändern unsere Gedanken, das verändert dann unsere Gefühle und den physiologischen Zustand. Das nennt sich Top-Down Ansatz und funktioniert bei vielen psychologischen Problemen, scheint aber begrenzt wirksam bei PTBS. Manche Gedanken entpuppen sich als hochgradig resistent gegen Veränderung. Unser Denken zu behandeln berührt nicht den Kern von Traumatisierung, was zu einem großen Teil ein Problem von im Körper feststeckender chronischer Anspannung ist.
Wissenschaftler schlagen vor, die Feedbackschleife von der anderen Seite aus anzugehen.
Unser Körper meldet dem Gehirn zurück, wie es uns geht. Unsere Körperhaltung, Muskelspannung, der Puls usw geben Anhaltspunkte zu unserem physiologischen Zustand. Unser Gehirn reagiert, indem es die Informationen interpretiert.
Forschungen zeigen, dass unser körperlicher Zustand von Anspannung unsere Gedanken beeinflusst und beschränkt, was wir denken können. Der Grundgedanke dazu ist, dass die Gedanken dem Zustand (Anspannungslevel) folgen.
Das hilft uns, solange unser physiologischer Anspannungszustand zu der Situation passt. Dann führt unsere Wahrnehmung von Sicherheit zu Gefühlen von Verbundenheit und sozialen Gedanken, eine Wahrnehmung von echter Gefahr schafft Angst oder Aggression und die Gedanken drehen sich um Selbstschutz oder das Durchsetzen unserer Bedürfnisse.
Mit PTBS passt unser Anspannungszustand aber oft nicht zur Situation. Wir bleiben stecken in Hyperarousal oder chronischer Dissoziation. Das könnte der Grund sein, warum unsere Gedanken auch fest stecken. Um sie zu ändern, müssen wir erst unseren physiologischen Zustand ändern. Die Gedanken folgen dem mit der Zeit.
Hyperarousal zeigt sich auf 2 Arten, die Flight (Flucht) und Fight (Kampf) Reaktion.
Wenn wir uns in einem Zustand von Flucht befinden, folgen unsere Gedanken dem nach. Wir denken dann, dass wir beobachtet, verurteilt oder abgelehnt werden und erwarten überall Gefahr.
Weil wir uns in großem Stress befinden, verlieren wir die Fähigkeit Gesichter richtig zu lesen oder Situation als sicher und sozial zu erkennen und so interpretieren wir beiläufige Kleinigkeiten als Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmt. Die Emotion, die wir hier wahrnehmen ist chronische Ängstlichkeit.
Wenn wir uns in Kampf befinden, findet unser Verstand einen Feind, selbst wenn da keiner ist. Wir denken Gedanken von Verurteilung und Schuldzuweisungen und interpretieren neutrale Gesichter als Provokation. Unser Körper meldet uns, dass wir in einem Kampf sind, also wird unsere Welt zum Schlachtfeld und wir sind umgeben von den Bösen, die uns Böses wollen, seien das Sachbearbeiter, Pflegepersonal, Institutionen, Immigranten oder politische Systeme. Chronischer Kampf bedeutet chronische Wut und Hass, denn wo es eine Bereitschaft zum Kämpfen im Körper gibt, muss es auch einen Gegner geben, sagt unser Gehirn.
Der Zustand von Shutdown und Dissoziation kommt mit Gedanken von Niederlage und überwältigt sein. Wir wissen, es gibt keinen Ausweg und unser Gehirn ist unfähig kreative Ideen zu haben, um Probleme zu lösen. Statt dessen kreisen wir nur zurück zum Problem. Wir können tatsächlich die Gedanken nicht denken, die uns in Bewegung setzen würden oder uns daran erinnern, was früher geholfen hat oder was wir in der Therapie gelernt haben. Dissoziation wird nicht nur begleitet von Gedanken von Hilflosigkeit, sondern auch von Scham. Es ist in diesem Zustand, wo wir unsere tiefsten Überzeugungen haben, dass wir niemand sind und nichts können, dass wir keine Zukunft haben und es nie besser werden wird und wir am besten sterben sollten. Das ist wie unser Gehirn auf den körperlichen Zustand von Dissoziation reagiert. Manch chronische Depression in PTBS basiert auf chronischer Dissoziation.
Da passiert eine chronische Fehlattribution zwischen unserem Anspannungszustand und der Welt heute.
Nur die Gedanken zu behandeln funktioniert nicht. Wir können keine neuen Gedanken denken, wenn unser Körper in einem Zustand feststeckt, der diesen nicht entspricht.
Aber den Anspannungszustand zu verändern, zB durch stresslösende Techniken, Entspannung oder Grounding, kommuniziert unserem Gehirn, auch die Gedanken neu anzupassen. Das nennt sich Bottom-Up Ansatz um die Feedbackschleife zu beeinflussen. Werkzeuge dafür finden sich in der Körperarbeit. Das ist nicht so fokussiert wie eine Gedankenansatz und braucht eine Weile, ist aber auf seine eigene Art sehr wirkungsvoll.
Es ist weise, für die besten Ergebnisse beide Ansätze zu verwenden. Aber ich würde es wirklich empfehlen es Bottom-Up zu probieren, wenn Gedanken und Gefühle chronisch fest stecken.
Ich möchte euch auch bitten euch daran zu erinnern, dass ‘die Gedanken dem Zustand folgen’, wenn ihr gerade verzweifelt und die Gedanken dunkel und hoffnungslos werden oder aggressiv gegen euch selbst. Die Geschichte, die euer Verstand euch erzählt, spiegelt vielleicht nicht die Wirklichkeit wieder, sondern ist die Folge eines dysregulierten physiologischen Zustandes. Dass es euch bald besser geht, ist vielleicht viel leichter zu schaffen, als ihr in dem Moment denkt, wenn ihr euch Zeit nehmt euren Körper zu regulieren. Glaubt nicht alles, was ihr denkt. Statt dessen, werdet euch bewusst, was der Körper gerade macht und wo die Anspannung ist. Das erklärt vielleicht, warum die Gedanken gerade so schmerzhaft und schädigend sind.
Chronisch geerdet zu sein verändert die Geschichten in unserem Leben. Wir können dann sichere und soziale Gedanken haben und dadurch auch Verbundenheit und Zugehörigkeit spüren. Das ist jede Minute wert, die wir damit verbringen zu lernen auf unseren Körper zu achten und ihn zu regulieren.
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Birke E. von ZEiTENMOSAiK says
Suuuper. Danke für diesen Beitrag… Er zeigt mir nochmal wieder, warum ich Körperarbeit sooo wichtig finde. Und auch gute Erfahrungen damit gemacht habe… Danke danke.