Mit Trauma zu leben, heißt getriggert zu werden. Das ist Teil der Definition von PTBS. Wenn die Frage also nicht „ob“ sondern „wann“ lautet, sollten wir einen Weg finden, um damit umzugehen.
Schritt 1:
Bemerke, dass etwas in dir getriggert wurde und verstehe dein momentanes Erleben als eine Reaktion auf den Trigger. Das braucht Übung. In der Regel ist die Reaktion nämlich kein visueller Flashback, sondern ein unwohles Gefühl, Ängstlichkeit, Hilflosigkeit oder Aggression, die sich nicht recht einordnen lassen. Oft ist der Körper angespannt, wir halten den Atem an oder spüren Schmerzen, ohne das gedanklich mit einem Trigger in Verbindung zu bringen. (Flashbacks stoppen)
Schritt 2:
Zieh dich aus der Situation, von der Person, dem Objekt, dem Bild oder anderen Reizen zurück, die Erinnerung angestoßen haben. Zurück ziehen kann man sich, indem man den Raum wechselt, einen Tab auf dem Computer schließt oder sich umdreht und in eine andere Richtung schaut. Wenn das nicht möglich ist, kannst du versuchen Distanz zu erschaffen, in dem du eine innere Beobachterposition einnimmst. Vielleicht willst du auch eine Diskriminationsübung machen.
Schritt 3:
Reguliere dich selbst. Benutze Orientierung und Grounding, deine DBT Skills, Atemübungen, Imaginationen, Achtsamkeit, Ablenkung oder welche Strategie auch immer für dich funktioniert. Es ist wichtig, dass du dich regulierst, bevor du weiter machst. Wenn du in Hyper- oder Hypoarousal bist, funktioniert dein Gehirn nicht richtig (mehr lernen)
Schritt 4:
Entscheide, was du tun möchtest.
- Vielleicht tust du gar nichts. Die Situation ist vorbei, sie lag nicht innerhalb deiner Kontrolle und niemand sonst ist Schuld daran. Du kannst einfach weiter machen.
- Vielleicht kannst du aktiv werden und den Trigger aus deinem Leben entfernen, indem du ihn vermeidest. Das könnte bedeuten eine bestimmte Fernsehsendung nicht mehr anzuschauen, bestimmte Orte oder Personen zu meiden, auf den Stummschalten/Blockieren/Entfolgen Button auf Social Media zu drücken usw. Vermeidung kostet uns immer Freiheit, aber es ist oft der beste Weg, mit so etwas umzugehen, bis wir es in der Therapie durcharbeiten können. Vermeide nicht, dass dann auch in der Therapie durchzuarbeiten!
- Vielleicht liegt es nicht in deiner Macht selbst etwas zu verändern, aber jemand anderes könnte das. Es braucht etwas Übung, über Trigger zu kommunizieren.
Wenn du mit einem Freund redest:
Deine Freunde haben ein persönliches Interesse daran dich zu beschützen. Die sind wahrscheinlich mehr als bereit etwas zu verändern, wenn die hören, dass es dich triggert. Teile mit ihnen was passiert ist, wie sich das anfühlt, wenn solche Erinnerungen getriggert werden und frage sie, ob sie sich vorstellen könnten etwas zu ändern, um es für dich einfacher zu machen. In der Regel bemühen sie sich dann zu helfen, auch wenn ihre Lösung vielleicht nicht genau so aussieht, wie deine Idee dazu.
Wenn du mit einem Fremden redest, online oder im realen Leben:
Du solltest besonders darauf achten, dein Erleben und deine Verantwortung für deine psychische Gesundheit anzuerkennen. Du kannst nicht zu einem Fremden gehen und ihm sagen, der soll Sachen für dich ändern. Du kannst nicht erwarten, dass andere dich regulieren. Es ist nun mal dein Ringen darum, dich zu regulieren (unfair, ändert aber nichts!) und das kann man so auch kommunizieren. „Im Angesicht von diesem Auslöser habe ich Probleme mich zu regulieren“. Benutze Ich-Botschaften und achte speziell darauf, Leuten zu sagen was DU tun wirst, nicht was sie tun sollen. Du kannst nicht erwarten, dass Leute Trigger Warnungen für dich posten. Du kannst nicht ihre Redefreiheit einschränken weil du Probleme hast. Aber du kannst ihnen die Konsequenzen ihrer Handlungen erklären zB. dass du sie stumm schalten wirst, um dir zu helfen reguliert zu bleiben.
Wenn du mit anderen Überlebenden redest:
Viele Überlebende entscheiden schwierige Themen mit einer Trigger Warnung zu markieren. Aber manchen ist es gar nicht bewusst, dass das, was sie teilen, triggert. Meistens ist das auch direkt im Bezug auf Trauma und Missbrauch, sodass das Trigger Potenzial hoch ist.
Für manche Überlebende, gerade wenn sie erst am Anfang ihrer Heilung stehen, ist es extrem wichtig, dass sie sich ausdrücken dürfen und ihren Schmerz teilen. Es scheint fast als würden sie explodieren vor lauter Dingen, die sie früher nicht sagen durften. Und sie sagen viel, was andere Überlebende natürlich triggert.
Wenn du versucht über diesen Freiheitsschlag-gegen-das-stumm-gemacht-werden zu kommunizieren und ihnen sagst, dass das triggert und sie das lassen sollen, endest du plötzlich in einer ähnlichen Position wie deren Täter: du versuchst sie zum Schweigen zu bringen. Schon wieder.
Als Reaktion daraus ist sie vielleicht getriggert, zurückgeworfen in eine alte Erfahrung nichts vom Trauma sagen zu dürfen, zurück in Hilflosigkeit, Machtlosigkeit und Schweigen. Das Gefühl kann überwältigend werden, sich mit Scham verbinden und dem Gefühl, nicht frei sein zu dürfen, nicht leben, atmen und man selbst sein zu dürfen, als würde das Trauma niemals enden. Ein Kommentar, dass etwas triggert, kann Leute tatsächlich dort hin bringen. Und wahrscheinlich werden sie umso mehr versuchen sich daraus zu befreien und noch lauter heraus brüllen, dich mit dem Täter verwechselnd, dass du sie nicht kontrollieren kannst.
Und weil du selbst Überlebende/r bist, könntest du dich plötzlich selbst überflutet fühlen. Es hat dich viel Selbstbeherrschung gekostet dich auszudrücken, nachdem du getriggert warst und so gut du es kannst eine Grenze zu setzen, aber die wird nicht respektiert. Im Gegenteil, du wirst angegriffen, weil du was gesagt hast. Vielleicht fällst du selbst in Gefühle aus der TraumaZeit, deine Bedürfnisse ignoriert, Grenzen überschritten, zum Schweigen gebracht, hilflos, machtlos und jemand anderes zwingt dir ein schmerzhaftes Erleben auf…
Das Risiko in diesem Teufelskreis zu landen ist größer, wenn wir erst ganz am Anfang unserer Heilung sind oder jüngere Anteile haben, die noch nicht in Zeit und Raum orientiert sind. Trauma „Veteranen“ haben oft gelernt, da nicht rein zu fallen.
Wenn wir in diesem Kreislauf landen, stressen wir uns gegenseitig ohne Ende. Ich habe persönlich erlebt, wie so etwas für beide Parteien in einer suizidalen Krise endete.
Wenn du als Überlebende mit Überlebenden redest, möchte ich, dass du dir bewusst bist, dass es diesen Teufelskreis gibt des getriggert-seins, weil jemand anderes getriggert ist, weil du getriggert warst…
Ich persönlich (nach Jahren des herum irrens) vermeide es anderen Betroffenen zu sagen, wenn ich getriggert bin. Ich gehe durch die Schritte, die oben genannt sind und halte dann den Mund. Wenn es Maßnahmen braucht, betone ich klar, dass das an meinem Problem liegt mich zu regulieren. Ich fühle mich dadurch nicht zum Schweigen gebracht, weil ich es selbst wähle. Und ich wähle es, weil ich weiß wie wichtig es ist sprechen zu dürfen und wie schrecklich die Dynamik ist, die ich lostreten könnte.
Ich benutze nur Trigger Warnungen, wenn ich direkt bekannte Triggerthemen anspreche. Ich fühle mich nicht verantwortlich dafür, andere vor meinem Ausdruck von Gefühlen, Gedanken oder meiner Persönlichkeit zu beschützen. Es gibt einen Unterschied zwischen Triggern und Dingen die andere nicht gerne hören.
Frau Regenbogen says
Hallo, ich bin schon länger stummer Leser deiner Artikel, die mir sehr helfen. Ich steh leider auf einer Warteliste für eine Traumatherapie, aber auf der anderen Seite hab ich fast 20 Jahre mit einer kPTBS gelebt ohne es zu wissen und irgendwie überlebt. Was macht da etwas Wartezeit aus? Zumal es Menschen wie dich gibt, die so viel mit anderen Betroffenen teilen.
Diesen Artikel fand ich auch wieder extrem hilfreich. Ich suche gerade nach Hilfe, weil vor ein paar Tagen ein Trigger in mein Leben gegrätscht ist, dem ich mich nicht komplett entziehen kann – und auch nicht möchte.
Ich will aber auf mich achtgeben und dabei hilfst du mir sehr, ohne es bisher gewusst zu haben 😉
Vielen vielen lieben Dank für alles, was du hier auf dieser Website tust <3
Frau Lavendel says
Hallo Theresa
Dein Blog ist gerade unheimlich hilfreich für mich!!
Ich habe viele Psychotherapien hinter mir, die nicht hilfreich waren oder geschadet haben, weil weder ich noch die Therapeuten wussten, dass meine Beschwerden eine Traumafolge sind.
Bin jetzt endlich nach Jahrzehnten in den richtigen Händen und ich finde hier im Blog ergänzend zur Therapie soviel, was mir hilft, mich besser zu verstehen und voranzukommen.
1000 Thanks!!!
Li-Anne says
Wertvolle Tipps! Dankeschön! Damit habe ich persönlich gute Erfolge erzielt: Zurückziehen, durchatmen, im geschützten Raum den Gefühlen freien Lauf lassen, Emotionen und Erinnerungen fixieren z.B. aufschreiben oder aufsprechen, differenzieren zwischen Vergangenheit (Hilflosigkeit, Ängsten) und Gegenwart (Vermögen, mich heute wehren zu können, Unabhängigkeit). Mir bewusst werden, dass eine Übertragung von traumatisch Erlebten auf aktuell Unbeteiligte stattgefunden hat. Ich vermeide Trigger nur, wenn es unbedingt sein muss, weil eine Panikattacke oder Dissoziation droht. Ansonsten lasse ich mich davon nicht einschüchtern und setze mich lieber damit auseinander, um es aufzulösen und so frei in meinen Handlungen zu werden bzw. zu bleiben. Eine professionelle Unterstützung kann dabei seeehr hilfreich sein! Leider ist daran nicht leicht zu kommen…