Eine vielseitige und dennoch einfache Technik für die Arbeit mit Anteilen nutzt unsere Hände, um verschiedene Anteile oder Gruppen von Anteilen zu repräsentieren. Alle diese Übungen beginnen damit, dass mindestens ein Anteil sich eine Hand aussucht und sich vorstellt ‘in’ diese Hand zu gehen, indem das Bewusstsein dort hin bewegt wird. In den meisten fortgeschrittenen Übungen suchen sich 2 Anteile je eine Hand aus und interagieren dann in irgendeiner Weise. Es ist wichtig, sich die Zeit zu nehmen, diesen Schritt sorgfältig zu machen, sonst ist die Übung nicht wirksam.
Wir lassen gewöhnlich den unsichereren Anteil zuerst eine Hand aussuchen, die sich für sie angenehm anfühlt und der stabilere Anteil nimmt die andere. Wir machen langsam, stellen sicher, dass der erste Anteil in der Hand angekommen ist und sich dort niedergelassen hat, bevor wir das Bewusstsein des anderen Anteils in die andere Hand bewegen. Nehmt euch da Zeit. Wie alle Körperarbeit sind das keine hastigen Übungen. Sich mit viel achtsamer Aufmerksamkeit in Zeitlupe zu bewegen ist genau, was hier nötig ist. Wir achten darauf, dass beide Anteile sicher mit ihren Händen verbunden sind bevor wir eine der folgenden Übungen beginnen.
Anteile mit Ressourcen verbinden
Wenn ein Anteil sich in eine Hand bewegt hat, ist es möglich, diese Hand mit Ressourcen in Kontakt zu bringen, die helfen könnten, sich zu beruhigen oder sonst irgendwie stärkend oder regulierend sind. Wie man sich mit einem Gefühl von Gehalten sein und Unterstützung verbindet, haben wir hier schon erklärt. Andere Möglichkeiten wären die Hand in ein weiches Tuch zu hüllen oder Gegenstände zu verwenden, die bestimmte Fertigkeiten repräsentieren. Die Hand kann diese berühren und erforschen und so neue Qualitäten kennen lernen. So könnte zB ein Anteil Grounding erleben, indem die Hand einen festen, soliden Stein hält und spürt, wie schwer der ist.
Das ist in der DIS Therapie eine Grauzone mit der sehr sorgfältig umgegangen werden muss und ihr müsst das mit euren Ts absprechen, damit gute Grenzen gewahrt bleiben, aber es gäbe hier die Option für einen Anteil direkte Unterstützung durch die Hand von Ts zu erfahren. Im echten Leben berühren sich nur die Hände, aber der Effekt kann sich viel größer anfühlen. Bitte stellt sicher, dass die anderen im System solche eher intimen Interventionen mittragen können. Ich würde das nur für erwachsene Anteile verwenden, die ein Gefühl von Halt brauchen. Für die Jüngeren ist die Erfahrung von anderen Anteilen/der anderen Hand gehalten zu werden in der Regel genug und sogar therapeutischer. Im Notfall kann die T-Hand die Erwachsenen-Hand halten, welche wiederum die Kinder-Hand hält.
Anteile mit anderen Anteilen verbinden
Die Arbeit mit unseren Händen kann uns helfen, dissoziative Barrieren zu überwinden und Bewusst-Sein und Kommunikation zwischen Anteilen in einer spürbaren Weise zu verbessern. Wenn Anteile Probleme damit haben innerlich Verbindung aufzubauen, sich nicht klar hören können oder gerade erst herausfinden, dass da noch andere sind, können beide sich eine Hand aussuchen und wir können diese Hände dann langsam näher zusammen führen. Macht das nie schnell mit einem zusammen klatschen. Die dissoziativen Barrieren gibt es aus gutem Grund. Wir haben in der Regel nicht die Kapazität das einfach plötzlich zu vereinen. Wenn wir also unsere Hände aufeinander zu bewegen, muss das in winzigen Schrittchen passieren, während wir achtsam bemerken, wie sich die Anteile jeweils dabei fühlen. Macht das so langsam, wie ihr das braucht. Es ist normal, die Hände am Anfang nicht berühren zu können. Schon sich ein kleines bisschen näher zu kommen ist mehr als genug.
Titrieren
Wenn wir versuchen uns mit intensiven oder dysregulierten Anteilen zu verbinden, oder solchen, die sehr anders sind als wir, müssen wir den Prozess oft noch mehr verlangsamen und uns dem Fühlen Denken, Erinnern und dem Körpergefühl des anderen Anteils nur in ganz kleinen Dosen aussetzen. Deswegen ist Titration hier wichtig. Wir filtern unsere Erfahrungen, indem wir uns einen Gegenstand als Barriere aussuchen, die bestimmte Dinge durchlässt und anderes Erleben raus filtert. Ihr könntet ein dickes Buch nehmen und euch vorstellen, Erfahrungen bleiben zwischen den Seiten hängen und nur eine ganz kleine Menge schafft es durch oder ihr nehmt eine Box mit Taschentüchern und stellt euch vor, die Dinge werden durch den weißen Fluff darin gefiltert usw. Mit etwas Fantasie können viele Gegenstände, die Ts so in ihren Büros haben, als Filter dienen. Beide Hände können diesen Filter berühren und sich gegenseitig durch ihn hindurch erleben. Es ist eure Entscheidung, ob Information dabei in beide Richtungen fließen kann oder ob das nur in eine Richtung geht und ihr das nachher umkehrt, je nachdem was für das Thema an dem ihr arbeitet, am geschicktesten ist.
Pendulation
Anteile auf diese Art miteinander in Kontakt zu bringen kann eine intensive Erfahrung sein. Es ist dabei wichtig, Pausen zu machen, die uns helfen das Erleben zu integrieren und vor Überforderung bewahren. Die Hände immer wieder für eine Weile voneinander zu trennen und uns Zeit zum Durchatmen und Verarbeiten zu geben, ist essenziell. Wir könnten in der Zeit auch eine Ressource berühren für ein Gefühl von Grounding oder Unterstützung. So können wir uns kurz regulieren, mit unseren Ts austauschen und schauen, ob wir vielleicht kleine Veränderungen vornehmen wollen, etwas hinzufügen, einen anderen Weg finden einem Bedürfnis zu begegnen usw. Diese Übungen sind so gedacht, dass sie sehr nah am persönlichen Erleben arbeiten, deswegen kann niemand vorhersagen, wie es ablaufen wird oder euch 10 Schritte geben, denen ihr folgen solltet. Passt das für euch an und folgt euren eigenen Impulsen was da hilfreich ist und was nicht.
Sich mit Aspekten von Erfahrungen verbinden
Manchmal müssen wir gar kein Gespür für die ganze Komplexität eines Anteils bekommen. Wir brauchen nur Zugang zu einen kleinen Aspekt des Erlebens, wie einem Gefühl, Gedanken oder einer Meinung oder Überzeugung. Vielleicht brauchen wir Zugang zu ihrem Teil unseres Körpergefühls, um eine medizinische Situation richtig einschätzen zu können oder wir brauchen Informationen über die Vergangenheit, an die sie sich für uns erinnern ohne dabei unbedingt auch die damit verbundenen Emotionen mitgeteilt zu bekommen. Dann könnten wir unseren Fingern eine bestimmte Bedeutung geben. Einer könnte für Emotionen stehen, ein anderer für Gedanken, einer für innere Bilder oder Erinnerungen oder Körperempfindungen. Wir gehen nur in Kontakt mit den Fingern, die wir in diesem Moment benötigen. Wir könnten den Finger mit der ganzen Hand berühren oder wir benutzen da auch nur einen Finger und teilen nur die Informationen, die gebraucht werden und lassen alles andere erst mal weg. Auch das kann leicht mit einem Gegenstand als Filter dosiert werden, wenn der Aspekt des Erlebens eher schwierig ist. Nur die notwendigen Informationen zu teilen kann ungemein helfen, wenn Trauma Bearbeitung noch nicht möglich ist, die reine Information aber benötigt wird.
Switchen
Um im Leben funktionaler zu sein, hilft es zu lernen mutwillig zu switchen, wenn das nötig ist. Wenn wir dafür unsere Hände verwenden, suchen sich der Anteil, der Vorne ist und der, der nach Vorne kommen soll, jeweils eine Hand aus. Dann kann der Anteil Vorne einen Gegenstand in die Hand nehmen und ihn in Richtung andere Hand/Anteil bewegen. Sie stellen sich dabei vor, den Gegenstand dem anderen Anteil zu überreichen, während dieser sich vorstellt, mit der eigenen Hand aktiv nach dem Gegenstand zu greifen. Das braucht ein bisschen Übung, aber wenn es klappt, ist das sehr effektiv und geschmeidig. Es fühlt sich wirklich ein bisschen an wie die Zügel weiter zu geben. Für uns ist das der einfachste Weg mutwillig zu wechseln.
Blending und Fusion
Die Arbeit mit den Händen kann uns durch unsere ganze Therapie begleiten. Wenn wir schon recht weit sind, können wir unsere Hände als Unterstützung für Blending Übungen verwenden. Dazu verwenden wir die Idee von Fingern, die für verschiedene Aspekte von Erleben stehen und falten die Finger einen nach dem anderen ineinander, während wir erlauben, dass sich die Erfahrungen innen überblenden und vermischen. Das ist eine sehr langsame Arbeit. Es ist gut, erst mal nur einen Aspekt zusammen zu führen und zu sehen, wie sich das anfühlt, das wieder zu trennen und später noch mal zu probieren, vielleicht auch mit einem anderen Aspekt.
Für die Fusion falten wir die Finger einen nach dem anderen ineinander, während wir sicher stellen, dass die Erfahrungen geteilt und vermischt werden bis unsere Hände vollständig ineinander gefaltet sind. Dann lässt man innerlich die Hände los, geht wieder raus, während die Blending Erfahrung beibehalten wird. Wenn sich die Hände wieder trennen, bleiben die Anteile zusammen. Versucht das nicht, bevor ihr die Traumatisierung nicht in großen Teilen aufgelöst habt und ihr tatsächlich die integrative Kapazitäten dafür habt. Es braucht eine Menge, um sich als Anteile so nah und ineinander verschränkt zu sein und das würde einfach nur überfordern, wenn man das probiert und noch nicht bereit dafür ist.
Die Arbeit mit Händen sieht trügerisch leicht aus. Schließlich berühren sich nur unsere Hände. Das tun die öfter mal. Aber sobald Anteile ihr Bewusstsein in eine Hand bewegt haben, wird die Erfahrung recht intensiv, intim und verletzlich. Wenn ihr das zum ersten Mal ausprobiert, macht das bitte mit euren Ts. Meiner Erfahrung nach sind die Ergebnisse besser, wenn jemand anderes die Übung anleitet und sagt, was zu tun ist. So können wir uns voll auf das konzentrieren, was wir tun und wie wir es erleben. Dabei immer noch an den nächsten Schritt denken zu müssen ist eine Ablenkung.
Wenn wir schwierige Arbeit mit den Händen machen, braucht es Hilfe von außen, um das Pacing richtig hin zu kriegen, jemanden, der uns sagt, wann wir eine Pause zur Integration und Regulation machen sollten und Ideen einbringt, falls wir stecken bleiben. Es braucht dazu nicht zwingend Helfende die körpertherapeutisch arbeiten. Normale DIS Ts sollten sich die Technik eigentlich recht schnell aneignen können. Die Art, wie wir auf andere Anteile hören und Dinge teilen unterscheidet sich gar nicht so sehr von der normalen DIS System Arbeit, es wird nur um einiges leichter, wenn wir unsere Hände dazu verwenden.
Mehr zur Arbeit mit Händen bei DIS, inklusive kommentierte Transkripte von Therapiestunden, die demonstrieren, wie man das anwendet, gibt es in Die Trauma Trinität 2 von Ellert Nijenhuis.
Für Christian Schleier
SeelenPlaneten says
Das hört sich sehr interessant und vor allem sehr intensiv an, aber auch hilfreich. Dürfte ich diesen Beitrag vllt unserer Thera schicken? Da wir das gern versuchen würden,(Annäherung) es uns alleine aber noch nicht zutrauen. Lg
Theresa says
Klar, mach das