Es gibt verschiedene Wege, um mit dissoziativen Anteilen Trauma zu verarbeiten. Alle davon sind erschöpfend und nicht ganz vollständig. Unsere Therapiestunden sind zwar lang genug, um mit der Erinnerung zu arbeiten, aber nie lang genug, um mit allen Gefühlen von Verletzung und Versehrtheit umzugehen. Man kann in der Zeit nie eine vollständige Erholungsphase mit abdecken. Was wir erleben, ähnelt einer Operation. Ein wichtiger Moment ist überstanden und dann brauchen wir immer noch Zeit, um richtig zu heilen, ein bisschen Pflege und ein Umfeld, das dazu geeignet ist, unseren speziellen Bedürfnissen in dieser Phase der Heilung zu begegnen. Wir entwickeln so einen Ort für uns in uns drinnen.
Dissoziative Anteile, die eine Trauma Szene zurücklassen, werden sich danach noch bedürftig, verletzlich und verletzt fühlen. Mindestens aber holt sie die extreme Erschöpfung ein, wenn sie bemerken, dass sie jetzt loslassen können. Es braucht Aufmerksamkeit, Fürsorge und Zeit zum Heilen. In unserem äußeren Leben müssen wir vielleicht zur Arbeit oder uns um die Kinder kümmern, wir sollen funktionieren und es gibt keine Zeit zum Wunden lecken. Wo jedes vernünftige Tier sich an einem versteckten Ort zusammenrollen und ausruhen würde, steigen wir ins Auto und machen mit dem Leben weiter. Verletzte Anteile müssen das nicht mitmachen.
Wir benutzen unsere Vorstellungskraft, um ein inneres Haus der Heilung zu erschaffen, wo wir Anteile hinbringen können, die besondere Aufmerksamkeit und einen Ort zum heilen brauchen. Das ist eine spezielle Version eines Sicheren Ortes und es kann sinnvoll sein, den abseits von allem zu bauen, was wir sonst an inneren Orten verwenden. Ich wähle gerne eine Landschaft, in der ich gerne Urlaub machen würde. Vielleicht ist das ein Ort in den Bergen, einem Tal, in der Nähe eines Meeres, Sees oder Flusses, einer Oase oder was immer ihr mögt. Ich gestalte das gerne so abgelegen, dass man nur mit dem Helikopter hin kommt. Das ist ohnehin der schnellste Weg, um Verletzte zu transportieren und unsere Anteile sind es Wert, da schnell hin zu kommen. Wählt ein Umfeld, dass eurem Herzen und Verstand Frieden bringt. Dann gestaltet ihr ein einladendes und ruhiges Gebäude. Ich halte das klein und persönlich und stelle mir so etwas wie eine gemütliche Pension vor, die von einer fürsorglichen Helferperson geführt wird. Dann führe ich das Bild zusammen mit einer sehr gut ausgestatteten Krankenstation, wo es für alle Fälle alles gibt, was man brauchen könnte. Die Räume behalten den leichten und luftigen Charakter eines Wochenend-Urlaubs, während sie auch alles bieten, um entstandenen Schaden zu versorgen.
Wenn wir Anteile zu so einem Haus der Heilung bringen, arbeiten wir eng mit diesen Anteilen zusammen, um den Raum noch mal genau auf ihre Bedürfnisse anzupassen. Wir haben eine Checkliste, aber es ist viel wichtiger, sich auf den Anteil einzustellen und zu sehen, was denen einfällt und dann kreative Lösungen anzubieten. Dinge, die wir immer anbieten sind:
- Essen und Trinken, was sie selber aussuchen
- ein Bad, eine Dusche, eine magische Reinigung oder was sich gerade angemessen anfühlt
- medizinische Versorgung (Wunden verbinden, Wunder-Chirurgie zum Wiederherstellen von dem, was kaputt ist, Schmerzmedikamente usw)
- Kleidung und etwas zum Bedecken nach Wahl
Man kommt hier mit der wahrgenommenen Verletzung in Berührung und das kann emotional anspruchsvoll sein. Unsere Empathie ist etwas Gutes und trägt zur Heilung bei. Wir können das aushalten, indem wir uns die passende Hilfe dafür ausdenken und anwenden.
Wir gehen auch verschiedene Sinneserfahrungen durch, um sicherzustellen, dass sie in Frieden ausruhen können. Haltung kann dabei wichtig sein. Manchmal ist ein weiches Bett die richtige Entscheidung. Ein anderes Mal kann ein Anteil es nicht aushalten, flach zu liegen und ein Sessel ist die bessere Option. Denkt mögliche Verletzungen immer mit. Wir passen die Temperatur und Lichtverhältnisse den persönlichen Bedürfnissen an. Manchmal haben Temperatur oder Beleuchtung in der Trauma Situation eine wichtige Rolle gespielt und Anteilen die Kontrolle darüber anzubieten, wie warm oder kalt, dunkel oder hell es sein soll, unterstützt die Heilung von der Erinnerung. Wir fragen, ob die Tür offen oder geschlossen sein soll und ob es im Raum sonst noch etwas braucht, damit sie sich beschützt und sicher genug fühlen, um zu schlafen und sich auszuruhen. Sie können ein Stofftier haben und auch alle Sachen, die als Tröster früher verboten waren. Jetzt ist ein neues Leben mit neuen Regeln. Anteile sind sich im klaren darüber, was sie immer haben wollten und was nie erlaubt war und jetzt können sie das alles haben.
In der Regel gibt es eine Art von Pflegekraft, medizinisches Personal oder Hilfepersonen, die immer im Haus der Heilung wohnen und zur Verfügung stehen. Vielleicht haben wir sogar im echten Leben schon Erfahrungen damit gemacht, wie wir sanft und fürsorglich versorgt wurden und können dieses Gefühl an diesem Ort ausbreiten. Anteile werden nicht alleine gelassen, es sei denn sie verlangen es und wir spüren, dass es ein echtes Bedürfnis ist. Jemand wird regelmäßig rein schauen, bei ihnen sitzen, ihnen auch vorlesen, wenn das gewünscht ist. Es soll eine Atmosphäre von echtem Ausruhen und Heilen entstehen. Ein Gefühl, willkommen zu sein, von Wärme und von Fürsorge, sind wichtig dabei. Ihr könnt das zu allem machen, wonach ihr euch sehnt. Ihr wisst, was das ist.
In seltenen Fällen unterstützen wir die Imagination mit Handlungen in der äußeren Welt. Es kann für Anteile von Bedeutung sein, dass wir ihre Verletzungen mit einem echten Verband bedecken und ihn einige Male wechseln, bis sie selbst merken, dass es inzwischen verheilt ist. In den meisten Fällen ist ein Erleben von Frieden, Fürsorge und Zeit zum Heilen alles was es braucht. Anteile erholen sich von der Verletzung des Traumas und kehren irgendwann zum Team zurück. Wir lassen ihnen alle Zeit, das zu machen, wie es für sie gut ist. Es kann manchmal schwierig sein, in so einem Haus der Heilung länger zu bleiben wenn
- es noch mehr Trauma Szenen gibt, die sie verarbeiten müssten
- sie große Lust haben, am realen Leben heute teilzunehmen
- wenig Kapazität besteht, sich etwas vorzustellen
- innerhalb des Anteils verschiedene abgegrenzte States vorhanden sind
- …
Manchmal wollen Anteile für immer dort bleiben. Das ist kein Problem. Sie können bleiben, solange sie wollen. Vielleicht mögen sie bei der Pflege von anderen Anteilen helfen, wenn sie sich besser fühlen und vielleicht ist das auch einfach der Ort, an dem sie sich zur Ruhe setzen. Bei uns ist das bisher nur mit Anteilen passiert, die besonders extreme Gewalt erlebt haben. Sie haben die Rolle verlassen, die sie zu TraumaZeit für uns hatten und haben sich keine neue ausgesucht. An so einem friedlichen Ort zu sein, ist alles, was sie je wollten und das ist in Ordnung. Sie bleiben einfach.
Wenn ihr erst mal so ein Haus der Heilung gebaut habt, könnt ihr das so oft verwenden, wie ihr es braucht, Räume oder Betten hinzufügen und flexibel damit weiter arbeiten. Auch Anteile, die sich streng genommen nicht von Trauma erholen, können das hilfreich finden. Insbesondere Frontpersonen, die kurz vor dem Burnout stehen, brauchen vielleicht einen Ort zur Erholung, um weiteres Abspalten oder ein unkontrolliertes Verschwinden zu verhindern. Es ist fürs ganze System leichter zu wissen, wo sie hin verschwunden sind, auch wenn sie eine Zeit lang ausfallen.
Nachdem wir einen dissoziativen Anteil aus einer leidvollen Situation raus begleiten, bringen wir sie an einen Ort des Friedens. Das führt nicht automatisch zur Fusion (wie das im Umgang mit Fragmenten passieren könnte), aber es unterstützt in der Regel die wichtigen Schritte zur Integration, die benötigt werden, um die Erinnerung fertig zu verarbeiten. Nachsorge ist für die Heilung wichtig. Man findet hier auch einiges an Schönheit.