Unter den Gefühlen, die man als traumatisierter Mensch erlebt, ist hilflose Wut (neben chronischer Scham), wohl eines der stärksten und potentiell gefährlichsten. Die tiefgreifende Hilflosigkeit, die wir in Trauma Zeit erlebt haben, wir angestoßen und kombiniert sich mit dem Aufwallen von Energie aus der Wut. Oft können wir mit dieser Energie nicht umgehen und wenden sie in Form von Aggression gegen uns selbst. Um mit hilfloser Wut umzugehen, ohne in Selbstverletzung oder zB einem Ess/BrechZyklus zu enden, braucht es 3 große Schritte.
Schritt 1: Orientierung und Grounding
Wir müssen etwas Distanz schaffen zu der Situation, die die hilflose Wut ausgelöst hat.
Schau dich um und werde dir deiner Umgebung bewusst.
Obwohl du vielleicht einen Brief mit schlechten Nachrichten in der Hand hältst, ist da keine akute Gefahr im Raum.
Mach dir den Tag und die Uhrzeit bewusst und benenne mindestens 5 Dinge, die du um dich herum entdecken kannst.
Benutze die Grounding Übungen, die dir am besten helfen.
Genau jetzt und genau hier gibt es keinen Grund zu verzweifeln.
Du bist getriggert worden. Aber heute ist nicht mehr TraumaZeit und deine Erwartung von etwas Schlimmen passiert gerade gar nicht.
Die Situation ist scheiße. Aber es ist nicht die gleiche Situation, wie die Bedrohungen in der Vergangenheit.
Je achtsamer du bist, desto leichter wird es, dich zu erden.
Schritt 2: die Hilflosigkeit überwinden
Wir müssen die hilflose Wut in Hilflosigkeit und Wut aufteilen und sie getrennt voneinander behandeln. Schau dir zuerst die Hilflosigkeit an, sonst wirst du nicht an die darunter liegende Wut heran kommen.
Hilflosigkeit löst man, indem man Wahlmöglichkeiten findet.
Schau dir die Situation an und finde Handlungsoptionen und Wege etwas zu wählen, egal wie klein.
Kannst du
- was anderes probieren?
- Mit jemand anderem reden?
- Jemanden um Hilfe bitten?
- Rechtliche Schritte einleiten?
- Eine Grenze setzen?
- Etwas klar stellen?
- Jemanden blockieren?
- Etwas konfrontieren?
- Verhandeln?
- Einen anderen Weg wählen?
Atme tief durch und finde neue Möglichkeiten. In dem Moment, wo du eine Entscheidungsfreiheit findest, geht die Hilflosigkeit zurück.
Mehr zu Hilflosigkeit überwinden
Schritt 3: die Wut managen
Wut ist komplex. Sie ist voller Energie, hat oft auf die ein oder andere Art mit anderen Leuten zu tun und sie geht nicht einfach weg, nur weil man auf etwas drauf haut oder etwas kaputt macht. Das sind nicht nur ungesunde (und teure) Versuche der Bewältigung, sie funktionieren auch nicht besonders gut. Hier sind ein paar bessere Alternativen:
- Sport: jede Art der Bewegung funktioniert, aber es hilft, eine zu wählen, bei der deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper gerichtet sein muss. Wir selbst bevorzugen Kickboxen. Schlagen ist kein richtiges Wut-Management! Jede Form von Kampfsport dreht sich vor allem um Selbstbeherrschung, nicht darum wild auf etwas ein zu schlagen und sich dabei weh zu tun. Man baut die überflüssige Energie ab, während man auf Selbstbeherrschung konzentriert ist.
- Der wütende Brief: Er sollte an das Objekt deines Ärgers adressiert sein und es gibt keine Regeln zum verwendeten Wortschatz. Je genauer deine Formulierungen deinen Gedanken und Gefühlen entsprechen, je ehrlicher du bist, desto besser wird es funktionieren. Wütende Briefe sind nicht dazu gedacht verschickt zu werden. Sie sind ein Werkzeug. Du kannst deinen Gedanken und Gefühlen einer Person oder Institution gegenüber Raum geben, aber du begrenzt das sicher auf das Papier. So läufst du weniger Gefahr überflutet zu werden, während du dich ausdrückst. Es kann hilfreich sein, diesen Brief zusammen mit deiner T noch mal anzuschauen und in etwas zu verwandeln, was du in einem echten Brief oder einem Gespräch verwenden könntest.
- Mit jemandem reden: Schimpfe. Wir versuchen das nicht öffentlich oder auf Social Media zu tun, sondern im Kontakt mit engen Freunden. Der Ärger muss irgendwie raus und sollte nicht „weg gemacht“ werden, also sollten deine Freunde nicht versuchen dich zu beruhigen oder dir Lösungen anbieten (einen Lösungsansatz hast du in Schritt 2 gefunden). Die Gegenwart einer vertrauten Person bietet dir außerdem die Vorzüge von zwischenmenschlicher Regulation. Das kann Gefühle von Hilflosigkeit weiter reduzieren. Du bist nicht alleine.
- Wut nutzen: Das wird nur funktionieren, wenn du die Hilflosigkeit überwunden hast und in der Lage bist, die Wut im Griff zu behalten ohne zu explodieren. Dann kannst du die Energie aus der Wut nutzen, um dich durch eine Situation durchzukämpfen, Dinge passieren zu lassen, Grenzen zu setzen, dich zu verteidigen und dir auch sonst nichts gefallen zu lassen. Mehr dazu
- Humor: Manchen hilft es sich dunklem oder albernem Humor zuzuwenden. Das schafft eine Distanz und eine überlegene Position zur Situation. Es nimmt dem Ganzen auch das Gefühl von Verhängnis. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber versuche Sarkasmus zu vermeiden. Das ist nämlich in Wirklichkeit eine hoch emotionale Art sich krampfhaft an Wut festzuhalten und kann dich selbst und die Menschen um dich herum sehr verletzen. Erlaube Wut nicht, dich bitter und hasserfüllt zu machen.
- Entspannung: Vielleicht machst du eine Atemübung, wie zB die Wut ausatmen und Frieden einatmen. Das könnte man auch mit Farben verbinden, zB rote Wut ausatmen, kühles blau einatmen, was dich mit entspannter Ruhe erfüllt. Du könntest dich auch auf positive innere Bilder konzentrieren oder es mit PME probieren.
- Spazieren gehen: Der Gedanke dahinter ist ein Ortswechsel. Das schafft Distanz zu der Person oder dem Papier, was dich getriggert hat. Es verschafft dir außerdem Zeit, um dich zu beruhigen und deine Perspektive zu ändern. Draußen zu sein kann dir auch beim reframen einer schlechten Nachricht helfen. Schau dir die Welt da draußen an, die ist so groß und schön und dein Problem ist im Verhältnis dazu nur sehr klein. Es gibt so viel mehr in dieser Welt als dein Problem. Schau nach oben in den Himmel, das eröffnet eine völlig neue Dimension.
- Wenn alles, was möglich ist getan wurde, dann hänge deiner Wut nicht nach. Wenn du in Gedanken immer wieder zu ihr zurück kehrst, erhältst du sie künstlich länger am Leben als notwendig. Lass sie gehen. Wenn du gläubig bist, vielleicht hilft es dir dann, etwas zu vergeben.
Wie bei allem braucht es auch beim managen von hilfloser Wut Übung. Stelle sicher, dass du dich an die Reihenfolge der Schritte hältst. Das funktioniert nicht, wenn man das umstellt.
Mehr übers getriggert sein und wie man damit umgeht
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