IRRT steht für Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy. Es ist eine Technik zum Prozessieren von Trauma Erinnerungen, die vor allem Imagination und sowas ähnliches wie Anteilearbeit nutzt, um Situationen aufzulösen, die fest stecken. Statt stumpfer Exposition verändern wir die Geschichte in unserem Kopf und kümmern uns um unser jüngeres Selbst, was dann zu einer Verringerung unserer Symptome führt. IRRT kann auch bei Komplextrauma verwendet werden. Ts, die die Technik verwenden und anpassen wollen, brauchen ein solides Fundament im Bezug auf Traumabehandlung und die Behandlung dissoziativer Störungen. Die Stabilisierungsphase darf nicht übersprungen werden, weil wir dort Fertigkeiten lernen, die essentiell sind für den Erfolg der Verarbeitung.
Bei normaler Traumatisierung gibt es 3 Schritte für IRRT:
Schritt 1
Unsere Ts bitten uns, unsere Trauma Geschichte so zu erzählen, wie wir sie erlebt haben. Sie achten dabei besonders auf ‘Hot Spots’, also Momente, die besonders schlimm sind oder die stärkste Reaktion auslösen. Viele Techniken konzentrieren sich auf solche Hot Spots, weil das oft zu einer Auflösung und Integration der gesamten Erinnerung führt. Wir wählen eine Szene mit so einem Hot Spot aus und arbeiten dann mit dieser Szene weiter und nicht mit der vollständigen Erinnerung. Die Personen, die wir im Moment vor Augen haben, sind unser Früheres Selbst und die Person, die uns in dieser Szene Leid zugefügt hat.
Schritt 2
Wir betreten die Szene als unser Heutiges Selbst, um einzugreifen. Unsere Aufgabe ist es, Tatpersonen auf unsere Art zu überwinden. Wir können dazu unseren eigenen Impulsen und unserer inneren Weisheit folgen. Ziel ist es zu realisieren, dass uns die Person unterlegen ist und wir sie besiegt haben. Sie können unserem Früheren Selbst nichts mehr anhaben. Das Frühere Selbst beobachtet, was wir tun und wer wir sind, selbst wenn wir zu beschäftigt sind, um das zu merken. Wir sind jetzt stark und fähig. Manche Leute haben das Bedürfnis, sich an dieser Stelle vorzustellen, wie sie der Tatperson Gewalt antun und das ist ok, solange es hilft. Offensichtlich brauchen manche Menschen es, die Angst in den Augen ihrer Peiniger zu sehen. Es wird aber keine Gewalt gebraucht, um sich über solche Menschen zu erheben. Es gibt auch andere kreative Wege sie zu besiegen, die wir imaginieren können.
Schritt 3
Wenn die Tatperson ihre Macht verloren hat, können wir uns unserem Früheren Selbst zuwenden und uns kümmern. Wir stellen uns vor, den Bedürfnissen auf jede nötige Art zu begegnen. Was immer fehlt, welches Bedürfnis auch immer nicht beachtet war, was immer sie sich wünschen, wir treten in Verbindung und kümmern uns darum. Eine Menge emotionaler Wiederherstellung passiert, wenn wir diese junge Seite von uns, die verstoßen war, akzeptieren und wieder in Verbindung kommen. Das führt in der Regel auch zu einer Verminderung unserer Symptome.
IRRT für DIS anpassen
Schritt 1
Wir beginnen damit, die Anteile zu identifizieren, wie vom Trauma einer bestimmten Szene betroffen sind. Die haben vielleicht unterschiedliche Hot Spots, aber meiner Erfahrung nach kann das oft zusammen verarbeitet werden. Sie teilen ihre Geschichte, während andere im System zuhören. So erreichen wir mehr Synthese. Die Puzzleteile von Erinnerungen werden zusammengesetzt. Es hilft, Ts zu haben, die uns gezielt Fragen stellen, um sicher zu gehen, dass wir alle Puzzleteile haben. Dann können wir entscheiden, wer von uns in die Szene rein gehen möchte, um einzugreifen. Es ist sinnvoll, da als Team zusammenzuarbeiten und mehrere Anteile mit rein zu nehmen.
Schritt 2
Wir können dann einen Weg finden, die Tatperson zu stoppen. In der Überzahl sind wir schon mal. Ich würde es nicht empfehlen, an dieser Stelle Gewalt anzuwenden, weil die Kindanteile zuschauen und wenn wir uns selbst wie Täter*innen verhalten, verlieren wir vielleicht ihr Vertrauen. Das ist allerdings meine persönliche Meinung und ihr könnt tun, was ihr wollt. Es ist wichtig zu verstehen, dass vor so einer Trauma Bearbeitung eine Menge innere Arbeit passiert sein muss. Das sollte möglichst nicht das erste Mal sein, dass junge Anteile die Älteren treffen. Wir brauchen zuerst Kommunikation und Kooperation und wenn es geht Co-Bewusstsein, damit wir bei so etwas zusammenarbeiten können. Unsere jüngeren Anteile müssen erst mal Vertrauen in uns aufbauen, dass wir wirklich kommen und helfen, wenn sie freiwillig in so eine Trauma Szene rein gehen und sie brauchen grundlegendes Grounding und Orientierung im Heute. Das macht die Arbeit exponentiell sicherer und einfacher. Wir können uns nicht in so eine Arbeit stürzen, ohne die Grundlagen dafür erarbeitet zu haben. Wenn wir die Situation aus der Perspektive der Erwachsenen erleben, kann das zur Realisation führen, dass diese Dinge wirklich passiert sind und zu Personifikation, bei der wir realisieren, dass die jungen Anteile wirklich ‘wir’ sind.
Schritt 3
Wenn wir die Tatperson überwunden haben, können wir Kindanteile an einen besseren Ort bringen. Vielleicht ist das ihr Sicherer Ort oder ein Begegnungsraum, den das System verwendet. So verlegen wir die Erfahrung in unsere Innere Welt und die gegenwärtige Situation. Manchmal werden auch spezielle Wünsche geäußert, wo sie gerne sein wollen und dann können wir diese Bilder als Imagination herstellen. Jetzt sind wir innerhalb unseres eigenen Reiches, das sicher ist und nicht mehr in einer Traumaszene. Das verändert, wie Innenkinder ihre Geschichte erzählen. Ihre Erinnerung hatte vorher kein Ende, sie steckten in einer Szene, die nicht aufhört. Jetzt geht die Geschichte weiter als eine, in der sie gerettet und in Sicherheit gebracht wurden. Die Vergangenheit verschiebt sich in die Vergangenheit und es gibt jetzt eine Gegenwart, die anders ist. Präsentifikation geschieht.
Möglicherweise gibt es Innen Anteile, die besonders gut sind darin, sich um jüngere Anteile zu kümmern. Das müssen nicht dieselben sein, die beim retten geholfen haben. DIS funktioniert nun mal so, dass Beschützer*innen sich in Handlungssystemen von Gefahrenabwehr bewegen und nicht in Fürsorge, und das ist völlig ok. Wir haben mehr als ein Heutiges Selbst, um alle Schritte abzudecken. Jemand anderes kann sich um die Bedürfnisse kümmern, die in der Szene hoch kamen, an der wir gearbeitet haben. Die Bedürfnisse haben oft eng etwas damit zu tun, was durch die Hot Spots hoch kam, als wir die Geschichte geteilt haben. Junge Anteile können viele Bedürfnisse von vielen Szenen in sich tragen, aber wir konzentrieren uns auf die Szene, an der wir heute gearbeitet haben, um Überflutung und Ablenkung zu verhindern.
Damit das alles funktioniert, müssen wir präsent bleiben und innere Bilder mit anderen Anteilen teilen können und Kommunikation und Kooperation haben, damit wir die Intervention koordinieren können. Wir brauchen auch Ts, die uns da durch begleiten. Die Schritte klingen einfach, aber sobald eine Szene aktiviert ist, wird es zu schwer, an alles zu denken. Große Gefühle kommen hoch und wir brauchen jemanden von außen, um uns die richtigen Fragen zu stellen und uns um Hindernisse herum zu führen. Wie alle Techniken zur Trauma Bearbeitung könnt ihr das nicht alleine zu Hause machen. Es ist schon möglich, sich Dinge wie in Schritt 3 vorzustellen und andere Techniken arbeiten da auch mit, aber wir sollten keine neuen Trauma Szenen auf diese Weise erforschen oder Tatpersonen konfrontieren, ohne einen Beistand von außen zu haben.
Ich hab schon gesehen, wie der Ablauf auf eine Situation angewendet wurde, wo das Hauptproblem Vernachlässigung war und Tatpersonen entweder gar nicht in der Szene aufgetaucht sind oder nur als ein passiver Geist. In solchen Fällen ist es immer noch wichtig, dass jüngere Anteile ihre Geschichte und das damit verbundene Leid teilen. Das muss gehört und anerkannt werden. Eine Konfrontation wird nicht immer benötigt oder kann darauf beschränkt sein, der Fürsorgeperson gegenüber Wut auszudrücken für ihr Versagen. Wir können dann damit weiter machen zu trösten und Bedürfnissen zu begegnen. In diesem Fall könnte es sein, dass jemand mit Erfahrung mit dieser Art Arbeit das auch alleine kann, solange der erwachsene Anteil sehr stabil und geerdet ist und von der Intensität der Bedürfnisse nicht überrollt wird.
Techniken, die Imagination verwenden, ähneln sich oft ziemlich. Diese hier bietet einiges an Struktur, was es einfacher machen kann, dem zu folgen. Sehr strenge Schritte können manchmal auch Möglichkeiten einschränken und ich würde da empfehlen eher den eigenen Bedürfnissen zu folgen statt stur einem Ablauf. Es gibt da viel Raum, um sich das anzupassen. Manches, was in IRRT nebenbei gelehrt wird, finde ich nicht hilfreich für die DIS Therapie.
CN Selbstverletzung
Es wird davon ausgegangen, dass Selbstverletzung eine Handlung ist, bei der wir das Frühere Selbst direkt verletzen und wir deswegen von ihm als Fürsorgeperson zurückgewiesen werden. Solche Meinungen sind sehr schädlich, wenn wir sie ungefiltert auf Kindanteile übertragen, weil sie zu Schuldzuweisungen und Beschämung für unser Coping Verhalten führen, den wahren Grund für Misstrauen gegen Fürsorgepersonen verschleiern und Spannungen vergrößern, weil Kindanteilen vermittelt wird wir wären auch nur Täter*innen. So wird Verbindung unnötig erschwert.
Wenn IRRT nicht ordentlich angepasst wird, geht es viel zu schnell ins Prozessieren über, weil eine längere Stabilisierungsphase als übertrieben bewertet wird. Ich will nicht sagen, dass es damit nie jemand übertreibt, aber wenn wir es mit (struktureller) Dissoziation zu tun haben, wird Stabilisierung dringend benötigt. Auf der anderen Seite werden Dissoziation und DIS als Gründe benannt IRRT überhaupt nicht anzuwenden, wo es sich eigentlich leicht anpassen lässt und dann durchaus sehr hilfreich ist. Es ist da wichtig, selber mitzudenken und Ts zu haben, die das auch tun und nichts zu machen, was mit unserem Grundverständnis unserer Probleme nicht konform ist. Diese Technik wurde für einfaches Trauma entworfen und muss natürlich angepasst werden, damit das für uns auch geht. Dann lassen sich die wichtigen integrativen Handlungen abdecken.
Trotz dezenter Meinungsverschiedenheiten glaube ich, dass das ein nützliches kleines Werkzeug ist, um innere Überzeugungen zu verändern und einer Geschichte, die in unserer Erinnerungen kein Ende hatte, ein neues Ende zu geben. Es muss dabei klar sein, dass wir nicht die Vergangenheit verändern sondern nur unsere innere Realität. Sehr kleine Studien sehen bei IRRT einen ähnlich guten Effekt wie bei EMDR, wenn es darum geht PTBS Symptome zu reduzieren. Es ist sanfter als stumpfe Exposition, sowohl für Patient*innen als auch für Ts, und besser darin Emotionen aufzulösen, die nicht Angst sind. Das ist bei Komplextrauma besonders interessant, wo Scham und Hilflosigkeit sehr dominante Gefühle sind. Es ist nicht schwer zu sehen, wie Täter*innen überwinden chronische Hilflosigkeit auflöst und eine Versöhnung mit verletzten Kindanteilen einen Unterschied bei unserer Scham macht. IRRT wird für einzelne Traumata verwendet, aber auch für Probleme, die mit PTBS nichts zu tun haben wie zB anhaltende Trauer. Deswegen wäre es speziell für meine Leser*innen wichtig, Ts zu finden, die Kenntnisse in Traumabehandlung jenseits dieser Technik haben. Das ist nur ein Werkzeug und Komplextrauma braucht den ganzen Werkzeugkasten. Die Ts, die das anwenden und die ich persönlich kenne, haben das als 3. oder 4. Technik zum Prozessieren gelernt und das speziell gewählt, weil es einfacher und sanfter ist als andere Techniken.
Andreas says
Meine Therapeutin verbindet EMDR unter anderem mit IRRT und mir hilft das sehr. Wir gehen erst die gesamte Situation mit EMDR durch und springen dann noch mal an den Anfang, prozessieren weiter mit EMDR, aber dann gehe ich als Erwachsener in die Situation hinein um sie wie beschrieben zu verändern. Es ist nicht die softeste Methode, aber sie hilft mir persönlich sehr gut