In dieser grundlegenden Übung aus der Körpertherapie geht es darum, Anspannung oder Energie, die im Körper fest steckt loszulassen und uns auf natürliche Weise zu regulieren. Ich erklär das Schritt für Schritt so wie ich das gelernt habe und verwende ein einfaches Beispiel aus meiner Therapie, das hoffentlich nicht triggert.
Die Situation
Wir beginnen mit der Situation, die uns stresst. Wenn wir das alleine machen, bleiben wir bei Situationen der Gegenwart oder nahen Vergangenheit, wo wir das mit der Regulation nicht gut hin bekommen haben. Ihr braucht Unterstützung, um richtiges Trauma loszulassen. Wie immer könnt ihr eure eigene Trauma Bearbeitung nicht alleine machen, auch wenn die Schritte prinzipiell die selben sind. Kleinere Dinge, die uns in Hyperarousal fest halten, können wir so aber schon behandeln. Wir wissen, dass wir die Situation richtig gewählt haben, wenn der Stresspegel schon von alleine steigt, wenn wir nur dran denken.
Meine Situation in diesem Beispiel ist ein Verlust, nachdem ich die Trauer nicht ausreichend managen konnte, das zu Überforderung, Anspannung und dann physischen Schmerz wurde.
Der Körper
Als nächstes hören wir in den Körper rein und finden heraus, wo die Anspannung sitzt. Da gibt es keine falschen Antworten. Oft ist viel Anspannung und Armen oder Beinen, wenn wir eine Flight/Fight Reaktion unterdrückt haben, aber jeder andere Bereich kann auch bedeutungsvoll sein, deswegen arbeiten wir immer mit dem was wir wahrnehmen. Das ergibt später vielleicht mehr Sinn. Wir haben uns inzwischen weg bewegt von der Situation selbst und achten statt dessen auf das Körpergefühl.
In meinem Fall fühlte sich der Kiefer extrem angespannt an, so dass er weh tat (und ich nachts wohl auch sehr geknirscht hab)
Der Impuls
Im nächsten Schritt fragen wir uns, wie ein Tier wohl aussehen würde, wenn es diese Art von Anspannung an genau dieser Stelle spüren würde. In der Regel fällt uns intuitiv ein passendes Tier ein. Das sorgt für eine größere Distanz zur Situation, was den Umgang sehr viel einfacher macht. Ähnlich wie beim distanzierten Beobachter treten wir ein Stück zurück und vermeiden es so, emotional überrollt zu werden.
Wenn wir uns ein Tier mit dieser Art Anspannung vorstellen können, dann stellen wir uns vor, wie sich das verhalten würde. So finden wir den Impuls, der zu diesem Gefühl/Zustand gehört. Wir haben diesen Impuls meist unterdrückt, weil das Verhalten sozial nicht erwünscht war oder es einfach nicht ging dem nachzugehen. Dieses Zurückhalten des gesunden Impulses bzw das vom Handeln abgehalten werden ist, was dafür sorgt, dass die Energie stecken bleibt. Wieder mit dem Impuls in Kontakt zu kommen ist wichtig, um das auflösen zu können.
Im Bezug auf meine Trauer habe ich bemerkt, dass ich den Impuls hatte ein Geräusch zu machen. Bis dahin waren alle meine Tränen still gewesen, wie ich das zu TraumaZeit gelernt hatte. Das Tier, das mir einfiel war ein Wolf, der traurig jault und den Mond anheult.
Dem Impuls folgen
Im nächsten Schritt folgen wir dem Impuls, um die Energie frei zu geben. Für manche ist es hilfreich rennende, schlagende oder weg schubsende Bewegungen zu machen, oder Worte zu rufen, die gerufen werden wollen. Das sieht bei jeder Person und Situation aber anders aus.
Manchmal liegt das gar nicht in unseren Möglichkeiten, das anständig zu machen. Vielleicht weil es uns körperlich unmöglich ist, die Situation das nicht her gibt oder vielleicht ist da auch zu viel Scham, das so umzusetzen. Das ist okay. Es reicht völlig, sich vorzustellen die Bewegung oder Handlung zu machen. Unser Gehirn ist nicht gut darin auseinander zu halten, ob wir eine Bewegung wirklich tun oder uns das nur vorstellen. Wir bevorzugen, uns das vorzustellen, weil wir es so genau so umsetzen können, wie wir das wollen.
Wenn wir es richtig machen, gibt es einen plötzlichen Anstieg der Intensität des Gefühls oder des körperlichen Erlebens, wie ein Energiestoß. Das kocht hoch, von wohin auch immer wir das runter gedrückt haben. Das kann sehr intensiv sein und es ist das beste, das am Anfang mit professioneller Hilfe zu probieren, besonders wenn unsere Fertigkeiten in Orientierung&Grounding noch nicht so gut sind. Ein Beistand kann co-regulieren, wo das nötig ist. Dieses Freisetzen von Energie kann überraschend stark sein und auch von zittern oder Hitzewallungen begleitet.
Ich hab mich etwas verlegen gefühlt was Wolfsgeheul angeht und hatte auch keine großes Selbstvertrauen in meine Jaul-Fertigkeiten im allgemeinen, also hab ich mir das vorgestellt. Es kam erst mal viel Schmerz und Trauer hoch, zusammen mit heißen Tränen. Ich hab mich zur Orientierung ein bisschen umgeschaut, während ich mir weiter vorgestellt habe Wolfsgeräusche zu machen. Als die erste Welle in der Intensität von alleine weniger wurde, konnte ich spüren, dass der Kiefer schon viel lockerer war.
Wiederholung nach Bedarf
Eine Runde ist oft nicht genug, um alle Anspannung aus dem System raus zu kriegen, also wiederholen wir das mit dem Impuls folgen nach kleinen Pausen zur Orientierung und schauen, was sonst noch hoch kommt (Pendulation). An dieser Stelle kann es helfen, zur Ursprungssituation zurück zu kehren, zu prüfen, wie sich das anfühlt, vielleicht tiefer zu gehen und vielleicht auch zu checken, ob sich der Impuls mit der Zeit verändert hat. Die Wellen werden nach der Ersten immer kleiner. Trotzdem ist es gut sich die Zeit zu nehmen und dem Körper zu erlauben, den Prozess abzuschließen und wieder in einen regulierten Zustand zu kommen. Da kann Titration wichtig sein, insbesondere wenn die Situation sehr schwer ist. Das bedeutet sehr kleine Schritte zu gehen und die Welle abflachen zu lassen, bevor wir den nächsten kleinen Schritt gehen. Die Reaktion wird mit jedem Schritt weniger intensiv, während sich die Anspannung neutralisiert.
Als ich mir immer wieder vorgestellt hab den Mond an zu heulen, ging der emotionale Schmerz zurück. Da waren noch einige mehr Tränen und die Entspannung im Kiefer wurde immer deutlicher. Der körperliche Schmerz, der von der Anspannung verursacht wurde, verschwand ganz.
Reflektieren
Zum besseren Prozessieren hilft es, sich noch mal Gedanken drüber zu machen, was gerade passiert ist. Die Erfahrung beinhaltet oft eine Lektion, aus der wir lernen können. Uns diese Lektion zu Herzen zu nehmen, statt nach der Auflösung der Anspannung gleich zum normalen Leben überzugehen, kann uns helfen, unser Verhalten zu verändern, sodass der Stress beim nächsten Mal nicht mehr auf die selbe Weise stecken bleibt.
Ich bin auf ein Muster von Stillschweigen in meinem Leben aufmerksam geworden, an dem ich in der Therapie weiter arbeiten möchte. Mir selbst zu erlauben eine Stimme zu haben ist zu einem bedeutsamen Ziel geworden.
Wenn irgendwie möglich, arbeitet mit KörperTs zusammen. So was kann ziemlich intensiv sein und braucht vielleicht Pacing und Co-Regulation, um zu verhindern, davon überrollt zu werden. Wenn ihr das für euch selbst probieren wollt, dann bleibt bei kleinen Dingen und haltet euch von richtigen Trauma Situationen fern. Das hier ist nur Selbsthilfe, wenn es um die Alltagssituationen geht, wo wir durchgeschüttelt wurden und es nicht geschafft haben, uns gut zu regulieren, sodass wir auch Stunden später noch mit der Anspannung rum laufen. Energie aus Trauma Situationen ist sehr viel explosiver und man kann sich da nicht selber pacen oder das lenken, während man da durch geht, also stellt immer sicher, die angemessene Hilfe zu nutzen.
Menschen, die wie wir sehr überkontrolliert sind, müssen vielleicht lernen, den eigenen Impulsen zu vertrauen. Es passiert nichts schlimmes. Wir verlieren nicht die Kontrolle. Wenn überhaupt haben wir in dieser Übung mehr Kontrolle, als wir sie in der ursprünglichen Situation hatten. Es ist für überkontrollierte Menschen wirklich wichtig zu lernen, gesunden Impulsen wieder zu folgen (Mehr). Wir bleiben öfter stecken, weil wir gewohnheitsmäßig unsere Impulse unterdrücken und so nicht zu gesunder Regulation kommen.
Es ist nicht möglich, da was falsch zu machen. Was auch immer hoch kommt ist okay. Trauer in meinem Kiefer zu spüren war jetzt nicht gerade naheliegend, hat letztendlich aber völlig Sinn ergeben. Es ist nicht nötig, alles bis ins Letzte zu verstehen, um davon zu profitieren.
Verglichen mit dieser Vorgehensweise ist TRE eine ungenaue 08/15 Lösung, die mit künstlichem Zittern beginnt, ob das gebraucht wird oder nicht, um so eine beliebige Situation aufzulösen. Ich glaube, es ist besser mit der spezifischen Situation anzufangen und der zu erlauben sich aufzulösen, wie sie das natürlich tun möchte. Wenn wir nah am Handlungsimpuls arbeiten, lässt sich das, was hoch kommt, besser halten, was die Gefahr reduziert, davon überrollt zu werden. So können wir auch unsere Lektionen zu Regulation lernen, sodass wir weniger oft stecken bleiben. Natürliche Regulation ist dem künstlichen Energie freisetzen überlegen.
Bestimme Körpertherapie Techniken nutzen dieses Grundprinzip für die Trauma Behandlung. Ihr könnt nach Trauma Körpertherapie zB nach Pat Ogden schauen oder nach Somatic Experiencing (Levine).
Imke says
Hallo Theresa,
vielen herzlichen Dank für Eure wunderbaren Erklärungen!
Vielen Dank für die vielen hilfreichen Ansätze!
Und vielen Dank für Eure Schilderungen zur DBT, das tat SEHR gut zu lesen, denn es ging mir damit auch schlecht und zwar mit der HALTUNNG der DBT , so wie sie bei Bohus aufgeführt ist, mit den Bewertungen, harten Konfrontationen, strafenden und beschimpfenden Erziehung und der Vertiefung von Spaltung, so dass ich weder mich noch andere mehr fühlen konnte.
Die Skills und Fertigkeiten waren für die anfängliche Regulation hilfreich. Aber wäre es bei einer verhaltenstherapeutischen Behandlung geblieben, dann wäre es lediglich bei einer VERWALTUNG des Leids geblieben. Bei einem starken regulieren müssen von morgens bis abends und nachts.
Glücklicherweise habe ich bei einer sehr liebevollen Therapeutin in einer Klinik partielle Heilung erfahren dürfen. Diese guten Erfahrungen haben mir zu dem geholfen die VT-Therapie zu erlassen.
Nun bin ich bei einer Egostatetherapeutin, leider ohne Körperkontakt und werde sehen, wie weit ich dort kommen kann.