Wenn wir getriggert werden, sollte unsere erste Reaktion kein Bemühen um Entspanung sein. Das wäre unnötig schwer zu erreichen, solange wir nicht in Zeit, Raum und Körper orientiert sind. Unser Nervensystem reagiert noch auf die Vergangenheit. Zuerst müssen wir erkennen, dass wir in dieser Situation sicher sind, dann beruhigen wir uns. In der Sprache der Polyvagal Theorie heißt das, wir verändern zuerst unsere Neurozeption hin zu Sicherheit.
In der Literatur findet sich der Begriff ‘Grounding’, in neuerer Literatur spricht man von Orientierung & Grounding als zusammen gehörend.
Grounding bedeutet vollständig gegenwärtig und uns unserer Selbst und unserer Umgebung bewusst zu sein. Um dort hin zu kommen, müssen wir auf verschiedenen Ebenen unseres Seins orientiert sein: Zeit, Raum und Körper
Orientierung & Grounding ist, was wir jeden Tag und ständig machen. Es gibt kein anderes Werkzeug, was wir so oft verwenden. Ich werde mit euch ein paar Standardübungen teilen und auch ein bisschen was Kreatives. Wenn ihr so wie wir seid, dann frustriert es euch vielleicht mit der Zeit, immer nur die selben Übungen zu machen. Andere finden heraus, dass eine gleichbleibende Routine beim Orientieren ihnen am schnellsten hilft. Macht da, was für euch gut klappt.
Zeit
Im Prinzip geht es darum uns an die Erwachsenen Dinge zu erinnern, die wir heute machen, im Gegensatz zu TraumaZeit, wo wir das alles noch nicht gemacht haben. Benutzt nur, was für euch auch Sinne ergibt und überlegt euch auch selbst, was euch am meisten daran erinnert, dass ihr jetzt Erwachsen seid und viel Zeit vergangen ist.
Nennt…
- das aktuelle Jahr und wer gerade Kanzler/in ist
- das Datum und die Termine heute
- euer Alter und beschreibt die letzte Geburtstagsfeier
- wann ihr die letzte Mahlzeit hattet und was es zu essen gab
- alle Jobs, in denen ihr je gearbeitet habt
- wie lange euer Schulabschluss her ist
- wie viel Zeit seit dem letzten traumatischen Ereignis vergangen ist
- das Alter eurer Kinder und wie alt ihr wart, als ihr sie bekommen habt
- wie lange noch bis zur Rente
- wie viele Steuererklärungen ihr schon abgeben musstet
- wie oft ihr schon umgezogen seid nach der Ausbildung
- ….
- ….
Timeline
Es könnte helfen, eine bildliche Vorstellung davon zu schaffen, wie viel Zeit vergangen ist. Dazu könnten wir jede Art Zeitstrahl für unser Leben verwenden. Den können wir imaginieren oder auch etwas Greifbares verwenden wie ein Stück Faden. Überlegt euch, wie lang ein Jahr sein soll und messt dann ab, wie viel Distanz zwischen TraumaZeit und jetzt liegt.
Als Imagination verwenden wir einen inneren Ort mit einer großen Uhr in einem zentralen Raum, die uns immer über den aktuellen Zeitpunkt informiert. Zur linken gibt es einen Flur, mit Bildern aus unserem Leben, in umgekehrter Reihenfolge, ein Meter für jeden Monat, bis ganz hinten zu unserer Geburt. Es ist ein langer Flur. Wenn wir jemandem Innen helfen, der in der Zeit fest steckt und noch nie mir Heute in Kontakt war, treffen wir sie für gewöhnlich wo auch immer im Gang sie sind und begleiten sie den ganzen Weg in den Uhrenraum, sodass sie sehen können, dass viel passiert ist und die Zeit vergangen ist (Mehr). Wenn einer der normalerweise orientierten Anteile einen Flashback hat, helfen wir ihnen die Erinnerung in einer hüpfenden Kiste zu verpacken und lassen dann die Kiste den Gang runter hüpfen, bis da hinten, wo das passiert ist, während wir im Uhrenraum stehen bleiben und zuschauen, wie weit die Kiste dafür hüpfen muss. Das ist in der Regel sehr eindrücklich und überzeugend. Das kann unterstützt werden, indem man versucht so ungefähr auszurechnen, wie viele Meter das mindestens sein müssen.
Wenn Imaginieren nicht geht, können wir sowas ähnliches auch machen, indem wir einen Punkt im Raum (oder draußen) bestimmen für TraumaZeit und dann große Schritte machen für jedes Jahr (oder jeden Monat, falls das alles noch nicht so lange her ist) die vergangen sind. Wenn wir bei unserem jetzigen Alter angekommen sind können wir zurück schauen, die Entfernung sehen und das mal sacken lassen. TraumaZeit ist weit weg.
Für schnelle Interventionen empfehle ich auszurechnen, wie viel Zeit vergangen ist. Das kann ganz schön schwierig sein, wenn wir dysreguliert sind, weil unsere Gehirn ein bisschen runter fährt. Wenn wir in einem jüngeren Zustand sind oder es vor allem Innenkinder sind, die Flashbacks haben, können wir auch unsere Finger oder kleine Gegenstände zur Hilfe nehmen. Das könnten Kieselsteine sein für jedes Jahr, die wir in ein Glas legen und dann sehen wie voll das Glas ist oder wir bauen einen Turm aus Bauklötzen um zu sehen, wie hoch der jetzt ist oder was auch immer funktioniert.
Wir haben ein Freudetagebuch, was wir auch dazu verwenden, die Tage zu zählen, an denen gar nichts schlimmes passiert ist. Jeden Tag, wenn wir auf alles Gute zurück schauen, suchen wir uns einen Sticker aus, der diesen Tag als ‘ohne neues Trauma’ markiert. Besonders Innenkinder, die noch nicht so recht glauben können, dass heute wirklich nichts schlimmes mehr passiert, können das Buch durchblättern und sehen wie viele Sticker es da gibt und wie lange schon nichts passiert ist. Ihr könnt natürlich kleine Bildchen malen, einen Stempel benutzen oder den Tag nur in einer bestimmten Farbe markieren, das ist sicher nicht so teuer wie Sticker. Aber… Sticker!!
Ort
Die klassische Übung, um sich besser im Raum zu orientieren, ist wohl 5-4-3-2-1. Es unterscheidet sich ein bisschen, wie Leute das anwenden, sodass ich mir inzwischen nicht mehr sicher bin, was die ursprüngliche Reihenfolge war. Ich halte es für das praktischste, das so zu machen:
5 Dinge, die ich sehen kann
4 Dinge, die ich tasten kann
3 Dinge, die ich hören kann
2 Dinge, die ich riechen kann
1 Ding, das ich schmecken kann
Das soll die 5 Sinne abdecken und unseren Fokus auf den Raum richten. Manchmal kann es schwierig sein, für alle Kategorien etwas zu finden, und manche weichen dann aus auf sowas wie ‘1 Sache, die heute gut war’ oder ‘1 Sache, die ich an mir mag’ oder andere positive Gedanken, die nicht zwingend was mit Grounding zu tun haben. Nicht für alles etwas finden zu können, sollte nicht zu zusätzlichem Stress führen.
Für mich persönlich ist diese Übung eher triggernd, weil ich das runter zählen nicht vertrage. Achtet immer darauf, ob solche Standardübungen für euch so gehen, ändert sie ab wo nötig oder erfindet eure eigenen, die dem selben Prinzip folgen, alle Sinne mit einzubinden.
Um das mit dysregulierten inneren Anteilen zu machen, müssen wir sie einladen, durch die Körper-Augen zu schaue und mit den Körper-Händen zu tasten usw. Manche Anteile schauen sich sonst nur in der Inneren Welt um und das ist für sie vielleicht kein sicherer Ort in diesem Moment. Sie sehen vielleicht sogar, was Täter dort etabliert haben und werden nur noch überzeugter, dass sie in Gefahr sind.
Wir müssen dysregulierte oder verwirrte Anteile immer mit einbinden, wenn wir uns durch unsere Sinne orientieren. Eine Host, die alles aufzählen kann, was es im Raum gibt, ergibt noch lange kein orientiertes Innenkind. Wenn alle desorientiert sind, sollten sich erst einmal die Erwachsenen erden und dann den Innenkindern helfen.
Wir mögen es, uns bunte Kisten vorzustellen und lassen dann Innenkinder jeden Gegenstand im Raum in einer bestimmten Farbe suchen und stellen uns vor den in die dazu passende Box zu legen.
Man könnte auch eine Runde ‘Ich sehe was, was du nicht siehst’ spielen, sodass sie sich im Raum umschauen müssen, um einen Gegenstand zu finden.
Eine andere Variante sich mit dem Raum auseinander zu setzen, ist Dinge darin in Kategorien einzuteilen und zu zählen, wie Stühle, Bücher, Fenster, Lampen, Einhörner oder Steckdosen. Es stört auch gar nicht, wenn man aufstehen muss, um sich ganz genau umzusehen.
Wenn man kleinen Kindern sagt, sie sollen sich was anschauen, werden sie gleichzeitig versuchen danach zu greifen. Ich empfehle genau das zu tun und zu fühlen, wie real der Raum ist und wie viele Oberflächen man darin erleben kann. Ich taste gerne mit den Händen und das ist für mich wichtiger, als nur etwas zu sehen. Finde heraus, welche Sinne bei dir besonders gut helfen und geh dem nach. Vielleicht heißt das, dass du ätherische Öle dabei hast oder eine Behältnis mit exotischen Gewürzen (probier Kreuzkümmel, Sternanis und Zimt) oder getrocknete Cranberrys oder Minzbonbons zum schmecken.
Unterschätzt nicht die Kraft von Gegenwartsankern. Das sind Gegenstände, die wir mutwillig in einem Raum platziert haben, um uns daran zu erinnern, dass wir jetzt sicher sein. Es ergibt Sinn, einen Anker in jedem Raum unserer Wohnung zu haben, sodass wir immer einen sehen können, wenn wir uns umschauen.
Das Problem mit dem Orientieren im Raum ist oft, dass der Raum einen Trigger enthält. Das war der Grund, warum wir überhaupt erst die Orientierung verloren haben. Wir müssen uns über den Trigger bewusst werden, der sendet uns fortwährend ein Signal, dass der Raum nicht sicher ist. Wir können entweder den Trigger entfernen oder selbst den Raum wechseln und mit einem anderen Raum arbeiten oder wir verwenden eine Kurzform von Diskriminierung. Dazu vergleichen wir nur die Unterschiede zwischen der Situation in der Vergangenheit und der jetzigen Situation und machen uns eine mentale Liste von Unterschieden. Wir können dann uns dann selbst erklären ‘Früher war es so____ und jetzt ist es aber so _____’.
Wenn wir sehr um Grounding ringen und nichts scheint zu helfen, haben wir vielleicht einen Trigger im Raum übersehen.
Körper
Selbst wenn wir in Zeit und Raum orientiert sind, fühlen wir uns vielleicht nicht sicher, weil wir den Kontakt zu unserem Körper verloren haben, als wir gestresst wurden. In dieser Zeit und in diesem Raum zu sein, mit unserem spürbaren Körper, ist, was das alles real für uns macht. Deswegen ist Grounding auch die sehr physische Aktivität, uns wieder in unserem Körper zu orientieren.
Warnung: Wenn ihr noch in chronischer Dissoziation für euer Körperbewusstsein und die Körperwahrnehmung lebt, ist das hier wahrscheinlich zu groß, um das in einem Schritt zu schaffen. Bittet eure T darum euch zu helfen die Schritte zu titrieren, um euch dem Körper anzunähern und versucht das nicht mit Gewalt. Im Körper orientiert zu werden ist ein extrem wichtiges Ziel, wenn ihr eure Lebensqualität erhöhen wollt und um euch in dieser Welt sicher zu fühlen. So lange wir den Körper dissoziieren, können wir damit keine Sicherheit erleben. Aber sowas lernt man nicht, wenn man ohnehin schon in einem schlecht orientierten Zustand ist und schon Grounding braucht. Wenn Achtsamkeitsübungen, bei denen es darum geht den Körper zu spüren bei euch Panik auslösen, ihr mehr dissoziiert oder Flashbacks kriegt, ist das hier noch eine Nummer zu groß für euch und ihr solltet statt dessen lieber mehr in andere Bereiche von Orientierung investieren wie zB den Raum über das Tasten erforschen.
Selbst nachdem wir ein Zuhause in unserem Körper gefunden haben, können wir leicht den Kontakt verlieren, wenn es stressig wird. Es ist zB sehr häufig, dass Menschen ihr Gespür für ihre Beine verlieren. Mit das beste Grounding, was ich praktiziere, besteht darin, meine Füße wieder zu finden und dann Körperbereiche wieder miteinander zu verbinden.
Ich beginne meist damit, mit dem Fuß aufzustampfen, um einen spürbaren Aufprall zu schaffen, der mit zeigt, wo meine Füße sind. Es kann helfen, die Schuhe auszuziehen, wenn das der Situation angemessen ist. Ich setzt mich gerne, um meine Füße zu massieren oder meine Fußsohlen aneinander zu legen, während ich sie mit den Händen umschließe, um so eine Verbindung zu schaffen zwischen Körperteilen, die ich gut wahrnehme und anderen, mit denen ich ringe.
Wenn ich meine Füße wieder gefunden habe mache ich weiter, indem ich mit den Handflächen leicht die Unterschenkel abklopfe und eine Linie von Bewusstsein das Bein hinauf schaffe. Wenn man das ein bisschen stärker macht, fördert das die Durchblutung und kann so ein bisschen kribbeln, was den Effekt verlängert und es einfach machen kann, das Bein zu spüren. Das selbe kann man machen, um Hände mit Schultern zu verbinden, indem man den Arm abklopft. Wenn ihr Fibromyalgie habt, seid vorsichtig und macht das nicht so fest, das muss nicht weh tun, um zu funktionieren. Wenn ihr gar keine Körperwahrnehmung habt dabei, wäre es vielleicht gut noch mal daran zu arbeiten, sich in der Situation sicher zu fühlen und Zwischenmenschliche Regulation zu nutzen.
Einfache stehende Posen zu üben, wie den Berg im Yoga oder Stehen wie ein Baum in Qi Gong ist ein unglaublich wirksames Werkzeug, um sich im Körper zu erden. Beide Posen erfordern es bewusst zu stehen, während wir uns vorstellen, dass der größte Teil unseres Gewichts im Fundament liegt, wie in einem Stamm, dessen Wurzeln tief in die Erde reichen oder dem breiten Fuß eines Berges. Ich stell mir manchmal vor, ich würde Moon Boots aus Zement tragen, die mich am Boden halten. Man muss das üben, damit es in stressigen Situationen hilft, aber für mich ist das wertvolles Grounding, was man überall machen kann, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der Schlüssel ist, nicht nur da zu stehen, sondern sich vorzustellen ca 70% des Gewichts in die Füße und Unterschenkel zu verlagern
Von hier aus könnte man eine Linie ziehen mit dem Bewusstsein, durch den ganzen Körper und bis zum Scheitel. Es kann helfen sich das wie einen Fluss von Energie vorzustellen, der Vorne im Körper nach oben fließt und beim einatmen die Hüftknochen hebt, die Mitte vom Brustkorb und den Scheitelpunkt des Kopfes und dann auf der Rückseite wieder runter fließt, während wir ausatmen, uns erdet, während wir die Schultern fallen lassen, das Steißbein sich nach unten richtet, die Füße nach unten noch schwerer werden. So balancieren wir zwischen Vorne, wo wir uns nach oben aufrichten und Hinten, wo wir uns erden und können spüren wie unser ganzer Körper gegenwärtig und beteiligt ist.
Ich mag das lieber als einen Body Scan, obwohl man darüber streiten könnte, ob das nicht das selbe in grün ist. Wenn ihr Body Scans macht, tut das gerne. Das Ziel hierbei ist unseren Körper zu spüren. Wenn ihr Body Scans ausschließlich übt, um distanziert zu beobachten, ist das vielleicht zu weit vom Körper weg, um wirklich erdend zu sein.
Eine andere wertvolle Übung kann es sein zu prüfen, wo der Körper überall Kontakt zu etwas anderem hat; das könnte Kleidung oder Schuhe sein, unser eigener Körper (zB bei übereinander geschlagenen Beinen), der Stuhl auf dem wir sitzen, oder was auch immer. Dann können wir diese Stellen, wo wir Kontakt haben, besonders wahrnehmen, uns sagen, womit wir dort in Kontakt sind und wie es sich anfühlt. Das verbindet uns mit dem Raum, indem wir sind, während es auch bewusst macht, was unser Körper heute erlebt.
Den Körper heute zu spüren, indem wir in der Erfahrung geerdet sind, ist einer der effektiven Wege, Körperflashbacks zu reduzieren. Das ist der Hauptgrund, warum ich euch mit so einem schwierigen Thema quäle. Je mehr wir fühlen, was Heute wirklich da ist, desto weniger verlieren wir die Nerven wegen körperlichen Erlebnissen von Damals.
Sich das Leben einzurichten rund um einen chronisch dissoziierten Körper, bringt uns keinen Frieden. Das öffnet uns für Flashbacks. Das ist auch der Grund,warum wir uns manchmal in Zeit und Raum orientieren, aber trotzdem zurück in den Flashback geworfen werden. Wir denken, dass es unser Körper ist, wegen dem wir uns so schlecht fühlen, nur weil es so schwer ist aus der chronischen Dissoziation raus zu kommen. Wenn wir dann aber gut verbunden sind, geht das vorbei. Im Körper zu sein ist sehr viel stabiler und friedlicher, als dissoziiert vom Körper zu leben. Ich hoffe ich kann euch überzeugen, da mit eurer T dran zu arbeiten.
Das sind grundlegende Übungen, die wir nutzen können, um uns nach einem Flashback zu erden oder während schwierigen Zeiten und Jahrestagsreaktionen.
Grounding Skills organisieren
Nehmt euch ein Blatt Papier und geht noch mal durch die verschiedenen Arten zum orientieren in Zeit, Raum und Körper durch.
Sucht euch einige aus jeder Kategorie aus, die ihr ausprobieren wollt und schreibt sie euch auf. Steckt den Zettel ein, ihr vergesst ganz sicher, was ihr tun wolltet. Versucht die verschiedenen Orientierungs-Skills und notiert euch, was für euch am besten klappt und was euch nichts bringt. Nehmt immer mal wieder was neues in die Liste mit auf und versucht das auch mal. Das sollte eine sehr dynamische Liste werden, die auf Selbstversuchen aufbaut.
So könnt ihr mit eurer persönlichen Sammlung von Grounding Skills arbeiten, die für euch gut funktionieren.
Achtet darauf, Dinge abzuändern und denkt euch auch selber Sachen aus, die klappen könnten. Fügt auch etwas für jüngere Anteile von euch hinzu und markiert das mit ihrem Namen oder einer bestimmten Farbe oder einem Symbol, um euch daran zu erinnern, dass das für sie funktioniert (selbst wenn das für dich jetzt nicht so viel bedeutet).
Übt Orientieren am Anfang immer, wenn ihr nicht desorientiert seid. Es schadet nicht, das immer mal wieder über den Tag zu machen, um sicher zu stellen, dass wir orientiert bleiben.
Mit etwas Übung kann es zu einer natürlichen Reaktion werden in den Orientierungs- und Grounding Modus zu gehen, sobald wir ein bisschen durchgeschüttelt werden.
Es ist meine Überzeugung und Erfahrung, dass wir nicht so oft harte DBT Skills brauchen (die in sich schon triggernd sein können), wenn wir sorgfältig sind mit Orientierung & Grounding. Wie bei jedem Selbstregulationsskill aus, ist es wichtig, das lange genug anzuwenden, also bis wir tatsächlich orientiert und geerdet sind.
Das braucht vielleicht etwas Geduld und ihr denkt euch vielleicht, dass das nicht so schnell wirkt wie Ammoniak. Tut es auch nicht. Aber das bietet eben gar keine richtige Orientierung und wir rutschen vielleicht schnell wieder zurück in die Dissoziation und brauchen immer wieder Ammoniak, ohne damit auf einen grünen Zweig zu kommen. Ganz besonders, wenn der getriggerte oder dysregulierte Anteil nicht der ist, der Vorne ist. Der kriegt von den DBT Skills vielleicht gar nichts mit. Eine Einladung sich zusammen zu orientieren ist in dieser Situation meist sehr viel effektiver. Wann immer wir intensive Stimulation brauchen, weil wir zu tief in Shutdown sind, um uns unserer Umgebung noch bewusst zu sein, sollte darauf sofort Orientierung folgen. Für PTBS sind Orientierungsübungen mentalen DBT Übungen überlegen, weil sie nicht nur eine Ablenkung von unserem Inneren Erleben bieten, sondern uns mit unserem äußeren Erleben verbinden. Ich kriege immer wieder mit, wie DBT Skills bei PTBS fehlerhaft angewendet werden, wenn Orientierung & Grounding schonender und langfristig effektiver wären.
Orientierung & Grounding ist eines unserer stärksten Werkzeuge, wenn es darum geht mit PTBS zu leben. Chronisch orientiert zu werden ermöglicht uns ein Gefühl von Sicherheit in dieser Welt, eine sichere Position, zu der wir zurück kehren können, nachdem wir getriggert wurden.
Was sind eure hilfreichsten Orientierungs- und Grounding Übungen? Schreibt mir das gerne in die Kommentare.
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firdes says
Hi Theresa,
dieser Artikel ist wie eine Schatztruhe. Sehr, sehr hilfreich und viel besser erklärt
als T s es jemals könnten. Die für mich hilfreichsten Übungen sind tatsächlich diese 5-4-3-2-1 etc Sachen, wobei das aber nur für den Augenblick ist. Es geht aber um mehr, um Nachhaltigkeit etc. meine wirklich hilfreiche Übung ist der Sichere Ort, seit ich die Kleinen mitnehme und länger dort bleibe.
Dieser Artikel ist super.
Schöne Feiertage und Alles Gute
für deine Therapie
f.
lydia says
DAnke für die ganzen Infos.Ich bin seit 2015 in diversen Gesprächstherapien gewesen doch seit einer Woche bin ich nun selber mittendrin im Ausnahmezustand und bastele mir anhand deiner Tips einen Skillkoffer, um nie wieder in so einen Ausnahmezustand zu kommen. DAnke, natürlich suche ich nun auch traumaspezifische Therapeuten .
christine says
Vielen vielen Dank, was für eine wunderbare Ansammlung an Skills, Gedanken und Hilfestellung. Das ist mit sooooo viel Herz gemacht. Wauw…
Ich werde deine Seite meinen Patienten ans Herz legen. Man bekommt richtig Lust, alles einmal auszuprobiere. Ein echtes Geschenk…
Bekky says
Wow, wieder einmal vielen lieben Dank für diesen wertvollen Artikel! Mit Erklärungen, Beispiele und immer wieder dem Hinweis, dass man schauen sollte, ob man die Übung für sich anpassen „muss“. Wir haben vor Jahren mal DBT gemacht, aber es gab da Übungen, die für uns gar nicht gingen. Gerade der Bodyscan war bzw ist sehr unangenehm für uns, aber wir hatten es trotzdem gemacht, weil „es ja helfen muss“. Nochmal danke schön!
Nora says
Hallo,
vielen Dank für diese vielen treffenden Worte. Es sind so gut beschriebene Worte und es trifft auf den Zustand zu, den man doch versucht zu vermeiden, doch er ist da, der Zustand von „sich verlieren und wieder finden wollen, sich entspannen wollen“.
Meine Therapeutin hat mir das heute geschickt und es ist sehr passend. Raum, Zeit, Körper, ja das ist es, vielen Dank ❤️
Angelika says
Bin mir nicht sicher ob es „Orientierung und Grounding“ ist aber kaltes Wasser/ein Kühlpack hilft mir oft sehr. Überhaupt Kälte.
Wenn meine Frühwarnzeichen (Schwitzen, Sprachprobleme) anspringen, hilft manchmal schon atmen und zählen („box breathing“ also 4 sekunden ein, 4 halten, 4 durch den Mund aus, 4 halten – repeat) und „da“ zu bleiben.
Oder der heiße Stuhl/Treppenlaufen wenn das noch geht.
Danke für deine Sammlung. Deine Seite hat mir grade sehr bei einer Panikattacke geholfen, als meine Skillstasche nicht ausgereicht hat und der Kopf leer war. Danke!
Theresa says
Gehört nicht zu Orientierung und grounding weil es nicht zur Orientierung und Neubewertung der Situation beiträgt, sind aber trotzdem wichtige Werkzeuge die man zB unter Dissoziationsstopps oder DBT Skills einordnen würde. Gerade Reize wie Kälte helfen oft im allerersten Moment um überhaupt genug Fokus zu kriegen um sich orientieren zu können. Ich halte es für sehr effektiv mit sowas anzufangen und dann nicht dort stehen zu bleiben sondern sobald es geht zu Orientierung und grounding überzugehen. Das kann die Zeit verkürzen die man braucht um sich nach Trauma Triggern wieder zu fangen. DBT Skills alleine reichen dafür manchmal nicht aus oder lenken einen eher ab aber der Stress ist sofort wieder da wenn man damit aufhört.