Bei Rescripting Techniken arbeiten wir mit traumatischer Erinnerung, indem wir uns die Szene anschauen und dann Dinge daran in unserer Vorstellungskraft verändern, die diese Situation auflösen und zu einem neuen und besseren Ende bringen. Das geschieht oft in Form einer Rettungsaktion, bei der unser heutiges Selbst oder erwachsene Anteile eine Szene betreten und unser jüngeres Selbst oder dissoziierte Anteile, die dort stecken geblieben sind, retten.
In der Regel wird dazu keine formale Hypnose eingeleitet. Patient*innen können dabei trotzdem in einem leichten, Trance-ähnlichen Zustand geraten, der ihnen dabei hilft, als Erwachsene in der Erinnerung zu agieren und dabei Verbindung mit einem jüngeren Teil ihres Selbsts aufzunehmen, ohne dass sich das seltsam oder unmöglich anfühlt. Neuere Forschung (Wolkenstein) zeigt, dass die veränderte Art, wie wir eine Geschichte in unserer Vorstellung erzählen, keine falschen Erinnerungen erzeugt und sogar dazu führen kann, dass man mehr richtige Details erinnert. Ich persönlich ziehe Rescripting Verfahren bei besonders schwierigen Szenen vor, weil sie sanfter sind.
Schwierigkeiten bei der Arbeit mit Anteilen
Wenn wir bei dissoziativen Anteilen mit Rescripting Verfahren arbeiten, haben wir die zusätzliche Schwierigkeit, dass wir ein bestimmtes Maß an Co-Bewusstsein brauchen, um in einer Szene zusammen präsent zu sein. Wir können keinen Anteil retten, der gar nicht bemerkt, dass wir etwas verändern oder dass wir überhaupt da sind. Eine Geschichte neu zu erzählen braucht Zeit und Konzentration und es kann manchmal schwer sein, den inneren Kontakt mit Trauma-Anteilen so lange zu halten. Sie neigen dazu, den Fokus zu verlieren und in ihre eigene kleine Welt abzudriften. Es können auch mehr als ein Anteil an einer Szene beteiligt sein, die immer wieder hin und her wechseln, wer mehr da ist und es damit schwieriger machen, in inneren Abläufen zu folgen. Anteile können auch zu tief in Erinnerungen reinrutschen und diese dann wiedererleben statt einen Unterschied zu bemerken. Wir müssen auch darauf acht geben, dass die Erinnerungen nicht die Anteile fluten, die als Rettungsteam vorgesehen sind. Dabei sowohl Co-Bewusstsein als auch Co-Regulation beizubehalten, ist keine kleine Aufgabe. Duale Aufmerksamkeit sowohl für die Trauma Szene als auch für die Welt heute geht schnell verloren.
Pacing
Die meisten sinnvollen Therapie Techniken für Komplextrauma haben irgendein Element von Pacing. Die Schritte werden in besonders kleine Schritte unterteilt, die Menge des Trauma-Materials, das man sich anschaut, wird reduziert, es findet eine Variante von Fraktioniertem Prozessieren statt. Wir können diese Strategie beim Rescripting nutzen, indem wir es mit Grounding und Realitäts-Checks verbinden. Das kostet uns den leichten Trance-ähnlichen Zustand. Den sollten wir niemals leichtfertig aufgeben, weil er in den meisten normalen Situationen hilft. Nur manchmal brauchen wir das Pacing mehr als die Trance Logic.
Um einen Rescripting Prozess zu pacen, machen wir nach jedem deutlichen Schritt dabei eine Pause und vergleichen die Trauma Szene mit der Szene vor uns im Heute. Wir beginnen vielleicht damit, uns aus der Vogelperspektive die frühere Situation zu erfassen, zB den Raum von damals. Als nächstes schauen wir uns im Therapieraum um und bemerken alle Unterschiede. Wir beschreiben, wer in der Trauma Szene anwesend war und dann schauen wir uns wieder um und bemerken, wer heute da ist und wie das anders ist. Wann immer wir etwas in der Szene verändern, machen wir eine kleine Pause, um uns selbst zu überprüfen und zu bemerken, dass es sich wirklich auch im Heute verändert hat. Wenn wir mit einem Haus der Heilung arbeiten, können wir dort Verletzungen behandeln und danach unseren Körper heute überprüfen, um zu sehen, was aus den Verletzungen geworden ist. Vielleicht ist das geheilt. Vielleicht sieht man eine Narbe, aber wir sind sonst ok. Zuerst verändern wir etwas und dann bemerken wir den Unterschied, nicht nur in der Szene in sich sondern auch in der aktuellen Realität. Das bringt eine Version von Diskriminierung von Vergangenheit und Gegenwart in den Prozess ein. Die Realisation, dass etwas geendet hat, kann in der Szene selbst erlebt werden und durch unsere Sinne auch in der Gegenwart. Das kann Anteilen helfen zu verstehen, dass die Dinge sich wirklich geändert haben seit die Trauma Szene passiert ist und bestätigt, dass unsere Intervention einen Unterschied gemacht hat und wir heute eine neue Realität haben.
Die Sache mit der Trance Logik
Eine der wirklich trickreichen Aufgaben der DIS Therapie ist, die Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu überbrücken und Anteile zu überzeugen, dass die Vergangenheit heute nicht mehr passiert, ein Aspekt von Präsentifikation. Rescripting neigt dazu, innerhalb der Trance Logik zu arbeiten, die in dissoziativen Systemen schon vorhanden ist. In unserer Wahrnehmung können erwachsene Anteile physisch eine Trauma Szene betreten, die als gegenwärtige Realität wahrgenommen wird, während der Körper in einem Therapieraum sitzt. Traumatisierte Anteile scheinen ihren eigenen Körper zu haben, mit dem sie Veränderungen innerhalb der Szene wahrnehmen, aber sie bemerken nicht unbedingt, dass Zeit vergangen ist und es entsteht kein Erleben von kognitiver Dissonanz. Erwachsene Anteile von sich selbst zu sehen, führt nicht automatisch zu der Realisation, dass man jetzt älter ist. Innerhalb dieses Konzeptes von Zeit eine Trauma Szene zu beenden bewirkt nicht unbedingt die Realisation, dass man jetzt sicher ist und dass man auch morgen sicher sein wird. Anteile bleiben vielleicht bei alten Regeln verhaftet, aus Angst vor neuem Trauma oder Strafen.
Die Arbeit innerhalb von Trance Logik macht eine Menge Dinge einfacher und manchmal begrenzt sie auch unseren Prozess, weil sie Teil einer alten Lösung ist, die jetzt zu einem Problem wird. Wir arbeiten damit, weil es schlicht unsere Optionen erweitert. Bleiben wir immer innerhalb der Grenzen von Trance Logik, wird es uns nicht gelingen, Anteile zu verwirren, die sich todsicher sind über die falschen Dinge, weil sie die Veränderungen in der äußeren Welt verpasst haben. Sie glauben weiter, dass ihre innere Realität auch die äußere Realität ist. Manchmal ist es nötig, sie zu verwirren. Wir ermutigen neue Orientierung, wenn wir uns zwischen der alten Szene und einer heutigen Realität hin und her bewegen und sie beim Realitäts-Check anleiten. Wir begegnen ihnen in ihrer Realität, verändern diese und dann nehmen wir sie mit in unsere gegenwärtige Realität.
Wenn man alleine arbeitet
Das Konzept kann für die Selbsthilfe verwendet werden, wenn wir uns auf Erinnerungen beschränken, die natürlich hochkommen und keinen Flashback-Charakter haben, wo wir sie wie real wieder-erleben. Wenn Anteile etwas aus der Vergangenheit mit uns teilen, können wir das anerkennen, in der Szene einschreiten, etwas verändern und die Anteile dann anleiten, zu bemerken, dass diese Sache heute verändert ist. Es ist Zeit vergangen. Die Vergangenheit ist vorbei und heute ist etwas anders. Das funktioniert auch als kleine Intervention bei somatischen Flashbacks. Statt nur einen Realitäts-Check oder Grounding alleine zu verwenden, stellen wir uns eine Intervention vor, die in der Szene früher bei dieser Körperwahrnehmung geholfen hätte. Dann kommen wir zurück zum Realitäts-Check, um zu beweisen, dass die Intervention funktioniert hat und wir heute ok sind. Bemerkt den Unterschied. Ihr versucht nicht, euch durch eine komplette Trauma Szene selber anzuleiten, ohne dass ihr dabei therapeutisch begleitet werdet. Das ist nie eine gute Idee, egal mit welcher Technik. Ihr könnt aber lernen, euch um kleine Momente von Erinnerungen zu kümmern, die hochkommen. Das regelmäßig zu tun, hat auch einen Effekt.
Ich hab das so noch in keinem Therapiebuch gesehen. Ich neige dazu, hilfreiche Techniken spontan zu kombinieren, wenn die Situation das verlangt und das hier klappt bei mir ganz gut. Ich nutze das vorrangig mit Anteilen, die sich nicht lange genug konzentrieren können für längere Rescripting Prozesse oder bei fragmentierten Anteilen, die ständig in sich wechseln. Je besser sich TraumaTs auskennen und je mehr Verfahren sie beherrschen, desto mehr werdet ihr auch bei denen merken, dass sie Techniken munter kombinieren. Das ist nicht ungewöhnlich, auch wenn es zu solchen mutierten Techniken dann keine Forschung gibt.