Pendulation ist ein grundlegendes Werkzeug aus der Körpertherapie, das in vielen Bereichen der Trauma Behandlung hilfreich sein kann. Es beschreibt die innere Bewegung unserer Aufmerksamkeit, die sich hin und her bewegt zwischen einer Ressource/einem ressourcenreichen Ort und etwas mit Trauma-Bezug/einem ressourcenarmen Ort. Ziel ist es Zustände aufzulösen, in denen wir feststecken, wieder Bewegung ins Nervensystem zu bringen und uns zu regulieren.
Was ist eine Ressource/ein ressourcenreicher Ort? Ressourcen sind all die Dinge, die unseren Körper in Richtung Regulation und Beruhigung bewegen, die uns helfen zu entspannen, uns sicher oder mit anderen verbunden zu fühlen, Dinge die hübsch sind, die uns gut tun oder uns an schöne Momente erinnern. Wenn nichts davon verfügbar ist, gehen auch neutrale Dinge. Einige Beispiele für verschiedene Ressourcen:
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Ein Körperteil, der sich warm, entspannt, gut oder zumindest neutral oder etwas besser anfühlt
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eine sichere Person, die bei uns ist
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an einen geliebten Menschen oder ein Haustier denken, vielleicht mit Hilfe von etwas
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ermutigende Gegenstände wie bemalte Steine, Fotos, Anhänger, Kuscheltiere...
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die körperliche Erinnerung daran sich stark/entspannt/kraftvoll/geerdet zu fühlen (Körperanker)
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Gedanken an sichere Begegnungen oder Erlebnisse von Verbundenheit in Gruppen
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eine Pflanze anschauen oder aus dem Fenster sehen
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eine Lieblings-Körperwahrnehmung (wie Wärme oder Wind)
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Erinnerungen an ein Gefühl von Ehrfurcht oder Staunen
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Unsere Ts helfen uns, unsere Ressourcen zu entwickeln, uns deren bewusster zu werden und die positiven (körperlichen) Gefühle auszubauen und sie zu etwas zu formen, das wir bewusst einsetzen können, um uns in Therapiesituationen oder zu Hause zu helfen. EMDR benutzt dafür Ressourcen Installation, Körper-Ts helfen Körperanker zu entwickeln, Hypno-Ts verwenden Trancezustände, um positive Erinnerungen zu bestärken usw.
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Ressourcen-Wüsten
Auf der anderen Seite unseres Pendels haben wir Dinge mit Trauma-Bezug. Sie fühlen sich stecken geblieben, beängstigend und schlecht an: Verzweiflung, Dysregulation, Trauma Erinnerungen, Dinge die uns förmlich rein saugen und uns gefangen halten, sind auf dieser Seite. Die Welt wird hier sehr klein und von Ressourcen ist nichts zu entdecken. Einige Beispiele sind
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Flashbacks
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Körperflashbacks
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Trauma-bedingte extreme Emotionen
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Flight/Fight, Freeze oder Shutdown Reaktionen
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Trauma Szenen, an denen wir in Therapie arbeiten
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Krisen in unserem Alltag
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Stress
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triggernde Situationen (zB Arztbesuche)
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Wenn wir so eine Ressourcen-Wüste erleben, können wir achtsam die Trauma Seite identifizieren: das Bild, Gefühl, Körpergefühl oder was auch immer uns quält. Dann suchen wir uns eine der Ressourcen aus, die wir entwickelt haben. Als nächstes nehmen wir unsere achtsame Aufmerksamkeit und bewegen sie langsam zwischen den beiden hin und her. Das braucht Übung. Am Anfang kann es sehr schwer sein, die Aufmerksamkeit von dem Schmerz zu lösen und auf etwas anderes zu richten. (Wir üben mit extra darauf fokussierter Meditation unsere Aufmerksamkeit zu steuern.) Nach einer Weile lässt uns die Ressourcen-Wüste langsam los und unser Körper reguliert sich wieder. Wenn wir beginnen Pendulation zu üben, kann es schwer sein, sich überhaupt an Ressourcen zu erinnern. Unsere Welt schrumpft zusammen zu einem kleinen Knoten von Schmerz und Leiden. Es braucht Übung, sich an Pendulation zu erinnern und sie anzuwenden.
Mit der Zeit wird es aber einfacher ressourcenarme Situationen zu erleben. Die gehen nicht weg, aber sie reißen uns auch nicht mehr so extrem mit sich und es wird einfacher, zu den Ressourcen zurück zu kommen und sich zu regulieren. Trauma-bezogene Dinge verursachen zwar Stress, aber wir bleiben da nicht stecken. Wir entwickeln Resilienz, unsere Fähigkeit wieder zu Regulation zurück zu kehren, nachdem wir gestresst wurden. Mehr
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Wie Pendulation aussehen kann
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Emotionen
Wenn wir in einer Trauma-bedingten extremen Emotion fest stecken, sagen wir toxischer Scham, können wir achtsam wahrnehmen, wie sich das anfühlt und dann zB an eine Zeit denken, wo wir uns mit Freund:innen verbunden gefühlt haben, so gut es geh. Dann können wir kurz wieder unsere Scham wahrnehmen, achtsam bemerken, ob die sich jetzt irgendwie anders anfühlt als vorher, und dann zu unserer Erinnerung mit Freund:innen zurückkehren. Es dauert ein bisschen, aber mit der Zeit können wir bemerken, wie sich die Scham verändert und wir besser geerdet sind. Das kann man mit allen Gefühlen machen.
Wir können auch unsere Haltung verwenden, um uns aus einer stecken gebliebenen Emotion raus zu pendeln. Dafür bemerken wir zunächst die Körperhaltung, die wir spontan als Ausdruck unserer Emotion eingenommen haben. Dann verändern wir die Haltung hin zu einer, die uns an ein Gefühl von Kraft oder Sicherheit erinnert. Nachdem wir achtsam wahrgenommen haben, wie sich das anfühlt, kehren wir zur ersten Haltung zurück, spüren wie sich das jetzt anfühlt und was sich vielleicht verändert hat, und wiederholen das einige Male.
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Stress Reaktionen
Wenn wir in Flight/Fight sind, ist es am besten ein sicheres Ventil zu finden, um die ganze Energie die durch unseren Körper jagt, abzugeben. Wir können dabei unseren Bewegungsimpulsen folgen zB so tun, als würden wir rennen oder jemanden ohrfeigen oder etwas mit Worten ausdrücken. Dann können wir achtsam wahrnehmen, wie sich das anfühlt und wiederholen wo nötig. Wir benutzen hier Pendulation in Verbindung mit Titration, wenn so ein Freisetzen noch zu schwierig für uns ist und wir es nicht in unserem Stresstoleranzfenster containen können. In anderen Worten, wenn es uns überrollen würde, wir in Ohnmacht oder Dissoziation rutschen würden, wenn wir das probieren. Lasst euch von euren Ts da helfen, das ist trickreich und ihr braucht da sehr sicher Hilfe mit.
Wenn wir in Freeze oder einem Shutdown sind, können wir kleine Bewegungen oder auch nur die Vorstellung oder Erinnerung von Bewegung benutzen, um die Starre zu lösen. Wie man aus Freeze raus kommt haben wir schon erklärt.
Bei leichter Dissoziation können wir abwechselnd die Taubheit oder Abgetrennheit fühlen und uns dann kleinen Bewegungen, Wärme oder Beziehungs-Ressourcen zuwenden. Die sind meist am effektivsten. Uns langsam aus der Dissoziation raus zu pendeln ist sanfter als DBT Skills und vermeidet unnötigen Stress beim Grounding.
Wenn wir chronisch dysreguliert sind, Entspannung sich nicht sicher anfühlt oder still halten triggert, können wir Pendulation nutzen, um mit diesen neuen Erfahrungen in Kontakt zu kommen und Sicherheit darin zu finden. Mehr
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Somatische Flashbacks
Manche Menschen spüren Schmerzen oder andere Trauma Erinnerungen in ihrem Körper. Dann sucht man sich am besten einen Körperteil aus, der sich sicher oder angenehm warm oder wenigstens neutral anfühlt und bewegt die Aufmerksamkeit zwischen diesem Ort und dem, der sich nicht gut anfühlt. Das ist unangenehm, aber auch eine der effektivsten Arten Körperflashbacks zu stoppen. Wir haben das im Detail hier beschrieben.
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Stress oder Triggersituationen
Wir werden immer wieder in stressige Situationen kommen. Das lässt sich nicht vermeiden. Aber wir können viel besser damit umgehen, wenn wir Pendulation nutzen, während wir drin stecken. Dann könnten wir uns umschauen und etwas finden, das nett aussieht, wie einen Baum oder ein hübsches Bild. Während wir präsent bleiben bei dem, was sonst so passiert, können wir unsere Aufmerksamkeit immer mal wieder zu der Ressource wenden und uns eine kleine Pause einräumen. Das hält unser Nervensystem in Bewegung und am Regulieren, sodass die stressige Erfahrung nicht stecken bleibt und noch eins auf den Stress drauf setzt, den wir ohnehin schon mit uns tragen. Das fördert Resilienz ungemein!
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Trauma Verarbeitung
Verarbeitung findet immer mit Hilfe von therapeutisch Tätigen statt. Das ist knifflige Arbeit und selbst wenn wir theoretisch wissen wie es geht, können wir das nicht an uns selber durchführen, also versucht es nicht. Es ist trotzdem gut zu wissen, dass jede effektive Technik für die Trauma Verarbeitung ein Element von Pendulation hat. Wir werden angeleitet, uns an Dinge zu erinnern, die passiert sind, dann kriegen wir eine Pause zum regulieren und auf Ressourcen schauen, bevor wir wieder in die Erinnerung einsteigen. Das hilft dem Körper und dem Gehirn loszulassen und zu verarbeiten.
Es ist völlig egal ob ihr mit Bildschirmtechnik, EMDR oder Somatic Experiencing arbeitet, bei komplexer Traumatisierung sollten die alle mit einer Kombination aus Titration und Pendulation angewendet werden. Bei EMDR ist das in die Technik schon eingebaut, weil auf Intervalle von Exposition Momente von Re-Orientierung und Kontakt mit Ressourcen folgen. Bei der Bildschirmtechnik hängt es mehr davon ab, wer das macht und ihr könnt eure Ts bitten speziell auch auf die Pausen zu achten, um euch kurz auf Ressourcen zu konzentrieren. Nicht alle wissen, wie sehr das beim Prozessieren hilft. Prolongierte Exposition meint ohne das alles auskommen zu können, da müsst ihr dann selber wissen, ob ihr das für euch wollt, wenn es auch sanfter ginge.
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Grob gesagt nutzen wir Titration, wenn Dinge überfordern, Dysregulation verursachen oder gar nicht klappen.
Wenn wir das Gefühl haben fest zu stecken ist die Lösung meistens Pendulation. Oft wird beides benötigt.
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Pendulation reduziert deutlich den Einfluss von Trauma auf unseren Alltag und stößt unseren Körper sanft an sich zu regulieren. Es ist eine effektive Art Resilienz aufzubauen und unser Stresstoleranzfenster zu weiten. Kombiniert mit speziellen Techniken ist es ein Schlüssel dafür, die Vergangenheit zu verarbeiten.
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