Schon seit einiger Zeit fühle ich mich unwohl damit, Artikel zu DBT Skills Training auf diesem Blog zu Komplextrauma zu haben. Obwohl das sehr gefragte Blog Posts sind, war ich kurz davor, sie offline zu nehmen. Statt dessen möchte ich euch von meinen Erfahrungen mit DBT bei der Behandlung von kPTBS, chronischer Dissoziation und struktureller Dissoziation berichten, in der Hoffnung, dass das zu einer Einordnung von DBT in der Traumatherapie beitragen kann.
Wie es für mich begann
Als ich 2008 zuerst mit DBT in Berührung kam, steckte ich 24/7 in Depersonalisierung, konnte überhaupt keine Gefühle und fast nichts von meinem Körper wahrnehmen, hatte Probleme mit SVV und mit Zeiten, in denen ich wegdissoziiert war. Ich hatte nie eine Borderline Diagnose, gehöre recht deutlich zu den Überkontrollierten statt den Impulsiven. Auch meine DIS ist nicht so auffällig, dass das ein klares Borderline Muster ergeben hätte. Zum Training sozialer Fertigkeiten kann ich gar nichts sagen, weil man mir das erlassen hat, weil das so klar gar nicht Thema war für meine kPTBS.
Wo es geholfen hat
Ich konnte das SVV mit Verhaltensanalyse und Skillketten sehr gut in den Griff kriegen und mit Hilfe der Übungen zu Emotionen auch logisch erkennen lernen, was ich überhaupt fühle.
So weit hat mich DBT gebracht. SVV sicher und gut unter Kontrolle kriegen. Die Impulse sind nicht weg, aber ich habe nunmehr seit Jahren nicht mehr danach gehandelt. Und Gefühle logisch erkennen, auch wenn ich die weitestgehend nicht spüren konnte, weil vieles an mir immer noch chronisch dissoziiert oder strukturell abgespalten war. Die entsprechenden Werkzeuge stellen wir hier auf dem Blog vor. Früherkennung von Dissoziation, Skills und Skillsketten, Skillkoffer und VA bzw SA. Und im Bereich Emotion, wie man so ein Gefühl identifiziert. Das sind die Dinge, die wir mitgenommen haben und die wir uns raus gepickt haben. Man muss nicht alles oder nichts von DBT mitnehmen. Rosinen picken ist erlaubt.
Wo die Grenzen liegen
Nach insgesamt 36 Wochen in Kliniken mit DBT Programm war ich am Ende der Nützlichkeit dieser Therapie für mich, ohne Borderline, mit kPTBS und DIS, angekommen. Die Aussicht war, jetzt einfach für immer einen Skillkoffer mit mir rum zu schleppen, durch die Trauma Arbeit durch zu skillen und danach ist es hoffentlich besser. Nur könnte das wegen der Menge der traumatischen Erlebnisse ewig dauern. Mit der inneren Arbeit mit der DIS kam ich nicht weiter, weil ich dissoziiert bin, sobald mir das zu viel wurde, was richtige Traumarbeit leider verhindert, weil die Erinnerungen bei anderen Anteilen liegen. Ich hatte keine ausreichende Stresstoleranz, die wurde durch Skillstraining alleine auch nicht besser. Statt dessen nahm ich harte Skills immer mehr als schmerzhaft und gewalttätig wahr. Intensive aversive Reize, die mich zwingen sollen ‘da’ zu bleiben, wenn das Erleben doch nicht aushaltbar ist. Das unterschied sich nicht mehr von dem, was Täter getan haben.
Um Stresstoleranz aufzubauen hätte es die richtige Art von Achtsamkeit gebraucht. Die meiste Achtsamkeit, die mir in den ersten 2 Durchläufen DBT beigebracht wurde, war keine Körperachtsamkeit sondern darauf bedacht, sich Inneres Erleben anzuschauen. Der Body Scan wäre Körperachtsamkeit gewesen, die Übung dauerte aber viel zu lange, war eben nicht titriert, und führte nur immer zu mehr Dissoziation. So kam ich mit meiner fehlenden Körperwahrnehmung nicht weiter und erlebte immer wieder Flashbacks beim Üben. Mein Inneres Erleben umfasst auch traumatisierte Anteile und DBT ist nicht darauf ausgelegt, eine DIS zu behandeln. Mit allem, was da durch Achtsamkeit aufgewühlt wurde, stand ich alleine da und es gab kein anderes Konzept damit umzugehen als noch mehr Achtsamkeit oder eben dann harte Skills, weil ich die Stresstoleranz, um mich mit Anteilen auseinander zu setzen, gar nicht hatte und munter weiter dissoziiert bin. (Mehr)
Für Menschen wie mich, die deutlich überkontrolliert sind, kann DBT auch Probleme verschärfen, schließlich geht es auch darum Impulse noch besser unter Kontrolle zu halten. Oft sind dissoziierte Menschen schon so weit von ihren Gefühlen entfernt, chronisch in einer Beobachterrolle, dass die Achtsamkeitsübungen zur Distanzierung leicht fallen; das tut man ohnehin schon, chronisch und pathologisch. Wirklich helfen würde, näher an die Gefühle ran zu kommen, sie wirklich zu spüren, mal richtig wütend zu sein, statt das nur zu beobachten (Mehr). Erst wenn wir da nah genug ran kommen, können wir überhaupt etwas spüren und regulieren. Erst dann merken wir, wo unsere Stresstoleranz für Emotionen überhaupt liegt.
Ohne die strukturelle Dissoziation aufzulösen, die uns zum Beobachter macht und Emotionen woanders hält, bringt auch die DBT Achtsamkeit recht wenig. Ich persönlich treibe Ts in den Wahnsinn mit meiner Fähigkeit abseits meines emotionalen und auch schmerzhaften Erlebens noch alles zu beobachten, zu analysieren und exakte Beschreibungen von mir zu geben, während ich außen kaum ein Anzeichen davon durchscheinen lasse. Wie so ein Roboter. Das ist auch nicht normal und das wurde direkt durch DBT gefördert und in Stein gemeißelt. Für uns kommt dazu, dass unsere Überkontrolle Teil des Traumas ist. Wir haben ja nicht ohne Grund gelernt so zu sein. Uns beizubringen, wie man auf Emotionen nicht reagiert ist exakt, was TäterInnen getan haben. Sogar mit sehr ähnlichen Werkzeugen. Die Therapie unterscheidet sich für uns hier nicht mehr vom Trauma.
Ähnliche Probleme ergeben sich mit Radikaler Akzeptanz. Viele Traumatisierte akzeptieren zu viel als gegeben und als Realität, an der sich nichts ändern lässt. Mehr als Akzeptanz bräuchte es oft das Konzept Radikaler Offenheit.
Über 10 Jahre später
Ich benutze heute keine klassischen DBT Skills mehr, habe das seit Jahren nicht getan. Da bin ich nicht durch DBT hingekommen, sondern durch Körperarbeit. Hier lassen sich DBT Achtsamkeitsfertigkeiten gut einsetzen, aber ohne niedrigschwellige Körperarbeit hätte ich nie richtiges Grounding gelernt, wäre nie aus der chronischen Dissoziation raus gekommen und hätte nie gelernt mich natürlich zu regulieren statt künstlich über DBT Skills (Beispiel). Das war für die Übergangszeit sehr wichtig, einfach um SVV zu stoppen und Dissoziation zumindest unterbrechen zu können. Aber da kann man nicht stehen bleiben, sonst macht man den Rest seines Lebens nichts anderes.
Höhere Stresstoleranz ermöglicht mehr innere Arbeit mit Anteilen und macht Traumabehandlung auch ohne ständiges skillen möglich. Vor allem geht es dann ohne das ständige Empfinden, sich selbst Gewalt anzutun oder von anderen Gewalt durch harte Skills zu erleben. Das fördert nämlich hintenrum die Trauma Symptomatik. Der Körper muss sich sicher fühlen können und das tut er nicht, wenn man ihn auf die eine oder andere Weise schockt. Wirkliche Fortschritte hab ich erst mit der Körperarbeit in Kombination mit Teilearbeit erlangt. DBT war, für die Entwicklung von Stresstoleranz von meiner chronisch und strukturell dissoziierten Position aus, nicht der richtige Ansatz.
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Die dunkle Seite der DBT
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Trigger Warnung: Gewalt in der Therapie
Was mir schwer Bauchschmerzen bereitet, ist wie anfällig DBT Programme dafür sind, für Traumatisierte retraumatisierend zu sein.
Das liegt zum Teil an der Dynamik, dass harte Skills als Gewalt wahrgenommen werden, es aber keinen Weg um die Skills herum gibt, weil die Stresstoleranz fehlt und da kein anderes Vorgehen vorgesehen ist. Menschen mit einem Hintergrund von organisierter Gewalt haben das früher schon erlebt, dass sie unter Anwendung von Schmerzen oder aversiven Reizen am dissoziieren gehindert wurden, wenn das Erleben eigentlich zu viel für sie war. Genau das wiederholt sich leicht, wenn Patient*innen immer und immer wieder durch harte Skills aus der Dissoziation geholt werden. Es sind die gleichen Werkzeuge, die Täter*innen auch verwenden. Traumatisierte sehen da keinen Unterschied, auch wenn es nett gemeint ist.
Zum anderen stimmt etwas nicht mit der Art der Umsetzung von manchen DBT Programmen speziell in Deutschland. Ich höre aus dem Ausland nicht von so viel Misshandlungen und Gewalt. Immer wieder scheint es, als wären die ersten Grundannahmen zur DBT verloren gegangen: Jeder tut sein Bestes. Leute wollen weiter kommen. Menschen werden in manchen Programmen oft gnadenlos und herablassend behandelt, sie werden beschuldigt, gezwungen, grob versorgt und von Respekt ist keine Spur. Nicht überall, aber das passiert oft genug, dass Menschen sind immer wieder mit ihrem Leid an uns wenden und ich hab das selbst in mehreren Kliniken beobachtet.
Der Umgang auf DBT Stationen ist oft rau. ‘Erziehung’ findet durch Entzug von warmem Kontakt statt. Das ist schlicht fatal für Menschen mit Kindheitstrauma, für die sich darin ihr frühes Erleben wiederholt. Kühlen Kontakt oder Kontaktbeschränkungen, wenn wir wirklich in Not sind und nicht weiter wissen, das kennen wir. Das sind Täterwerkzeuge. Das ist meiner Meinung nach ohnehin eine veraltete und fragwürdige Methode, wenn es um Regulation geht, aber bei Menschen mit Kindheitstrauma ist das oft katastrophal und erzwingt mehr Dissoziation.
Dazu kommt die Erfindung von Isolationsräumen, die das originale DBT Programm so nicht vorsieht, wo Patient*innen in starkem Hyperarousal eingesperrt werden, bis sie sich erschöpft haben oder dissoziieren. Auch das ist keine therapeutische Maßnahme sondern Täterwerkzeug. Einsperren kennen wir auch von früher. Nicht überall läuft das so ab, aber ich hab das selbst gesehen und höre immer wieder von Anderen, denen es so erging.
Warum wir glauben, dass skills-gestützte Exposition nach Bohus keine gute Therapie für Menschen mit komplexer Dissoziation sondern Gewalt ist, haben wir hier schon mal besprochen.
Es ist notwendig, dass über Gewalt in der DBT offen gesprochen wird. Da muss sich was ändern. Ich bin überzeugt davon, dass Linehan sich das so nicht gedacht hat. Behandlungsteams scheinen in den Problemstationen abgestumpft zu sein für ihren gewaltsamen Umgang, so als gehöre das nun mal zum Programm dazu und man mache das eben so. Nein. Das ist nicht normal und das ist nicht therapeutisch.
Zurück zu weniger aufwühlenden Gedanken, Ende der Trigger Warnung
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Einordnung von DBT für kPTBS
DBT ist ein Ansatz, der versucht Verhalten unter Kontrolle zu bringen und kPTBS hat nur begrenzt was mit Verhalten zu tun. Wer den Körper und die natürlichen Regulationsmechanismen nicht mit einbezieht, kommt sehr schnell ans Ende davon, wie viel von einer kPTBS sich mit Skills kontrollieren lässt. Langfristig braucht es hier die Körpertherapieansätze und richtige Traumatherapie. DBT ist keine Traumatherapie und wurde nie dafür entworfen. Es sollte nicht wundern, dass die Wirkung bei Trauma dann eher begrenzt ist. Sie hat ihre Berechtigung, vor allem was SVV und chronische Suizidalität angeht, aber sie bietet mehr eine Übergangslösung, um Symptome im Griff zu behalten, während man die eigentliche Lösung erarbeitet. Deswegen bleiben die DBT Artikel auf diesem Traumablog, aber mehr als Anhang und nicht als zentrale Fertigkeiten.
Grundsätzlich würde ich sagen, wenn man noch ziemlich am Anfang steht und wirklich Probleme mit SVV hat, dann kann DBT schon helfen. Manchmal kommt man ja zu nichts in der Traumatherapie, weil es immer nur um die SVV oder chronische Suizidalität geht und dann kann es schon Sinn machen DBT zwischen rein zu schieben, um überhaupt einen sicheren Umgang damit zu finden.
Ich würde das nach Möglichkeit aber mit ambulanter Therapie machen, das geht oft in Kombi mit einer Skillsgruppe, die sich wöchentlich in einer Klinik oder mit Ts trifft.
DBT Stationen sind oft laut, unübersichtlich, unvorhersehbar und es geht impulsiv zu. Für viele Traumatisierte (oder Introvertierte) ist das schlicht ein Setting, in dem sie sich nie sicher fühlen. So ging es mir zumindest. Wochenlang immer in Hypervigilanz zu verbringen, weil die Mitpatient*innen sich unberechenbar verhalten, trägt nicht zu einem Therapieerfolg bei, sondern kann Symptome verschlimmern. Ich selbst hab auf DBT Stationen Symptome entwickelt, die ich vorher und nachher nie hatte, einfach weil das Setting die kPTBS so verschlimmert hat.
Wenn es keine ambulante Möglichkeit gibt, würde ich mich entweder privat mit dem Thema beschäftigen, die Literatur dazu ist ja frei verfügbar, oder es mit einer Klinik probieren, die DBT nur als Therapie ohne spezialisierte Station anbietet. Das sind meist gemischte Stationen, in denen auch mit vielen anderen Problemen, inklusive Trauma, umgegangen wird. Da ist es ruhiger, das therapeutische Team ist oft nicht so desensibilisiert was Gewalt angeht und das Programm muss deswegen nicht schlechter umgesetzt sein. Auch so lässt sich das Risiko minimieren.
Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn man traumatisiert ist und kein Borderline hat oder Borderline nur diagnostiziert wurde, weil jemand nicht geschult genug war, um zu erkennen, dass es sich um strukturelle Dissoziation handelt, dann würde ich um DBT Stationen einen weiten Bogen machen.
Wenn das Hauptproblem Dissoziation ist und gar nicht unbedingt SVV dann würd ich unbedingt mit Körpertherapie anfangen und die DBT weglassen. Dissoziation ist keine Verhaltensauffälligkeit sondern eine Regulationsproblem. Ich wünschte, ich hätte das früher verstanden, das hätte mir viel Leid erspart.
Einordnung DBT für DIS
Mit DIS wäre es gut erst mal zu schauen, wo SVV denn her kommt. Ist das Copingverhalten von Hosts, die sonst nicht klar kommen? Dann kann man DBT probieren, aber nur ergänzend zu richtiger DIS Therapie. Es gibt zu viele Probleme mit dem Inneren Erleben und Anteilen, die sich bei DBT auftun können und mit denen man sonst alleine da steht. Offensichtlich ist es ja zu viel, sonst bräuchte man das toxische Copingverhalten nicht. Das kann man nicht wegnehmen und einfach hoffen, dass man plötzlich mit dem Innen zurecht kommt.
Wenn SV passiert, weil andere Anteile auf diesem Weg kommunizieren, dann hilft keine DBT der Welt. Man kann andere Anteile nicht durch das eigene Verhalten kontrollieren. Dann lieber bei der Teilearbeit bleiben, wo Kommunikation und Verhandeln geübt wird. Das kann dann auch erfolgreich sein, wo DBT es nicht kann.
Die Dynamik von Attachment Cry und Vermeidung, die sich bei DIS eigentlich immer ergibt, weil fragile EPs und kontrollierende EPs im Konflikt stehen, ist nicht zwingend Borderline und löst sich bei DIS mit der entsprechenden inneren Kommunikation und Kooperation auf. Dabei hilft DBT kein Stück, weil sie das nicht als Anteile behandelt und das ist nötig. Da ist es deutlich besser mit spezifischen Werkzeugen für Teilarbeit ran zu gehen.
Wenn man mit DIS an einem DBT Programm teilnimmt, ist es wichtig, die DIS immer im Hinterkopf zu behalten und sich mit Fachmenschen auszutauschen, die etwas davon verstehen. Man kann sich da leicht verrennen, wenn man denkt, die Übungen müssten doch helfen. Strukturelle Dissoziation funktioniert so meist nicht und viele Standardübungen, selbst aus der normalen Traumatherapie, kommen schnell an ihre Grenzen. Ich halte es für sehr, sehr wahrscheinlich, dass man sich das bisschen, was hilfreich sein kann, auch nebenher oder in der DIS Therapie aneignen kann. Absolut niemandem würde ich empfehlen wie wir 36 Wochen stationär in einem DBT Umfeld zu verbringen. Das ist nur ein Zeugnis der Hilflosigkeit des Kliniksystems, dass es für uns nie einen passenden Ort gab und wir immer wieder dort gelandet sind.
Das ist unsere Erfahrung und was wir beobachtet haben, ein Rückblick auf die letzten 13 Jahre unseres Weges und eine persönliche Einschätzung. Vielleicht seid ihr traumatisiert und habt eure eigenen DBT Erfahrungen gemacht. Ich würde mich freuen, darüber in den Kommentaren mehr zu lesen. Bitte benutzt Trigger Warnungen, falls es um Misshandlungen geht, damit alle, die mitlesen, sicher bleiben und achtet gut auf euch. Ich möchte eine Möglichkeit bieten, gehört zu werden, aber nutzt das bitte nur, wenn ihr dabei stabil bleiben könnt oder macht Pausen zur Regulation.
Cosmin says
Ich habe auf einer gemischten Station (“Station Psychotherapie”) an einer DBT-Gruppe teilgenommen, wurde dort vor allem wegen Emotionsregulation reingesteckt (SVV war nie so akut). Ich hab dort gelernt, Gefühle zu identifizieren und sie auszuhalten. Das war wirklich hilfreich. Ich denke, ich hätte es auch anders lernen können. Aber das war eine Art und die war in Ordnung.
Ich hab dort natürlich auch viel Skills gelernt. Allgemein hat die Athmosphäre dazu beigetragen, alle meine Symptome mit mehr Kontrolle hinzukriegen. Ich hatte schon viel zu viel Selbstkontrolle und das Problem daran war auch, dass sobald mein Leben sich geändert hat, die Kontrolle nicht mehr funktioniert hat, weil ich nicht mehr die Kraft dazu hatte. Es war super anstrengend. Ich war ständig erschöpft, hab versucht, aus Dissoziation immer sofort wieder rauszukommen, und alle Gefühle immer auszuhalten.
Meine später entdeckten kleinen Anteile haben mir klar gemacht, dass sie das nicht brauchen. Sie brauchen Nähe und Liebe und Sicherheit. Indem ich mir sichere Beziehungen gesucht habe, ausgezogen bin, und angefangen habe, selbstverzeihend mit meinen Fehlern umzugehen, sind viele Symptome viel besser geworden. Auch das SVV und die Erschöpfung.
Ich habe letztens im “Arbeitsbuch komplexe PTBS” gelesen, dass DBT auf der Philosophie des Zen-Buddhismus basiert. Meine DBT-Gruppe und die Station waren größtenteils warm im Kontakt. Aber das hat mich trotzdem sehr gewundert. So habe ich DBT nicht erlebt – aber ich denke, es wäre für viele Patient:innen in der Gruppe hilfreich gewesen.
Baluki says
Deinen hier geschilderten Erfahrungen hier kann ich nur mit der viel JA bestätigen. Auch wir wurden in I-Zimmern eingesperrt, oft für Stunden – bis unsere EPs sich von allein beruhigten oder wir aus Erschöpfung wieder in einen “anderen” dissoziativen Zustand wechselten (auch ein ANP spürt Erschöpfung, dissoziiert aber per definitionem tr. Gefühle i.d.R. automatisch).
Ja, und auch wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere SV mit den Jahren weniger wurden, je mehr wir einander kennen lernten und je größer die Akzeptanz unserer Realitäten wurde.
Was jedoch bis heute hilft, wenn Gefühle uns zu überwältigen drohen, sind keine Kommandos oder Befehle, keine noch so gut gemeinten Ratschläge und Handlungsimpulse, nicht die Angst vor einer Vertragsverletzung oder den resultierenden Konsequenzen… sondern jemand, der es mit uns aushält und warten kann. Wärme, Empathie, Verständnis, Sensibilität und v.a. Geduld helfen. Sie erinnern uns daran, dass wir uns all das auch entgegen bringen können, wenn wir es zu vergessen glauben. Aber es hilft auch manchmal, es ohne etwas tun zu müssen (und selbstregulierend einzugreifen, was wir Überangepassten eh permanent tun), erfahren zu dürfen. Geschenktes Mitgefühl. Nicht immer. Aber in traumatisch bedingten Krisen – hilft sehr…
Sara says
Danke fürs Teilen deiner Erfahrungen. Ich habe diesen Blog entdeckt, während ich auf einer DBT-Station war und etwas daran verzweifelte, dass die Skills nicht immer funktionierten obwohl ich doch *so* überangepasst war und alles wie im Lehrbuch anwandte. Es war damals eine grosse Erleichterung, diesen Blog zu finden und zu lesen, dass ich damit nicht alleine bin.
Wenn ich andere Erfahrungsberichte lese, hatte ich im Nachhinein ziemlich Glück mit der damaligen DBT Station. Isolation und Ammoniak wurden nicht angewandt, dafür aber «Time Outs» bei denen die Patient*innen für ein paar Tage nach Hause mussten falls es einen Konflikt auf der Station gab. War für mich damals trotzdem eine ziemliche Horrorvorstellung genau dann verlassen zu werden, aber immerhin besser als Isolationsräume.
Was ich als teilweise hilfreich empfand (mit ziemlichem rauspicken) waren die «theoretischen» Grundlagen zu Emotionen zu lernen, das Konzept der Achtsamkeit und einige Emotionsregulationsskills, einfach da es mir irgendwie etwas Kontrolle zurückgab um meinen Emotionen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern sie aktiv beeinflussen zu können. (Das Einzige was ich bisher kannte war überspielen und wegsperren.)
Mit der DIS oder auch schon «einfachen» Dissoziationen konnten sie aber gar nichts anfangen. Mir wurde am Anfang gesagt, ich soll hier nicht über Anteile reden, da DBT dafür nicht geeignet sei, was… nun ja… die Symptome gehen leider nicht weg, nur weil ich jetzt für 3 Monate auf einer DBT-Station bin. Aber tja, immerhin wussten sie um die Grenzen von DBT? Sie haben die Behandlung dort auch immer sehr bewusst als nur einen Teilschritt bezeichnet, und dass ich für die Traumaarbeit woanders hin soll. Auch bei sonstigem Dissoziieren bei mir und anderen Patient*innen wurden einfach Skills wie Igelbälle und Balanceboards bis zum Umkippen gegeben, zusammen mit der Haltung dass das Personal einem ignoriert wenn man dissoziiert (ausser man steht irgendwo im Weg), da man das nicht durch Aufmerksamkeit verstärken will. Irgendwie hatte das aber bei niemandem den gewünschten Erfolg… Und dann war das Personal genervt, wie «ansteckend» die Dissos seien, weil jetzt anscheinend alle gerne auf diesem Weg Aufmerksamkeit hätten (“wenn auch nur unbewusst”). Statt sich vielleicht mal zu überlegen, dass es auch für andere Patienten schwieriger ist sich zu regulieren, wenn da stundenlang jemand erstarrt in einer Ecke hockt…
Also ja, würde sicher nicht mehr in ein reines DBT-Programm gehen, auch wenn einzelne Elemente für mich hilfreich waren. Das Positive dran war aber das Entdecken dieses Blogs. Und dass ich seither kritischer Therapeut*innen gegenüber bin, da ich von dort mitnahm, dass sie halt auch nicht alles richtig behandeln können, auch wenn es vielleicht gut gemeint ist.
Theresa says
Mich tröstet es ja ein bisschen, dass es wenigstens nicht als Allheilmethode angepriesen wurde… Ich hoffe, du findest gute weiterführende Hilfe!
Rinaco says
Im Rahmen einer ambulanten Therapie habe ich DBT / Skills kennengelernt. War sehr motiviert, da durchzukommen, habe mit der CD-Rom von Bohus gearbeitet (Selbstwert und vor allem Emotionen ging nicht, das war zuviel). Über die Jahre hatte ich immer den Eindruck je mehr ich skille, desto extremer kommen die weggeskillten Zustände zurück, wenn man mal nicht mit Igelball in Eiswasser badet. Dann bin ich eine TK gegangen mit einem DBT-basierten Skillsprogramm, hatte aber eine T aus einer anderen Gruppe. Diese hat mir recht unverblümt gesagt, dass die Probleme bestehen bleiben, solange ich mich um die verletzten Kinderteile kümmere oder sie wenigstens wahrnehme. Das war ein hilfreicher Input: Es schien mir als hätte ich über die Jahre, DBT genutzt um genau das zu vermeiden. Also ich will nicht sagen, dass DBT schlecht ist. Soziale skills, akzeptanz und das Zen sind ganz gut. Aber das kann leicht falsch verstanden werden und dann missbräuchlich werden. Dazu braucht es nicht mal “schlechte Ts”. Hab mit DBT Dissoziation “professionalisiert” und es wurde im Gegensatz zu offen SVV auch noch unsichtbar / gesellschaftlich toleriert. Mein Fazit schließt sich dir und den Vorrednern weitestgehend an: Man braucht Ts, die sich der Grenzen von DBT bewusst sind und es nicht missbrauchen. Und es hat auch im Eigengebrauch viele Grenzen, bietet keine dauerhafte Lösung und hat deutliche Risiken, Dinge schlimmer zu machen.
(PS: Meine Erfahrung mit KPTBS, keine volle DIS)
RKL says
Das Lesen dieses Artikels hat mich zutiefst berührt. Ich lese die Zeilen einer Fremden mit Tränen in den Augen weil es sich anfühlt als könnte ich damit einen Teil meiner Geschichte verstehen.
Mein Kontakt mit DBT liegt viele Jahre zurück. Ich hatte damals viele Schwierigkeiten mit SVV und war mit Borderline Diagnose auf einer gemischten Psychotherapiestation. Ich habe von den Betreuenden sehr viel emotionale Kälte, Härte und Unberechenbarkeit erlebt. Das hat dazu geführt, dass es mir in der Therapie nur zunehmend schlechter gegangen ist. Zum Glück konnte ich den Aufenthalt abbrechen und in ein viel besser unterstützendes ambulantes Umfeld zurückkehren. Jeder Versuch mir später mit Skills und auch nur einzelnen Aspekten von DBT zu kommen wurde von mir in den Jahren danach rücksichtslos abgeschmettert.
Den Zugang zu Emotionen und Regulation hab ich letztendlich über den Körper gefunden.
Jetzt, viele Jahre später ist Traumaerinnerung wieder hochgekommen und hat mich auf der Suche nach mehr Verstehen auf diesen Blog geführt.
Danke für diese umfassende und wertvolle Sammlung von Information und dass du die DBT Artikel nicht offline genommen hast.
Ohne diesen Zwang von damals – du MUSST jetzt Skills anwenden – kann ich durchaus Aspekte darin sehen die nützlich für mich sein können auch wenn wegen der Dissoziation nicht alles für mich anwendbar ist. (Perspektive ohne DIS mit (k)PTBS)
Less says
Ohne die Artikel zur DBT hätte ich diese Seite nie gefunden, dabei enthält sie haufenweise Gedanken, Fragen und Antworten die auf meine Situation fast perfekt passen. Und natürlich habe ich Artikel zu DBT gesucht, weil sie mir geraten wurde. Ich in froh, dass die Artikel hier sind, und bleiben, weil ich sicher bin, dass mir das eine Starthilfe gibt Skills in meiner eigenen Situation sowohl sinnvoll zu vermeiden oder abzulehnen, als auch sie zu nutzen und zu erfinden. Vielen Dank!