Tugenden treten in gegensätzlichen Paaren auf, die sich gegenseitig ausgleichen (siehe Wertequadrat). Die meisten von uns kennen Radikale Akzeptanz. Das weniger bekannte Gegenstück dazu ist Radikale Offenheit. Radikale Akzeptanz wird verwendet, um das Leid zu reduzieren, was entsteht, wenn wir etwas ablehnen, was wir nicht ändern können. Radikale Offenheit hilft uns zu verändern, was wir akzeptiert haben, obwohl es nicht (mehr) wahr ist. Es liegt in der Natur des Überlebens von Traumatischem, dass wir bestimmte Denkmuster entwickeln und eine Art annehmen, wie wir uns behandeln, die uns später im Leben Probleme bereiten und nicht weiter kommen lassen. Radikale Offenheit kann das lösen. Wir hinterfragen sorgsam unsere Gedanken statt sie einfach zu glauben.
Eine verschlossene Denkweise ist eine spezifische Form des Widerstandes gegen eine Veränderung unserer Gedanken. Es gibt zwei Ausdrucksformen einer verschlossenen Denkweise, die uns in der Therapie begegnen werden.
Die Festgelegte Denkweise
Früher oder später versuchen Ts uns von etwas zu überzeugen, von dem wir ‘wissen’, dass es nicht stimmt. Vielleicht behaupten sie, dass es nicht unsere Schuld war, aber wir wissen es besser und können auch scheinbar logische Gründe nennen warum. Unsere Reaktion auf die therapeutischen Vorschläge ist automatische Wut und Ablehnung des Gedankens, ein Gefühl es besser zu wissen, die verstehen die Lage einfach nicht. Wenn unsere Überzeugungen weiter hinterfragt werden, haben wir schnelle Antworten, um uns zu rechtfertigen, wir erklären, verteidigen oder greifen an. Wenn Ts darauf bestehen, dass wir unser Denken ändern sollen, werden wir frustriert, spüren Druck und blockieren jede weitere Unterhaltung zu diesem Thema.
Das sind die Anzeichen einer Festgelegten Denkweise. Wir sind uns sicher, dass wir unsere Gedanken nicht ändern müssen, weil wir die Wahrheit schon kennen. Es bestehen Ähnlichkeiten zur Fight Reaktion.
Die Fatalistische Denkweise
Wenn wir mehr zu Flucht oder Shutdown tendieren, zeigen wir eher Anzeichen einer Fatalistischen Denkweise. Stellen wir uns vor, wir haben über unsere Einsamkeit und das Gefühl nicht dazu zu gehören gesprochen und unsere T ermutigt uns, die Gesellschaft anderer Menschen zu suchen. Die Fatalistische Denkweise weist jeden Versuch einer Lösung zurück, weil sie schon weiß, es gibt keine; das kann niemals gelöst werden. Wir glauben es ist hoffnungslos, weil wir machtlos sind. Statt mit dem T zu kämpfen und zu diskutieren ziehen wir uns zurück, betäuben uns, gehen in einen Shutdown oder lassen das Thema einfach sein. Vielleicht versuchen wir Ts auch zu beschwichtigen indem wir versprechen etwas zu tun, aber nie wirklich vorhaben dem auch nachzugehen oder wir lehnen Hilfe ab. Wenn Ts dann weiter pushen, dass wir einen Plan machen sollen, wie wir das angehen, versuchen wir das zu vertagen, dem auszuweichen, werden vielleicht passiv-aggressiv, sagen Termine ab, dissoziieren, resignieren oder reagieren tief verletzt, während wir heimlich Bitterkeit gegen sie hegen.
Mit einer DIS erleben wir in der Regel haufenweise verschlossene Denkweisen. ANPs, die die Existenz von EPs leugnen und eine Millionen Erklärungen haben, warum das nicht sein kann. EPs, die die Realität der Äußeren Welt leugnen und dass TraumaZeit vorbei ist, weil sie in ihrer Realität von endlosen Flashbacks fest stecken.Manche Anteile weigern sich vielleicht Täter als etwas anderes als fürsorglich zu sehen, andere wollen an ihrem Schmerz festhalten, weil sie sich jenseits davon kein Leben vorstellen können, manche sind sich sicher, dass sie sich auflösen, wenn sie integrierter werden, andere glauben sie wären Täter und hätten einen eigenen Körper und alle sind zutiefst überzeugt, dass das die Wahrheit ist.
Wir meinen zwar, dass unsere Folgerungen logisch sind, in Wahrheit sind sie aber hoch emotional geladen. Wir vermeiden es zuzugeben, dass wir eine Realität vermeiden, die extreme Angst macht. Eine verschlossene Denkweise beschützt uns vor Emotionen und dem Realisieren von Dingen, die zu TraumaZeit zu schwierig waren, um damit umzugehen. Um an die schmerzhafte Wahrheit ran zu kommen, müssen wir uns durch Lagen von Schutzschichten für unseren Verstand arbeiten.
Was wir glauben, fühlt sich für uns absolut wahr an, das macht es schwer zu bemerken, dass es etwas jenseits dieser Überzeugung geben könnte. Wenn unsere Ts drauf bestehen und wir Anzeichen einer Festgelegten oder Fatalistischen Denkweise bei uns entdecken, ist es Zeit Werkzeuge zur Selbsterkundung zu verwenden, um uns vorsichtig einer Flexiblen Denkweise zu öffnen.
Ich würde empfehlen für die Selbsterkundung ein Tagebuch zu nutzen. Bevor wir versuchen unser Denken zu ändern, können wir offener für unsere verschlossene Denkweise werden. Wir erforschen, warum wir an einer Überzeugung festhalten und warum da ein Widerstand ist, sie zu ändern. Seid nett zu euch und eurer verschlossenen Denkweise, die nimmt die Position eines Beschützers ein.
Dann fragt euch:
- Was sagt mir meine Überzeugung über mich selbst?
- Welches Problem wird dadurch gelöst, dass ich an dieser Überzeugung festhalte?
- Was kann mein Widerstand gegen andere Gedanken bedeuten?
- Wogegen verteidige ich mich?
- Wovor habe ich Angst, dass ich es aufgeben müsste, wenn ich eine offenere Denkweise annehme?
- Was habe ich Angst zu erkennen oder zu lernen?
Eine Dialogübung, entweder mit der verschlossenen Denkweise oder mit der Überzeugung selbst, kann helfen Unterbewusstes an die Oberfläche zu bringen.
Manchmal führt das Verständnis davon, wie eine Überzeugung uns beschützt, schon zu einem Realisieren der Wahrheit, vor was sie uns beschützt.
Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir etwas kreativ werden. Unser Ziel ist es nicht schlaue Antworten zu finden. Statt dessen suchen wir nach Fragen, die uns an die äußere Grenze unserer verschlossenen Denkweise bringen. Diese Fragen sind stark abhängig von der jeweiligen Situation und der Überzeugung, zu der wir offener werden wollen. Wir erkennen die äußere Grenze daran, dass Fragen herausfordernd und unangenehm sind und gerade so innerhalb dessen, worüber wir uns erlauben können nachzudenken und gleichzeitig etwas in uns wach zu rufen scheinen, was außerhalb unserer aktuellen Überzeugung liegt. Erfahrene Ts helfen uns manchmal dort hin zu kommen, indem sie Provokation verwenden. Schreibt euch die Fragen eurer Ts auf, wenn ihr spürt, dass sie etwas an der Außengrenze berührt haben, damit ihr später weiter darüber reflektieren könnt.
Gute Fragen zu finden kann schwierig sein, wenn ihr also das Gefühl habt nicht weiter zu kommen hilft es, da nur für ein paar Minuten drüber zu reflektieren und das dafür jeden Tag.
Eine Flexible Denkweise respektiert die Wahrheit der Vergangenheit und ist gleichzeitig offen Neues über das Heute zu lernen. Während eine verschlossene Denkweise oft ernst ist und meint es ginge um Leben und Tod, kann die Flexible Denkweise mit Ideen spielen. Sie kann sich verschiedene Lösungswege vorstellen, bemerken, wie sich das anfühlt und Pläne ändern. Ich kann es sehr empfehlen, mit einer Sandkiste zu arbeiten, um dem spielerischen Aspekt davon neue Ideen auszuprobieren zu unterstützen.
In seltenen Fällen ist eine verschlossene Denkweise ein Anzeichen dafür, dass man eine Pause braucht. Vielleicht haben wir in letzter Zeit wahnsinnig viel verändert, unser Denken geöffnet, um neue Richtungen im Leben zu finden und sind schlicht erschöpft und nicht bereit jetzt noch flexibler zu werden. Es ist wichtig auch Pausen zu machen, wenn wir sie brauchen. Das ist harte Arbeit.
(Konzepte sind adaptiert aus RO-DBT, Lynch)
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