Meine erste Begegnung mit dem Wort „Resilienz“ war gar nicht in der Psychologie, sondern in der Physik.
In einem psychologischen Kontext wird der Begriff gewöhnlich dafür verwendet, eine innere Stärke zu beschreiben, die auch großem Druck stand halten kann. So ist das Ziel von Interventionen Menschen stressresistenter zu machen, indem man positive Ressourcen erschließt und hinzufügt.
Du kannst dir das vorstellen wie einen Zweig, der, für sich genommen, leicht bricht, aber wenn man viele davon bündelt, kann man das kaum noch biegen.
In der Physik beschreibt Resilienz ein etwas anderes Phänomen. Sie steht für die Fähigkeit eines Material in die ursprüngliche Form zurück zu kehren, nachdem großer Druck ausgeübt wurde.
Du kannst dir das vorstellen wie einen dieser Schaumstoffbälle, mit denen wir als Kinder gespielt haben. Da konnte man alle Luft raus drücken, sodass sie klein und unförmig wurden, aber mit der Zeit haben sie sich wieder entknautscht und ihre normale Form angenommen.
Ich glaube wir können davon profitieren, in beide Sorten ‘Resilienz’ zu investieren.
Ich werde versuchen dir eines der wichtigsten Dinge zu erklären, die du in Phase 1 deiner Therapie lernen kannst. Selbst wenn du es nie zu Phase 2 schaffst, weil du nicht stabil genug dafür wirst, kannst du dein Leben extrem verbessern, wenn du das anwendest. Das ganze basiert auf der ‘physikalischen’ Grundidee von Resilienz.
Anstatt eines Balles, auf den Druck ausgeübt wird, können wir uns vorstellen, dass es unser Nervensystem ist, was gestresst wird. Wir bewegen uns von ruhig&in Kontakt zu Hyperarousal (Flucht/Kampf) zu Hypoarousal (Erstarren/Ohnmacht).
[Anmerkung: Auch wenn das „Hypo“ arousal heißt, ist Dissoziation in Wirklichkeit mit einer sehr hohen Aktivierung in unserem Nervensystem verbunden. Wir drehen praktisch so hoch, dass wir abschalten, was sich anfühlt, als wäre da kein Anspannung übrig, aber das entspricht so nicht den Tatsachen]
Manche stellen sich die verschiedenen Stresslevel gerne als Leiter vor, die man hoch und runter klettert. Aus Gründen haben wir uns das immer als ein großes Pendel vorgestellt, was unten zentriert ist, wenn wir im ruhigen&interaktiven Modus sind und sich zur Seite nach oben schwingt, je höher der Stresslevel wird.
Wenn wir nur angestrengt versuchen niemals gestresst zu werden, sodass unsere Anspannung auch nicht steigt, werden wir versagen. Ein gesunder Körper pendelt zwischen verschiedenen Erregungsniveaus und steht nicht still. Eine Veränderung unserer Anspannung ist eine natürliche Reaktion auf die Umwelt.
Statt dessen muss unser Augenmerk darauf liegen, die innere Bewegung zu üben, zurück zu kehren zu unserem ruhigen&sozial aktiven Funktionssystem, nachdem wir Stress oder einen Trigger erlebt haben. Die Leiter wieder hinauf zu steigen. Das Pendel zurück schwingen zu lassen.
Unsere Stressreaktion folgt einer festgelegten Reihenfolge. Da ist immer 1. ruhig&sozial 2.Flight/Fight 3.Erstarren/Dissoziation (auch wenn wir manchmal nicht bis ganz oben steigen, sondern in Hyperarousal bleiben)
Manchmal gehen wir so schnell durch Flight/Fight, dass es scheint, als würden wir das überspringen und gleich dissoziieren, aber dem ist nicht so.
Wenn wir die Leiter vom Erstarren wieder rauf klettern, kommen wir noch einmal bei Flight/Fight vorbei. Das ist der Grund warum viele, wenn ein dissoziativer Zustand unterbrochen wird, wild um sich schlagen oder, so wie wir, sich selbst verletzen, in einem reflexhaften Kampf gegen etwas, was nicht da ist.
Der erste Schritt darin zu lernen zurück zu pendeln, ist sich selbst kennen zu lernen in den verschiedenen Stufen von Anspannung, damit wir sie erkennen, wenn wir sie erleben. Ich empfehle einen kreativen Ansatz um das zu erforschen, wie eine Sandkiste, Farben, Wort Cluster oder Pantomime. Beende deine Forschungen immer mit dem ruhigen Zustand, sodass du dich entspannt fühlst, wenn du die Übung beendest.
Der nächste Schritt ist Dinge zu finden, mit denen wir unsere Anspannungszustände beeinflussen können.
Wenn wir in Hypoarousal sind, bedeutet das in der Regel kleine Bewegungen, um uns aus der Erstarrung zu lösen oder verschiedene Arten unsere Sinne zu stimulieren. Das kann uns rauf bringen zu Flight/Fight, wo Bewegung größer wird.
Wir müssen dann oft die Intensität der Bewegung erhöhen, um die angestaunte Energie aus unserem Körper und unseren Muskeln abzubauen, damit wir überhaupt fähig sind, in einen ruhigen und interaktiven Zustand zu kommen.
Wenn du dissoziierst, muss dein erstes Ziel sein Flight/Fight zu erreichen. Nur zu versuchen uns zu ‘beruhigen’ indem wir uns ausruhen, hält uns gefangen in der Erstarrung und andauernden Flashbacks. In dieser Situation sollst du nicht ruhig sein, du musst zuerst zu einer Aktivierung zurück kehren. Wir haben ein Bild von einem Mädchen beim Kickbox-Training an der Wand, was uns daran erinnert, dass wir aktiv werden müssen, wenn wir dissoziieren. Wenn wir versuchen den Schritt zu überspringen, bringt alles nichts.
Bewegung ist nur ein Beispiel. Experimentiere mit Geräuschen, Gerüchen, Bildern…
Beginne damit Dinge zu sammeln, die dich von einem inneren Zustand in einen anderen bewegen. Achte ganz besonders darauf etwas zu finden, was dir hilft dich sicher, entspannt, unterstützt und beschützt zu fühlen, um den Schritt von Fight/Flight zu ruhig&entspannt zu schaffen.
Wenn du Dinge gesammelt hast, die für verschiedene Anspannungslevel stehen, kannst du anfangen sie zu verwenden, um damit zu üben, wie die innere Pendelbewegung funktioniert. Das übt man am besten, wenn man gut geerdet und stabil ist. Ich übe mit einer Playlist von Musikstücken. Ich habe die gesammelt, bei denen ich mich entspannt, geerdet und angenehm fühle. Dann habe ich hier und da welche eingeschoben, die ein wenig Aufregung in mir auslösen. Bei mir reicht es schon Bass oder Drums dabei zu haben, um das zu erreichen. Nach nur einem etwas anstrengenderem Lied kehrt die Playlist zurück zu etwas beruhigendem. Einfach der Musik zuzuhören und dem Rhythmus von Aufregung und Beruhigung zu folgen, hilft mir, ein besseres Gespür dafür zu kriegen, wie mein Körper reagiert und wie das Gefühl des Zurück-Pendelns zum Zentriert-Sein sich anfühlt. Damit ich es dann wiederholen kann, wenn es eine echte stressige Situation gibt.
Während Gerüche am besten sind, um schnell einen dissoziativen Zustand zu unterbrechen, sind Geräusche ideal, um uns zwischen Ruhe und Aufregung hin und her zu bewegen. Wenn du dabei auf deinen Atem achtest, wirst du einen Seufzer bemerken, wenn dieser Shift passiert.
Du kannst auch Bewegung und speziell Tanzbewegungen benutzen, um zu üben. Nachdem du verschiedene Bewegungen gefunden hast, die für die verschiedenen Erregungsebenen stehen, kannst du üben, dich vom einen zum nächsten zu bewegen, und dabei immer mit dem ruhigen&entspannten Zustand aufhören.
Wenn du achtsames Qi Gong praktizierst, ist dir vielleicht die kleine Bewegung des Füße Schließens aufgefallen, nach einer Form, die einen Schritt beinhaltet. Ich stelle mir gerne vor, dass dieses Schließen der Pose so etwas ist, wie das Pendel zurück zum Zentrum zu bringen. Während man die Bewegung Außen macht, kann man sie auch Innen nachvollziehen. Das Üben von Qi Gong, davon Energie zu leiten durch Bewegung, ist sehr nah an meinem Erleben von Flow, wenn ich übe zum Zentrum zurück zu kehren. Es hilft innerlich eine Art von Rhythmus in der Regulation zu finden.
Das alles übt man am besten nicht alleine. Es macht einen Unterschied, ob noch jemand dabei ist und das nicht nur, weil sie helfen können uns unserer Anspannung bewusst zu sein, indem sie Feedback geben. In der Gegenwart von jemandem mit einem regulierten, ruhigen Körper zu sein hilft auch uns, uns zu beruhigen. Das ist eine natürliche Art der Unterstützung. Die Gegenwart eines regulierten Körpers ist eine der besten Grounding Übungen, die wir erleben können. Gute Traumatherapeuten haben regulierte Körper und sind sich ihrer eigenen Veränderungen in ihren Stressreaktionen bewusst. So sind sie fähig auch Veränderungen bei uns zu bemerken und uns zu helfen zurück zur Mitte zu pendeln. Das kann eine anhaltende Übung sein, die ihr während der Therapie teilt. Über schwierige Themen zu sprechen wird zu einer Stressreaktion führen und deine T kann diese natürlichen Gelegenheiten nutzen, dich wieder die Leiter rauf zu führen. So muss das gar nicht das Hauptthema des Gesprächs sein, sondern wird zu einer immerwährenden Übung im Hintergrund deiner Therapie.
Zu lernen zurück in die Mitte zu pendeln war einer der größeren Durchbrüche in meiner eigenen Heilung. Dafür brauchte es keine Exposition. Nur ein besseres Verständnis meiner Stressreaktionen und wie ich sie beeinflussen kann, gefolgt davon, ein hin und her fließen und einen Rhythmus darin zu üben, um mir beizubringen, wie es sich anfühlt, mich zu beruhigen. Ich kann meinen Mangel an innerer Kraft im Angesicht von Stress ausgleichen, indem ich tief eintauche in meine Fähigkeit wieder zu meiner normalen, ruhigen Form zurück zu kehren, nachdem ich getriggert wurde. Und auch das verbessert Resilienz.
Das Konzept des Pendels basiert auf der Polyvagal Theorie
und der polyvagalen Leiter
und ist außerdem ein wichtiger Schritt in Somatic Experiencing (an dem Artikel arbeite ich, bitte habt etwas Geduld)
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