Fraktionierte Abreaktion ist eine Technik, die speziell entwickelt wurde, um extreme Gewalt zu verarbeiten und Erinnerungen, die so schlimm sind, dass andere Techniken versagen, weil wir sofort geflutet und überfordert sind, wenn wir uns daran erinnern, was passiert ist. Eine Abreaktion ist eine Situation, in der wir uns erinnern und das wieder-erleben und wenn das aus Versehen und unkontrolliert passiert, ist das nie therapeutisch. Ganz früh in der Geschichte der Traumatherapie hat man probiert, Betroffene das in einem kontrollierten Setting wieder-erleben zu lassen, aber je mehr Dissoziation vorhanden ist, desto weniger funktioniert das. Das ist schlicht kein gutes Werkzeug. Die meisten Techniken zur Trauma Bearbeitung versuchen eine Lösung dafür zu finden, wie man es möglich machen kann, sich Erinnerungen anzuschauen, die völlig überfordern und denen man sich gar nicht stellen kann. Bei der fraktionierten Abreaktion wird das erreicht, indem alles in keine Happen runter gebrochen wird und man sich das nur ein Bruchstück nach dem anderen anschaut. Diese Technik profitiert sehr von Werkzeugen aus der Hypnose, um die Titration hinzubekommen. Das muss nicht immer eine formale Hypnose-Einleitung sein. Die Selbsthypnose, die bei Menschen mit DIS oft ganz natürlich auftritt, kann auch reichen. Wenn ihr mal gehört habt, dass man früher viel mehr Hypnose bei DIS eingesetzt hat, ist vielleicht diese Technik gemeint.
Zeit
Eine Art die Erinnerung runter zu brechen ist, sie ein kleine Zeitabschnitte aufzuteilen. Wir schauen und dann vielleicht Sequenzen an, die nur wenige Sekunden lang sind. Eine Sequenz wird nach der anderen prozessiert. Abschnitte, die nicht so schlimm sind, können auch länger sein. Die wirklich schlimmen Sachen dürfen wir einen Moment nach dem anderen angehen.
Intensität
Eine andere Ebene unseres Erlebens ist die Intensität unserer Erinnerung. Wir bekommen beigebracht, wie wir sie runter regeln können, sodass wir nur noch etwa 5% der vollen Intensität wahrnehmen. Wenn das immer noch zu viel wäre, könnte man noch weiter runter gehen. Dann werden wir angeleitet, uns die Trauma Situation auf diesem Level von Intensität anzuschauen, bis wir uns nicht mehr überfordert fühlen. Dann wird die Intensität Stück für Stück minimal angehoben. Der Prozess wird so oft wiederholt, bis wir die Erinnerung bei voller Intensität meistern können.
BASK Elemente
Zusätzlich dazu, können wir die Erfahrung auch in ihre BASK Elemente (Verhalten, Emotionen, Körpergefühle, Wissen) zerlegen und uns eins nach dem anderen anschauen. Das bedeutet, dass wir vielleicht erst mal nur auf unsere emotionale Reaktion schauen oder das körperliche Leiden, während wir alles andere für später verpackt halten. Hier unterstützt die Hypnose, um die Elemente, an denen wir gerade nicht arbeiten, eine Zeit lang aus unserem Bewusstsein raus zu halten.
Dissoziative Anteile
Fraktionierte Abreaktion arbeitet mit einem Anteil nach dem anderen. Alle, die nicht aktiv an dem Prozess beteiligt sich, gehen an ihren Sicheren Ort und Hypnose kann verwendet werden, um sie in einen tiefen Schlaf zu versetzen, damit sie wirklich nichts mitbekommen. Die Anzahl der Anteile, die dabei sind, wird reduziert, um Kettenreaktionen von Triggern zu vermeiden. Das macht es möglich, mit einzelnen Anteilen schon Trauma Erinnerungen durchzuarbeiten, bevor es solide Kommunikation und Kooperation im System gibt. Wenn Anteile sich dann näher kommen, ist das Trauma kein überwältigender Faktor mehr. Man könnte auch sagen, dass es eben weil es nicht mehr überwältigend ist, überhaupt erst dazu kommen kann, dass Anteile sich näher kommen. Das Trauma erhält die Dissoziation aufrecht. Moderne Ansätze, die verlangen, dass Prozessieren immer co-bewusst ablaufen muss, bieten Patient:innen nicht immer, was sie benötigen.
Diese Interventionen können einzeln verwendet werden, wenn die Erinnerung nur mittelschlimm und zu managen ist. Für das schlimmste, was einem so passieren kann, werden die Interventionen gestapelt. Dann geht ein Anteil alleine durch nur ein BASK Element, indem nur ein kurzer Moment bei 5% Intensität angeschaut wird. Ts entscheiden vielleicht, zuerst Moment für Moment durch die Erinnerung zu gehen und dann die Intensität zu erhöhen und das zu wiederholen. Sie könnten uns auch anleiten, bei dem ersten Moment zu bleiben, die Intensität langsam zu erhöhen und wenn wir 100% erreicht haben, zum nächsten Moment überzugehen. So kommt nach und nach die komplette Erfahrung zusammen.
Das klingt, als würde das ewig dauern, weil es so langsam geht. In Wirklichkeit arbeiten wir aber in einem Bereich von Traumatisierung, wo wir gar nicht schneller machen könnten, ohne Retraumatisierung zu riskieren. Diese Technik wurde entwickelt, um Unaussprechliches zu verarbeiten. Wenn unsere Ts glauben, dass wir das hinbekommen, dann verwenden sie eine schmalere Version dieser Technik oder gleich eine ganz andere. Die Chancen sind groß, dass es, wenn wir durch fraktionierte Abreaktion gehen, gar keinen anderen Weg gibt, wie wir uns dem Trauma nähern könnten.
Wenn Ts diese Technik beherrschen, dann ist sie relativ sicher und kann auch leicht mit EMDR oder anderen Techniken zum Prozessieren kombiniert werden, wenn das der Wunsch ist. Das ist für die ambulante Behandlung gedacht und Patient:innen können nach einer Pause gewöhnlich mit dem Alltag weiter machen. Auch wenn kontrolliertes Wiedererleben verwendet wird, ist es immer noch recht sanft, weil die Intensität so langsam erhöht wird, dass wir viel Selbstwirksamkeit und Kontrolle haben und nichts überfordert. Wie Kluft immer sagt, je langsamer wir gehen, desto schneller kommen wir an. Wir sparen uns all die Zeit, die wir sonst in Krisen verbringen würden.
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