CN: In diesem Artikel werden organisierte Gewalt, rituelle Gewalt, Mind Control, Nazi Experimente, Täterorganisationen, Stigma und eine Menge Bullshit erwähnt, der wütend macht. Bitte bereitet euch da mental drauf vor.
Es geht viel Falschinformation zu DIS um. Manches davon beruht auf Unwissenheit und dann können wir helfen, indem wir auf wissenschaftliche Quellen hinweisen. An anderen Stellen schlägt uns schlicht Wissenschaftsleugnung entgegen. Menschen führen andere mutwillig in die Irre und versuchen systematisch zu beeinflussen, wie DIS und die schwere Traumatisierung dahinter in der Gesellschaft oder vor Gericht wahrgenommen werden. Wenn die Patient:innen alle Lügen und ihre Therapeut:innen alle Scharlatane sind, dann muss niemand ihren Aussagen Beachtung schenken.
Ich möchte, dass ihr in der Lage seid, Wissenschaftsleugnung zu erkennen, wenn sie euch begegnet. Das ist eine Kernkompetenz, wenn wir online an Diskussionen teilnehmen oder uns Advocacy auf die Fahne geschrieben haben. Wir schauen uns dafür die Techniken der Wissenschaftsleugnung nach dem PLURV Modell an.
PLURV ist ein Akronym, dass sich aus den Kategorien für diese Techniken zusammen setzt: Pseudo-Experten, Logische Trugschlüsse, Unerfüllbare Erwartungen, Rosinen-Picken und Verschwörungsmythen.
Pseudo-Experten
Uns werden die Theorien oder Meinungen von Menschen präsentiert, die scheinbar Experten sind, in Wirklichkeit aber gar nicht in dem relevanten Feld arbeiten oder innerhalb dieses Feldes etwas völlig anderes erforschen. In der Corona Pandemie haben wir zB gesehen, wie Lungenärzt:innen plötzlich starke Meinungen darüber hatten, wie eine Pandemie abläuft und darauf bestanden, das besser zu wissen als Epidemiolog:innen. Bei DIS sehen wir zB dass Menschen, die das Arbeitsgedächtnis von gesunden Erwachsenen erforschen, plötzlich vorgeben zu wissen, wie das Trauma Gedächtnis von kleinen Kindern funktioniert. Erinnerungen und Trauma Erinnerungen funktionieren völlig anders und sind nicht das selbe Forschungsfeld. Menschen, die Monotrauma und dessen Behandlung erforschen, werden keine Expert:innen für strukturelle Dissoziation sein. Es ist wichtig, genau darauf zu achten, was Menschen wirklich erforschen. Psychiater:innen und Psycholog:innen sind nicht automatisch DIS Expert:innen.
Spezielle Probleme mit Pseudo-Experten:
- Massen von Pseudo-Experten: Manchmal organisieren sich falsche Expert:innen. Sie gründen Foundations oder Associations, wo man lange Listen von Unterstützenden findet. Um da drauf zu landen, brauch man auch gar nichts mit der Wissenschaft zu dem Thema zu tun haben. Gründe können auch finanziell sein, was mit dem eigenen Status zu tun haben oder einem sonst einen Vorteil verschaffen. Solche Gruppen tauchen dann überall auf und drücken anderen ihre Agenda auf und verbreiten Fehlinformationen. Dann sieht das plötzlich so aus, als wäre das eine weit verbreitete Ansicht. Wir sehen das zum Beispiel bei der False Memory Foundation oder der Satanic Panic Bewegung.
- Aufgeblähte Minderheiten: Die Meinung einer sehr kleinen Gruppe innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft wird so präsentiert, dass die eigentliche Gewichtung und ein Maßstab für ihre Verbreitung verloren geht. Es gibt zB eine kleine Minderheit, die noch immer darauf besteht, dass DIS auf Fantasie beruht oder iatrogen ist. Das wird oft von Menschen behauptet, die selbst weder Menschen mit DIS behandeln noch Forschung mit ihnen betreiben. Aber ihre Stimmen werden verstärkt und überproportional verbreitet dargestellt, während die Mehrheit der Expert:innen mit einer anderen Meinung und ihre bessere Forschung ignoriert werden. DIS-Forschende haben keinen Zweifel an dem Faktor Trauma bei der Entwicklung von DIS.
- Fingierte Debatte/False Balance: Um so zu tun, als würde man sich alle Seiten anhören und damit eine aufgewogene Diskussion führen, werden Wissenschaftler:innen und Pseudo-Wissenschaftler:innen an einen Tisch gesetzt zum diskutieren. Damit wird die wirkliche Debatte innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft ersetzt für einen Fake Diskurs, der Falschinformationen enthält. Uns wird gesagt, es sei wichtig ‘beide Seiten’ zu hören, aber diese Seiten haben nicht den selben Stellenwert, weil das eine durch Forschung untermauert ist und das andere nicht. So entsteht die Illusion, dass es da noch Unklarheiten gibt und Expert:innen darüber noch diskutieren, dass es größere Uneinigkeiten gibt, wenn in Wirklichkeit ein starker Konsens herrscht. Wir sehen das regelmäßig in Diskussionen um später wieder erinnerte Traumata, den Ursprung von DIS, die Gültigkeit von Berichten über extreme Gewalt usw. Verschiedene Blickwinkel darzustellen, ist für den Journalismus wichtig, wenn es um Meinungen und politische Debatte geht. Es wird irreführend beim Thema Wissenschaft, wenn auch Pseudowissenschaftler:innen bzw falsche Expert:innen eingeladen werden.
- (Experts by Experience: Menschen mit eigener Lebenserfahrung mit einem Problem sind keine Forschenden. Sie arbeiten mit einer statistischen sample size von 1 und vollständig subjektiver Erfahrung. Das ist wertvoll. Es ist nur nicht wissenschaftlich. Es besteht eine gewisse Gefahr, dass persönliche Erfahrung zu etwas erklärt wird, was bei DIS immer so ist und persönliche Konzepte entworfen werden, die anderen schaden könnten. Manchmal verbreiten Experts by Experience offen Falschinformationen, weil sie ihr eigenes Erleben wörtlich nehmen und nicht fähig sind zu reflektieren, wo das durch Trauma oder Dissoziation verschoben ist (zB die ‘Illusion of Separateness’: ‘wir sind viele getrennte Personen in einem Körper und das ist einfach so. Die da hat Trauma, ich nicht.’) Wir sind auch nur Fake Experten, wenn wir das als Wahrheit präsentieren. Indem wir erklären, dass es sich um persönliche Konzepte handelt, können wir dem vorbeugen. Oft liegt das Problem gar nicht bei den Experts by Experience sondern in der Art, wie ihre Follower die Konzepte weiterverbreiten und dabei unkritisch einordnen.)
Logische Trugschlüsse
Gute Logik funktioniert so, dass wahre Aussagen (Prämissen) korrekt miteinander verbunden werden und daraus eine neue, wahre Aussage entsteht. Ich bin weiblich. Ich habe eine Schwester. Meine Schwester hat mindestens eine Schwester. Bei logischen Trugschlüssen, stimmt was mit der Schlussfolgerung nicht. ‘Der Himmel ist blau’ ist zumindest manchmal wahr. ‘Blau wird oft dafür verwendet, kalte Temperaturen darzustellen’ stimmt in unserem Kulturkreis. ‘Deswegen ist der Himmel kalt’ ist keine logische Folge, die irgendwie Sinn ergibt. Um logische Trugschlüsse zu erkennen, hilft es, die Prämissen zu identifizieren und zu prüfen, ob da wirklich eine logische Verbindung besteht. Die Aussage ‘Menschen mit DIS sind leicht hypnotisierbar’ und ‘Menschen in Hypnose können so beeinflusst werden, dass sie sich, solange die Hypnose andauert, wie andere Personen verhalten’ führt nicht zu dem logischen Schluss ‘ DIS wird von Therapeut:innen verursacht, die bei Leuten neue und auch über die Hypnose hinaus anhaltende Persönlichkeiten installieren, auch wenn es keinen Beweis gibt, dass das geht, Patient:innen schon Symptome hatten bevor sie zu diesen Therapeut:innen gekommen sind und Aufnahmen jeder einzelnen Sitzung dokumentieren, dass so etwas nie stattgefunden hat’. Es gibt da keinen logisch gültigen Weg zu solchen Schlüssen zu kommen. Wir schauen uns eine Reihe spezifischer logischer Trugschlüsse an:
- Ad Hominem: Bei dieser Technik wird eine Person oder ihr Charakter angegriffen, um von ihren Argumenten abzulenken. Wir sehen das, wenn Expert:innen kritisiert werden, weil sie Beziehungen in ihrem Privatleben in der Sand setzen oder wenn es um Einzelfälle von Behandlungsfehlern geht. Onno van der Harts fataler Behandlungsfehler mit einer Patientin liefert ein gefundenes Fressen für Menschen, die jetzt die gesamte Theorie zur strukturellen Dissoziation, an der er mitgearbeitet hat, als schlecht hinzustellen. Die Tatsache, dass die peer-reviewed und breit anerkannt ist, wird unwichtig. Ihm wird eine stereotype Rolle zugeordnet (der böse Täter!), also ist alles, was er je gesagt hat falsch und böse und wir brauchen uns gar nicht mehr anschauen, was er in den Jahrzehnten vor diesem Vorfall geschrieben hat. Es gibt gute Argumente, mit denen man diese Theorie kritisieren kann, zB dass die daraus abgeleiteten Diagnosekriterien Bockmist sind, mit dem niemand was anfangen kann, weil sie Struktur beschreiben statt Symptome und Anzeichen. Es braucht da gar keine Ad hominem Angriffe. Die dienen nur der Ablenkung vom Inhalt.Eine weitere Art, wie Expert:innen oft angegriffen werden, ist ihnen vorzuwerfen, sie seien ‘besessen’ von dem Thema und anzudeuten, dass ihr eigener ‘Glaube’ in ein Phänomen sie Dinge sehen lässt, die nicht real sind. Schließlich scheinen sie so viel mehr Menschen mit DIS zu finden als andere, die da gar nicht dran glauben…
- Verfälschte Darstellungen: eine Situation wird irreführend dargestellt, um einen bestimmten Effekt zu erzeugen. Oft wird das verwendet, um leicht beweisen zu können, dass ein Argument der Gegenseite falsch ist: es wird von Anfang an falsch dargestellt. Wir sehen das zB in Situationen, von DIS-Leugner:innen behaupten, Expert:innen hätten gesagt, da leben mehrere Menschen in einem Körper. Dann wird sich darüber lustig gemacht. Expert:innen haben sowas schon seit Jahrzehnten nicht mehr in Betracht gezogen. Das Konzept von Anteilen der Persönlichkeit ist grob falsch dargestellt. Sowas nennt man ein Strohmann Argument.Manchmal werden auch uralte Hypothesen präsentiert und dann widerlegt, dabei hat das die wissenschaftliche Gemeinschaft von längst selbst getan und niemand arbeitet mehr mit dieser Hypothese. Wissenschaft wird damit als dumm und hinterweltlerisch dargestellt.
- Mehrdeutigkeiten: Die Bedeutung von Worten wird verwendet, um Verwirrung zu stiften oder ähnliche Worte werden behandelt, als würden sie das gleiche aussagen, um Konzepte falsch darzustellen. Wir sehen das manchmal, wenn es um die Worte Integration und Fusion geht, die synonym verwendet werden, obwohl es deutliche Unterschiede gibt. Aus ‘Das Ziel von Therapie ist mehr Integration’ wird plötzlich ‘Wir verlangen von Ihnen Fusion’ und das wurde nun mal nicht gesagt. Der Begriff Dissoziation wird für eine ganze Sammlung von sehr unterschiedlichen Phänomenen verwendet. Dann gibt es Behauptungen wie ‘Alle Dissoziation kann kontrolliert werden’, die ganze Behandlungskonzepte ruinieren. Sätze wie ‘Alle Menschen haben Anteile’ oder ‘Jedes Ich ist viele Teile’ sind ein weiteres weit verbreitetes Beispiel. Was ein ‘Anteil’ ist, wird nicht klar. Sprache verschleiert Fakten. Manche behaupten auch, dass die Theorie der strukturellen Dissoziation ja nur eine Theorie sei und deswegen nicht wichtig oder unwissenschaftlich. Der Gebrauch des Wortes Theorie in der Umgangssprache und in der Wissenschaft wird ausgetauscht.
- Übermäßige Vereinfachung: Fakten werden verzerrt, indem Nuancen und Differenzierungen weg gelassen werden oder Aussagen so weit verkürzt werden, dass es so aussieht, als könne man das so hinstellen. Zum Beispiel kann man den Fakt, dass Menschen mit DIS Kindanteile haben darauf verkürzen, dass sie sich wie Kinder verhalten. Menschen in Altersregression verhalten sich auch wie Kinder. Also sind Kindanteile bei DIS nur Regression. Alle Aspekte von Dissoziation werden ignoriert.
- Falsche Wahl: Uns werden 2 mögliche Erklärungen angeboten und Druck ausgeübt, uns auf eine festzulegen. So entsteht die Illusion, es gäbe gar keine anderen Möglichkeiten oder dass sie nicht parallel gültig sein können. DIS ist entweder immer gespielt oder immer real, wo sie in Wirklichkeit gespielt sein kann, oft aber real ist. Es gibt gar keinen Grund, warum nur eins davon wahr sein müsste.
- Einzige Ursache: Es wir davon ausgegangen, dass nur ein Faktor eine Rolle spielt. Der Gedanke, dass es mehrere Ursachen geben könnte, wird zurück gewiesen. Wenn es um DIS geht, sind die Ursachen, auf die Menschen bestehen, oft schlicht falsch: Fantasie und Rollenspiel, Einreden von Therapeut:innen, Tricks um Aufmerksamkeit zu bekommen, sozial verstärkte Verhaltensauffälligkeiten usw. Das sind alles nicht nur Einzige Ursachen sondern auch noch widerlegte. Manchmal werden die Ursachen mit Hilfe von tatsächlichen Daten diskutiert. Meinungen, die darauf bestehen, dass alleine Disorganized Attachment oder alleine extreme Gewalt die Ursachen sind, bewegen sich auch innerhalb dieser Trugschlüsse. Es ist recht klar, dass mehrere Einflüsse zusammen kommen müssen und Trauma und Bindung zwei davon sind. Es gibt keine einzige Ursache. Es wird allerdings noch erforscht, wie viel Gewicht jedem Einfluss zukommt und das ist noch offen.
- Falsche Analogien: Bei dieser Technik wird eine Ähnlichkeit in einem Bereich verwendet um zu folgern, dass es auch Ähnlichkeiten in anderen Bereichen geben muss. Menschen mit DIS hören Stimmen, sie wie Menschen mit Schizophrenie. Deswegen nutzt es auch beiden Gruppen, Antipsychotika zu nehmen, um diese Symptome zu managen. Die 5-6% der Menschen mit einer offen sichtbaren Version von DIS ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich. Histrionische Menschen erzeugen Drama, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Also wollen Menschen mit DIS nur Aufmerksamkeit, wenn sie switchen. Das sind Logikfehler, die offensichtlich keinen Sinn ergeben, die aber ständig verwendet werden, um Menschen mit DIS zu stigmatisieren und abzuwerten.
- Falsche Fährte/Red Herring: Unsere Aufmerksamkeit wird mutwillig von eigentlichen Argument oder den Fakten weg gelenkt, hin zu nebensächlichen Anekdoten oder unwichtigen Details, die kaum noch etwas damit zu tun haben. Das soll uns dazu verleiten, thematisch in einem Kaninchen Loch zu verschwinden, sodass das eigentliche Thema nicht mehr präsentiert und diskutiert wird. Das wird manchmal auch mit Sea Lioning kombiniert. Menschen suchen sich ein irrelevantes Detail und verlangen dann mehr Informationen dazu, auch wenn es nicht wichtig ist, und vom Thema ablenkt.Eine spezielle Version dieser Taktik wird Blow Fish Strategie genannt. Kleine Probleme mit den Methoden von Studien werden auseinander genommen und Dinge, die das Ergebnis nicht dramatisch verändern, als haarsträubend und inakzeptable dargestellt. Studien sind nie perfekt und die Probleme werden deswegen im Artikel behandelt und hervorgehoben. Das ist keine Kritik, die den Forschenden nicht selbst bewusst gewesen wäre. Ein klassisches Problem bei DIS ist die Sample Size. Es gibt einfach nicht genug Menschen mit DIS, die stabil genug sind, um an Forschung teilzunehmen oder sie sind schwer zu rekrutieren. Die Forschung in dem Bereich ist ohnehin kaum finanzierbar. Kleine Teilnehmendenzahlen sind ein reales Problem. Das bedeutet nicht, dass die Ergebnisse völlig unbrauchbar sind. Andere Studien zB zur Effektivität von Behandlungskonzepten arbeiten ohne Kontrollgruppe, weil die Forschenden versuchen, so viele Teilnehmende wie möglich zu finden. DIS Forschung ist weit offen für Kritik an den Methoden, weil die ihre eigenen Probleme mit sich bringt. Es werden dabei aber immer wieder Projekte angegriffen, die gut genug sind, um anständige Ergebnisse zu liefern. Das Problem ist nicht immer so groß, wie wir das glauben sollen.
Unerfüllbare Erwartungen
Menschen erwarten völlig unrealistische Standards oder ein Maß an Gewissheit, das mit unseren wissenschaftlichen Methoden nicht erreicht werden kann. Einer der großen Problembereiche betrifft Korrelation vs Kausalität. Um eine Kausalität zu beweisen, brauchen wir komplette Kontrolle über eine Situation. Dann verändern wir genau einen Aspekt und beobachten und messen, wie sich das auswirkt. Es ist ethisch nicht möglich, auf diese Weise Trauma Wissenschaft zu betreiben. Wir können keine kleinen Kinder isolieren, gezielt traumatisieren und dann schauen, was passiert. Tatsächlich haben das Nazi Wissenschaftler so gemacht und Gruppierungen, die sich Mind Control bedienen, tun das heute noch, aber das ist keine Option für ethische Wissenschaft. Das bedeutet, dass wir keine echte Kausalität beweisen können und werden. Alles, was wir bekommen, ist eine starke Korrelation. Unerfüllbare Erwartungen verlangen eine Kausalität, damit das Ergebnis akzeptabel ist. Selbst wenn die Korrelation viel stärker ist als in anderen Bereichen, wo sie nie auf den Gedanken kommen, den Zusammenhang anzuzweifeln. Empirische Wissenschaft folgt Regeln und wir können keine Ergebnisse erwarten, die sich mit unseren wissenschaftlichen Methoden nicht erreichen lassen.
Eine spezielle Version von unerfüllbaren Erwartungen besteht darin, die Messlatte ständig zu verschieben. Hier sehen wir oft noch mehr Sea Lioning. Wir bieten angemessene Beweise an und sofort werden neue Beweise verlangt. Es ist nie genug. Wenn es da eine Studie gibt, dann muss die repliziert werden. Aber auch wenn es 5 Studien mit ähnlichen Ergebnissen gibt, wie zu der Rolle von Fantasiefähigkeit, ist es nicht genug. Eine Hypothese wird nicht aufgegeben, egal wie viele Beweise es gibt, weil es nicht um Fakten geht.
Umgekehrt wird die Messlatte für Beweise der bevorzugten Hypothese immer weiter runter gesetzt. Auch Forschung, deren Methoden fragwürdig sind, wird akzeptiert, wenn sie nur das gewünschte Resultat zeigt. Plötzlich sehen wir, wir eine Studie hoch gehalten wird, in der nicht eine teilnehmende Person eine DIS hat, die aber eine Hypothese zu DIS beweisen soll. Wie kann das eine DIS Studie sein? In einer anderen Situation wir das fälschliche Erinnern eines Wortes auf einer Liste verwandter Begriffe als Beweis gewertet, dass falsche Erinnerungen von schwerster Traumatisierung auch existieren müssen. Aus der Tatsache, dass Erinnerung nicht immer ganz exakt ist, folgt dann, dass Erinnerungen von Gewalt grundsätzlich falsch sind.
Rosinen-Picken
Nur kleine Ausschnitte von Daten oder Forschung werden akzeptiert und der Rest ignoriert. Leugnende suchen sich aus, was für Informationen ihnen gefallen und achten nicht weiter auf Forschung oder auf Widersprüche, die es bei den von ihnen gewählten Informationen gibt. Wir sehen das gerade öfter, wenn Menschen behaupten, dass es für DIS keine ‘Heilung’ gibt, weil Fusion nicht anhält. Tatsächlich gibt es bei neu fusionierten Menschen eine Neigung, unter Stress wieder auseinander zu fallen. Das ist wahr, ist aber nur ein sehr kleiner Teil der Wahrheit, der das Zeugnis von fusionierten Menschen über die Jahrzehnte ignoriert. Fusion ist eine reale Option und Menschen werden alt, sehen ihre Urenkelkinder und sterben, ohne wieder auseinander zu fallen. Es ist schlicht nicht wahr, dass das unmöglich ist. Wie weit soll die Messlatte noch verschoben werden als bis zum Tod? Es gibt noch mehr Informationen um das Thema drum rum, als nur die Tatsache, dass Fusion an Anfang instabil sein kann. Es braucht da eine Menge Verleugnung und Missachtung denen gegenüber, die geheilt sind und deren Weg dokumentiert ist.
Eine spezielle Form von Rosinen-Picken verwendet Anekdoten als Argumente. Weil etwas in einem Fall wahr ist, muss es auch in anderen Fällen so ein. Manche Menschen täuschen eine DIS vor. Und manchmal gibt es falsch-positive Diagnosen. Das bedeutet nicht, dass alle DIS vortäuschen oder alle Diagnosen falsch-positiv sind. In der Realität täuschen Menschen auch ganz andere Störungen vor und bei jeder Diagnose kommt es zu falsch-positiven Fällen. Die Situation hat gar nicht spezifisch etwas mit DIS zu tun. Die Vermutung, dass der berühmte Fall von Sybil wohl gar nicht echt war, wird als Argument gegen die gesamte Diagnose verwendet, statt das als einen isolierten Fall zu betrachten.
Eine leicht andere Version von Rosinen-Picken wird als Faultier Induktion bezeichnet. Das taucht da auf, wo Menschen Informationen ignorieren, die zugänglich wären, weil sie nicht zu ihrer Meinung passen. Sie eignen sich bewusst keine ausgeglichene Sicht an und lassen relevante Information aus. Wir sehen das oft in den Medien oder auch bei Therapeut:innen, die aktuelle Forschung leugnen und lieber bei ihren veralteten Ideen bleiben. Gehirnstudien, die vorhersehbare Veränderungen im Gehirn von Menschen mit DIS zeigen, werden ignoriert. Das ist ja eine rein psychische Sache. Gehirnforschung, die beweist, dass Anteile unterschiedlich sind und man sich in diese Unterschiede nicht ‘reinsteigern’ kann, selbst wenn man das beruflich macht, werden ignoriert. So genannte Profis bleiben lieber bei frei erfundenen Konzepten und sind gegen Daten immun. Es gibt da einen Unterschied zwischen Unwissenheit, weil es schlicht unmöglich ist mit jedem Bereich der psychologischen Forschung mitzuhalten, und der mutwilligen Ablehnung von Informationen, die ungelegen kommen und die einem zu viel Mühe machen.
Wunschdenken gehört ebenfalls in diese Kategorie. Dabei konzentriert man sich auf Details, die einem gefallen und ignoriert andere Informationen, sodass daraus Fantasien erwachsen, die nicht mehr in Daten verwurzelt sind. In der Regel sind Therapie Techniken, die uns versprechen, auch komplexes Trauma schnell und sauber zu heilen, eine Art von Wunschdenken. Die Teilnehmenden werden Rosinen-gepickt und normale Präsentationen einer Diagnose ausgeschlossen (zu viele Komorbiditäten für tolle Forschung). Dadurch, dass nur mit den leichtesten Fällen ohne Komplikationen gearbeitet wird, verzerrt sich das Bild hin zu etwas, das zu gut aussieht, um wahr zu sein. Drop-out Raten werden unter den Teppich gekehrt, um das Bild nicht zu stören. So landen wir bei hübschen, sauberen Studien über die unwahrscheinlichsten Patient:innen, die uns versprechen, dass das so auch mit allen anderen funktioniert. So kann man sich das auch schön reden.
Verschwörungstheorien
Organisierte Wissenschaftsleugnung beinhaltet auch die Erschaffung von Verschwörungstheorien rund um das Thema. Eine große Verschwörung, wurde von der False Memory Foundation erfunden. Die haben behauptet, dass Patient:innen alles erfinden, um das Leben ihrer Täter:innen zu ruinieren oder dass Therapeut:innen sich verschworen haben, um ihnen Erinnerungen einpflanzen, um damit anderen Menschen zu schaden. Das hat nie viel Sinn ergeben. Betroffene benennen ihre Peiniger selten und zu Anklagen kommt es noch viel seltener. Symptome zeigen sich, bevor Menschen in Therapie gehen, sonst würden sie das nicht tun und oft genug gibt es Narben, die Gewalt beweisen. Theorien zu falschen Trauma Erinnerungen sind seit vielen Jahren widerlegt. Es ist in der Tat möglich, Menschen glauben zu lassen, sie hätten wahrscheinlich Bugs Bunny im Disneyland gesehen. Ihnen vorzutäuschen, sie wären im Disneyland gewesen, obwohl sie das nie waren, ist deutlich schwieriger. Und niemand entwickelt unkritisch Erinnerungen von Misshandlungen, nur weil sie eine Geschichte darüber erzählt bekommen haben. Das ist nicht wissenschaftlich. Heute wissen wir, dass sich da Täter:innen zusammen getan haben, um ihre Opfer vor Gericht unglaubwürdig zu machen. Die False Memory Foundation ist eine Täter-Organisation. Aber es scheint, dass ihre Verschwörungstheorie von eingepflanzten Erinnerungen sie noch eine Weile überleben wird.
Eine andere Bewegung, die versucht Überlebende von ritueller Gewalt zu diskreditieren und eine Verschwörung drum herum zu erschaffen ist die Satanic Panic Bewegung. Das ist eine lose Gruppierung, die darauf besteht, dass Berichte zu ritueller Gewalt eine Verschwörung sind. Auch da sollen sich mal Betroffene und mal Therapeut:innen organisiert haben, um solche Geschichten in die Welt zu setzen. Wir haben Umfragen bei nicht-spezialisierten Therapeut:innen, die zeigen, wie weit verbreitet glaubwürdige Berichte von ritueller Gewalt sind. Wir sind da nicht ganz ohne Daten und im Bereich von Meinungen. Jedes Argument, das Betroffene vorbringen, wird in die Verschwörungstheorie eingearbeitet, verdreht und umgedeutet. Schließlich sind die Opfer hier die Verschwörer. Sich öffentlich über Menschen lustig zu machen, die Überlebenden ritueller Gewalt helfen und alle bisher genannten Techniken werden verwendet, um die Aufmerksamkeit von existierenden Täterstrukturen abzulenken.
Dazu kommt das Chaos, das Q Anon verursacht, indem sie Beweise für real existierende extreme Gewalt an Kindern teilen, Material, das durch organisierte Tätergruppen entsteht, und das verwenden, um ihre eigenen Verschwörungsmythen zu untermauern. Das lässt echte Zeugnisse aussehen, als sei man nur Teil dieser Gruppe und stellt eine Verbindung her zu deren abstruser Lehre zu anderen Themen. Das zerstört jede Glaubwürdigkeit, selbst wenn manches davon wahr sein sollte, schlicht weil es in einen inakzeptablen, unwissenschaftlichen Kontext eingebunden wird. Es hilft kein bisschen, wenn bekannte DIS Therapeutinnen dann auch noch damit sympathisieren. Es gibt sicher sowas wie ‘Verschwörungen’ in der organisierten Gewalt und Ausbeutung. Aber nicht alle Verschwörungen haben auch was miteinander zu tun. Wenn wir uns DIS anschauen, dann werden uns alle möglichen wilden Geschichten begegnen und es braucht kritisches Denken, um herauszufinden, was real ist, was falsch dargestellt wird und was einfach nur Unfug ist. Hier hilft es in der Regel, den Betroffenen zuzuhören und nicht denen, die über sie reden.
Ein spezifisches Problem, das bei Verschwörungsmythen auftaucht, wird Quote Mining genannt. Menschen suchen die Literatur ab nach Sätzen oder Satzteilen, die sie aus dem Zusammenhang nehmen können, um ihre Bedeutung zu verändern. Diese Zitate werden dann neu interpretiert und ganze Artikel darüber geschrieben, wie sie neu interpretiert werden und mit der Aussage oder Intention der Autor:innen hat es nichts mehr zu tun. Wenn ihr zB diesen Text nehmt, dann findet ihr darin die Worte ‘Wir sind auch nur fake Experten’. Beim Quote Mining wird sowas aus dem Kontext genommen, mein Name würde unter das Zitat geschrieben werden und das dann benutzt werden, um der ganzen Welt zu beweisen, dass ich zugegeben habe zu betrügen. Dabei ist es unwichtig, dass ich mich nie als Expertin bezeichnet habe oder dass es um ein andere Thema ging. Wenn wir Zitate sehen, die uns merkwürdig vorkommen, müssen wir den Kontext prüfen. Es gibt da keine Verschwörung, kein Geheimwissen und keine Beichten. Manche Menschen verfolgen nur eine eigene Agenda und benutzen alles, was sie kriegen können, um sie zu verbreiten.
Dieser Artikel dient nicht dazu, alle Falschinformation zu DIS zu untersuchen, die es so gibt und die Beispiele decken nicht alle Themen ab. Ich möchte vor allem zeigen, dass es Techniken gibt bei der Wissenschaftsleugnung und dass die von Menschen verwendet werden, die DIS Forschung leugnen. Wenn wir die Techniken kennen, wird es leichter sie zu erkennen, wenn sie jemand bei uns verwendet. Das kann uns Ideen geben, wie wir das Gespräch beeinflussen können, um wieder zurück zu den Fakten zu kommen oder wie wir Trugschlüsse konfrontieren können. Vielleicht bemerken wir auch bei uns selbst Logikfehler und Stellen, an denen wir noch mehr Wissen brauchen. Alle sind zumindest ein bisschen durch das Wissen geprägt, das sie schon haben und neigen dazu, andere Bereiche zu übersehen. Indem wir unser Verständnis erweitern, bekommen wir ein besseres Bild davon, wie der wissenschaftliche Diskurs tatsächlich aussieht und können einen Fake Diskurs dadurch besser erkennen, der nur dazu gedacht ist uns abzulenken. Achtet dabei darauf, dass es möglich ist, dass andere nur ungebildet sind und etwas wiederholen, was sie irgendwo aufgeschnappt haben. Viele Leute schauen sich Forschung gar nicht an. Sie vertrauen den falschen Leuten und plappern denen ihre Argumente ungefiltert nach.
Es ist immer ok, sich nicht mit Menschen auseinander zu setzen, die mutwillig Techniken der Wissenschaftsleugnung anwenden. Die wissen genau, was sie da tun und es ist unwahrscheinlich, dass unsere Argumente ihre Meinung ändern. Das Problem ist kein Mangel an Wissen. Es ist wohl ihre eigene Agenda. Wir können die Diskussionen auch den Spezialist:innen überlassen und uns die Energie sparen. Es ist trotzdem immer erlaubt, Bullshit zu konfrontieren, wo immer er uns begegnet.
Ihr findet hier eine Reihe Videos, die die Techniken von Wissenschaftsleugnung auf englisch und am Beispiel vom Klimawandel erklären und die wir als Vorlage benutzt haben.
Johanna says
Vielen Dank! Das gibt uns richtig Boden gerade. Das ist die beste Zusammenfassung all dieser Techniken, die wir bisher gefunden haben.
Theresa says
Nur um das deutlich zu machen, ich hab für den Überblick auch die verlinkte Quelle verwendet und nicht irgendwie das Rad neu erfunden…
Andrea says
vielen Dank, das war sehr lohend zu lesen – wir kennen das PLURV in Zusammenhang mit Corona und Klimawandel, es jetzt noch mal für DIS zu lesen, war sehr spannend und wichtig. Zumal wir gerade extrem betroffen davon sind. wir würden dich gerne nach einer besonderen Quelle fragen – könnten wir direkten Kontakt per Mail haben ?