Die digitalen Möglichkeiten zur Vernetzung und Interessenvertretung werden immer wichtiger. Es ist viel einfacher, eine Gruppe von Menschen aus dem ganzen Land zu einer Videokonferenz einzuladen, als sie alle an einem Ort zusammenzubringen. Wenn dann noch spezielle Interessen oder ein Nischenthema dazukommen, wird es unmöglich, überhaupt interessierte Leute zu finden, ohne das Internet zu nutzen. Im vergangenen Jahr war ich mit politischer Arbeit beschäftigt, bei der ich an mehreren langen Online-Sitzungen teilgenommen habe, die Breakout-Gruppen, digitale Abstimmungen und Arbeit an kniffligen Trauma Themen mit völlig Fremden umfassten. Das hier ist eine Sammlung von Tricks, die ich gelernt habe, um mit diesem digitalen Setting zurechtzukommen. Ich werde euch durch einen speziellen BDA-Plan führen, weil digitale Konferenzen genauso geplant werden können wie jede andere schwierige Situation. Die Ideen können auch für Arbeitstreffen und digitale Therapien hilfreich sein. Warum das für euch vielleicht auch im Sinne einer Betroffenen-Beteiligung wichtig werden könnte, erzähle ich euch am Ende.
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Vorher
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Der Hintergrund
Wählt den Raum, in dem ihr euch aufhalten werdet, mit Bedacht. Viele Menschen fühlen sich bei Videoanrufen in ihrem sicheren Raum zu Hause unwohl, weil sie das Gefühl haben, dass sie Fremde in diesen Raum hineinlassen. Das muss sich nicht so anfühlen. Wir werden einfach eine Kulisse für den Videoanruf erschaffen.
Zuerst wählen wir einen Hintergrund. Etwas, das wir anderen Menschen zeigen wollen. Das kann ein digitales Bild sein, indem ihr einen Filter verwendet. Wenn ihr euch dafür entscheidet, vergewissert euch, dass diese Option auf der Plattform, die für das Treffen verwendet wird, verfügbar ist. Normalerweise gibt es die Möglichkeit, den Hintergrund unscharf zu machen. Manchmal verwenden Leute die weißen Flächen, auf die sie ihre Filme projizieren, als Hintergrund.
Ich möchte etwas anderes vorschlagen. Nutzt euren Hintergrund für euch. Ihr könnt so tun, als wärt ihr ein Streamer oder Content Creator und einen inszenierten Hintergrund aufbauen, in dem ihr Dinge platziert, die ihr mögt, die euch das Gefühl geben, kompetent zu sein oder die euch beruhigen. Erinnerungen an eure Kompetenzen von heute sind von unschätzbarem Wert. Wählt Dinge aus, die ihr problemlos anderen Menschen zeigen könnt. Ich präsentiere gerne eine Sammlung meiner Lieblingstextbücher, denn wenn ich sie anschaue, erinnert mich das daran, dass ich tatsächlich ein paar Dinge weiß. Besprecht die Optionen mit allen Innen. Einige fühlen sich vielleicht nicht wohl dabei, private Dinge zu zeigen. Die Zeit, die ihr in die Erstellung eines Hintergrunds für Videobesprechungen investiert, lohnt sich und so ein Hintergrund kann immer wieder verwendet werden. Ihr könnt die Gelegenheit nutzen, um Ressourcen in das Bild von euch selbst zu platzieren, das ihr auf dem Bildschirm sehen werdet. Niemand wird es bemerken, aber ihr eben schon. Wenn möglich, ist es gut, euren Hintergrund in einem Videogespräch mit jemand Bekanntem zu überprüfen, um sicherzugehen, dass es so funktioniert, wie ihr es geplant habt.
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Der Ausblick
Der nächste Punkt, an dem wir arbeiten werden, ist unser eigener Ausblick, wenn wir am Computer sitzen. Niemand sonst wird das sehen, und das ist gut so, denn es bedeutet, dass wir eine Szene vor uns aufbauen können, die sich absichtlich von den schwierigen Themen unterscheidet, über die wir sprechen werden. Wir können so viele visuelle Ressourcen einbauen, wie wir wollen. Dazu gehören zB all die Plüschtiere, die wir brauchen, um uns aufzumuntern, Erinnerungsstücke an Sicherheit und Verbundenheit mit geliebten Menschen, einen guten Blick auf den Ort, an dem unser Haustier schläft, oder was immer uns hilfreich erscheint. Wenn es ein ermutigendes Wort oder einen ermutigenden Satz gibt, an den ihr euch während des Treffens erinnern möchtet, könnt ihr ihn an einer gut sichtbaren Stelle anbringen. Plant ein, regelmäßig von eurem Bildschirm aufzuschauen und etwas Schönes zu betrachten. Unser Gehirn ist nicht für Bildschirme gemacht. Eine so enge Fokussierung der Aufmerksamkeit, während man stillhält, wird vom Gehirn als Zeichen von Gefahr interpretiert. Niemand wird es bemerken, wenn ihr regelmäßig über die Kamera hinausschaut. Eure beste Strategie ist vielleicht nicht, euren sicheren Raum zu verlassen, um ihn vor Fremden zu schützen. Stattdessen nutzt ihr ihn und kontrolliert sehr genau, was für andere sichtbar ist.
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Ressourcen
Dann wenden wir uns unseren Sinnen und Ressourcen zu, die uns bei der Regulation und beim Grounding helfen können. Ich verwende normalerweise einen Aromadiffuser mit einem frischen und lebendigen Duft, um das Grounding zu unterstützen. Ich finde Orangenöl persönlich sehr passend dafür. Fragt euch, welche Art von Sinnesanregung hilfreich sein könnte. Wenn ihr ohnehin Kopfhörer benutzt, könnten ihr beruhigende Musik im Hintergrund eures Computers laufen lassen. Ich bevorzuge die Klaviersammlungen von Studio Ghibli für angenehme Vibes.
Was wir mit unseren Füßen machen, ist besonders interessant, wenn es um Grounding geht. Achtet darauf, dass euer Stuhl es erlaubt, beide Füße fest auf den Boden zu stellen. Das braucht ihr, um euch schnell zu erden. Versucht aber nicht, die ganze Zeit mit den Füßen still zu sitzen. Das führt leicht zu einem Gefühl von Erstarren oder Steckenbleiben. Niemand wird es merken … ihr müsst keine Schuhe oder Socken tragen. Ihr könnt eine Matte aus Kunstgras unter den Tisch legen und eure Füße darüber bewegen. Ihr könnt auch einen kleinen Ball unter eure Füße legen und versuchen, ihn in Mustern zu bewegen. Sensorische Aufgaben mit den Füßen, die Bewegung beinhalten, können zu den wichtigen Grounding Techniken bei digitalen Meetings gehören. Ihr müsstet das nur vorbereiten.
3-Punkte-Anker
Eure Kleidung ist eine weitere Möglichkeit, Ressourcen und Grounding hinzuzufügen. Plant eure Garderobe im Voraus. Die Menschen sehen nur, was auf dem Bildschirm zu sehen ist. Alles andere liegt ganz bei euch. Ich verwende eine 3-Punkte-Ankertechnik, bei der ich immer meine Füße, das Gefühl meiner Hände auf dem Stoff und das Gefühl meines Rückens an der Stuhllehne, abchecke. Ich verwende spezielle Stoffe, die sich angenehm anfühlen, und mein Stuhl ist so gewählt, dass er guten Halt bietet. Diese Ankertechnik kann man überall anwenden und gewöhnt sich sehr schnell daran. Man prüft immer 3 Körperanker in einer bestimmten Reihenfolge, um sich zu erden. Füße – Stuhl – Rücken ist das häufigste Ankermuster fürs Grounding.
Teaming
Switching lässt sich nicht immer vorhersagen oder kontrollieren, aber ihr könnt versuchen, dafür zu sorgen, dass bestimmte Anteile vorne sind, um die Sitzung zu managen, während andere hinten im System abgelenkt werden. Vielleicht lohnt es sich, dissoziative Barrieren hochzuziehen. Anteile, die in einem Bereich kompetent sind, rutschen oft einfach nach vorne, wenn ihr Thema aufkommt, und allein die Tatsache, dass ihr an einer Sitzung teilnehmt, kann dazu führen, dass der Wechsel zu euren Gunsten erfolgt. Die Innenkinder sollten wissen, dass es nicht ihre Aufgabe ist, etwas zu dem Projekt zu sagen oder es zu managen. Sie können zuschauen, wenn sie neugierig sind. Euer System könnte von Signposting vor dem Treffen profitieren.
Dies sind alles Dinge, die ihr vorher vorbereiten oder üben könnt.
Während
Wir sollten uns auch auf die Dinge vorbereiten, die wir während eines digitalen Treffens tun.
Getränke
Ich achte immer darauf, dass ich viel zu trinken habe. Warme Getränke helfen dem Körper manchmal, sich zu entspannen und nicht so ängstlich zu sein, besonders wenn sie gesüßt sind. Meine Therapeutin für Somatic Experiencing besteht darauf, dass ich warmen Tee statt Kaffee trinke, um meine Nerven zu beruhigen. Ich höre nicht immer darauf und jedes warme Getränk hat mir bisher geholfen. Je nach Stressreaktion sind kühle Getränke und viel Wasser vielleicht besser für euch geeignet. Trinken reguliert das Nervensystem. Ihr werdet mich in jedem meiner Online-Meetings mit einer Tasse in der Hand sehen. Die Wahl einer schönen Tasse ist ein Bonus.
Snacks
Essen ist genauso regulierend. Es ist vielleicht nur nicht so gesellschaftlich akzeptiert. Aber je größer die Online-Konferenz ist, desto weniger interessiert es die Leute. Es handelt sich nicht um ein Arbeitsgespräch mit der Abteilungsleitung. Ich stelle immer sicher, dass ich Snacks da habe und frage mein System, welche Art von Snack für die jeweilige Situation angemessen ist. In letzter Zeit habe ich eine Schachtel Pralinen auf meinem Schreibtisch, weil mein inneres Team der Meinung ist, dass die Schwierigkeit der Aufgaben nach Pralinen verlangt. Ich versuche, zumindest Kekse oder besonderes Obst bereitzuhalten. Das verändert die Atmosphäre. Jetzt habt ihr ein warmes Getränk und Kekse auf dem Tisch und euer Gehirn weiß, dass diese Dinge ein Signal für eine gemütliche Zeit mit Freund*innen sind und nichts Gefährliches. Man unterhält sich einfach nur.
Pausen
Das nächste große Thema sind die Pausen. Ihr könnt jederzeit eine Pause einlegen, wenn ihr wollen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das zu tun. Erst mal könnt ihr die Kamera für eine Weile ausschalten. Vor allem in langen Besprechungen ist es ziemlich anstrengend, sich immer so zu verhalten, dass die anderen es sehen können. Kameras fallen immer wieder wegen technischer Probleme aus. Niemand wird es euch übel nehmen, wenn ihr die Kamera für eine Weile ausschaltet, um euren Körper und Geist ein wenig zu entspannen. Ihr könnt auch jederzeit den Ton abschalten. Nehmt euch einfach eine Pause von der ganzen Sitzung, schaut euch um, werdet euch bewusst, dass der Raum um euch herum dazu da ist, eure Bedürfnisse zu erfüllen, und dass die Realität im Bildschirm daran nichts ändert. Wenn ihr ihn ausschalten, ist diese Realität verschwunden. Ihr haben die Möglichkeit, sie während des digitalen Events jederzeit auszuschalten. Ihr könnt das sogar einfach mal testen, nur um sicherzugehen, dass es geht.
Eine weitere kleine Technik, um sich eine mentale Pause zu verschaffen, besteht darin, sich im Stuhl zurückzulehnen. Während ihr aktiv sprecht, solltet ihr aufrecht und mit voller Körperspannung dabei sein. Während ihr zuhört, lehnt ihr euch zurück. Das signalisiert dem Körper, dass man sich problemlos zurücklehnen kann, weil es gerade so sicher ist. Ich empfehle auch Armlehnen am Stuhl. Dann unser warmes Getränk dazu, und die Stimmung ist schon eine ganz andere.
Sich zu bewegen kann sehr hilfreich sein, um weiter zuhören zu können. Wenn ihr das Mikrofon und die Kamera ausschaltet und kabellose Kopfhörer verwendet, könnt ihr euch frei bewegen. Ich habe einmal während einer besonders gruseligen Sitzung mit Hunderten von Teilnehmenden nebenher mein Geschirr abgewaschen. Nobody will know. How would they know. Wenn wir etwas mit den Händen machen, herumlaufen oder sogar kurz auf einem Trampolin hüpfen, stört das nicht die Präsentationen, die andere in einem Meeting vortragen. Ich würde empfehlen, jede Gelegenheit zu nutzen, um sich zu bewegen, auch wenn die Sitzung läuft. Man erstarrt sonst zu schnell.
Bei solchen Treffen sind auch offizielle Pausen eingeplant. Niemand plant die für euch, ihr kriegt nur eine Auszeit. Es ist ratsam, diese Pausen für Bewegung und Selbstfürsorge zu nutzen. Geht auf die Toilette, deckt euch neu mit Snacks und Getränken ein, schaut Innen nach, was die anderen brauchen. Wenn ihr an einer ganztägigen digitalen Konferenz teilnehmt, sind die Pausen in der Regel länger als ein paar Minuten. In diesen Fällen ist es sinnvoll, nach draußen zu gehen. Geht eine Runde um den Block. Es geht nicht nur um die Bewegung, sondern darum, in der realen Welt zu sein, das normale Leben zu sehen, frische Luft zu atmen und die erdende Wirkung davon zu spüren. Das ist besonders wichtig, wenn eure Sitzungen triggernde oder emotional herausfordernde Themen enthalten. Ein Spaziergang hilft, aus dem Thema herauszutreten und die aktuelle Realität um euch herum wahrzunehmen.
Nützliche Techniken
‘Welt auf dem Bildschirm, Welt um mich herum’
Wir brauchen eine Form von Pendulation mit unserer Aufmerksamkeit, um mit den wirklich schwierigen Themen fertig zu werden. Wir hören zu, wir tragen bei, und wir kommen auch immer wieder aus dem Thema heraus. Sonst könnten wir uns in dem Abgrund des Problems verfangen. Indem wir uns regelmäßig aus dem Thema herausbewegen, und sei es auch nur für eine kurze Zeit, verhindern wir, dass wir in der Emotion oder Erinnerung stecken bleiben. Eine meiner Lieblingsübungen ist „Welt auf dem Bildschirm, Welt um mich herum“, bei der sich die Aufmerksamkeit zwischen diesen Realitäten bewegt und wir unserem Gehirn erlauben zu erkennen, dass im Moment nichts Schlimmes passiert. Es passiert alles nur in einem Gerät. (Mehr)
‘Nur ein Wort’
Ein weiteres wichtiges Werkzeug zum Grounding, das ihr kennen solltet, nennen wir ‘Nur ein Wort’. Manchmal sagen Menschen in Sitzungen triggernde Sachen. Wenn unser Gehirn ein Wort hört, verbindet es das mit einem Bild oder einer Erinnerung und plötzlich haben wir es mit einer inneren Erfahrung zu tun, die über das bloße Aussprechen eines Wortes hinausgeht. Es entsteht eine innere Realität. Wir können diese Realität unterbrechen und auflösen, wenn wir uns daran erinnern, dass das alles nicht real passiert. Es war nur ein Wort. Jemand hat ein Wort gesagt. Das ist alles. Mit der Zeit kann ein inneres Team lernen, auf diese Ankündigung zu reagieren und sich zu beruhigen. Sie lernen zu verstehen, dass ‘nur ein Wort’ ein Signal der Entwarnung ist, dass nichts Schlimmes passiert ist. (Mehr)
Tröster
Manchmal sind Sitzungen schwierig. Sie sind frustrierend oder sie bringen Themen zur Sprache, die uns traurig, hilflos oder unglücklich machen. Es ist klug, persönliche Tröster in der Nähe zu haben. Vor allem, wenn wir es mit den emotionalen Reaktionen jüngerer Anteile zu tun haben und nicht nur mit unseren eigenen. Ich habe immer ein Stofftier in Reichweite sitzen. Wenn es klein genug ist, kann es auf unserem Schoß bleiben, während wir eine Sitzung beenden. Andere gute Trostspender sind Kissen, Decken, jede Quelle von Wärme oder Weichheit, Bilder oder Sätze usw. und idealerweise eure Snacks und Getränke. Bereitet etwas vor, um euch zu trösten und euch beizustehen. Wenn ihr das nicht während der Sitzung benutzt, dann spätestens hinterher, während ihr die Sitzung verarbeitet. Ihr dürft während einer Besprechung aufstehen und die benötigten Dinge holen. Das Schöne an Meetings zu Hause ist, dass ihr Zugang zu allen euren Ressourcen habt.
Umgang mit der Stummschaltung
In sehr, sehr kleinen Besprechungen, vielleicht in hybriden Settings, an denen nur ein oder zwei Personen digital teilnehmen und die anderen sich persönlich treffen, kann es hilfreich sein, das Mikrofon die ganze Zeit eingeschaltet zu lassen und es während des Gesprächs nicht stummzuschalten. Wenn man sein Mikrofon ausschaltet, signalisiert man sich selbst, dass man zu Schweigen hat. Es ist ein zusätzlicher Schritt erforderlich, das Mikrofon wieder einzuschalten, um überhaupt wieder an der Unterhaltung teilnehmen zu können, und das kann auf manche Menschen eine verstummende Wirkung haben. Man hört dann zu, ohne ein Wort zu sagen, und fühlt sich hinterher schlecht, ohne den Grund dafür zu kennen. Macht das nicht in großen Besprechungen. Die kleinen Geräusche häufen sich und stören das Gespräch, bis die Moderation euch stumm schaltet. Niemand mag diese Person in einer großen Besprechung. In einem größeren Rahmen müssen alle der Moderation signalisieren, wenn sie sprechen möchten, und das Problem wird dadurch kleiner.
Danach
Stress löst sich nicht in Luft auf, wenn eine Sitzung beendet ist und alle ihre Geräte ausgeschaltet haben. Wir müssen immer noch mit der Spannung in unserem Körper umgehen. Das könnte ein guter Zeitpunkt sein, um eure vorbereiteten Tröster zu nehmen und euren Gefühlen mehr Raum zu geben. Die habt ihr während des Meetings ganz bestimmt zurückgehalten. In Fällen, in denen die Gefühle überwältigend werden, nutzt ihr Ressourcen und eure Regulationsfähigkeiten. Es braucht vielleicht mehr als nur Trost, aber normalerweise braucht es mindestens etwas Trost. Digitale Arbeit ist anstrengend!
Bewegung kann helfen, Spannungen aus dem Körper zu lösen. Ihr können entweder schauen, ob es bestimmte Bewegungs- oder Artikulierungsimpulse gibt, die ihr während des Meetings zurückgehalten habt, und diesen folgen (oder euch vorstellen, ihnen zu folgen). Je eher ihr die Energie aus eurem Körper herausbekommt desto besser werdet ihr schlafen. Manchmal ist es am besten, spazieren zu gehen und etwas frische Luft zu schnappen.
Bei Sitzungen, die mental anstrengend waren, braucht es manchmal eine Phase, in der ihr Gedanken aufschreibt, damit ihr sie verarbeiten könnt. Manche Menschen verarbeiten ihre Gedanken am besten, wenn sie mit anderen sprechen, und vielleicht ruft ihr dann jemanden an, um von euren Erfahrungen zu berichten. Wenn ihr dem Gehirn die Möglichkeit gebt, Inhalte so zu verarbeiten, wie es das möchte, wird sich auch der Schlaf verbessern und die Regulation wird einfacher.
Belohnungen sind für Betroffene teilweise schwer zu ertragen. Manche Sitzungen sind so stressig, dass sie zumindest eine Form des Ausgleichs brauchen. Sprecht mit eurem inneren Team darüber, welche Art von Ausgleich nötig ist, damit ihr diese schwierigen Dinge tun dürft. Vielleicht braucht es einen Ausflug in den Zoo oder ins Schwimmbad, ein besonderes Eis oder etwas Ähnliches. Achtet darauf, dass die Belohnung/Entschädigung zu dem inneren Stress passt, den das Treffen verursacht hat, und sich angemessen anfühlt. Weder ein Zuviel noch ein Zuwenig wird sich befriedigend anfühlen, und Anteile haben in der Regel einige Ideen, was sie für angemessen halten, die sich auch von Meeting zu Meeting ändern können. Jede freiwillige Arbeit, die das System stark belastet, braucht eine Form des Ausgleichs. Sonst wird sie irgendwann sabotiert, weil die anderen es nicht mehr mittragen. Was immer ihr tut, soll sich gut anfühlen. Es muss nicht teuer oder extrem sein.
Bei der Reflexion eines Meetings fallen vielleicht Dinge auf, die ihr daraus lernen könnt, und vielleicht fallen Dinge auf, die die Veranstalter lernen können. Rückmeldungen darüber, wie gut ein digitales Setting für euch funktioniert hat und was die Erfahrung für die Teilnehmenden verbessern könnte, sind in der Regel gern gesehen. Besonders in Bereichen, in denen Betroffene ausdrücklich eingeladen sind, ist diese Art von Feedback willkommen und sogar notwendig.
Achtet darauf, dass ihr den Danach-Plan in die Planung aufnehmt. Ich weiß, dass es sich unnötig anfühlt, aber es ist immer notwendig. Die wirklich kniffligen Situationen entstehen nach den Sitzungen, wenn wir aus dem Funktionsmodus heraustreten und die Emotionen uns einholen. Macht immer eine komplette Vorbereitung, die einen Danach-Plan einschließt.
Strategien für Menschen mit Zielen
Manchmal geht man in eine Sitzung und versucht einfach nur, ein Gefühl dafür zu bekommen, was vor sich geht, oder man ist dort, um etwas zu lernen. Vielleicht kommt ihr aber auch mit eigenen Ideen und Zielen, und der Rahmen ist tatsächlich offen für sie oder wurde extra geschaffen, um euch zu beteiligen. Dann ist es sinnvoll, eine Strategie vorzubereiten, die zu euren Zielen passt.
Wenn das Ziel ist, Kontakte zu knüpfen, solltet ihr mit so vielen Menschen wie möglich sprechen. Nehmt an Chats teil und wählt unterschiedliche Breakout-Gruppen über den Tag. Ihr maximiert die Anzahl der Personen, die euch bemerken und sich an euch erinnern, wenn ihr immer eine bestimmte Sache hervorhebt, wenn ihr euch vorstellt.
Ihr versucht, eine Idee oder ein Projekt bekannter zu machen? Bringt das Thema mindestens einmal während eines Treffens ins Gespräch. Ein Satz kann ausreichen. Bereitet euch darauf vor, das Thema in jeder Sitzung anzusprechen, wenn es eine Reihe von Sitzungen gibt. So bleibt das Thema in den Köpfen der Leute präsent. Es ist völlig gleichgültig, ob es zum aktuellen Gespräch passt oder nicht, solange ihr es auf einen Satz beschränkt. Ihr könnt sogar darauf hinweisen, ‘das ist zwar gerade off topic, aber…’. Wiederholung ist eine wichtige Strategie, und es ist ein langfristiges Spiel.
Ihr versucht, Unterstützung für eure Sache zu gewinnen? Fragt euch, wer anwesend sein wird und wie auch diese Menschen von eurem Anliegen profitieren könnten. Warum sollten sie interessiert sein? Legt euch gute Argumente zurecht. Unter Stress fällt es dem Gehirn schwer, schnell und logisch zu denken. Während eine Diskussion neu auf gute Argumente zu kommen, ist fast unmöglich. Überlegt euch das vorher.
Manchmal ist es die beste Strategie, Fragen vorzubereiten. Sie markieren die Bereiche, in denen Lösungen benötigt werden und fehlen. Ihr braucht nicht alle Lösungen präsentieren. Ihr könnt auch als Lernende kommen und die Art von Fragen stellen, die den Diskurs in eine hilfreiche Richtung lenken. Ihr helft allen, nachzudenken und Ideen zu entwickeln. Sich als bewusst Unwissend in eine Sitzung zu begeben, kann ein sehr wirkungsvoller Schachzug sein, der dazu führt, dass alle schnell lernen. Menschen aus Minderheiten sollten besonders aufpassen, kluge Fragen zu stellen, weil Leute euch viel schneller für ignorant oder dumm halten. Wer die Wissenslücken aller aufzeigt, steht mit ihnen gleichwertig da.
Ihr könnt auch so anfangen, dass ihr euch fragt, was ihr zu bieten habt. Wie kann euer Wissen, eure Erfahrung, Fähigkeiten oder Ausbildung für andere von Nutzen sein? Ihr helft zuerst anderen und unterstützt ihre Ziele, und dann bitten ihr um Hilfe in einer Sache, die euch wichtig ist. Das ist eine meiner Lieblingsstrategien, wenn ich mir über meine eigenen Ziele nicht im Klaren bin, ich aber schon mal Connections für die Zukunft aufbauen möchte .
Wenn ihr euch auf ein Thema vorbereitet, ist es wichtig, die Art der Arbeit zu verstehen, an der ihr teilnehmt. Wer nimmt teil, was ist das Ziel des Treffens, was wird mit den Ergebnissen geschehen und wer wird angesprochen (z. B. bei einer Interessenvertretung)? Das Setting bringt einen bestimmten ‘Code’ für die Kommunikation mit sich, Wege, die Aktionen nehmen können, und seine eigene Subkultur. In der Politik zu arbeiten bedeutet, in einer Subkultur zu arbeiten, die den meisten Menschen nicht vertraut ist. Aber jede Art von Aktivismus bringt unausgesprochene Regeln und eine Art Verhaltenscode mit sich. Je besser man sich auf diese Codes einstellen kann, desto mehr Einfluss kann man haben. Traumatisierte können sich oft extrem schnell an die Gegebenheiten anpassen, weil wir es gewohnt sind, nach dem Code der Situation zu suchen, um eine Rolle darin zu spielen, ohne negativ aufzufallen.
Sprecht mit anderen über Strategien und lasst euch von ihnen helfen, Kompetenzen darin auszubauen. Manchmal ist ein gezielter Konflikt das richtige Mittel, aber die Arbeit mit offenen Konflikten erfordert so viel stabilere Fähigkeiten im Umgang mit Strategien, dass sie für Anfänger nicht zu empfehlen ist. Man lernt mit der Zeit mehr Strategien, wenn man mit Menschen spricht, die sie besser beherrschen als man selbst. Bleibt offen, um zu lernen, wie sich andere Menschen auf eurem Gebiet durchsetzen.
Warum erzähle ich euch das alles?
Ein wenig liegt es daran, dass ich mich selbst darauf vorbereite, noch aktiver an digitalen Treffen teilzunehmen. Hauptsächlich liegt es daran, dass ich im letzten Jahr extrem gute Erfahrungen mit Betroffenen-Beteiligung und politischer Interessenvertretung gemacht habe. Und ihr habt auch die Möglichkeit, das auszuprobieren. Aus unserer Sicht ist ein in Deutschland aktives Netzwerk von Betroffene für Betroffene, das sich gerade solide aufstellt, um mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt zusammen etwas zu bewegen. Dort gibt es Angebote wie Vorträge, Fachtage zu bestimmten Themen und auch eine langfristig geplante Beteiligung, wo ihr in Arbeitsgruppen einsteigen könnt, um mit eurem Wissen und euren Erfahrungen Einfluss auf Politik und Angebote zu nehmen. Das ist gut organisierter Aktivismus mit Biss und wird von Leuten begleitet, die sehr viel Erfahrung damit haben, wie man sich politisch durchsetzt und nicht wieder nur eine Aktion macht und dann passiert nichts. Viele der Treffen sind digital. Ich habe bisher nur Gutes gehört und unterstütze Aus Unserer Sicht mit meinen Möglichkeiten. Vielleicht schaut ihr einfach mal rein und achtet dabei besonders darauf, ob eine der Arbeitsgruppen für euch passen würde. Die Anmeldung dafür läuft jetzt. Weil das von Betroffenen gestaltet wird, die Ahnung haben, was es braucht, ist es nicht so schwierig wie andere Settings von Betroffenen-Beteiligung. Ich glaube ganz ehrlich, dass in solchen Netzwerken die Zukunft liegt. Wir werden gefragt. Und wir haben was zu sagen. Und nun gibt es eine Plattform, wo uns auch zugehört wird.
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