Es gibt verschiedene Schulen was das Yoga angeht und obwohl Trauma-sensitives Yoga eine abgewandelte Form des Hatha Yogas ist, könnte man es als eigene Schule ansehen. Das heißt, dass du nicht automatisch Trauma-sensitives Yoga kriegst, wenn du dich für einen Yogakurs anmeldest. Du musst da genau nachfragen. Wenn du keinen Kurs für Trauma-sensitives Yoga findest, ist es besser das zu Hause zu probieren, als an einem normalen Kurs teilzunehmen.
Bevor es anfängt
Bitte sprich zuerst mit deinem Arzt, insbesondere wenn du körperliche Probleme hast. Der kann dir sagen, welche Posen oder Bewegungen du lieber vermeiden solltest.
Sprich auch mit deiner T darüber. Vielleicht möchtest du in der Therapie über deine Yoga Erfahrungen sprechen.
Nimm dir etwas Zeit und überlege, was an Yoga vielleicht schwierig für dich sein könnte. Körperarbeit ist herausfordernd. Es kostet einiges, diese Ängste zu überwinden und es ist völlig in Ordnung zu entscheiden, dass es noch zu viel ist.
Bitte sei dir bewusst, dass es beim Trauma-sensitiven Yoga nicht die Frage ist ob du getriggert wirst, sondern wann. Die Arbeit mit dem Körper bringt Gefühle und Erinnerungen hoch. Das kann ein unheimlich wichtiger Schritt zur Heilung sein, aber nur, wenn du auch entsprechende Fähigkeiten zur Selbstregulation hast. Geh durch deine Bewältigungsstrategien und stelle sicher, dass du alles hast, was zu brauchst, um dich zu beruhigen, sollte etwas hoch kommen. Yoga zeigt keine schnellen Resultate, es braucht Übung, eine regelmäßige Auseinandersetzung mit dem Körper und uns selbst. Letztendlich wird es dir helfen dich zu regulieren, wenn du getriggert bist.
Merkmale von Trauma-sensitivem Yoga
Wenn du nach einem Kurs oder einen Video zum mitmachen suchst, gibt es bestimmte Merkmale nach denen du Ausschau halten solltest, die Trauma-sensitives Yoga auszeichnen und von anderem Yoga unterscheiden,. Achte darauf, dass so viele davon wie möglich schon umgesetzt sind oder behalte sie zumindest immer im Hinterkopf, während du übst, ob zu Hause oder in einem Kurs.
- Körperfokus und Nüchternheit: trauma-sensitives Yoga hat keinen spirituellen Aspekt, es bleibt mittels Achtsamkeit beim Körper und beschäftigt sich nicht mit Themen wie Chakras, Energiefluss oder eins mit einer spirituellen Welt werden. Es leugnet nicht die Verbindung von Körper und Emotion und dass Gefühle hoch kommen, aber es zielt nicht darauf ab.
- Selbstfürsorge: Selbstfürsorge und Selbstliebe haben den höchsten Stellenwert. Wenn eine Haltung sich unerträglich anfühlt oder Schmerzen verursacht, musst du das nicht aushalten. Du bist immer wichtiger, als eine perfekte Pose. Lerne hier sanft mit dir zu sein.
- Reflexion: du wirst während der ganzen Zeit darin angeleitet mit achtsamer Aufmerksamkeit auf deinen Körper zu hören.
- Stellenwert des Lehrers: trauma-sensitives Yoga folgt keinen Guru, du bist dein eigener Guru. Es ist gut Anweisungen zu folgen, wenn es darum geht eine Pose richtig zu machen um Verletzungen zu vermeiden, aber abgesehen davon ist es wichtiger auf dich selbst zu hören, deinen Inneren Lehrer, als auf den Yoga Lehrer. Du allein kannst hören, was dein Körper kommuniziert und wann er sagt, dass du aufhören oder weniger tun solltest. Ein Lehrer für Trauma-sensitives Yoga wird dich immer anleiten auf dich selbst zu hören.
- Führung: Was immer die Lehrerin sagt, ist als Vorschlag oder Einladung formuliert, nicht als Befehl. Wenn du etwas nicht tun möchtest kannst du eine Pause machen oder etwas anderes, was sich besser anfühlt. Du tust das Richtige für dich, was nicht das selbe sein muss, wie das, was die Lehrerin vorgeschlagen hat. Sie wird nicht verärgert darüber sein, sondern sogar stolz.
- Wählen: Dir werden Vorschläge für Posen und mögliche Variationen der selben Pose angeboten zB unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Es ist deine Aufgabe das zu erforschen und herauszufinden, was sich an diesem Tag richtig anfühlt. Während die Lehrerin eine grundlegende Struktur vorgibt, der man folgen kann, gibt es immer noch viel Raum um eigene Entscheidungen zu treffen.
- Forschen: du wirst ermutigt dein Erleben zu erforschen und innerhalb von Posen zu experimentieren, etwas abzuwandeln oder anzupassen.
- Keine Bewertung: Du machst alles so gut du kannst. Der Lehrer korrigiert vielleicht eine Pose, sollte Verletzungsgefahr bestehen, aber gewöhnlich lässt man dich einfach experimentieren ohne zu bewerten, wie du dich gerade um dich kümmerst. Du wirst allerdings auch nicht gelobt werden, um zu vermeiden Scham in dir oder bei anderen im Raum zu triggern.
- Selbstwirksamkeit: Du wirst ermutigt Dinge im Raum zu verändern, um dein Erleben zu verbessern. Das könnte heißen sich eine Decke zu nehmen oder Yoga Blöcke oder andere hilfreiche Gegenstände oder auch Vorschläge zu machen was die Beleuchtung oder Belüftung angeht.
- Berührung: Deine Yoga Lehrerin wird dich nicht berühren, es sei denn du bittest speziell um diese Unterstützung. Statt dessen wird sie dir durch Vormachen oder mit Worten erklären, wie man etwas macht. Sie bleibt auch immer an einem Platz und läuft nicht im Raum umher.
- Countdown: der Lehrer hilft dir ein Gefühl für Zeit zu entwickeln, in der Stunde und auch in der Pose und zählt die Zeit runter, die noch in einer Pose verbleibt, sodass du merkst, dass auch unangenehme Posen ein Ende haben.
- Raum: Idealer Weise ist der Raum ruhig, gut beleuchtet, hat keine Fenster, die es möglich machen von Außen rein zu schauen und ist triggerfrei (keine Yoga Gurte) bei mittlerer Temperatur.
- Tempo: Die Geschwindigkeit ist sehr langsam im Vergleich mit normalen Yoga Kursen. Die Lehrerin sagt Dinge wie „wenn du bereit bist“ oder „nimm dir Zeit“ um dich durch die Posen zu leiten ohne zu hetzen. Es sollte genug Zeit sein sich des Körpers gewahr zu werden, etwas auszuprobieren und darüber zu reflektieren.
Trauma-sensitives Yoga wird nicht überall angeboten. Du kannst aber in deinem örtlichen Yoga Zentrum nachfragen, ob sie bereit wären, sich näher damit zu beschäftigen. Ich kann die Bücher von David Emerson dazu empfehlen.
Für manche Menschen ist es eine Überforderung sich einer Gruppe anzuschließen oder immer bereit für Yoga zu sein, nur weil der Zeitplan das so vorsieht. Man kann Trauma-sensitives Yoga auch zu Hause machen, mit einer Liste von Posen oder einem Video. Achte darauf, dass jemand, der was von Yoga versteht, dir zeigt, wie man die Posen richtig macht. Das lernt sich nicht gut durch Bilder im Internet. Die sagen einem nicht, wie man das Becken kippen muss, wohin sich das Gewicht verlagert und wie man Verletzungen vermeidet.
YouTube ist voll von Yoga Videos. Hör dir einige an und vergleiche den Stil mit den Merkmalen von Trauma-sensitivem Yoga, die oben aufgelistet sind. Je mehr eine Lehrerin schon verwendet, desto einfacher wird es zu folgen ohne selbst immer an alles denken zu müssen.
Ich selbst mache Yoga zu Hause und verwende YouTube Videos von Adriene Mishler. Ihr findet sie unter Yoga with Adriene. Sie läd manchmal dazu ein, sich über spirituelle Aspekte Gedanken zu machen, aber ohne Druck dem nachzugehen und die Geschwindigkeit ist für absolute Anfänger zu hoch, aber sie erfüllt alle anderen Kriterien. Das ist auf Englisch und man braucht ein bisschen Vokabeln was die Körperanatomie angeht, aber die Sprache an sich ist nicht schweres Englisch. Wenn du das probieren möchtest, würde ich anraten mit der 30-Tage Yoga Revolution Serie zu beginnen (das muss man nicht in 30 Tagen machen!!), weil die einen guten Einstieg in den Grundgedanken von achtsamen Yoga und verschiedenen Posen bietet.
Ich bin keine Yoga Lehrerin. Ich kann nur erklären wie sich Trauma-sensitives Yoga von anderem Yoga unterscheidet um dir zu helfen, das selbst anzupassen. Du kannst meine persönlichen Erfahrungen mit Trauma-sensitivem Yoga, verschiedenen Posen und dem Problem von Dissoziation hier finden.
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tigerkatze says
Ich habe die Bücher von David Emerson auch gelesen (und kann sie empfehlen) und kann nur sagen: Sehr gute Artikel zum Thema! Alles wichtige gut erklärt, alle notwendigen Informationen enthalten.
Bravo!
Probiert es aus, es lohnt sich!