Die Arbeit mit dem Tonfeld ist eine Mischung aus ganz unterschiedlichen Therapiekonzepten. Wir sehen Elemente von Kunsttherapie, Psychoanalyse, Gestalttherapie und sensumotorischer Psychotherapie. Ich ordne das für mich als eine Form der Körpertherapie ein, bei der der Körperfokus auf die Hände und das, was wir damit erleben können, beschränkt ist und wo unsere Hände stellvertretend für unseren ganzen Körper oder unser Wesen stehen. Hände sind etwas besonderes, weil dort berührt zu werden auch immer heißt, dass wir zurück berühren, und anders rum. Das fühlt sich oft sicherer und machtvoller an, selbst für Menschen, die ihr Bewusstsein für ihren Körper meist dissoziieren.
Tonfeld-Arbeit beginnt mit einer soliden Holzkiste voll Ton, einer Wasserschale und einer Rolle Küchenpapier auf dem Tisch.
Die Kiste voll Ton, das Tonfeld, wird zu einem Spiegel für unser Leben, unsere Beziehungen und unsere Seele.
Wir bewegen uns darin, indem wir motorischen Impulsen mit unseren Händen folgen. Wenn wir einen nötigen Bewegungsimpuls abgeschlossen haben, halten wir kurz inne und nehmen das spürbare Gefühl (felt sense) davon war, wie sich das anfühlt, was wir gemacht/erschaffen haben. Ein/e Tonfeld T leitet uns dabei an und stellt sicher, dass wir uns weder in gedankenlosen Bewegungen noch in intensiven Gefühlen verlieren.
Die erste Aufgabe im Tonfeld ist es, einen sicheren Ort zu finden, etwas, wohin wir zurück kehren können, wenn Gefühle für uns zu schwierig werden. Das kann ein Ort im Tonfeld sein, die wunderbar solide Kiste oder sogar die Wasserschale. Es ist wichtig, dass diese Sicherheit mit dem Körper und mit Achtsamkeit wahrgenommen wird; für manche ist das vielleicht das erste mal in ihrem Leben, dass sie dieses körperliche Gefühl von Sicherheit erleben und das alleine kann schon ein riesiger positiver Schritt für Überlebende sein.
Nachdem wir ein wenig ausprobiert haben, wie sich der Ton anfühlt und auf verschiedene Handlungen unserer Hände reagiert, können wir uns erlauben, unseren motorischen Impulsen zu folgen. Man weiß, dass das ein wichtiger Teil der Trauma Verarbeitung ist (Levine), weil diese Bewegungen während der traumatischen Erfahrung unterdrückt werden und diese Energie in unserem System ‘stecken bleibt’. Jeder Impuls zu schlagen, wegzudrücken, zu kratzen oder zu boxen usw kann ein Ventil und Ausdruck im Tonfeld finden. Hände, die sich verstecken wollen, können sich im Ton eingraben und dort spüren, wie sie gehalten sind. Angeekelte Hände können die Kiste von all dem dreckigen Ton befreien und sie putzen, bis es sich rein und frei anfühlt. In dieser Phase können wir eine Erleichterung spüren, wenn wir das beenden und uns richtig gut fühlen. Gleichzeitig haben wir meist auch eine Szene im Tonfeld erschaffen, die ein Problem wieder spiegelt, mit dem wir gerade jetzt, heute, leben. Wir bewegen uns weg vom ringen mit der Vergangenheit und kommen in der Gegenwart an. Obwohl an dieser Stelle eine große Erleichterung eintritt, ist die Arbeit erst zur Hälfte getan.
In der nächsten Phase geht es darum, etwas Neues in unseren Leben zu erschaffen. Wenn die Kiste zuvor leer war, können wir sie jetzt füllen, wie wir das wollen. Wir folgen dabei immer noch motorischen Impulsen, unserem Instinkt für Heilung, nicht unserem Kopf, deswegen weiß auch niemand vorher, was wir da erschaffen werden: es ist ganz unseren Händen überlassen. Oft kehren dabei Dinge, die aus der Kiste entfernt wurden, wieder zurück, allerdings mit einer neuen Bedeutung. Wasser aus der Schale kann zu jeder Zeit in die Kiste gegossen werden, um den Ton weicher zu machen. Hände, die getrennt (dissoziiert) voneinander gearbeitet haben, können zusammen finden. Das Problem, was vorher sichtbar wurde, wird auf irgendeine Art gelöst und die spürbare Wahrnehmung davon (felt sense) verändert uns als Person. Das wirkt erstaunlich tief und setzt Fertigkeiten in uns frei, die uns helfen, ein anderes Leben zu leben.
Nach all der sensorischen Arbeit hilft der/die Tonfeld T uns, auch alles mit unserem Verstand zu ergreifen, was wir da durchgemacht haben. Vorher ging es nur um die Hände und ums spüren, aber damit die Erfolge auch anhalten, müssen wir es auf allen Ebenen verstehen. Deswegen gibt es gegen Ende der Stunde dann mehr Austausch und Gespräch.
Tonfeld Ts bleiben die ganze Zeit an unserer Seite, mit Ermutigungen, Bestätigung und Pacing. Sie behalten uns im Auge, sodass wir jederzeit sicher sind und erinnern uns an unseren sicheren Ort zur Regulation und Pendulation (Levine). Das ist notwendig, weil die Arbeit mit Trauma knifflig ist und solche Pausen deutlich bei der Verarbeitung helfen.
Ihr braucht dazu eine/n ausgebildete/n Tonfeld T, ihr könnt das nicht alleine zu Hause machen.
Menschen mit einem Hintergrund von Kindheitstrauma und/oder Vernachlässigung, die recht stabil sind und schon weiter in ihrer Therapie, profitieren am besten. Das Tonfeld taugt auch für traumatische Erfahrungen in frühen/präverbalen Entwicklungsphasen.
Grundlegende Stabilisierung kann mit diesem Ansatz unterstützt werden, aber das ist nicht dessen größte Stärke. Wie bei aller Körperarbeit halte ich es für das Beste, parallel dazu Gesprächstherapie zu nutzen und dort mehr über Selbst-Regulation und Selbst-Beruhigung zu lernen. Alle Trauma Arbeit, auch die im Tonfeld, braucht zuerst eine Grundlage.
Ich würde diesen Ansatz nicht für hoch-dissoziative Menschen oder DIS Systeme empfehlen, es sei denn, ihr findet jemanden genau da drauf spezialisiertes.
Weil ich weiß, wie schwer es sein kann innere Arbeit zu erklären, gibt es ein Fallbeispiel (Konflikt mir grenzüberschreitender Mutter, keine sexuellen Übergriffe), um euch zu zeigen, wie das aussehen könnte.
Theresa kommt zur Tonfeld Therapie, um an ihrer ungesunden Beziehung zu ihrer Mutter und Misstrauen gegen Frauen im allgemeinen zu arbeiten.
In ihrer ersten Stunde mit dem Tonfeld berührt Theresa den Ton gar nicht. Ihre T beobachtet, wie sie mit abwehrenden Gesten davor zurück weicht und kleine, ängstliche Laute von sich gibt. Eine wichtige Regel des Tonfeldes ist, dass wir mit allem umgehen können, solange wir den Ton berühren können. Wenn das nicht möglich ist, ist es wichtig, das zu respektieren. Ihre T lädt sie ein, es statt dessen mit der Wasserschale zu probieren, aber obwohl sie die wenigstens anschauen kann, traut sie ihr nicht genug, um ihre Hände rein zu stecken. Also lädt ihre T sie ein auf ihre Impulse zu achten, was zu tun ist. Sie schiebt das Tonfeld von sich weg, und schubst es über den Rand des Tisches hinaus (wo die T das auffängt und auf dem Boden abstellt, keine Tonfelder sind zu Schaden gekommen!). Weil sich das noch nicht ausreichend anfühlt, ermutigt die T sie, den Raum zu verlassen, dann auch die Tür hinter sich zu schließen, um sich völlig vom Tonfeld zu entfernen, und dann zu spüren, wie sich das anfühlt. Theresa ist in der Lage, sich zu beruhigen und übt das den Raum verlassen mehrmals und spürt dabei, wie gar nichts schlimmes passiert.
Das Gespräch geht darum, ‘Nein’ sagen zu dürfen und die Mutter vom Thron in ihrem Leben zu schubsen.
Zuhause findet Theresa endlich den Mut der Mutter Grenzen zu setzen und sich selbst der ständigen Einmischung zu entziehen. Dieser Schritt hatte sich vorher nie sicher angefühlt, tut es jetzt aber, nachdem sie gespürt hat, wie ok es ist, das Tonfeld hinter sich zu lassen.
In der zweiten Stunde betritt Theresa den Raum und schiebt das Tonfeld gleich ans Ende des Tisches, wo sie es tolerieren kann. Ihre T lädt sie ein, die Wasserschale mit den Händen zu erforschen. Theresa fasst mit ihrer rechten Hand hinein und spürt Klarheit der Gedanken und Spaß daran das Wasser in Mustern zu bewegen. Ihre linke Hand ist unter dem Tisch versteckt. Theresa bittet um kaltes Wasser, weil sich das noch viel besser anfühlen würde. Ihre rechte Hand fühlt sich dort frisch und klar. Ihre T lädt sie ein, auch die linke Hand ins Wasser zu tun. Sie zieht die rechte Hand raus, irgendwie fühlt es sich an, als wäre da kein Platz für zwei Hände, obwohl das nicht stimmt, und streckt die linke Hand rein, zieht sie aber mit einem erschrockenen Geräusch zurück. Das kalte Wasser scheint weh zu tun. Ihre T gibt ihr statt dessen warmes Wasser. Ihre linke Hand, verkrampft und verkrümmt, entfaltet sich langsam im warmen Wasser und entspannt.
Theresa und ihre T sprechen über die Kluft zwischen den beiden Händen. Weil die T auch mit Anteilen arbeitet, sieht sie sehr klar, dass eine Hand die Klarheit reiner Gedanken von Theresas ANP repräsentiert und die andere bedürftige, vernachlässigte und verletzliche EPs, mit Dissoziation, die sie trennt. Theresa bemerkt, wie viel besser es sich anfühlt, wenn es warmes Wasser für die linke Hand gibt; was ein bisschen Fürsorge, Wärme und Nähe für diesen Teil von ihr tun können.
Zuhause verbessert sie ihre Selbstfürsorge erheblich und achtet mehr auf ihren Körper und ihre Bedürfnisse, statt nur im Kopf zu sein.
In der nächsten Stunde findet Theresa in der warmen Wasserschale einen sicheren Ort für ihre linke Hand und traut sich jetzt auch, den Ton zu berühren. Sie ist recht ängstlich, berührt die Oberfläche und reagiert verwirrt, als sie sieht, dass ihr Hände Spuren im Ton hinterlassen. Gesehen zu werden oder sichtbare Spuren ihrer Gegenwart zu hinterlassen erzeugt starke Gefühle und leichte Dissoziation und sie wendet sich direkt zur Wasserschale zum regulieren. Später in der Sitzung kann sie in den Ton greifen und ihn festhalten und spüren, wie der Ton sie stützt, ihr Stabilität und einen sicheren Halt gibt. Ihre Körperhaltung verändert sich, sie findet Stabilität in der Wirbelsäulenausrichtung und Balance darin, wie die Füße jetzt aufstehen, während sie das Gewicht des Tons erforscht.
Zuhause findet sie immer mehr Situationen, wo der Boden, ein Stuhl, eine Yogamatte usw sie tragen und stützen. Sie lernt, sich besser zu erden durch dieses Gefühl vom Boden gehalten zu sein und ihre Dissoziation geht deutlich zurück. Ihre Haltung sieht stabiler und Körperteile besser verbunden aus.
Zurück beim Tonfeld setzt sich Theresa nun richtig mit dem Ton auseinander. Sie spürt Impulse zu hauen und weg zu schieben und folgt ihnen. Wann immer ihre T glaubt, dass es zu intensiv für sie wird, um das noch gut regulieren zu können, erinnert sie Theresa an die Wasserschale für eine kleine Regulationspause, bevor es weiter geht damit den Ton wegzuschieben, aus der Kiste heraus. Als der Ton draußen ist, geht das Gefühl von Verzweiflung und Abscheu zurück. Theresa wäscht ihre Kiste mit Wasser aus und reinigt die mit Küchenrolle bis sie wirklich völlig leer ist. Dann legt sie ihre Hände und Unterarme hinein, gegen entgegengesetzte Seiten der Kiste gepresst, um die Grenzen der Kiste gut zu spüren. Das fühlt sich richtig gut an, als wäre sie endlich bei Sich angekommen, ihrem eigenen Raum zum Sein, ohne die Einmischung der Mutter.
Das Gespräch zeigt, dass sie dort auch recht alleine ist und keinen weiblichen Beistand in die Nähe ihrer Kiste lässt, da ist kein Vertrauen und ihre Hände drücken sich voneinander weg und meiden die Mitte der Kiste; wohl Zeichen, dass da noch sehr viel Vermeidung ist.
Die Sitzung ist an dieser Stelle noch nicht vorbei. Die T lädt Theresa ein mit allen gegebenen Mitteln zu erforschen, was sich stimmig anfühlen würde. Also kippt Theresa etwas Wasser aus der Schale in die leere Kiste und erlaubt ihren Händen darin zu liegen. Ihre rechte Hand ist zuerst angespannt, kann sich aber nach mehrmaligen Berühren der soliden Kiste zur Orientierung auch im warmen Wasser entspannen. Nachdem sie das eine Weile wahrgenommen hat, wir es klar, dass etwas fehlt und Theresa nimmt sich Hände voll von Ton (der auf dem Tisch seine frühere Bedeutung verloren hat) und baut daraus eine Insel in der Mitte der Kiste, auf ihre linke Hand drauf. Die linke Hand fühlt sich stark gehalten und versorgt und das Gewicht des Tons ist beruhigend und beschützend. Nachdem das achtsam wahrgenommen wurde, bewegt sich die linke Hand darunter hervor und tastet, wie sich der Ton von außen anfühlt, während die rechte Hand das höher baut. Dann können die beiden Hände sich abwechseln damit, auf dem Hügel auszuruhen. Die T ist daran erinnert, wie Kinder an der Mutterbrust ruhen, hält aber den Mund dazu, weil Theresa Psychoanalyse für esoterischen Unsinn hält und streut später im Gespräch sanft Bedeutung dazu ein. Am Ende können beide Hände auf dem Hügel zusammen kommen, die rechte Hand umschließt dabei die linke in einer schützenden Geste.
Die ANP hat sich um die Bedürfnisse der EP gekümmert und sich an einen sicheren Ort weiblicher Fürsorge gebracht. Die Ablehnung ist aufgelöst, die Hände kommen zusammen und eine mütterliche Geste wird angenommen.
Zuhause findet Theresa mehr Zugang zu ihrem Frau-Sein und ihren Wünschen zu versorgen und versorgt zu werden. Sie wird offener und verletzlicher in ihren Freundschaften mit Frauen und erlaubt ihrer Gesprächs-T sie durch andere Trauma Arbeit hindurch emotional zu unterstützen.
Wie ihr seht, können Sitzungen völlig unterschiedlich aussehen und was wir dabei lernen sich stark unterscheiden, aber wenn wir innerlich nicht abschalten, erleben wir eigentlich immer etwas, was uns im Leben weiter bringt.Wenn ihr allerdings für symbolische Arbeit wie diese keinen Zugang findet, beschränkt das den Nutzen natürlich.
Ich glaube, das Tonfeld ist eine wertvolle Ergänzung zu eher traditioneller Behandlung und hilft auch durch tiefe Gefühle durchzuarbeiten, für die die Worte fehlen.
Mehr Informationen und TherapeutInnen findet ihr auf www.clay-field.com
Und für mehr strukturierte Therapie in einer Kiste:
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