Vor kurzem hat uns jemand übers Wochenende eine Klangschale zum experimentieren geliehen. Wir können es nicht leiden, wenn Therapie mit Esoterik vermischt wird, deswegen ersparen wir euch Sachen wie Chakra Massagen und die geheime Bedeutung bestimmter Frequenzen. Statt dessen schauen wir uns kleine Übungen an, die Achtsamkeit, Grounding, Regulation und die innere Arbeit mit Anteilen unterstützen. Für diese Übungen braucht ihr eine Klangschale. Eine App, die nur ein Geräusch macht, reicht nicht. Es muss aber keine Große sein, eine die auf die Hand passt reicht aus.
Einfaches zuhören
Viele Traumatisierte haben Probleme mit Achtsamkeitsübungen. Die Stille und das still halten bieten zu viel Raum für Erinnerungen. Hör-Übungen sind mit die leichtesten für Betroffene, weil wir sowieso pausenlos auf Geräusche lauschen, die Gefahr bedeuten könnten. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf den Klang der Schale fokussieren statt auf unser Umfeld, können wir kurz mal aufhören nach Gefahr zu lauschen und bleiben bei einem einzelnen ruhigen und klaren Ton.
Stellt eure Klangschale vor euch hin und schlagt sie an, um einen Ton zu erzeugen. Bemerkt, wie laut er ist und wie sich der Klang über die Zeit entwickelt. Wenn ihr ihn nicht mehr hören könnt, wartet einen Moment, bemerkt das, und dann schlagt erneut an.Wiederholt und bemerkt. Verschiedene Arten die Schale anzuschlagen verursachen jedes mal verschiedene Geräusche, eine andere Geräuschentwicklung. Folgt dem Klang mit eurer Aufmerksamkeit und atmet dabei weiter.
Alles geht vorbei
Während ihr zuhört, könntet ihr darüber meditieren, wie der Klang durch verschiedene Phasen geht, sich mit der Zeit verändert und dann verklingt und endet. So ist es mit vielen Dingen im Leben. Emotionen tauchen vielleicht erst sehr stark auf, aber ihre Energie ändert sich mit der Zeit und sie vergehen. Erinnerungen kommen mit Flashbacks hoch, aber dann kommt ein Erleben von Re-Orientierung und auch diese Erfahrung geht vorüber. Alle unangenehmen Erlebnisse verändern sich irgendwie und irgendwann klingen sie ab.
Wenn ihr Innen Anteile habt, die das Konzept von Zeit nicht (gut) verstehen, können sie mitmachen beim zuhören. Indem ihr auf die Qualität des Klanges am Anfang achtet, nach einer Weile, und wie er vergeht, könnt ihr erklären wie Zeit vergeht, sich immer nach vorne bewegt, und wie Dinge sich mit der Zeit verändern. Vielleicht mögt ihr euch vorstellen, wie oft so eine Klangschale schon angeschlagen und verstummt sein könnte zwischen heute und der Zeit, wo schlimme Dinge passiert sind. Und jedes Mal wenn ihr die Schale antippt und dem Ton zuhört, wie er verklingt, bringt die Zeit euch weiter weg von den schlimmen Ereignissen in eurem Leben. Lasst diese Erkenntnis einwirken.
Viel-Klänge
Wenn ihr genau zuhört, werdet ihr bemerken, dass so eine Klangschale gar nicht nur einen einzigen Ton macht. Das sind viele Schichten von Frequenzen. Wenn man zuerst anschlägt, gibt es vielleicht einen dominanten Ton. Aber mit der Zeit wird der leiser und andere Frequenzen können besser gehört werden. Wieder andere tauchen erst spät auf und bleiben am längsten. Es ist eine Schale und eine Situation sie zum klingen zu bringen, aber sie singt in vielen Stimmen. Sie alle gehören zu dieser spezifischen Klangschale und keine ist wichtiger als die andere. Es sind einfach Schichten von Frequenzen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftauchen. Reflektiert darüber, wo das Ähnlichkeiten hat mit den inneren Stimmen und damit, Anteil eines Ganzen zu sein.
Lebendige Vibrationen
Für diese Übung stellt ihr die Klangschale auf eure Hand. Es geht nicht um den Ton sondern um die Vibrationen der Schale, wenn sie klingt. Schlagt sie vorsichtig an und versucht zu spüren, wie sich das auf der Handfläche anfühlt. Bemerkt alles, was ihr in eurer Hand spürt und wiederholt den Ton so oft ihr wollt. Vielleicht könnt ihr spüren, dass eure Hand einen eigenen Rhythmus hat und euer Puls auf die Vibrationen der Schale trifft. Ihr seid eine lebendige Person mit euren eigenen Vibrationen, die in Kontakt mit den Vibrationen der Welt um euch herum sein kann. Es ist eine Sache das zu wissen, eine ganz andere es in der Hand zu spüren.
Körper-Bewusstsein
Diese Übung ist etwas schwieriger und wenn ihr eure Körperwahrnehmung chronisch dissoziiert, kann sie helfen aber sie könnte auch noch zu viel sein. Seid also vorsichtig und macht nichts, was zu viel Stress oder Panik auslöst. (Mehr)
Ihr könnt die Vibrationen der Schale dazu verwenden, euer Bewusstsein für verschiedene Körperteile zu erhöhen. Dazu stellt ihr die Klangschale auf ein Körperteil, schlagt sie an und versucht die Vibrationen zu spüren, die an dieser Stelle entstehen. Das kann sich weniger bedrohlich anfühlen als Berührung, es ist schließlich nur eine Schale. Wenn der Stoff dünn genug ist, muss man da auch nichts ausziehen, um es spüren zu können. Beginnt mit Armen oder Beinen, nicht mit dem Bauch. Macht langsam und geht nur so weit wie es gut machbar ist. In klassischen Ansätzen mit der Klangschale wird die gleich auf den Bauch gestellt und das kann ziemlich überfordernd sein. Ja das sieht alles komisch aus, aber das sieht ja niemand und ihr könnt damit experimentieren wo ihr die Schale abstellt, sogar auf der Stirn wenn das Spaß macht. Manchmal helfen die Vibrationen auch Verspannungen zu lösen.
Tönen
Summen oder Vokale klingen lassen ist eine gängige Übung, um Stress zu reduzieren und uns zu helfen, eine Stimme zu haben. Das kann wichtig sein bei der Traumaverarbeitung. Aber oft geht es nicht, weil wir so viel Angst davor haben, gehört zu werden. Die Erinnerung dafür bestraft zu werden sitzt tief. Wenn wir mit einer Klangschale arbeiten, kann die uns führen und wir imitieren sie. Sie gibt einen Ton von sich, und niemand kann es sehen, die Schale bewegt sich nicht vom Fleck. Aber sie macht trotzdem ein Geräusch. Vielleicht ist das sehr spezifisch für mein Trauma und vielleicht bedeutet es für irgendwen sonst auch etwas. Es wird keine Bewegung gebraucht, um gehört zu werden. Selbst wenn wir die Angst uns zu bewegen noch nicht überwinden können, können wir schon Geräusche machen.
Setzt euch mit der Klangschale hin, hört zu wie sie fähig ist ein Geräusch zu machen. Dann versucht mit zu machen. Sie zeigt euch wie es geht. Ihr werdet wahrscheinlich nie länger einen Ton genau treffen, weil die Frequenzen sich ändern, aber ihr könnt es probieren. So könnt ihr damit experimentieren eure Stimme zu modulieren. Es ist möglich sich etwas Mut zu holen von einer Klangschale. Wenn die Schale das sicher tun kann, können wir es auch. Das kann besonders hilfreich sein, wenn es stille Anteile gibt, die sich nicht trauen was zu sagen.
Ruhe finden
An manchen Tagen ist es einfach laut Innen. Wenn die Frontperson versucht etwas Ruhe zu finden, ermutigt das die anderen nur noch lauter zu sein, weil es dann ja viel eher eine Chance gibt gehört zu werden. Die Intrusionen können intensiv sein und uns jede Möglichkeit zum Ausruhen nehmen.
Wenn man zuhört, spricht man nicht. Wenn wir also alle Anteile davon überzeugen können, der Klangschale zuzuhören, entstehen ein paar Momente der Ruhe im Innern. Vielleicht ist da sogar ein Gefühl von Staunen. Es ist nicht wie Wellen Rauschen zuhören, etwas das unser System immer in stilles Staunen versetzt, aber es ist regelmäßig verfügbar, auch wenn man keinen Urlaub hat. Wenn es funktioniert, kriegen wir eine kleine Pause. Müde Hosts werden das verstehen…
Übergangsobjekt
In den letzten 13 Jahren hatte ich einige Übergangsobjekte bei mir und sehr wenig hat so gut gewirkt wie eine Klangschale. Das scheint erst mal eine komische Wahl, die sind weder weich noch flauschig und so ein Stück Metall wirkt auch nicht sehr warm. Aber die macht ein Geräusch, was sie von anderen Übergangsobjekten unterscheidet. Selbst in der Lage zu sein einen Ton zu erzeugen, den wir vorher schon in der Therapie gehört haben und der dadurch mit dem Gedanken an die helfende Person verknüpft ist, kommt sehr nah dran uns eine tröstende Stimme für uns zu erschaffen. Wenn es schwierig wird, können wir da sitzen und zuhören und es kann sich anfühlen, als wäre wirklich jemand da und kommuniziert mit uns. Ich war offen überrascht, wie gut das funktioniert und wie groß die beruhigende Wirkung war. Wenn Ts regelmäßig Klangschalen verwenden, zB als Rahmen für Achtsamkeits-, Imaginations- oder Entspannugsübungen, kann das stark positiv besetzt sein.
Konditionierung
Bei allen diesen Übungen und wann immer Klangschalen regelmäßig in der Therapie verwendet werden, können wir klassische Konditionierung bemerken. Wenn wir immer die Schale anschlagen bevor wir Entspannung üben, wird sich der Körper irgendwann automatisch anfangen zu entspannen, wenn er nur den Klang hört. Das selbe kann bei jeder Art von Grounding oder dem Gefühl innerer Verbundenheit passieren, wenn wir die mit der Klangschale zusammen üben. Dann reicht auch an schweren Tagen manchmal der Ton, um in den erwünschten Zustand besser rein zu finden. Konditionierung passiert automatisch, wenn wir etwas regelmäßig üben und den Klang dazu nehmen. Gerade an schwierigen Tagen kann so eine konditionierte Reaktion uns einen kleinen Vorteil verschaffen.
Das sind alles Dinge, die wir beim Experimentieren bemerkt haben. Ich hoffe das macht euch neugierig selbst Experimente zu starten. Alles, was wir beschrieben haben, braucht eine tatsächliche Erfahrung, um das spüren und verstehen zu können. Nur zu wissen, was es tun soll, reicht nicht. Ihr werdet das selbst probieren müssen.
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