Intrusive Gedanken sind Gedanken, die plötzlich in unserem Kopf auftauchen und die wir als belastend und außerhalb unserer Kontrolle wahrnehmen. Oft sind die Inhalte beschämend oder gemein und es ist ein bestimmter Tonfall darin zu erkennen. Solche Gedanken können einen sehr quälen, ganz besonders wenn sie eigentlich nie still sind. Und Gedanken lassen sich nicht so leicht kontrollieren wie Impulse oder wegdrücken wie Gefühle. Wir brauchen andere Wege, um damit umzugehen.
GedankenStopp?
Es gibt in der Psychotherapie den Ansatz, dass man zu einem solchen Gedanken einfach laut Stopp sagt und dann etwas mit dem Körper macht, was einen Gegenimpuls herstellt, auf den man sich statt dessen konzentriert zB Muskeln fest anspannen. Manchmal habe ich tatsächlich Erfolg damit, dass ich einfach ‘Lass mich in Ruhe’ sage. Das funktioniert bei Komplextrauma eher mäßig gut, aber man kann es probieren.
Zustimmen
Ein bisschen Verwirrung stiften, kann kurzfristig für Ruhe sorgen. Wenn mir innerlich quälende Stimmen was sagen, dann sag ich einfach ‘Ja, weiß ich’ und tue so, als würde ich auf ihrer Seite stehen und das auch so sehen. Plötzlich bin ich nicht mehr der Gegner, den man so böse bekämpfen muss. Und es gibt auch nichts mehr, was man ständig wiederholen müsste, schließlich habe ich bestätigt, dass ich es gehört habe und zustimme. Wenn das gemeine Sachen über mich sind, glaube ich das natürlich nicht wirklich. Aber ich biete überhaupt kein Gegenüber mehr zum streiten und dann ist der Streit schnell vorbei. Man muss da ein bisschen aufpassen, wenn in der Folge eine ‘Lösung’ für das Problem (einen selbst) vorgeschlagen wird. Suizidaufforderungen stimme ich nie zu.
Fragmente
Ein anderer Ansatz wäre, diese inneren Gedanken oder Stimmen wie Anteile zu behandeln. Auch bei Komplextrauma ohne deutliche Innenpersonen gibt es sowas wie Fragmente von früher, die abgetrennt wurden, ähnlich wie Flashback Zustände. Und es ist nicht selten, dass diese dann Botschaften von früher wiederholen. Vielleicht wurde das genau so gesagt oder wir sind uns sicher, dass es so gemeint war, auch wenn das Verhalten anders war. Solche Fragmente halten für uns die Erinnerung an solche Gemeinheiten oder Grausamkeiten fest, ohne sich immer im Klaren darüber zu sein, was sie tun oder dass sie es tun. Ich glaube, dass wir damit weiter kommen können, wenn wir genauer hin schauen, was hinter den Aussagen liegt. Wir fragen uns dann, woher uns das bekannt vorkommt, wo wir das schon mal gehört oder uns so gefühlt haben. Eine Botschaft, die sich einer Situation in der Vergangenheit zuordnen lässt, lässt sich auch leichter in die Vergangenheit einsortieren. Manchmal verschwinden diese Gedanken dann ganz, weil sie integriert wurden.
Anteile
Mit mehr struktureller Dissoziation können quälende Botschaften auch von etwas weiter ausgeprägten Anteilen kommen. Dann wäre es geschickt, Kontakt aufzubauen und anzubieten, mit ihnen über alles zu reden. Sie dürfen uns gerne erzählen, was sie von uns denken und warum. Dann erfahren wir mit der Zeit auch, in was für einer inneren Realität sie leben, die solche Mittel als notwendig erscheinen lässt und finden heraus, was sie bezwecken wollen. Das Ziel ihrer Intrusionen ist ziemlich wichtig, weil wir so herausfinden, was wir tun können, um ihren Bedürfnissen zu begegnen. Oft sind das so grundlegende Sachen wie Sicherheit und in ihrer Realität tun wir Dinge, die sich nicht sicher anfühlen und für die sie Strafen erwarten. Auch hier können wir in der Zeit zurück gehen und herausfinden, wann das denn tatsächlich unsere Lebensrealität war und wo sie das so gelernt haben. Vielleicht wird irgendwann in dem Prozess auch deutlich, was genau die inneren Stimmen aktiviert oder triggert, sodass sie anfangen uns zu bedrängen. Trigger lassen sich entweder vermeiden oder diskriminieren, indem wir zusammen sortieren, was die Unterschiede zwischen früher und heute sind. Es kann gut sein, dass sich herausstellt, dass die fiesen und erniedrigenden Aussagen von Anteilen kommen, die noch sehr klein sind. Sie imitieren Dinge, die sie miterlebt haben, weil ihnen das ein Gefühl von Kontrolle und Macht gibt und das wiederum hilft ihnen, sich sicherer zu fühlen. Sehr viel von dem, was sich da innerlich abspielt hat in Wirklichkeit hauptsächlich mit dem Bedürfnis nach Sicherheit zu tun und überhaupt nichts damit, dass wir tatsächlich böse und gemein wären. Es ist eine Art von Coping Verhalten und wird davon ausgelöst, dass sich jemand erschreckt oder plötzlich unsicher fühlt. Indem wir uns um Anteile kümmern, wie um erschreckte Kinder, kann einen Beruhigung stattfinden.
Situationen aufschlüsseln
Intrusive Gedanken passieren nicht im Vakuum. Es gibt eine Situation in der Außenwelt und Intrusionen sind oft eine Reaktion auf diese Situation. Durch die anhaltenden Beschimpfungen und Erniedrigungen werden wir handlungsunfähig und können uns nicht mehr darum kümmern, die Situation aufzulösen. Statt dessen fallen wir in uns zusammen und ringen nur noch mit unserer inneren Welt.
Wenn wir uns genauer anschauen, was die Auslösesituation ist, dann können wir dem aggressiven oder beschämenden Anteil entlocken, was ihnen daran wichtig ist und ihnen versprechen, dass wir uns darum kümmern, wenn sie uns kurz Zeit und Ruhe geben dafür. Das ist ohne ständige Belästigung nämlich viel schneller wieder gut gemacht. So ein Anteil darf aus dem Weg gehen und uns beweisen lassen, dass wir es ja doch können. Vielleicht stellen wir ihnen eine innere Helferfigur zur Seite, um den Stress zu reduzieren. Nur im Weg stehen und laut sein ist inakzeptabel.
Indem wir die Situation befriedigend auflösen und die Quelle der Angst oder Bedrohung entfernen, zeigen wir dem Anteil, dass wir jetzt wirklich erwachsen sind und das können und es in Zukunft keinen Grund gibt, sich so aufzuregen. Bei dieser Intervention nehmen wir die Aufmerksamkeit weg von dem Anteil und richten ihn auf die Aufgabe, die vor uns liegt. Dadurch gibt es etwas, das wir aktiv tun können, um unsere Situation zu verbessern.
Mal reicht eine kleine Übung und mal muss man sich länger mit dem Thema auseinander setzen. Leider gibt es keine Übung die unter Garantie immer klappt. Bei manchen Menschen helfen Neuroleptika als Notfallmedikamente, um Gedanken zu verlangsamen und besonders schwere Intrusionen mal eine Zeit lang zu unterbrechen.