Trancelogik beschreibt logische Fehler, die es geben kann, wenn Menschen hypnotisiert werden und in einen Trancezustand gehen. In diesem Bewusstseinszustand kann unser Verstand Aussagen als wahr akzeptieren, selbst wenn diese sich völlig widersprechen. Wir bemerken das einfach nicht, dass das gar nicht gleichzeitig wahr sein kann. Nichts wird hinterfragt oder Realitäts-gecheckt, das wird einfach als wahr hingenommen. Die Aussagen bestehen parallel zueinander ohne eine kognitive Dissonanz zu erzeugen. In der Hypnotherapie wird das positiv genutzt, in der DIS Therapie kann das aber auch Probleme mit sich bringen.
Trancelogik bei DIS
Wir finden das selbe Muster oft bei dissoziativen Störungen, auch wenn wir gerade gar nicht hypnotisiert werden. Dissoziation hält uns davon ab zu bemerken, dass Dinge nicht zusammen passen. Wir sind uns sicher, dass da Leute in unserem Kopf leben, manchmal gibt es eine oder mehrere Innere Welten und wir erleben sie in ihren Formen und Qualitäten als real in unserem Schädel existierend. Aber wir könnten uns wohl auch darauf einigen, dass wir, wenn wir ein MRT machen, sehen würden, dass da ein Gehirn in unserem Kopf ist, das aus Gehirnzellen gesteht. Keine Menschlein, keine Räume oder Landschaften. Nur graue und weiße Substanz. Immer noch nur ein Gehirn, dass irgendwie die Erfahrungen produziert, die wir haben. Wir neigen dazu, diese beiden Aussagen innerlich zu trennen, sodass sie sich nicht in die Quere kommen.
Wenn wir uns Anteile der Persönlichkeit noch etwas genauer anschauen, sehen wir mehr von diesem Muster. ANPs sind sich sicher, dass EPs jemand völlig anderes sein müssen und dass das Trauma, das denen passiert ist, ihnen definitiv nicht passiert ist. Das wird oft begleitet von der Überzeugung, dass da voneinander getrennte Personen in einem Körper leben statt dissoziierte Anteile einer Persönlichkeit. Wenn man näher nachfragt, würden sie schon zustimmten, dass alle Anteile in einem Körper leben und der Missbrauch dem Körper passiert ist. Aber die Verbindung, dass also der Missbrauch allen Anteilen passiert ist und sie so entstanden sind, wird nicht geknüpft. Diese Erkenntnisse werden parallel gehalten ohne sich zu berühren. (Und bevor ihr jetzt damit ankommt, dass Anteile nichts mit dem Körper zu tun haben und das völlig getrennte Dinge sind… Ohne Körper haben wir kein Bewusstsein und machen keine Erfahrungen. Zu denken, dass wir nicht unser Körper sind, ist auch Trance-Logik.)
Das selbe gilt für kontrollierende EPs, die denken, sie seien ein Täter und vielleicht damit drohen andere Anteile oder den Körper umzubringen. Sie bemerken nicht, dass sie keine mentalen Strukturen umbringen können, weil diese keinen eigenen Körper haben und dass den Körper umbringen bedeuten würde, selbst zu sterben. In ihrer beschränkten Erfahrung haben sie ihren eigenen Körper und sind eine eigenständige Person, die von anderen unabhängig ist. Wenn sie nicht gestoppt werden, finden sie ganz ungut raus, dass das nicht der Fall ist.
Es gibt verschiedene Wege mit Trance-Logik oder durch Trance-Logik durch zu arbeiten, aber der erste wichtige Schritt ist erst mal zu realisieren, dass sie da ist. Wenn wir uns alleine auf unsere subjektive innere Erfahrung verlassen, wird unser Verständnis von uns selbst und der Welt voll sein mit widersprüchlichen Aussagen. Menschen, die sich das von außen anschauen, ohne zu wissen, dass der Grund dafür Dissoziation ist, könnten uns leicht für ein bisschen verrückt halten. Wenn ich als Introjekt meiner Mutter in der Therapie an dem Trauma arbeiten will, das entstanden ist, als ich mich selbst als Patientin zur Welt gebracht habe, dann bin ich irgendwo in Trance-Logik verloren gegangen. Nicht alles was wir so glauben ist wörtlich wahr. Es gibt gute Gründe, warum wir Dinge glauben und die sollten erforscht werden. Aber wenn wir innere Realitäten nicht hinterfragen, wird es sehr konfus.
Innerhalb von Trance-Logik arbeiten
Eine Menge hilfreicher Therapie geschieht, wenn wir mit unserem inneren Erleben arbeiten und es auf positive Weise beeinflussen. Diese Interventionen haben wenig mit der Außenwelt zu tun, aber sie können verändern, wie sich Anteile im System fühlen oder verhalten und das hat einen dynamischen Einfluss auf alle Beziehungen im System und unser ganzes inneres Erleben.
Eine der Standard Interventionen ist Sichere Orte für alle Anteile zu schaffen und ihnen damit einen Raum zu geben, wo sie frei sind von Bedrohungen, wo Trauma sie nicht erreichen kann und wo sie sich beruhigen und entspannen können. Alle Veränderungen, die wir an der Inneren Welt vornehmen, fallen genau genommen unter Trance-Logik, weil der Körper sich in einem völlig anderen Raum aufhält und dort anderes erlebt. Wir stellen eine parallel Realität her, wie wir lebhaft erfahren können.
Eine andere Standardübung ist Innere Helfer dazu zu holen oder andere hilfreiche Dinge für gestresst Anteile. Sie werden dabei nicht zwingend in Raum, Zeit und Körper orientiert. Diese Interventionen funktionieren ohne jede Realisation der Außenwelt oder Grounding. Wir schaffen einfach eine künstliche Realität um die Anteile herum, um ihren Bedürfnissen besser zu begegnen, als dass in der Außenwelt möglich wäre.
Innere Konferenzräume für Team Sitzungen sind eine Säule der DIS Therapie. Während wir da innerlich in unserer Form im Kreis sitzen, sitzt der Körper ganz alleine irgendwo und sieht ganz anders aus.
Interaktionen von Anteilen in unserem Inneren passieren alle innerhalb von Trance-Logik. Das ist für die Heilung notwendig und es führt auch kein Weg daran vorbei. Manchmal leben Anteile Beziehungen miteinander aus oder es entfalten sich komplexe Geschichten in der Inneren Welt, während der Körper am Alltag teilnimmt. Manches davon ist die Art, wie wir bestimmte Themen für uns sicher bearbeiten können, was zu einer größeren Sicherheit und Fähigkeit führt, das auch in der Äußeren Welt umzusetzen oder wir verarbeiten dabei große Emotionen.
Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob das nicht zu einer Art Vermeidung der Außenwelt wird und es scheint bei manchen viel Drama zu geben ohne dass das zu positiven Veränderungen führt. Ich schließe daraus für mich persönlich, dass es unglaublich hilfreich sein kann innerhalb von Trance-Logik zu arbeiten, dass es aber sicherlich ein ‘zu viel’ dabei gibt, wo das mehr zu einem DIS-Equivalent von maladaptivem Tagträumen wird und wo wir mehr davon hätten, wenn wir in der realen Welt orientiert und geerdet wären.
Trance-Logik auflösen
Manchmal brauchen wir das, aus unserem Inneren Erleben raus geschüttelt zu werden. Das ist nicht immer schön. Kindanteile, die im Wiedererleben von Trauma Inhalten fest stecken, profitieren enorm von Orientierung und Grounding und davon die Welt heute als sicher, anders und viel besser zu erleben. Sie können an Selbstbewusstsein gewinnen, neue spürbare Erfahrungen machen und am echten Leben teilnehmen (nichts geht darüber Essen aussuchen zu dürfen, wenn ihr unsere 5-jährige fragt). Erfahrungen innerhalb des Körpers haben eine andere Qualität als Interaktionen in der Inneren Welt und manche Anteile werden die reale Welt und ein neues Leben mit neuen Möglichkeiten bevorzugen.
Wenn wir es mit Anteilen zu tun haben, die den Körper verletzen oder drohen Anteile oder den Körper umzubringen, ist es sehr wichtig, die Trance-Logik aufzulösen und ihnen zu helfen zu realisieren, dass sie ein Anteil eines Ganzen sind, das sich einen Körper teilt und dass den Körper umbringen bedeutet, sich selbst zu eliminieren. Es gibt keine Möglichkeit des Selbst-Bewusstsein eines einzelnen Anteils im Gehirn auszumachen, keine Möglichkeit das aus dem Kopf zu entfernen. Wir können hier nicht die Trance-Logik bedienen und diese Anteile in ihrem Nicht-Wissen belassen und gleichzeitig sicher sein. Die Realitäten müssen sich berühren (Mehr). Eine Menge der klassischen Kriseninterventionen bei DIS sind nur verschiedene Arten Anteile in der äußeren Realität zu erden, um ihnen zu helfen zu erkennen, dass sie gegen sich selbst oder die Schatten der Vergangenheit kämpfen. Wenn wir das nicht machen, führt das zu tiefer Verwirrung oder inneren Machtkämpfen, mit Situationen die sehr gewaltsam und bürgerkriegsähnlich sein können.
Wenn unser Ziel Integration ist, dann ist der Weg dort hin gepflastert damit Trance-Logik aufzulösen. Integrative Handlungen (Synthese, Realisation, Personifikation, Präsentifikation) helfen uns alle, den großen Zusammenhang besser zu erkennen, uns über die Grenzen einzelner Anteile hinaus zu erleben, zu bemerken, dass Zeit anders verläuft als Innen usw. Manche dieser integrativen Handlungen sind sehr schwierig zu erreichen und sprengen erst mal unsere mentalen Möglichkeiten oder überfordern uns, wenn wir noch nicht bereit dazu sind, dieses Verständnis zu integrieren. Realisation benötigt Kapazität. Wenn wir versuchen das mit Gewalt hin zu kriegen, kommt nur mehr Dissoziation dabei raus. Trance-Logik baut man Schrittchen für Schrittchen über Jahre hinweg ab. Wenn ihr schon wisst, dass ihr Integration wollt, könntet ihr euch damit näher beschäftigen. Das ist ein Weg zur Heilung, wo es nicht nur darum geht mit den Symptomen zurecht zu kommen und ein Leben drum herum zu bauen. Im Hier und Jetzt der äußeren Realität zu leben hilft auch dabei, nicht so sehr in Trauma Erinnerungen zu rutschen. Ein Anteil nach dem anderen darf endlich weiter gehen im Leben.
Gleichgewicht
Wenn wir uns dazu entschließen, völlig in die Innere Realität einzutauchen, verlieren wir wahrscheinlich den Kontakt zu unserem Leben so weit, dass uns das dysfunktional macht und viel Drama mit sich bringt. Das ist nicht gut angepasst und wir können von der Welt nicht erwarten, dass sie uns bedingungslos akzeptieren, wenn wir Chaos in unseren Beziehungen anrichten. Das ist kein Ableismus, das sich dann Grenzen. Wenn sich fruchtloses Drama über unsere Innere Welt hinaus entfaltet und unsere Beziehungen beschädigt, dann wird es Zeit, besser in der äußeren Realität geerdet zu sein. Sonst nehmen Drama oder innere Machtkämpfe all unsere Zeit und Energie in Anspruch und es bleibt nichts übrig, um das Leben auf die Reihe zu kriegen. Wenn unser Leben außen leidet, weil wir so mit uns selbst beschäftigt sind, müssen wir da mehr drauf achten.
Gleichzeitig müssen wir uns die innere Realität anschauen und mit ihr arbeiten, weil sie wirklich passiert und das zu vermeiden bedeutet, dass wir unsere Probleme nicht lösen können.
Integration/Fusion wird erreicht, indem immer mehr Trance-Logik aufgelöst wird, bis wir ohne Symptome von DIS leben. Je integrierter wird sind, desto mehr kann sich das Leben um andere Dinge drehen als die DIS, wir werden funktionaler und haben mehr Freiheiten einfach ein normales Leben zu führen. Wie viel Trance-Logik wir allerdings auflösen können, hängt stark von unserer integrativen Kapazität ab. Es ergibt wenig Sinn, das einfach als Ziel für alle Systeme zu erklären, wenn sich Kapazität teilweise dramatisch unterscheidet. Wenn man Trance-Logik auflöst, wird das oft von harten Erkenntnissen begleitet darüber, was eben nicht Realität ist. Anteile, die ganz neu mit der äußeren Realität konfrontiert sind, erleben unserer Erfahrung nach oft erst mal eine kleine Krise. Das Leben ist danach sehr viel stabiler, aber dieser Weg ist nicht leicht. Manche finden es leichter einiges unintegriert zu lassen.
Wenn man alles unintegriert lässt, erhält man allerdings auch das Leiden aufrecht.
Ich hoffe ihr merkt, dass es keine schwarz-weiß Situation ist und nichts, wo nur eine Seite zu wählen uns an einen erstrebenswerten Ort bringen würde. Für viele Systeme funktioniert es am besten, für jeden Anteil einzeln eine informierte Entscheidung zu treffen. Manchen Innenkindern geht es am besten, wenn sie einfach mit einem Helferanteil Innen sein können, wo sie nicht dem Stress des Alltags ausgesetzt sind. Erwachsen zu sein ist für sie nichts schönes. Andere blühen geradezu auf, wenn sie gut in der Gegenwart geerdet sind und eine sinnvolle Aufgabe übernehmen können. Es gibt da keine Lösung, die zu allen passt, nur das Bemühen um Balance und das Ziel so funktional wie möglich zu werden. Unsere Ts müssen ebenfalls darauf achten diese Balance zu halten, sonst führen sie uns in eine Krise.
DIS Therapie bedeutet mit unserem ganzen Erleben zu arbeiten, dem inneren wie dem äußeren. Es bedeutet zu akzeptieren, was da ist und damit zu arbeiten und das Bewusstsein für alles, was da ist, zu vergrößern. Wir können es nicht vermeiden mit unserem inneren Erleben zu arbeiten und so tun als wäre es nicht real. Und wir können uns nicht völlig aus der äußeren Welt zurück ziehen und unser Leben nur in unserem Kopf gestalten. Es braucht eine langsame Integration beider Welten und ein bewusst-sein, dass wir in beiden Realitäten gleichzeitig leben. Wie sehr wir uns in die eine oder andere Richtung orientieren hängt von unseren Zielen und unserer Kapazität ab. Wenn wir Trance-Logik erst mal verstehen, wird vieles klarer. Wir leben in geteilten Realitäten. Die Herausforderung ist, dazwischen zu balancieren und sie zu integrieren, um unsere Lebensqualität zu verbessern.
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