Trauma führt zu einem Bruch mit unserem Körper. Manchmal zeigt sich das in Taubheit für Körperempfindungen und Bedürfnisse. Wir fühlen keinen Hunger, Kälte oder Schmerz. Das macht es schwierig, uns gut um uns zu kümmern und vielleicht vernachlässigen wir den Körper. Viele Traumatisierte sehen den Körper als einen Feind an. Etwas, das vermieden oder kontrolliert werden muss. Dass unser Körper manche Dinge auch unfreiwillig tut, wird als Grund für tiefe Scham angesehen.
Frühe Phasen
Während der Stabilisierungsphase üben wir Selbstfürsorge und um dabei Überforderung zu vermeiden, tun wir das in einer streng pragmatischen Art. Wir brauchen den Körper als eine Art ‘Fahrzeug’, um uns in der Welt zu bewegen, deswegen lernen wir, uns darum zu kümmern, wie wir es etwa für ein Auto tun würden. Diese Ebene von Selbstfürsorge hat nichts mit warmen Gefühlen zu tun. Sie garantiert nur, dass der Körper funktionsfähig bleibt und wir uns nicht so sabotieren, dass wir irgendwo stationär aufgenommen werden müssen. Das reduziert die Auswirkungen von Selbst-Vernachlässigung. Wir üben Kontrolle über den Körper aus, weil wir uns sicher fühlen, wenn wir etwas kontrollieren können und nicht, weil der Körper diese Art von Kontrolle bräuchte. Uns mit unnötig viel Kontrolle zu kümmern, ist besser, als uns nicht zu kümmern und wenn es die Kontrolle braucht, dann ist es eben so. Es ist wichtig, diese Ebene zu erreichen, weil uns das unsere Krisenanfälligkeit reduziert und gleichzeitig ist es auch nicht das Endziel für unseren Prozess. So können wir den Körper während der frühen Stabilisierung behandeln.
Um eine solidere Art zu lernen, mit uns umzugehen, ist es nötig, den Körper und seine Bedürfnisse mehr zu spüren. Aus chronischer Dissoziation rauszukommen, gibt uns die Möglichkeit, die Hinweise des Körpers wahrzunehmen, wie wir uns um ihn kümmern sollen. In dieser Phase ist es weise, sich von der eher mechanischen Behandlung des Körpers zu lösen und den Körper ins Innere Team aufzunehmen, fast so, als wäre der ein Anteil für sich. Wenn wir Themen diskutieren, können wir auch den Körper fragen, was der zu unseren Plänen fühlt. So wie wir andere Anteile zu ihren Bedürfnissen befragen, tun wir das auch mit dem Körper. Viele erleben den Körper an dieser Stelle wie eine separate Entität, in der Anteile leben. Die kommt mit ihren eigenen Bedürfnissen und Eigenheiten und soll einbezogen werden, aber wenn über den Körper geredet wird, dann ist es gewöhnlich ‘der’ Körper und nicht ‘mein’ oder ‘unser’ Körper und niemand erhebt Besitzanspruch darauf.
Der Körper beim Trauma Prozessieren
Beim Trauma Prozessieren werden wir mit den Körperwahrnehmungen von früher konfrontiert und realisieren, dass diese Dinge jetzt nicht mehr passieren. Der Körper wird für eine Zeit lang ein verletzter Körper und ein hilfloser Körper, während wir uns der Vergangenheit bewusst sind. Ein natürlicher Impuls als Reaktion darauf wäre, das wegmachen zu wollen, um es zu vermeiden, oder sich darüber zu erheben zB durch Selbstverletzung. Ein anderer natürlicher Impuls könnte sein, Mitgefühl für diesen Zerbruch in uns zu finden und uns um das verletzte und kranke Kind zu kümmern. In der Vergangenheit hat es keine Hilfe oder Fürsorge bekommen und heute sind wir hier, um uns sanft zu kümmern. Es ist nicht mehr alleine. Diese Art des Mitgefühls konzentriert sich nicht darauf, die Trennung vom Körper zu überwinden, aber sie tut es trotzdem. Sowas wie ‘Liebe’ für den Körper zu verlangen, ist in der Regel zu viel. Aber indem wir die Ungerechtigkeit anerkennen und unser Herz öffnen für die sehr schlichten Bedürfnisse der Situation, nehmen wir wieder Kontakt auf. Mit jedem Mal, wo wir einen jüngeren Anteil aus einer Traumasituation retten, retten wir auch den Körper jedes mal ein bisschen mit heraus. Das ist einer der Gründe, warum ich Rescripting Verfahren vorziehe. Wir adoptieren den verlassenen und misshandelten Körper, den wir in der Trauma Szene gefunden haben und bringen ihn mit zu uns nach Hause, wo er sich in Sicherheit erholen kann.
Dieser Schritt erlaubt eine sanftere und fürsorglichere Haltung. Ohne die Überforderung der Trauma Wahrnehmungen müssen wir uns nicht mehr vom Schmerz entfernen. Unser Körper bekommt nicht nur ein Mitbestimmungsrecht im Team. Wir nehmen ihn auf, um uns darum zu kümmern, weil wir bewegt sind von dem Leid, das er erfahren hat. Die Art, wie wir ihn betrachten, ändert sich. Die Tendenz, auch unfreiwillig zu reagieren, wird zu einem Grund für Mitgefühl statt Abscheu. Wir bewegen uns weg davon, ihn als Objekt (Fahrzeug) zu behandeln und dahin, ihn als ein Subjekt, ein lebendes Wesen zu sehen, das Fürsorge und Schutz braucht. Und ja, auch Liebe. Diese ‘Adoption’ ist der erste Schritt darin, die strukturelle Trennung von unserem Körper zu überwinden. Statt ‘der’ Körper zu sein, wird es ‘meiner’ oder ‘unserer’.
Integration
Vielleicht ist es kein direkter Effekt nah dem Trauma Prozessieren, es braucht wahrscheinlich eine kleine Sammlung von Erfahrungen damit, aber irgendwann beginnen wir zu bemerken, dass die Art, wie unser Körper sich innerlich anfühlt, widerspiegelt, wie es uns gerade geht. Unsere inneren Wahrnehmungen sagen etwas über uns aus und indem wir etwas für unseren Körper tun, um diesem Körpergefühl zu begegnen, tun wir etwas für unser eigenes Wohlergehen. Unser Gefühl von Hunger gehört uns und ist ein Teil von uns. Uns darum zu kümmern, bedeutet, uns auch um alles zu kümmern, was damit in Verbindung steht, wie schlechte Laune oder fehlende Konzentration. Tun wir etwas, was gut für unseren Körper ist, hat das einen positiven Effekt auf unser ganzes Wesen. Wer wir sind, kann tatsächlich gar nicht so gut getrennt werden von unserem Körper. Wir sind unser Körper. Erleben ist so gemischt, dass man es gar nicht wirklich trennen kann. Selbst unsere schlauen Gedanken werden von unserem Gehirn produziert, was zu unserem Körper gehört. Diese Verbindung wird zu einer spürbaren Realität, statt nur ein philosophischer Gedanke zu sein.
Das wird erst real(isiert), wenn wir sicher sind vor Schädigungen und nicht erwarten, davon überfordert zu werden, wenn wir uns selbst spüren. In unserem Denken über uns selbst wird es normaler, den Körper mitzudenken. Es wird schwieriger, über unseren Körper als etwas zu denken, in dem wir leben und wird mehr etwas, durch das wir leben. Man spricht dann auch von Embodiment. Wir lernen die Signale unseres Körpers zu respektieren als Kommunikation auf Augenhöhe. Unser Körper hat seine eigene Weisheit und fühlt sich nicht mehr an wie das verletzte Kind von früher. Mit der Zeit kann sich eine Art Partnerschaft entwickeln, in der wir uns auf unseren Körper verlassen können und auch wissen, wann es verzeihlich ist, uns körperlich ein bisschen mehr zu fordern. Unser Körper als unser Partner in täglichen Dingen verschwimmt irgendwann mehr mit unserem Gefühl von Selbst. Das wird sich nie ganz decken, weil wir auch mehr sind als nur ein Körper.
Ein besonderer Schritt in diesem Prozess ist, ein Gefühl für unsere Haut als persönliche Grenze zu gewinnen. Sie trennt, wer wir Innen sind und wer wir als Wesen mit einem Körper sind, von der äußeren Welt. Unsere Sinne und unsere Haut (die den Tastsinn beinhaltet) verbinden uns mit der Welt. Unsere Haut hält so einiges draußen und hält alles, was zu uns gehört, auch sicher drinnen. Unsere Sinne und unsere Haut waren früher Zugänge für Gewalt. So haben wir wahrgenommen, dass es passiert. Diese Bereiche werden immer eine gewisse Verletzlichkeit haben, eben weil sie die Kontaktpunkte zur Welt darstellen. Sie sind heute auch sehr viel sicherer, als sie es mal waren und wir können die mit Nachdruck beschützen, um sie heute vor Schaden zu bewahren. Das kann uns an einen Punkt bringen, wo wir ehrlich traurig sind, wenn wir irgendwo einen blutigen Kratzer abbekommen, selbst wenn die Haut drum rum voll alter Narben ist, über die wir nie geweint haben. Diese jetzt bedeutet etwas. Sie ist schlimm und es tut uns so leid, dass das passiert ist.
Der Prozess, uns vollständig mit unseren Sinnen zu verbinden und zu Embodiment zu finden, braucht Zeit und passiert nicht über Nacht. Mehr präsent bei uns zu sein kann sich langsam verwandeln in ein Gefühl, gemütlich und angenehm in uns selbst/in unserem Körper zu ruhen. Zu lernen, in unseren Interaktionen mit der Welt entspannter und gelassener zu sein, geschieht etwa zur selben Zeit, in der wir eine ungezwungene Behaglichkeit und Leichtigkeit mit unserem Körper-Sein entdecken, weil beides von unserer Wahrnehmung von relativer Sicherheit mit unserer Verletzlichkeit abhängt. Der leidende Körper ist Teil unserer Geschichte und wir erinnern uns daran und wir sind auch präsent in unserem Körper, der gerade nicht weh tut (oder zumindest anders als früher). Wir sind uns bewusst, dass wir verletzt werden können, aber wir rechnen damit nicht in unseren normalen täglichen Aktivitäten. Tun wir so etwas wie Wellness oder Selbstfürsorge, fühlt es sich an wie etwas, das wir wirklich für uns selbst tun, als einen Ausdruck von Fürsorge und Schutz für uns selbst. Wir unterstützen sanft die verletzlichen Bereiche an uns, statt sie zu verstoßen. Irgendwann sind wir auch in der Lage, es anderen zu erlauben, unsere Verletzlichkeit zu beschützen und uns zu versorgen, ohne dass dabei etwas innerlich verrutscht.
Bedeutung für die Therapie
Ich bin oft verwirrt, wenn Therapeut*innen traumatisierte Menschen auffordern, ihrem Körper Liebe entgegenzubringen. Fast, als wäre ihnen gar nicht klar, wie lang und tief dieser Prozess ist, Kontakt mit dem Körper aufzunehmen und ihn zu integrieren. Wir können keinen Selbstliebe-Modus anknipsen, ohne dem Körper im Trauma zu begegnen, ihn zu adoptieren und ihn mit uns nach Hause zu nehmen, um ein besseres Leben zu erleben. Tief mit dem Körper verbunden zu sein ist eine Aufgabe für späte Phasen der Therapie. Es ist völlig in Ordnung, unseren Körper so zu behandeln, wie das in der Phase, in der wir gerade sind, eben geht und nicht mehr anzustreben, als die nächste Ebene.
Das Trauma Prozessieren verändert unsere Beziehung zu unserem Körper deutlich und es wird gebraucht, um die Trennung zu überwinden. Das ist nicht über freundliche Sprüche am Spiegel zu erreichen. Täter*innen haben unseren Körper als ein Objekt behandelt, das sie dominieren, verletzen und zerstören können. Begegnen wir ihm nicht genau dort und stellen seine Identität als Subjekt wieder her, das Sicherheit, Fürsorge und Mitgefühl verdient, erkennen wir vielleicht selbst nicht, dass er mehr als ein Objekt ist. Internalisierte Entmenschlichung kann schwer zu bemerken sein, wenn sie alles ist, was wir kennen. So wurde uns das beigebracht und es braucht eine neue Lektion, um eine bessere Wahrheit zu lernen. Therapeut*innen können uns unterstützen, indem sie aufmerksam mit körperlichen Bedürfnissen umgehen, Mitgefühl am Modell vormachen und nicht zu viel von uns verlangen, wenn wir noch nicht bereit dazu sind. Oberflächliches Verhalten zu verändern, baut keine Brücken über den Abgrund zwischen uns und unserem Körper. Die strukturelle Dissoziation muss adressiert werden. Auch unser Körper braucht Integration.