Wenn wir es mit Komplextrauma und chronischer Dysregulation zu tun haben, ist Entspannung keine Übung für Neulinge. Es ist wichtig, erst Orientierung & Grounding zu beherrschen und chronische Dysregulation abzubauen. Während einer Stressreaktion zu versuchen zu entspannen, hat eher einen negativen Effekt. Sind wir in Flight/Fight und wir versuchen still zu halten, dann wird die Anspannung unerträglich hoch. Ein Körper, der schon dissoziiert, driftet ganz leicht noch tiefer in die Dissoziation, wo Flashbacks häufig sind. Die Grundregel ist also: ‘Regulation before Relaxation’, zuerst regulieren, dann entspannen. Wann immer wir uns entscheiden, eine Entspannungsübung zu machen, benutzen wir vorher unsere Grounding Techniken.
Auch nach vielen Jahren Übung kann ich mich noch nicht sehr lange am Stück entspannen. Die meisten Übungen Online überfordern meine Aufmerksamkeitsspanne und ich kann mich einfach nicht für längere Zeit auf eine Sorte Übung konzentrieren. Darum benutze ich verschiedene Entspannungstechniken und verkette sie zu einer längeren Übung, bei der ich nicht die Lust verliere. Ihr habt mich das auch schon so mit Achtsamkeit machen sehen.
.
Entspannung ist nicht dazu da, dass wir einschlafen. Natürlich kann sie bei Schlafstörungen helfen, aber es ist auch wichtig zu lernen, wie wir uns über den Tag mal entspannen können, ohne uns dabei vollständig abzuschalten. Ganz besonders, wenn chronische Schmerzen ein Problem sind. Kleinere Einheiten von Entspannung können unseren Alltag auflockern und die Grundspannung senken. ‘Non-Sleep-Deep-Rest’ ist gerade sehr im Trend. Menschen, die leicht hypnotisierbar sind, und das sind dissoziative Menschen in der Regel, können dabei auch in eine Form von erholsamer Trance gelangen. Vielleicht erinnert ihr euch noch daran, als wir über die verschiedenen Bedeutungen des Wortes Dissoziation gesprochen haben, dass das nichts ist, was wir um jeden Preis verhindern müssen, weil es kein schädlicher Zustand ist. Wir brauchen nur einen Weg, um danach zu unserem normalen, wachen Zustand zurück zu kehren. Gründliches Erden über die Sinne und vielleicht auch ein Wecker können dabei helfen.
Ich teile eine Version mit euch, die wir machen, um im Liegen zu entspannen. Das ist eine Mischung aus Atemübung, Autogenem Training, einem Body Scan und Imaginationen, die je nach Person auch ein wenig in Hypnose rein führen können. Ihr könntet auch nur einzelne Bausteine davon verwenden oder jeweils eure eigenen Ideen verwenden. Ich glaube, dass diese Sorte von Übung in ihrer Verkettung die größte Wirkung zeigt. Das ist eine Fortgeschrittene Übung und ich erwarte, dass ihr die Wahrnehmung für euren Körper und euren Atem problemlos ertragen könnt, bevor ihr das probiert.
.
.
Vorbereitung
Wir fangen diese Übung an, indem ihr es euch so gemütlich wie möglich macht. Achtet darauf, dass ihr alles habt, was ihr braucht, Kissen, Decken, und dass eure Haltung vollständig angenehm für euch ist. Nehmt euch Zeit, euch ein bisschen hin und her zu bewegen, und alles zu überprüfen, bis ihr ganz und gar zufrieden seid. Korrigiert auch die letzte Kleinigkeit, bis es wirklich gut ist.
.
Atem
(Für Leute, die sich eher müde und erschöpft fühlen, Audio 1)
Dann könnt ihr eure Aufmerksamkeit auf euren Atem richten und damit beginnen, durch die Nase einzuatmen, so als würdet ihr 2 Züge Luft nehmen, einen normalen und dann noch einen. Und dann langsam wieder durch den Mund ausatmen, ganz aus, bis alles wieder draußen ist. Wiederholt das noch einmal, 2 Züge Luft durch die Nase einatmen, und dann alles durch den Mund wieder aus. Ein letztes mal, 2 Züge Luft ein, und langsam wieder raus. Lasst euren Atem dann zu seinem normalen Rhythmus zurück kehren. Vielleicht könnt ihr bemerken, dass der etwas tiefer geworden ist als vorher oder ihr habt gerade die ersten tiefen Atemzüge des Tages genommen.
.
(Für Leute die sich angestrengt, ruhelos und getrieben fühlen, Audio 2)
Dann könnt ihr eure Aufmerksamkeit auf euren Atem richten und damit beginnen zu bemerken, wie ihr jetzt gerade atmet. Ihr müsst nichts daran ändern. Bemerkt einfach nur, wie ihr atmet. Um beim nächsten Atemzug könnt ihr versuchen, das Ausatmen ein klein wenig länger zu ziehen, nur eine Sekunde oder so. Erzwingt dabei nichts. Lasst einfach die Luft ganz natürlich wieder einströmen, so viel, wie der Körper von sich aus aufnehmen möchte. Und atmet wieder langsam aus, indem ihr euch Zeit nehmt, einfach aus. Haltet an, bevor ihr eine Spannung in eurem Brustkorb fühlt und erlaubt der Luft einfach wieder einzufließen, eure Lungen neu zu füllen. Und dann nehmt euch Zeit, noch einmal langsam auszuatmen, so langsam wie es angenehm ist, ohne Druck, einfach nur ausatmen. Wiederholt das noch einige Male.
.
.
Autogenes Training
Jetzt ist es Zeit, unsere Gedanken zu sammeln und sie auf unsere Absicht für diese Übung zu richten. Ich werde euch Sätze anbieten und ihr könnt sie langsam in euren Gedanken wiederholen und den Rhythmus eures Atems dafür nutzen, euch dabei zu unterstützen. Konzentriert euch ganz auf die Bedeutung der Worte.
Ich bin ganz gegenwärtig und in mir gesammelt. Wiederholt das leise für euch im Kopf. Ich bin ganz gegenwärtig und in mir gesammelt. Leise wiederholen, Ich bin ganz gegenwärtig und in mir gesammelt. Ich bin ganz gegenwärtig…
Mein Körper wird sanft gewiegt vom Fluss meines Atems. Wiederholt leise, Mein Körper wird sanft gewiegt vom Fluss meines Atems. Mein Körper wird sanft gewiegt vom Fluss meines Atems.
Meine Arme und Beine werden schwer und mein Gesicht ist völlig entspannt. Wiederholt mit mir. Meine Arme und Beine werden schwer und mein Gesicht ist völlig entspannt. Und noch mal, Meine Arme und Beine werden schwer und mein Gesicht ist völlig entspannt.
Ich bewege mich in einen Zustand von tiefer Ruhe und Entspannung. Wiederholen. Ich bewege mich in einen Zustand von tiefer Ruhe und Entspannung. Ich bewege mich in einen Zustand von tiefer Ruhe und Entspannung.
.
.
Body Scan
Nun ist es Zeit, die Welt des Denkens zurück zu lassen und wir tauchen ein in die Welt von Fühlen und Körperwahrnehmung. Vom Herz ausgehend, mit dem vollständigen Bewusstsein für alle Sinne. Wir beginnen mit der Aufmerksamkeit durch den Körper zu wandern und wenn ihr mögt, könnt ihr euch eine Quelle von reinem und geruhsamen Frieden* vorstellen, vielleicht wie eine Wolke oder ein Pool, aus dem ihr euch bedienen könnt. Und wenn wir unsere Aufmerksamkeit zu bestimmten Körperteilen bewegen, können wir diesen Frieden über diese Körperteile aussprechen, Frieden aus der großen Quelle des Friedens.
Bemerkt eure großen Zehen und alle anderen Zehen. Frieden.
Die Fußsohlen. Frieden.
Eure Fersen und die Fußrücken. Frieden.
Bemerkt eure Unterschenkel, von den Knöcheln bis zu den Knien. Frieden.
Eure Oberschenkel, von den Knien bis zu den Hüften. Frieden.
Euren unteren Bauch und den unteren Rücken und alles dazwischen. Frieden.
Euren Brustkorb und euren oberen Rücken und alles dazwischen. Frieden.
Bemerkt eure Finger und Daumen. Frieden.
Eure Handflächen und die Handrücken. Frieden.
Eure Unterarme, von den Handgelenken bis zum Ellenbogen. Frieden.
Eure Oberarme, von den Ellenbogen bis zu den Schultern. Frieden.
Bemerkt euren Nacken und euren Hals. Frieden.
Euer Kinn und die Kiefermuskulatur. Frieden.
Eure Nase und Ohren. Frieden.
Eure Augen und all die kleinen Muskeln um eure Augen herum. Frieden.
Eure Stirn. Frieden.
Stellt euch euer Gehirn vor wie einen Muskel und dann erlaubt ihm, einfach los zu lassen, sich zu öffnen. Ent-krampfen. Wir sprechen Frieden in euer Gehirn und in alle kleinen Neuronen.
Frieden für euren ganzen Körper. Für jedes Organ, jeden Muskel. Bis tief in alle eure Knochen hinein sprechen wir Frieden.
.
.
Imagination mit hypnotischen Elementen
Wir werden jetzt unsere Vorstellungskraft benutzen, um eine Reihe von inneren Bildern zu erschaffen. Was immer euch in den Sinn kommt ist in Ordnung. Ich werde in einem kurzen Satz kleine Sinneserfahrungen beschrieben und diese Beschreibung dann noch einmal wiederholen. Und dann lassen wir die Szene vorbei ziehen und lassen uns auf die nächste ein. Alles fließt und nichts bleibt ewig.
Das Bild einer gemütlichen Hütte am Strand. Eine gemütliche Hütte am Strand.
Der Geruch von Kaffee in der Morgenluft. Der Geruch von Kaffee in der Morgenluft.
Das Geräusch von Flip Flops im Sand. Das Geräusch von Flip Flops im Sand.
Wellen, die deine Knöchel umspülen. Das Gefühl von Wellen, die deine Knöchel umspülen.
Der Geschmack von Meeresluft auf deiner Zunge. Der Geschmack von Meeresluft.
Das Geräusch von Möwen an einem sonnigen Tag. Das Geräusch von Möwen. An einem sonnigen Tag.
Der Anblick einer fantastischen Sandburg. Der Anblick einer wundervollen, künstlerischen Sandburg.
Der Geruch eines Lagerfeuers in der Abendluft. Der Geruch eines Lagerfeuers.
Das Licht von Laternen rund um deine Stranddecke. Das sanfte Licht von Laternen.
Der Rauschen der Wellen, regelmäßig und ruhig. Das Rauschen der Wellen.
Das Gefühl innerlich erfüllt zu sein und zufrieden. Das Gefühl innerlich erfüllt zu sein und zufrieden
.
Und ihr dürft euch vorstellen, euch mit den Wellen mit zu bewegen, so als wärt ihr eins, wenn euer Atem einströmt und wieder heraus. Und während ihr einatmet, könnt ihr euch vorstellen, dass ihr schwerelos werdet, nach oben treibt. Mit jedem Einatmen werdet ihr leichter und leichter, völlig schwerelos. Und dann könnt ihr euch vorstellen, dass ihr mit jedem ausatmen wieder schwerer werdet, herunter sinkt, mit jedem Ausatmen sinkt wie ein Stein, so schwer. Und dann werdet ihr wieder leicht, mit jedem Einatmen, leicht und schwebend, in sanften Bewegungen vor euch hin treibend. Eins mit den Wellen könnt ihr ruhen in dem stetigen Fließen, die Wellen strömen hin und wieder zurück, ohne zu zögern, in einer sanften Bewegung. Und ihr könnt euch vorstellen, dass ihr eins seid mit dem Ozean, während die Grenzen eures Körpers durchsichtig werden und ihr euch einfach mit den Wellen treiben lassen, und ihnen erlaubt, euch sanft zu wiegen.
Und wenn das Wasser euch so umgibt, könnt ihr spüren, wie ihr wieder an Kraft gewinnt, mit jeder sanften, wiegenden Bewegung, und ihr könnt spüren, wie die Energiereserven sich füllen und ihr euch mutiger fühlt. Langsam, ganz langsam, spürt ihr, wie die Kraft euren Körper ausfüllt, wie ihr im Wasser wieder an Form annehmt. Stellt euch vor, wie sich die Kraft um die Ränder eures Wesens herum sammelt, euch weiter und weiter ausfüllt bis ihr euch wieder ganz und gar fest und solide fühlt.
Erlaubt den Wellen dann, euch sanft zurück zum Strand zu treiben, zu der Strandhütte und einem Ort, an dem ihr euch ausruhen könnt. Wenn ihr jetzt schlafen gehen wollt, könnt ihr die Übung hier beenden und einfach in dieser Ruhe bleiben.
.
.
Grounding
Wenn ihr nur eine kleine Entspannungspause machen wolltet und ihr mit euren Aufgaben fortfahren müsst, dann nehmen wir uns jetzt Zeit, wieder völlig in der Gegenwart anzukommen. Beginnt damit, eure Finger und Zehen vorsichtig zu bewegen. Bringt dann Bewegung in eure Arme und Beine. Öffnet eure Augen und schaut euch um. Dann könnt ihr euch aufsetzen und eure Füße fest auf den Boden aufstellen. Bemerkt die Oberflächen, die ihr spüren könnt bei etwa 30% der Intensität. Die Geräusche, die ihr hören könnt, bei 30% der Intensität. Die Intensität der Farben um euch herum bei 30%. Tretet jetzt noch mehr in die Realität hinein. Bemerkt alles um euch herum ganz aufmerksam bei 60% der Intensität. Spürt eure Füße auf dem Boden und alle Oberflächen, doppelt so genau wie vorher. Hört den Geräuschen zu, die doppelt so real sind, doppelt so gegenwärtig. Schaut euch um und achtet genau darauf, wie fest und real die Gegenstände um euch herum sind. Und tretet jetzt noch weiter in die Realität hinein, vollständig und bis es nicht weiter geht, bei 100%. Bemerkt eure Füße, den Untergrund, die Oberflächen, bei 100%, nochmal fast doppelt so stark. Ganz präsent mit dem Erleben. Lauscht den Geräuschen bei 100%, fast doppelt so klar und deutlich wie vorher noch. Schaut euch um, während ihr die ganze Realität des Raumes um euch herum wahrnehmt. Wenn ihr zu 100% in der in der Gegenwart angekommen seid, streckt euch noch einmal, steht auf und macht mit eurem Tagesablauf weiter.
.
.
Wir nehmen uns so viel Zeit für ein langsames und sorgfältiges Grounding, weil diese Art Übung dazu gedacht ist, in einen Trancezustand hinein zu führen und Menschen mit struktureller Dissoziation dazu neigen, danach nicht mehr vollständig wieder heraus zu kommen. Wir funktionieren sehr oft knapp neben der Realität. Uns nicht sorgfältig zu erden, kann zu Verwirrung führen, weil wir in einer parallelen Realität mit dem Leben weiter machen und uns dem entsprechend verhalten. Wer das Problem hat, kennt das genau. Wir sind dann nicht wirklich in Raum und Zeit orientiert und das kann die Tür öffnen für Vermischung mit Trauma Inhalten. Deswegen ist so sorgfältiges Grounding für alle notwendig, die dazu neigen, in Trancezustände zu geraten.
.
Audio 1 (Ausgangspunkt niedrige Energie)
.
Audio 2 (Ausgangspunkt höhere Energie)
.
.
.
*Ihr könnt hier alles wählen, was ihr braucht. Ihr könnt auch Liebe, Hoffnung oder Heilung in eure Körperteile schicken oder ein Bild verwenden wie das von Licht oder einer Heilsalbe. Ich habe eine Freundin, die sich gerne vorstellt, dass sie Körperteile einfach nacheinander ausknipst zum entspannen.
.