Trauma Prozessieren ist auf verschiedenen Ebenen schwierig. Da ist emotionaler Stress, wenn wir uns die Szenen aus der Vergangenheit noch mal anschauen, körperlicher Stress, weil wir einen Teil der Stressreaktionen wiedererleben, mentaler Stress, weil das Gehirn hart daran arbeitet, die nötigen Integrativen Handlungen hinzubekommen und es gibt auch Stress im Persönlichkeitssystem, wenn verschiedene Anteile versuchen damit klar zu kommen, was passiert ist. Diese intensive Arbeit mit einer anderen Person zu tun, die dann auch darüber Bescheid weiß, kann eine zusätzliche Komponente von Unsicherheit hinzufügen. Wir beginnen mit dem Prozessieren erst, wenn wir die nötige Kapazität und Ressourcen haben, um mit all dem Stress umzugehen und wenn wir die nötige Zeit haben, um uns davon angemessen zu erholen.
Das ‘Prozessieren’ bei der Trauma Verarbeitung findet nicht wörtlich genommen innerhalb der Therapiestunde statt, in der wir uns die Erinnerung mit Hilfe einer Traumatherapie Technik anschauen. Während der Stunde wird das aufgebrochen und gelockert, neue Verbindungen werden hergestellt und wir öffnen eine Tür für eine neue Gelegenheit, die Erinnerung zu integrieren. Das startet den Verarbeitungsprozess, aber es beendet ihn in der Regel noch nicht. Die Erinnerung dann auch zu integrieren ist noch mal eine Sache für sich. Das braucht einige Tage, in denen wir uns verletzlicher fühlen, mehr Erinnerungen hoch kommen oder wir mehr Symptome erleben, während unser Gehirn darum ringt, das neu einzusortieren. Ein normaler Integrationsprozess beinhaltet auch immer eine Reihe von Gefühlen zu der Erinnerung wie Wut, emotionales Leid oder Trauer.
Es ist weise, uns die Zeit zu geben und uns zu erlauben, diesen Prozess durchlaufen zu lassen, bis er (zum größten Teil) fertig ist, bevor wir uns anderen Problemen im Leben zuwenden. Wie lange Leute dafür brauchen, wird sich von Person zu Person unterscheiden, aber ich würde dem mindestens 3 Tage geben. Ich persönlich nehme mir mindestens 5 und bis zu 10, wenn es um komplexe Prozesse mit mehreren Anteilen geht. Was wir in den Tagen nach dem Trauma Prozessieren tun, macht einen Unterschied. Wir können das Fenster von Integration offen halten, um uns selbst zu unterstützen und wir können es auch schließen, indem wir uns mit Dingen beschäftigen, die unsere Kapazität reduzieren. Es ist möglich, sich da selbst zu sabotieren, sodass das Gehirn wieder dissoziiert statt integriert. Hier sind ein paar Do’s und Don’ts.
Verzichtet auf:
- stumpfes Numbing als Coping, benutzt lieber erdende Ressourcen
- mehr Stress durch stressive Aktivitäten oder schwierige Personen
- sofort in knifflige Arbeit stürzen, lasst es langsam angehen
- mehr Triggern oder Traumainhalten aussetzen
- alle Verantwortlichkeiten sofort wieder aufgreifen, nehmt Hilfe in Anspruch
- …
Für manche Leute ist es am besten, in einer Klinik Trauma zu prozessieren, weil das der einzige Weg ist, wie sie mal eine Pause von ihrem normalen Leben bekommen und damit genug Zeit für sich, um die Verarbeitung abzuschließen. Um das in einem ambulanten Setting gut zu gestalten, müssen wir vielleicht ein paar Tage frei nehmen und uns ordentlich vorbereiten und andere Menschen um Unterstützung bitten.
Was ratsam ist:
Schlafen
Schlaft so viel ihr braucht. Trauma Verarbeitung ist anstrengend und es ist normal, sich danach müde, schwach und ausgelaugt zu fühlen. Das Gehirn braucht Schlaf, um Erfahrungen zu verarbeiten. Es gibt einiges an Wissenschaft, die den Gedanken unterstützt, dass Schlafen weit mehr ist als einfach nur bewusstlos zu sein, es ist ein anderer Modus von Datenverarbeitung im Gehirn, der uns hilft. Ihr müsst euch an keinen Tagesplan halten beim Schlafen, macht das wann immer es benötigt wird. Kliniken sollten Trauma Patient*innen nach dem Prozessieren Zeit zum Schlafen lassen und sie nicht zwingen, am Programm teilzunehmen.
Gut Essen
Energiereserven sind wahrscheinlich ausgeschöpft und es kann schwer sein, sich dann was zu Essen zu machen. Ungesundes Essen stresst den Körper zusätzlich, weil er Probleme hat, das zu verdauen und das gibt uns auch nicht die Art von Energie, die unser Körper braucht. Es kann helfen, vorher Mahlzeiten vorzubereiten und einzufrieren oder Essen da zu bestellen, wo es relativ gesund ist. Wir brauchen die Energie, um unserem Körper und Gehirn die Kraft zu geben für die Integration. Das hilft dem Körper, mit der Herausforderung umzugehen und stabilisiert unsere Emotionen.
Gehen und Putzen
Auch wenn ich kein Fan bin von Trauma Programmen, die extreme Exposition mit extremem Sport kombinieren, gibt es einen Mehrwert darin, sanfte Trauma Verarbeitung mit Bewegung zu kombinieren. Es gibt Studien, die zeigen, dass Gehen einen positiven Einfluss auf mentale Prozesse hat. Das beinhaltet auch eine bilaterale Aktivierung im Körper, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß, was mit ein Grund dafür sein könnte, warum das so gut funktioniert. Es soll kein achtsames Gehen sein, sondern eines, bei dem man die Aufmerksamkeit laufen lässt. Studien zeigen, dass es keinen Unterschied gibt zwischen dem Gehen drinnen und draußen. Wenn ihr nicht raus könnt, ist ein Walking Pad oder ein Trampolin auch ok. In meinen Trauma Intervallen gebe ich immer darauf acht, meine 10.000 Schritte am Tag voll zu kriegen.
Putzen hat einen erstaunlich ähnlichen Effekt. Das kombiniert anstrengende Bewegung mit einem ähnlichen mentalen Zustand, wo das Gehirn sich nicht fokussiert, sondern ein bisschen treiben lässt. Die symbolische Handlung, etwas Altes wegzuputzen und es frisch und neu zu machen, hat ihren eigenen psychologischen Nutzen.
Natur
Uns mit der Natur zu verbinden, ist besonders erdend. Es präsentiert uns die Welt heute, die keine TraumaZeit ist. Wir schauen uns um und spüren mit unsere Sinnen. Es ist das Gegenteil von Dissoziation und Taubheit. Raus gehen, uns um Pflanzen kümmern, das Fenster öffnen und die Welt beobachten, während wir frische Luft atmen, mit Haustieren spielen, all das trägt zur Verarbeitung bei. Es bildet ein Gegengewicht zu traumatischem Stress. Besser noch, das lässt sich gleich mit einem Spaziergang verbinden. Bildschirme haben in der Regel einen betäubenden Effekt, während die Natur uns erdet. Wenn ihr draußen seid, achtet auch auf den Himmel. Da ist eine ganze dritte Dimension, wenn wir hoch schauen, die gut für die Seele ist. Ich hatte schon mehrere Situationen, wo jüngere Anteile plötzlich realisiert haben, dass TraumaZeit vorbei ist, als sie am Tag nach der Therapiesitzung in den Himmel geschaut haben.
Schönheit
Etwas Schönes zu sehen oder zu spüren, stellt Balance für die Seele her. Wir haben uns gerade schlimme Sachen angeschaut beim Trauma Prozessieren. Etwas Schönes zu erleben, hilft uns damit umzugehen und stupst unser Gehirn ein bisschen dazu an zu bemerken, dass die schlimmen Dinge vorbei sind. Stauen und stille Bewunderung sind Gefühle, die einen starken emotionalen Einfluss haben, der von Menschen oft als heilsam empfunden wird. Das tut der Seele gut, wenn sie sich roh und verletzlich anfühlt. Auch das lässt sich gut mit der Natur und Spaziergängen verbinden. Aber auch Kunstwerke betrachten, klassische oder Film Musik hören oder jemandem beim Tanzen zuschauen, kann den gleichen Effekt haben. Es gibt einen Grund dafür, warum sich Menschen so gut fühlen, wenn sie Musicals anschauen. Hier ist eines, das ich mag.
Verbundenheit
Meldet euch bei Leuten, die euch in eurem Heilungsweg unterstützen, nachdem ihr eine Trauma Sitzung hattet. Es ist nicht nötig, da viel von zu erzählen oder emotional tief zu gehen und es muss auch kein langes Gespräch sein. Es hilft einfach, zu wissen, dass man nicht alleine ist und andere an einen denken. Kliniken, die die Kommunikation mit Unterstützer*innen unterbinden, tun traumatisierten Menschen keinen Gefallen. Zwischenmenschliche Verbundenheit ist eine Ressource, die uns mehr an die Gegenwart und die gefühlte Realität heute bindet. Das sollte nicht zu einer extremen Ablenkung werden, die wieder dem Numbing von innerem Erleben dient. Aber menschlicher Kontakt ist in der Erholungsphase erst einmal etwas Gutes.
‘Deep Play’ und Re-Creation
Es gibt Aktivitäten, die ein körperliches Element, die Vorstellungskraft, spielerisches Herangehen und kreatives Denken oder Problemlösen miteinander vereinen. Dazu gehören zB
- Musik machen/singen
- Kunst herstellen
- Schreiben
- Kochen
- Basteln oder Handarbeit
- Klettern
- Puzzeln
- bestimmte Arten von intensivem Sport
- Spiele spielen (Wichtig: keine Bildschirme! Computer- oder Videospiele haben oft einen Numbing Effekt, den es beim Schach oder bei analogen Escape Adventuren nicht gibt.)
Bemerkt, dass das Aktivitäten sind, die beleben statt zu betäuben. Selbst wenn man das lange macht, fühlt man sich danach nicht leer und hohl. Das sind die Sorte von Aktivitäten, die uns nach dem Trauma Prozessieren helfen, wenn wir mehr Regulation brauchen. Numbing hat seinen Platz in unserem Werkzeugkoffer, aber es kann die Trauma Integration behindern, wenn wir das nach einer Trauma Sitzung im Extrem nutzen. Macht euch eine Liste von aktiven, kreativen Beschäftigungen.
Wenn ihr eure Trauma Ts fragt, dann machen die sehr wahrscheinlich exakt das gleiche, um sich zu helfen, mit der Arbeit zurecht zu kommen und Resilienz aufzubauen. Das sind Dinge, die helfen, Stress abzubauen und die uns vor dem Einfluss von Stress beschützen, wenn wir sie regelmäßig in unser Leben aufnehmen.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Qualität von Stabilisierung, die wir haben und wie schwer wir die Trauma Verarbeitung erleben. Je weniger Stabilisierung und Regulationsfertigkeiten wir in die Therapie Sitzung mitbringen, desto mehr spüren wir den Einfluss danach. Wenn nur sehr begrenzt Kraft übrig ist, würde ich die Aktivitäten in etwa so priorisieren, wie sie hier aufgelistet sind. Schlaf und Essen zuerst. Spaziergänge falls möglich. Alles andere kann man tun, wenn es keinen Stress produziert, weil es zu viel Energie kostet. Achtet immer darauf, auch einen Plan für eure Erholung nach den Therapiestunden zu machen und nicht nur für die Sitzungen selbst. Trauma Integration braucht Zeit. Wir sollten diese Zeit vor Störungen schützen. So erhöhen wir unsere Chancen auf Erfolg.
Dieser Artikel ist angelehnt an ‘Pause’ von Alex Soojung-Kim Pang. Da geht es mehr um den Kontext von Burnout und kreative Leistung