Manchmal stehen wir schwierigen Situationen oder Ereignissen gegenüber und wir können sie nicht vermeiden, weil sie wichtig sind (medizinische Untersuchungen, eine Hochzeit im engen Freundeskreis) oder weil sie auf uns zukommen, ganz egal was wir tun (Jahrestage). Wir brauchen einen Weg, um die negativen Auswirkungen so gut es geht zu reduzieren und es vielleicht sogar zu einem Erfolgserlebnis zu machen. Es gibt eine Tendenz dazu, an solche schwierigen Situationen einfach nicht zu denken, bis sie schon begonnen haben und dann müssen wir völlig unvorbereitet da durch stolpern und den Schaden hinnehmen, der entsteht. Wir kommen viel besser durch, wenn wir uns die Zeit nehmen, uns angemessen vorzubereiten. Dann können wir
- alle Innen wissen lassen, dass was wir tun werden, heute tatsächlich sicher ist und warum
- Innen kommunizieren, dass es unsere freie Entscheidung ist und niemand uns zwingt
- erklären, was genau passieren wird (und was nicht passieren wird) und Fragen beantworten, die Anteile dazu haben
- uns ein klares Bild davon machen, was für Schwierigkeiten zu erwarten sind
- über die Ressourcen nachdenken, die Anteile brauchen werden und diese schon vorher vorbereiten
- eine Exit Strategie entwickeln, die keine negativen Nebeneffekte für uns hat
- vorher schon mit Leuten kommunizieren, um sie vorzubereiten
- einen Schlachtplan entwerfen, aus dem hervorgeht, was alle tun werden
- den Crash nach dem Ereignis verhindern
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Unser Plan wird am übersichtlichsten, wenn wir ihn in 3 Phasen einteilen, Vorher, Während und Danach. Manchmal wird die Übung als Signposting (Wegweiser aufstellen) bezeichnet, im Finding Solid Ground Programm findet ihr das als ‘BDA’ (before, during, after) in einer kürzeren Form. Wir schauen uns die einzelnen Abschnitte genauer an. Es ist notwendig, dass ihr euch jeweils Notizen macht, wenn ihr das verwendet. Das ist zu viel, um es im Kopf zu behalten. Fügt eure eigenen Aufgaben mit Hilfe eurer eigenen Erfahrung hinzu.
Vorher
Wir können das Vorher noch mal in zwei Bereiche unterteilen. Im ersten schauen wir uns Sachen an, die wir vorher vorbereiten können, manchmal schon Wochen vor dem Ereignis. Im zweiten sehen wir dann, was wir direkt vor dem Ereignis tun können, um uns am Anfang so stabil wie möglich aufzustellen.
Langfristige Vorbereitung
- Ist es möglich, jemanden als Begleitung und Unterstützung mitzunehmen? Fragt diese Person so früh ihr könnt, damit sie ihre Zeit nicht anders verplant. Wenn das nicht schon geschehen ist, wollt ihr der Person vielleicht beibringen, wie sie sich verhalten soll, wenn ihr in Schwierigkeiten geratet, indem ihr ein kleines Rollenspiel daraus macht. Sie sollten auch wissen, was sie eben gerade nicht tun sollten. Schreibt das auf, falls ihr mit neuen Leuten arbeitet wie zB Pflegepersonal
- Gibt es Dinge, die ihr brauchen werdet, die ihr vorher schon bestellen könnt? Das können Geschenke oder Klamotten, Notfall Medikamente oder etwas für diese Situation spezifisches sein, was ihr jetzt noch nicht habt. Jede Art der Vorbereitung, die kurz vor dem Ereignis den Druck reduziert, ist hilfreich.
- Macht eine richtige Team Sitzung. Erklärt dabei, was ihr tun werdet und warum das nötig ist. Schließt dabei Informationen mit ein, die allen helfen zu verstehen, dass nichts schlimmes passieren wird. Als nächstes dürfen alle Anteile ihre Sorgen oder Befürchtungen zu dem Ereignis ausdrücken und einschätzen, wie viel davon zum aktuellen Moment gehört und wie viel zur Vergangenheit, zB in Prozentzahlen. Das sind wichtige Informationen. Dann können wir daran arbeiten, die Sorgen so weit es nur geht aufzulösen, indem wir Fragen beantworten, Anteilen Wahlmöglichkeiten anbieten, versprechen ihre Grenzen einzuhalten und ihre Bedürfnisse zu beschützen. Wir können zusammen diskriminieren was Früher ist und was Heute und sicher stellen, dass alle geerdet sind. Je weniger Ängstlichkeit schon vor der Ereignis besteht desto besser. Manchmal müssen jüngere Anteile nur hören, dass sich die Erwachsenen um alles kümmern und es nicht ihre Verantwortung ist, dafür zu sorgen, dass es klappt.
- Wer könnte euch ermutigen? Bittet andere darum. Es gibt keinen Grund, warum ihr euch nicht unterstützt fühlen solltet. Vielleicht weisen andere auch auf Fertigkeiten oder Stärken hin, die ihr bei euch leicht überseht und steigern so euer Selbstvertrauen. Zu wissen, dass ihr nicht alleine seid und dass andere an euch denken und euch anfeuern, und wenn es ‘nur’ eine online Community ist, ist sehr machtvoll.
- Was könnt ihr alles über das Ereignis im Heute herausfinden? Man kann sich Verfahren online heraussuchen, schon mal Bilder der Umgebung anschauen, Instrumente googlen, die verwendet werden und Leute, von denen ihr wisst, dass ihr denen da begegnet. Schaut euch Berichte an, Youtube Videos, das Social Media Auftreten von Personen, wenn das hilft. Ihr sucht nach Informationen, die euch helfen, euch zu beruhigen, ein Gefühl von Vertrautheit mit dem Ereignis zu schaffen, bevor es passiert und vielleicht auch Leute auszumachen, die vertrauenswürdig erscheinen.
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Direkt vor dem Ereignis
- Habt ihr alles? Packt eure Tasche sorgfältig. Nehmt wirklich alles mit, von dem ihr entschieden habt, dass es hilfreich ist und stellt sicher, dass die Anteile, die das brauchen, auch bewusst bemerken, dass ihr es eingepackt habt.
- Was könnt ihr tragen, um euch sicher zu fühlen? Fügt hinzu, was ihr braucht, vielleicht auch unsichtbare Dinge aus dem magischen Laden. Der ist genau für solche Situationen gemacht.
- Sind alle an ihrem Platz? Nehmt euch Zeit, um alle Anteile in die Position zu bringen, die ihr abgesprochen habt. Anteile, die nichts von dem Ereignis mitkriegen sollen, können sich in einen privaten Raum zurück ziehen und schlafen oder Zeit mit inneren Helferfiguren verbringen.
- Schaut euch noch mal euren Schlachtplan an, damit ihr euch daran erinnert.
- Direkt vorher noch mal Grounding zu nutzen garantiert, dass ihr so stabil wie es geht in die Situation rein geht.
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Während
Es gibt Dinge, die wir schon mal vorbereiten können, um uns gut durch die Situation selbst zu bringen, während sie passiert.
- Fragt euch, welche Ressourcen nützlich sein könnten und macht eine Liste. Das umfasst Gegenstände zur Beruhigung, Fertigkeiten und Übungen wie Grounding oder Flashbacks stoppen, Zugang zu Unterstützung wie die Möglichkeit, jemanden anzurufen, alle eure eigenen Tricks und Dinge, die andere tun könnten, um euch zu helfen, sowie Notfall Medikamente. Stellt dann sicher, dass ihr alles da habt zum einpacken.
- Macht euch eine Liste mit möglichen Triggern während der Situation. Das ist ungemütlich, hilft euch aber genau zu wissen, wann ihr ganz besonders aufs Grounding achten solltet. Manchmal können wir dann auch planen, wie wir Triggern aus dem Weg gehen können, zB indem wir während einer Gruppenaktivität ins Nebenzimmer gehen.
- Schreibt euch auf, was ihr machen werdet und was ihr nicht machen werdet. So wissen andere Anteile, dass es Regeln gibt, die dazu dienen, dass ihr ohne Katastrophen durch die Situation kommt. Es macht zB Sinn zu entscheiden, dass bei einem problematischen Familiengeburtstag kein Alkohol getrunken wird, weil das euer Grounding beeinträchtigt. Zu planen, was ihr tun werdet, über was ihr reden werdet und bei welchen Aktivitäten ihr mitmacht, kann sehr hilfreich sein. Es ist schwer, sich an einen Plan zu halten, der nur aus Dingen besteht, die man nicht tun soll und nicht sagt, was man denn statt dessen tun will. Wenn wir ein Gespräch mit unserem ausgewählten Thema übernehmen, können wir es von anderen Themen weg lenken. Wenn alle Innen wissen, was zu tun ist, reduziert das die Anzahl schwieriger Entscheidungen in einer stressigen Situation.
- Bei guter innerer Kommunikation können wir auch planen, wie geswitched wird, wenn etwas für die ausgewählte Frontperson zur Überforderung wird. Es ist einfacher, wenn wir wissen, dass wir alles jemand anderem übergeben können, der frisch und funktionsfähig ist. So kann man auch verhindern, dass junge Anteile sich verantwortlich fühlen und nach Vorne kommen. Teaming macht uns stabiler und widerstandsfähiger.
- Macht einen Time Out Plan. Dafür findet ihr heraus, wo ihr alleine sein könnt, um eine Pause zu machen, durchzuatmen und euch zu beruhigen. Auf die Toilette gehen ist ein Klassiker. Üben um eine Pause zu bitten zählt auch. Manchmal ist ein Spaziergang die beste Option, weil es sonst nicht möglich ist, ausreichend Privatsphäre zu bekommen. Dann könntet ihr euch vorher schon mit der Umgebung bekannt machen und abchecken, wo es möglich ist ein bisschen zu laufen. Stellt sicher, dass alle Anteile wissen, dass sie um ein Time Out bitten dürfen und wo ihr dafür hin geht.
- Macht einen Exit Plan. Ein Exit Plan bedeutet, einen sicheren Weg zu haben, eine Situation verlassen zu können. Das umfasst sichere Transportmöglichkeiten und einen sicheren Ort, an den ihr euch zurück ziehen könnt. Schon mal die Nummer eines örtlichen Taxi Unternehmens im Handy zu speichern, ist eine gute Art, euch zu schützen, solltet ihr selbst nicht mehr fahren können. Vielleicht hilft euch auch eine Begleitung und ihr könnt den Exit Plan zusammen entwerfen.
- Was ist eure schlimmste Befürchtung, was passieren könnte? Was besorgt euch am meisten? Seid ihr früher schon in so einer Position gewesen und könnt euch dran erinnern, was schief gelaufen ist? Ist das in der aktuellen Situation auch eine realistische Angst? Bereitet euch auf alles vor, was eine reale Möglichkeit ist. Wenn ihr aufs Schlimmste vorbereitet seid, kann euch kaum noch was überraschen. Ihr fühlt euch vorbereitet kompetenter und bereiter, was euch auch davor schützt, überrollt zu werden.
- Wann immer ihr es mit einer Situation zu tun habt, die kein Einzelereignis ist, sondern sich über Tage oder sogar Wochen erstreckt, macht es Sinn, immer wieder Kontakt mit eurem Hilfenetzwerk zu haben, um Rückmeldung und Ermutigung zu bekommen. Auch Anrufe bei behandelnden Ts können die Stabilisierung zwischen drin unterstützen. Je länger die Situation, desto breiter sollte unser Zugang zu Ressourcen sein. Während wir bei einem 1-Stunden Ereignis vielleicht nur 2 Gegenstände zur Beruhigung einpacken, nehmen wir für einen 4-Wochen Zeitraum alles mit.
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Danach
Die meisten Menschen machen keinen Danach-Plan und das ist ein schwerer Fehler. Gewöhnlich kommt es nach einem stressigen Ereignis zu einem Crash, selbst wenn wir es gut durch geschafft haben und alles ok schien. Der Stress holt uns ein, sobald wir sicher sind und anfangen, uns zu entspannen. Eine Menge schlechtes Coping passiert nicht während einer schwierigen Situation sondern danach. Deswegen ist es nötig, das Danach in unseren Plan mit einzubeziehen, statt so zu tun, als würde es nicht schwierig werden.
- Plant etwas Zeit ein, um direkt nach der Situation die nervöse Energie aus eurem Körper abzubauen. Sehr wahrscheinlich seid ihr angespannt und in Hyperarousal. Ein zügiger Spaziergang, auf dem Trampolin springen oder anders aktiv sein nutzt die nervöse Energie und hilft dem Körper, wieder in ein Gleichgewicht zu kommen. Ich renne immer die Strecke von der Frauenärztin nach Hause, weil ich meinen Impuls wegzurennen dann lange genug unterdrückt habe und mein Körper das loswerden muss. Eine stressige Situation mit Bewegung abzuschließen ist ein Trick, der unser Leben deutlich leichter machen kann.
- Bereitet einen sicheren Ort vor, an dem ihr nach dem Ereignis ankommen könnt. Zuhause könnt ihr alles vorbereiten für gute Selbstfürsorge und persönliche Ressourcen bereit stellen. Wann immer euer sicherer Raum nicht euer Zuhause ist, könnt ihr dort etwas wohlbekanntes hin stellen, wie ein Kuscheltier oder bewusst eurer normalen Routine folgen, um ein Gefühl von Sicherheit zu verstärken.
- Holt eure Ressourcen heraus und stellt sie euch so hin, dass ihr sie sehen könnt. Auch wenn das Ereignis vorbei ist, dürfen die alle noch verwendet werden, auch die Notfall Medikamente. Vielleicht bereitet ihr auch eine alltägliche oder lustige Aktivität vor, um die Stimmung zu ändern und euch abzulenken.
- Macht einen Roll Call und checked, wie es allen geht und ob irgendwas benötigt wird. Nehmt euch Zeit zum trösten und orientieren von Anteilen, die zu kämpfen haben. Achtet darauf, dass alle wissen, dass die Situation jetzt vorbei ist und ihr an einem sicheren Ort seid.
- Plant, wie ihr euch auf eine sichere Art trösten könnt. Das muss nicht direkt gesund sein (falls Chicken Nuggets die Lösung sind), aber sicher. Musik, ASMR, ein Computerspiel, Tacos, mit dem Haustier kuscheln, ein Kissen halten, süßer Tee, was auch immer für euch gut ist. Prüft, ob ihr alles dafür habt und kauft nach, was fast leer ist.
- Nicht alle können das schon, aber es könnte ein Ziel sein, euch selbst auch zu belohnen dafür, dass ihr euch der schwierigen Situation gestellt habt und euch Mühe gegeben habt, zusammen zu arbeiten. Der Job sich gut zu verstecken ist dabei genauso wichtig wie der Job Vorne gut geerdet zu bleiben. Ihr könntet ein Gefühl von Erfolg entwickeln. Besorgt euch eine Belohnung, ganz egal wie ihr durch die Situation gekommen seid, einfach weil ihr euer Bestes gegeben habt.
- Mit etwas Abstand und einer Erholungspause könnt ihr dann bewusst auf die Situation zurück schauen und sie analysieren, euch fragen was geklappt hat, wo es Probleme gab und was ihr nächstes Mal tun könnt.
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So ein Plan ist richtig Arbeit und muss nicht immer jeden Punkt beinhalten, aber ihr werdet auch merken, wie viel besser vorbereitet ihr euch damit fühlt. Alle Innen können einen Halt darin finden, den Plan zu kennen und zu wissen, was passieren wird. Den Danach-Plan zu kennen, kann als Ermutigung dienen, um es durch die Während-Phase zu schaffen. Wenn wir dem ganzen System erlauben, zu dem Plan mit beizutragen, stärkt das unsere Kooperation und verbessert unsere Chancen auf Erfolg.
Amy says
Wow.. Not able to find words, but wow.. Thank you so much!
I can finally draw up a master plan *_*